Haruki Murakami - Hard-boiled Wonderland und ....

Es gibt 43 Antworten in diesem Thema, welches 13.034 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Jari.

  • Hallo ihr Lieben,


    lange habe ich Jagd auf dieses Buch gemacht - schon "ewig" wird es nicht mehr gedruckt und die Gebraucht-Preise bei Amazon/eBay/Booklooker sind jenseits der 40 EUR Marke. Nun konnte ich "Hard-boiled Wonderland und das Ende der Welt" für 14 EUR bei Booklooker ergattern :klatschen:
    Da es sich um ein fast neues Mängelexemplar handelt und der Neupreis auch bei 14 EUR lag, bin ich zufrieden und glücklich.


    Überrascht war ich gestern von der Dicke des Buches (542 Seiten), kenne ich doch bisher eher die dünneren Murakamis.


    Worum geht es


    Tokyo, ferne Gegenwart. Es herrscht Datenkrieg. Das System, die Organisation der- gar nicht so guten- ewig Guten, entwickelt immer ausgeklügeltere Verschlüsselungstechniken, die von der Fabrik, einer Art Datenmafia, immer wieder geknackt werden. Ein genialer greiser Wissenschaftler, der Professor, entwirft dem System jedoch ein absolut sicheres Kodierverfahren: Einer Gruppe professioneller Datenwäscher, allesamt Mitarbeiter des Systems, isoliert er die Persönlichkeitsstruktur, den "Psychokern", und implantiert ihn einigen Versuchspersonen als jederzeit per Kodesignal aufzurufende Black Box ins Gehirn. Ver- und Entschlüsselungen können nur im Unterbewusstsein stattfinden, jeder unerwünschte Zugriff auf Daten wird verhindert. Doch nur der 35jährige coole Held und Ich-Erzähler überlebt die Prozedur und findet sich zwischen allen Fronten. Auf seinen parallelen Reisen durch das mehr oder weniger reale Tokyo und die phantastische Stadt in seinem Kopf, erlebt der hirnmanipulierte Yuppie wundersame Abenteuer.


    -------------


    Es soll ja sehr sehr schräg und eines der besten des Autors sein. Hat das Buch schon jemand von euch gelesen?


    Übrigens: Für alle, die sich das Buch auch kaufen möchten - der Dumont Verlag wird im nächsten Jahr eine Neuauflage als Hardcover herausbringen! Also lasst euch nicht bei eBay übers Ohr hauen! :klatschen: Ich selbst bin aber sehr glücklich mit dieser wunderschön-hässlichen Ausgabe des Suhrkamp Verlages.


    Liebe Grüße
    nimue

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Hallo nimue,


    ja, Hard-boiled wonderland habe ich schon vor geraumer Zeit gelesen und ich mochte es ziemlich gern, wie ich ja im Allgemeinen die phantastisch angehauchten Murakamis sehr gern mag. Von dem Umfang des Buches solltest du dich nicht schrecken lassen, es ist im Tokyo-Strang sehr spannend und im "Ende der Welt"-Strang so rätselhaft, dass mir kaum einmal langweilig geworden ist (ok, letzterer könnte nach hinten raus etwas gestrafft werden).


    Die Figuren in "HbW" sind meines Erachtens nicht so schön skurril wie zB in "Wilde Schafsjagd" oder "Mr Aufziehvogel", ob ich das Buch also "schräg" finden soll, weiß ich nicht; es ist halt ein SF, war, wie ich mal gehört habe, in den 80ern auch in einigen Buchhandlungen unter dieser Rubrik einsortiert. Im Grunde ist es eine Mischung aus einer Thriller-Handlung (Tokyo) und einem etwas schmalzigen Kafka (Ende der Welt). Sehr schönes Detail ist das Auftauchen eines abgespaltenen Schattens, was mir neulich wieder einfiel, als ich den Chamisso gelesen habe und darüber nachdachte, wo ein solcher wohl sonst noch in der Literatur eine Rolle spielt.


    Viel Spaß bei der Lektüre wünscht
    Bartlebooth.

  • Hi,
    herzlichen Glückwunsch zu deinem Fang


    ich finde HbW ist tatsächlich der beste Murakami, gelesen habe ich bis auf den "Kafka amStrand" glaub ich, alle.


    ich fand HbW war durchaus am seltsamsten, dadurch, dass es halt gleich eine parallele Welt gab.


