Klassiker - Was ist einer?

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 4.179 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von HoldenCaulfield.

  • Ab wann ist ein Autor ein Klassiker?


    Ich möchte da mal zwei Fragen in den Raum stellen, die mir gestern gekommen sind, als ich darüber nachgedacht habe, in welche Rubrik denn wohl eine Rezension von Stefan Heyms "Ahasver" passt ;)


    Ab wann wird ein Autor eigentlich zu den Klassikern gezählt?
    Wenn er im "Kanon" irgendwelcher Kritikergrößen oder sonstiger (Möchtegern-)Literaturexperten auftaucht?
    Wenn er einen bestimmten Bekanntheitsgrad erreicht?
    Wenn er zur Schullektüre zählt?
    Wenn er tot ist?
    Wenn er eine bestimmte Zahl verkaufter Exemplare oder gedruckter Auflagen seiner Werke vorweisen kann?
    Wenn sein künstlerisches Schaffen schon ein paar Jahre/Jahrzehnte her ist?
    Oder ist vielleicht gar nicht der Autor der Klassiker, sondern nur ein bestimmtes Werk von ihm, während andere aus der gleichen Feder dem Schicksal des Vergessens anheim fallen?


    Und zum zweiten:
    Wie verändert sich Eure Haltung zu einem Buch, wenn es unter dem Emblem "Klassiker" an Euch herangetragen wird? Wird dadurch eine bestimmte Erwartungshaltung in Bezug auf Schwierigkeit, Lesbarkeit, Inhalt, "Tiefe" geweckt, greift Ihr sofort zu oder winkt Ihr eher ab, oder ist es Euch egal, und Ihr geht ausschließlich nach Klappentext und Empfehlungen anderer? Es gibt ja Leute, die lesen grundsätzlich nur "Klassiker" weil Ihnen alles andere zu profan und wenig anspruchsvoll ist - und dann gibt es diejenigen, die würden einen "Klassiker" nicht mit der Kneifzange anfassen, weil die Lektüre eines solchen eher nach Arbeit (Schulzeit!) riecht als nach Vergnügen. Haben Leute, die viel/mehr/ausschließlich Klassiker lesen, eigentlich mehr Ahnung von Literatur als andere? Und ist die Kategorisierung "Klassiker" wirklich ein Garant für die Qualität eines Buches?


    Fragen über Fragen... auf die ich gern eine Antwort hätte :smile:

    Viele Grüße aus dem Zwielicht<br />[size=9px]Rihla.info | blooks - Rezensionen und mehr<br />[b][url=http://www.librarythi

  • Zitat von "Twilight"

    Ab wann ist ein Autor ein Klassiker?


    Eine einfache Frage, die aber unmöglich zu beantworten ist. Wir hatten auch hier im Forum schon verschiedentlich die Frage nach der Definition und mussten jedesmal feststellen, dass sich die Geister scheiden...


    Für mich ist ein Klassiker ein Buch, das sich über Jahrzehnte (oder Jahrhunderte) gut verkauft, gelesen wird und im Gespräch bleibt - sei es unter Leseratten oder auch als Schullektüre.


    Für mich sind also sowohl Goethes "Faust" wie auch Dumas' "Die drei Musketiere" oder Tolkiens "Der Herr der Ringe" Klassiker, auch wenn sie unterschiedlich anspruchsvoll sind.


    Dementsprechend habe ich auch keine spezielle Erwartungshaltung, wenn ich einen Klassiker in die Hand nehme - nicht einmal, dass mir das Buch gefallen wird oder dass es besonders spannend/tiefschürfend/erhellend sein wird. Bei den Klassikern gibt es eben auch solche und solche :zwinker: Und manche würde ich auf keinen Fall ein zweites Mal lesen, während mich andere schwer begeistern.


    Gruss


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Hm, Klassiker :rollen:


    Also Reich-Ranicki hat letztens gesagt, ein Klassiker ist, wenn er nach einem Jahrhundert immer noch aktuell ist. Die großen Klassiker wie Goethe, Schiller, Lessing usw. gehen langsam unter, und sind auch nur noch auszugsweise aktuell. Wie zum Beispiel "Faust" ja, aber "Werther" stirbt langsam.


    Darin liegt die Definition, dass ein Klassiker hundert Jahre sein soll. Thomas Mann, Kafka und, und, und, gehören dann zu den modernen Klassikern.