    Seltsam trifft es als Beschreibung irgenwie eher als skurril


    Ich werde mir das Buch sicher irgendwann mal (wenns günstig zu haben ist :zwinker: ) besorgen, das könnte ich durchaus nochmal lesen.


    und als Parrallel-Tip: Filme von David Lynch (Twin Peaks) kommen mir irgendwie von der seltsamen Stimmung her am vergleichbarsten vor. :bang:



    :elch:
    illy

  • Ui!


    Wusste nichts von dem Buch. Jetzt hab ich doch glatt ein Weihnachtsgeschenk für meine Schwester (die ist fanatisch!), vorausgesetzt ich finds irgendwo, aber da du dir schon schwer getan hast...
    Aber ist nicht vor kurzem auch irgendeine neue Übersetzung von ihm raugekommen?


    LG,


    Ragle

  • Juppi Juppi Ju
    von Haruki Muarakamis Buch Hardboiled Wonderland und das Ende der Welt
    gibt es eine Neuauflage. Für 24€ gut dass ist immernoch ne ganze Menge Geld aber besser wie 40 oder 50 €.


    Grüßle Gonzo :winken: [/url]

  • Zitat von "Bartlebooth"

    ja, Hard-boiled wonderland habe ich schon vor geraumer Zeit gelesen und ich mochte es ziemlich gern, wie ich ja im Allgemeinen die phantastisch angehauchten Murakamis sehr gern mag.


    In dem Zusammenhang würde mich interessieren, welches denn die 'phantastisch angehauchten' Murakamis sind. Aufgrund des vielen Lobes für diesen Autor, habe ich letztes Jahr "Gefährliche Geliebte" gelesen. Es hat mich aber bei weitem nicht umgehauen. Ok, das Ende war wirklich gut und die Geschichte hatte etwas besonderes aber ich hatte mehr und vor allem anderes erwartet.
    "Der Tanz mit dem Schafsmann" wartet seitdem bei mir darauf, gelesen zu werden.

  • Ingroscha
    Der Tanz mit dem Schafsmann hat mir sehr gut gefallen und ich würde sagen, dass das auf jeden Fall phantastisch angehaucht ist. Und es ist anders als Gefährliche Geliebte.
    Eines meiner lieblings Bücher.


    Grüße Gonzo

  • Ingroscha, das war bei mir auch so. Ich habe zuerst 'Sputnik Sweetheart' und 'Gefährliche Geliebte' gelesen, die beide gut, aber eben nicht so besonders und außergewöhnlich waren. Dann habe ich 'Tanz mit dem Schafsmann' geschenkt bekommen und da war es um mich geschehen, was für ein wahnsinnig tolles Buch, genau wie 'Kafka am Strand'. Mehr habe ich leider noch nicht von ihm gelesen.

    Für mich selbst habe ich übrigens die Erfahrung gemacht, dass ich Murakami lieber auf Englisch lese, keine Ahnung warum (das sind doch auch Übersetzungen, oder?). Vielleicht, weil es dann länger dauert und ich mehr davon habe. :zwinker:

  • Hallo Ingroscha,

    Zitat von "Ingroscha"

    In dem Zusammenhang würde mich interessieren, welches denn die 'phantastisch angehauchten' Murakamis sind.


    Das sind neben HBW mMn noch Mr. Aufziehvogel, Wilde Schafsjagd und Tanz mit dem Schafsmann (was eine Art Fortsetzung zur Schafsjagd ist). Ich würde es an deiner Stelle mal mit der Schafsjagd probieren.


    Herzlich, B.

  • Danke für eure Hinweise, ich werde mir die Schafsjagd dann auf meinen Wunschzettel schreiben. Mir war gar nicht bewusst, dass es einen Vorgänger zum "Tanz mit dem Schafsmann" gibt. Die anderen phantastisch angehauchten Titel landen dann auch auf meinem Wunschzettel :)

  • Murakami ist auch einer meiner Lieblingsautoren, falls du weitere Empfehlungen brauchst:


    Mister Aufziehvogel ist zwar sehr doch ca. 700 Seiten, dafür aber eines seiner besten bücher wie ich finde, habe ich letztes jahr im sommer urlaub gelesen und bin seitdem begeisterter murakami fan!!!! :bang:


    zum thema fantastisch angehaucht: ich denke dass jedes buch von ihm auf seine weise fantasy elemente beinhaltet so auch sputnik sweezheart und naokos lächeln.