    Die Frage ob nun zum Beispiel "Herr der Ringe" ein Klassiker ist, würde ich mit nein beantworten, oder auch "Vom Winde verweht" und dergleichen. Das ist bei mir Weltliteratur.


    Allerdings sind wirklich alle Definitionen sehr vage, ein richtiges Konzept gibt es wohl nie.

  • Erstens:
    Hallo!


    Zweitens:


    Zitat von "Alfa_Romea"


    Für mich ist ein Klassiker ein Buch, das sich über Jahrzehnte (oder Jahrhunderte) gut verkauft, gelesen wird und im Gespräch bleibt - sei es unter Leseratten oder auch als Schullektüre.


    Ich stimme absolut zu!


    Drittens:


    Zitat von "Twilight"


    Und zum zweiten:
    Wie verändert sich Eure Haltung zu einem Buch, wenn es unter dem Emblem "Klassiker" an Euch herangetragen wird? Wird dadurch eine bestimmte Erwartungshaltung in Bezug auf Schwierigkeit, Lesbarkeit, Inhalt, "Tiefe" geweckt, greift Ihr sofort zu oder winkt Ihr eher ab, oder ist es Euch egal, und Ihr geht ausschließlich nach Klappentext und Empfehlungen anderer? Es gibt ja Leute, die lesen grundsätzlich nur "Klassiker" weil Ihnen alles andere zu profan und wenig anspruchsvoll ist - und dann gibt es diejenigen, die würden einen "Klassiker" nicht mit der Kneifzange anfassen, weil die Lektüre eines solchen eher nach Arbeit (Schulzeit!) riecht als nach Vergnügen. Haben Leute, die viel/mehr/ausschließlich Klassiker lesen, eigentlich mehr Ahnung von Literatur als andere? Und ist die Kategorisierung "Klassiker" wirklich ein Garant für die Qualität eines Buches?


    Meine Haltung ändert sich schon irgendwie, allerdings ist das auch von Klassiker zu Klassiker verschieden. Auf jeden Fall erwarte ich mir oft ein gewisses Niveau, was nicht heißen soll, dass ich von nicht Klassikern von vornherein glaube, dass sie niveaulos sind...
    Arbeit? Ach was!, trifft auf mich gar nicht zu, ich fand das meiste in der Schule echt toll (liegt sicher auch am Leherer).
    Und nein, die haben natürlich nicht mehr Ahnung. Man kann doch ein gutes Buch oft noch besser schätzen, wenn man mal ein langweiliges oder gar grottenschlechtes gelesen hat (ist mir aber zum Glück kaum einmal passiert).
    Meiner Meinung nach solte es ein Garant für Qualität sein, aber dass heißt nicht das man es persönlich auch gut finden muss.



    LG,
    Ragle

  • Ich kopiere hier mal einen Beitrag von mir aus dem Klassikerforum hinein:


    Ich weiss schon, was ich einen Klassiker nennen wuerde. Nach meinem Verstaendnis ist das 1. ein historischer Begriff, woher es auch kommt, dass unterschiedliche Nationalphilologien unterschiedliche klassische Zeitalter haben, was bisweilen zu Verwirrungen fuehren kann (z.B. bei der Foucault-Lektuere) und davon abgeleitet 2. alles, was fuer eine bestimmte Kategorie eine muster-/stilbildende Funktion hat oder irgendwie zu ihrem unverzichtbaren Inventar gehoert; so kommt man dann zu Idiomen wie "Klassiker des franzoesischen Chansons" oder "der 70er Jahre Wohnzimmerdeko". Dass gerade in dieser zweiten Bedeutung oft der persoenliche Geschmack bzw. der persoenliche Wunsch, etwas moege doch Bedeutung haben mitschwingt und der Begriff damit tendenziell unscharf wird und ausfranst, ist klar. Dennoch gibt es - jetzt wieder in der Literatur - Gestalten (z.B. Thomas Bernhard), die, obwohl noch nicht lange tot, doch schon erkennbar einen starken Einfluss auf die Nachwelt ausueben, d.h. es wird sich auf sie von anderen Kuenstler/innen, von der Wissenschaft, vom Feuilleton, vom Publikum bezogen.


    Dieses Verständnis von "Klassiker" ist nach meiner Auffassung relativ weit verbreitet und ziemlich gut handhabbar. Dass es hier wie bei allen Kategorien Grauzonen gibt, ist ja nichts Schlimmes, so kann man sich über strittige Fälle unterhalten und Argumente für und wider austauschen.