  • Murakami nutzt zwar überwiegend skurrile Handlungumgebungen in seinen Werken, die auch mal einen etwas fiktiven und phantastischen Plot besitzen, aber man sollte sich schon darüber im Klaren sein, daß es bei diesem Autor nicht um den Plot geht.


    Murakamis inhaltliche Aussage (dei fast in jedem seiner Werke vorhanden ist) bzieht sich neben der sozialen Komponente immer auch auf die Frage, ob der Zivilisationsprozeß, gerade der westliche, die Werte des Lebens nicht auf der Strecke lässt.
    Das Zusammenspiel Seele, inneres Gleichgewicht, Wertvorstellung und Lebensphilosophie nimmt in seinen Werken einen enormen Platz ein, ohne daß er es nötig hätte, den Leser mit der Keule darauf aufmerksam zu machen.


    Wer Murakami nur wegen der abgedrehten Storys mag, hat nur einen Teil seiner Geschichten verstanden. Da steckt wesentlich mehr drin.


    Und noch ein Fakt sollte einmal in einem Forum erwähnt werden: HBW ist KEIN SF, nicht einmal annähernd.
    Phantastik - okay, Mystik - vorhanden, aber nicht mal die Spur von Science-Fiction !


    Eine Rezension dazu unter http://www.leseattacke.de


    Gruß
    Jürgen


  • Und noch ein Fakt sollte einmal in einem Forum erwähnt werden: HBW ist KEIN SF, nicht einmal annähernd.
    Phantastik - okay, Mystik - vorhanden, aber nicht mal die Spur von Science-Fiction !


    Hallo Jürgen,


    dann definiere mal SF :breitgrins:. HBW ist in einem sehr grundlegenden Sinn SF, denn es geht hier ja ganz zentral um eine technische Neuerung: das Shuffeln.
    Die anderen Bücher, wie die Schafsjagd oder Mister Aufziehvogel sind, da gebe ich Dir recht, Phantastik in einem bilderbuchhaft engen Sinne. Aber HBW fällt da aus dem Rahmen.


    Herzlich, B.

  • Hallo zusammen!


    Hallo Jürgen,


    dann definiere mal SF :breitgrins:.


    Haltet Ihr mich auf dem Laufenden, wenn Ihr eine funktionierende Definition habt? Ich suche gerade eine für ein Referat *ggg*. Danke!


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Hallo sandhofer,


    für ein Referat muss eine Arbeitshypothese, die Du dann in Interaktion mit dem Publikum verfeinerst, ausreichen. :breitgrins:


    Herzlich, B.

  • Hi!


    für ein Referat muss eine Arbeitshypothese, die Du dann in Interaktion mit dem Publikum verfeinerst, ausreichen. :breitgrins:


    Oh nein! :entsetzt: Das sind Hard-Core-SF-Leser! Da lasse ich wohl lieber die Finger von so einem Experiment! Sonst endet's für mich so wie für Alfa_Romeas Smilie: :autsch:


    Grüsse


    Sandhofer :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Aber Hardcore-SF-Leser kannst Du doch auch mit irgendeiner gängigen Theorie, wie der von Jens Malte Fischer o.ä. beglücken (die ich übrigens so schlecht nicht finde). Die sind doch meistens eher an der historischen Entwicklung als an der theoretischen Problematik interessiert (ich will da niemandem zu nahe treten und bin offen für Korrekturen) :)

  • Ich habe das Buch in der englischen Übersetzung von Alfred Birnbaum unter dem Titel "Hard-boiled Wonderland and the End of the World" gelesen.


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    Schon im Inhaltsverzeichnis wird deutlich, dass das Buch aus zwei Teilen besteht: Der Titel der ungeraden Kapitel besteht aus jeweils 3 Substantiven, deren Zusammenstellung neugierig macht – was mag z. B. Whiskey, Folter und Turgenjew verbinden? Die Titel der geraden Kapitel dagegen sind kursiv gedruckt und heißen z. B. Die Mauer oder Grauer Rauch.
    Schnell wird deutlich, dass sich dahinter 2 Erzählstränge verbergen, von denen der erste "Hard-boiled Wonderland" und der zweite "Das Ende der Welt" heißen.