    Herzlich, B.

  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Twilight"

    Ab wann ist ein Autor ein Klassiker?


    Wie Bartlebooth schon angetönt hat, haben wir uns im Klassikerforum schon ganz schön darum gestritten, wer denn nun ein Klassiker sei. In Ergänzung zu Bartlebooth hier noch meine Ideen: [list]- Ein Klassiker ist seit mindestens 70 Jahren tot. (Sprich: er ist copyrightsfrei, kein Erbe kann mehr daran verdienen und hat ein Interesse, dass er weiter veröffentlicht wird. Dennoch wird er veröffentlicht, d.h., die Leute kaufen ihn nach wie vor.)
    - Formal wie inhaltlich ist er vorbildlich.
    - Formal: Die Sprache ist bewusst gesetzt und weist innertextuelle Bezüge ebenso auf wie aussertextuelle.
    - Inhaltlich: Seine Themen überdauern die Zeit.[/list:u]

    Zitat von "Twilight"

    Ich möchte da mal zwei Fragen in den Raum stellen, die mir gestern gekommen sind, als ich darüber nachgedacht habe, in welche Rubrik denn wohl eine Rezension von Stefan Heyms "Ahasver" passt ;)


    Meiner Meinung nach definitiv kein Klassiker. (NB: Den Begriff "moderner Klassiker" halte ich für einen buchhändlerischen Marketing-Trick! Er stellt einen Widerspruch in sich selbst dar.)


    Zitat von "Twilight"

    Ab wann wird ein Autor eigentlich zu den Klassikern gezählt?
    Wenn er im "Kanon" irgendwelcher Kritikergrößen oder sonstiger (Möchtegern-)Literaturexperten auftaucht?


    Das schiebt das Problem ja nur nach hinten: Wie ist er in den Kanon geraten?

    Zitat von "Twilight"

    Wenn er einen bestimmten Bekanntheitsgrad erreicht?


    Dann bin ich auch ein Klassiker ;)

    Zitat von "Twilight"

    Wenn er zur Schullektüre zählt?


    S. "Kanon".

    Zitat von "Twilight"

    Wenn er tot ist?


    + 70 Jahre ...

    Zitat von "Twilight"

    Wenn er eine bestimmte Zahl verkaufter Exemplare oder gedruckter Auflagen seiner Werke vorweisen kann?


    Dann wären alle englischsprachigen Autoren in Bezug auf Klassiker-Status dem Rest der Welt wohl hoffnungslos überlegen ...

    Zitat von "Twilight"

    Oder ist vielleicht gar nicht der Autor der Klassiker, sondern nur ein bestimmtes Werk von ihm, während andere aus der gleichen Feder dem Schicksal des Vergessens anheim fallen?


    Selbst ein Goethe oder Schiller haben nicht nur erstklassige Werke geschaffen, und es gibt welche von ihnen, die wohl wirklich nur für den Liebhaber sind ...

    Zitat von "Twilight"

    Wie verändert sich Eure Haltung zu einem Buch, wenn es unter dem Emblem "Klassiker" an Euch herangetragen wird?


    Es werden selten "Klassiker" an mich "herangetragen". Ich bin unterdessen soweit, dass ich wohl die meisten zumindest der westlichen Welt zumindest dem Namen nach schon kenne. Aber ich gebe zu: Mein Interesse an einem Klassiker ist grösser als das an einem Liebesroman-Verfasser.

    Zitat von "Twilight"

    Wird dadurch eine bestimmte Erwartungshaltung in Bezug auf Schwierigkeit, Lesbarkeit, Inhalt, "Tiefe" geweckt, greift Ihr sofort zu oder winkt Ihr eher ab, oder ist es Euch egal, und Ihr geht ausschließlich nach Klappentext und Empfehlungen anderer?


    Klappentexte bei Klassikern? Allenfalls zur Erheiterung. Und da Klassiker nicht gleich Klassiker, ja Werk A von Autor B nicht gleich Werk B desselben Autors ist, sind meine Erwartungshaltungen meist insofern recht klein, als ich allenfalls handwerklich gut gemachten Lesestoff erwarte.

    Zitat von "Twilight"

    Haben Leute, die viel/mehr/ausschließlich Klassiker lesen, eigentlich mehr Ahnung von Literatur als andere?