    Der namenlosen Ich-Erzähler des ersten Stranges, der wohl in der nahen Zukunft spielt, ist ein Calcutec, ein Mann, der nach einer Gehirnoperation in der Lage ist, zu "shuffeln", d. h., Information hundertprozentig sicher zu vercoden. Während es bisher immer gelungen war, auch die kompliziertesten Codes zu knacken, ist dies nun nicht mehr möglich. Von dem "System" angestellt, bekommt er einen Auftrag eines Forschers, der sich ein unterirdisches, geheimes Labor eingerichtet hat. Er vershuffelt die Information wie gehabt und erfährt von dem Forscher, dass es absolut notwendig ist, nach einer bestimmten Frist zu ihm zurück zu kehren. Dies schon lässt ihn ahnen, dass dieser Auftrag kein gewöhnlicher ist, und bestätigt wird ihm das, als er Besuch von der "Fabrik" erhält, dem Gegenspieler des Systems. Es scheint um (sein) Leben und Tod zu gehen, er begibt auf der Suche nach dem Forscher auf eine Odyssee in der wörtlichen Unterwelt unter Tokio.


    Im zweiten, im Präsens erzählten Erzählstrang findet sich ein anderer Ich-Erzähler in einer ihm unbekannten, von einer unüberwindbaren Mauer hermetisch abgeriegelten Stadt wieder, ohne sich genau daran erinnern zu können, wie oder wieso er dorthin kam und was vorher war. Nur weiß er, dass er, um die Stadt betreten zu dürfen, seinen Schatten opfern musste. Dieser wurde ihm abgeschnitten und der Obhut des Torhüters übergeben, bei dem er (der Schatten) die letzten Monate bis zu seinem Tod leben wird. Dem Ich-Erzähler, der sich anfangs in der Stadt wohl fühlt, wird allmählich klar, dass dort nicht alles zum Rechten steht – so haben die anderen Bewohnern kein "mind", (leider weiß ich nicht, wie dieser Ausdruck ins Deutsche übersetzt ist; Geist oder Seele vielleicht?), und er erfährt, dass auch er diesen mit dem Tod seines Schattens verlieren wird. Er beschließt, zusammen mit seinem Schatten zu fliehen.


    Diese beiden Stränge scheinen nichts miteinander zu tun zu haben, doch gibt es sonderbare Parallelen. Gewisse Gegenstände wie z. B. Büroklammern fallen beiden Erzählern immer wieder auf, Tierschädel spielen hier wie dort eine wichtige Rolle, und schon bald vermutete ich einen bestimmten Zusammenhang, der sich später als weitgehend richtig herausstellte.
    Beide Stränge sind spannend zu lesen, allerdings enthält der erste in der Mitte für meinen Geschmack etwas zu viel Action und langweilte mich daher etwas.
    Das Ende des Romans ist gelungen – es bietet noch einmal eine gehörige Überraschung und lässt wehmütig von dem Buch und seinen Personen Abschied nehmen, während man überlegt, wie (oder ob) es mit diesen weiter gehen kann.
    Stilistisch war die Lektüre dieses Buches ein Genuss. Jedes einzelne Wort stimmte (zumindest in der englischen Übersetzung; zu der deutschen kann ich nichts sagen), und trotz schwer durchschaubarer Handlung war es schnell zu lesen. Erleichtert wurde die Lesbarkeit durch die erstaunliche "Westlichkeit" des Romans. Bücher aus "exotischen" Ländern sind oft wegen des fremden kulturellen Hintergrundes schwerer zugänglich, aber hier war das nicht der Fall, wohl mit dadurch bedingt, dass sich immer wieder auf westliche Bücher, Musik etc. bezogen wird. Abgesehen davon, dass ab und zu japanische Gerichte, tokioer Stadtteile, Straßennamen und U-Bahnstationen erwähnt werden, könnte die Handlung auch in jeder anderen Großstadt spielen.


    Ein rätselhaftes, fantasievolles und spannendes Buch, das Lust auf weitere Werke von Haruki Murakami macht.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Wir sind irre, also lesen wir!

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()