    Jedenfalls mehr Ahnung von "klassischer" Literatur ...

    Zitat von "Twilight"

    Und ist die Kategorisierung "Klassiker" wirklich ein Garant für die Qualität eines Buches?


    Kommt darauf an, wer kategorisiert hat. Und, wie gesagt, auch Schiller hat unsäglich Seichtes und Dummes geschrieben ...


    Zitat von "Heidi Hof"

    Also Reich-Ranicki hat letztens gesagt, ein Klassiker ist, wenn er nach einem Jahrhundert immer noch aktuell ist.


    100 Jahre ... 70 Jahre ... das spielt keine grosse Rolle mehr ...

    Zitat von "Heidi Hof"

    Die großen Klassiker wie Goethe, Schiller, Lessing usw. gehen langsam unter, und sind auch nur noch auszugsweise aktuell. Wie zum Beispiel "Faust" ja, aber "Werther" stirbt langsam.


    Du erlaubst, dass ich Deiner Meinung vehement widerspreche? Es gibt ehemalige Klassiker - z.B. Klopstock -, die heute nicht mehr gelesen werden. Die drei von Dir erwähnten sind meiner bescheidenen Meinung nach alles anders als im Untergang begriffen. Noch vor 20 Jahren war Werther (wohl auch dank den Neuen Leiden - aber warum hat Plenzdorf gerade auf den Werther zurückgegriffen?) im Schwung, im Moment scheint es Faust zu sein. Das sind wohl eher kurzfristige Modeerscheinungen - die Goethe problemlos überleben wird.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Hallo Sandhofer


    Das war nicht meine Meinung, immer schön lesen, dass hat Reich-Ranicki in "Was taugen unsere Klassiker heute noch" gesagt. :zwinker:

  • Hmm...dies ist wirklich eine interessante Frage bzw. Thema.
    Auch ich da ich viel Klassische Literatur lese und auch sehr gerne, oft gefragt nach welchen Kriterien beurteilt wird ob ein Autor/in und Buch als Klassiker gilt. Die meinungen von leihen wie ich auch eine bin gehen sehr weit auseinnander . Denn jeder vermutet oder denkt was anderes oder einfach nur was änliches drüber. Doch würde mich interessieren ob einer der Beruflich wie z.B. ein Historiker der auch privat viel ließt auf sollch eine frage eine klare Antwort hat. Ja oder sogar ein Lexikon. Es gibt immerhin nicht nur einfache Lexikon's sondern auch eines Speziel für Literatur.

    Ein nicht zu Ende gelesenes Buch gleicht einem nicht zu Ende gegangenen Weg.<br />(Weisheit aus China)<br /><br />Gruß Pinky

  • Hallo Heidi Hof!


    Zitat von "Heidi Hof"

    Hallo Sandhofer


    Das war nicht meine Meinung, immer schön lesen, dass hat Reich-Ranicki in "Was taugen unsere Klassiker heute noch" gesagt. :zwinker:


    Aha. Danke. Tut mir leid: Weder ein phpBB-quote, noch Anführungszeichen noch ein Konjunktiv haben mir signalisiert, dass, was da steht, ein Zitat oder eine Paraphrase von MRR sein soll und nicht Dein eigener Zusatz-Senf. Immer schön schreiben! :zwinker:


    Was mir allerdings bestätigen würde, dass MRR neben viel Gescheitem auch absoluten Blödsinn zu erzählen weiss (und oft auch im selben Satz!).


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • In der Literaturgeschichte sind Klassiker Werke der klassischen Autoren Goehte,KLeist und Schiller. lange wurden auch nur solche werke als KLassiker bezeichnet. Irendwann hat es sich dann eingebürgert auch
    andere werke die man als lesenswert und wichtig empfand klassiker zu nennen. Ich bin ausnahmsweise mal Herrn Rainickys Meinung. Ein Klassiker ist für mich dann eine wenn das Werk irgendwie zeitlos
    ist und über teilweise jahrhunderte immer noch gelesen wird. Wenn man über den Autor noch spricht obwohl er schon sehr lange tot ist. Wenn das Werk auch andere Generationen in ihrem Schreibe nbeinflusst hat und Autoren sich immer noch daran messen bzw auch orientieren. Wenn
    es sozusagen zu seiner Zeit Revolutionär war.