Drei Bücher über die Highland Clearances in Schottland

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  • Hallo!


    Ich möchte hier drei Bücher zu einem Thema vorstellen, das mich seit Jahren beschäftigt: die Vertreibungen in den schottischen Highlands (Highland Clearances) im 18. und 19. Jahrhundert. Auch jetzt hält sich die Meinung, dass die Menschen nur als Bestrafung für ihre Teilnahme am Krieg von Charles Edward Stuart gegen die Engländer vertrieben worden sind. Doch die Geschichte zeigt, dass es noch andere Gründe gab. Die Bücher, die ich hier vorstelle, erzählen die Geschichte der Clearances, der Menschen, die zurückgeblieben sind und derjenigen, die in Amerika und Kanada ihir Glück gesucht haben:


    1. Buch: The highland clearances - Eric Richards ISBN: 1841589406


    Für mich war es das schwerste Buch. In dürren Worten und mit vielen Zahlen, die in die Hunderttausende gehen, wurde hier ein Bericht der Vertrebungen abgegeben. Der Hauptgrund dieser Aktionen war hauptsächlich die Umstellung des Farmbetriebes durch die meist englischen Großgrundbesitzer. Die vielen kleinen Farmen (Crofts) wurden durch die viel ertragreichere Schafzucht ersetzt und die jetzt nutzlosen Menschen von ihrem Land vertrieben. Sie wurden entweder in neuen Dörfern, die meistens an der Küste lagen, angesiedelt oder wanderten mehr oder weniger freiwillig nach Amerika aus. Was mich bei diesem Buch am meisten betroffen gemacht hat war die Kälte, mit der vorgegengen wurde. Ganze Landstriche wurden des Profits wegen entvölkert, ohne auf die Menschen Rücksicht zu nehmen.


    Meine Meinung dazu: ein sehr trockens Buch, das mich mit seinen vielen Zahlen fast erschlagen hat. Es gilt als das vollständigste Werk zu diesem Thema, ist gerade deswegen auch am schwersten zu lesen. Ich hatte mit den nüchternen Beschreibungen und der etwas langen Ausführung oft Probleme, deshalb meine Wertung
    3ratten


    2. Buch: On the crofter's trail - David Graig ISBN:0712673830
    Der Untertitel ist "In Search of the Clearance Highlanders". Anders als beim ersten vorgestellten Buch erzählt dieser Autor nur einige wenige Geschichten aus verschiedenen Gegenden Schottlands. Er machte sich auf die Suche nach Menschen, die entweder in Schottland oder in Nordamerika lebten und die die Erlebnisse ihrer Vorfahren erzählen konnten. Er machte sich auch die Mühe, viele Orte in selbst zu besuchen und kann so -in Gegensatz zu Eric Richards- von einer sehr persönlichen Warte aus berichten.


    Meine Meinung: Dieses Buch ist mir am meisten ans Herz gegangen, weil hier die Menschen im Vordergrund standen. Deshalb meine Wertung
    5ratten


    3. Buch: A dance called America - James Hunter ISBN:1851586393
    Hier wird die Geschichte ausschließlich aus der Sicht der Auswanderer erzählt. Besonders diejenigen, die Schottland zuerst verließen, kamen oft zu mehr Wohlstand, als es ihnen in ihrer alten Heimat möglich gewesen wäre. Aber ihr eigenes schweres Schicksal hat sie oft nichts gelehrt, denn sie verhielten sich den Indianern gegenüber oft genauso wie die englischen Landlords sich ihnen gegenüber verhalten haben: sie übernahmen einfach das Land, ohne an die eigentlichen Bewohner einen Gedanken zu verschwenden.


    Meine Meinung: ich habe dieses Buch als letztes gelesen und für mich hat sich damit ein Kreis geschlossen, weil ich von der "amerikanischen Seite" aus viel Neues erfahren habe. Trotzdem war James Hunter für meinen Geschmack manchmal zu ausführlich, deshalb ist meine Wertung:
    3ratten:marypipeshalbeprivatmaus:


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

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  • @ Kirsten:


    Du schreibst, daß Dich die Thematik der Highland Clearances seit langem beschäftigt und nennst monokausal eine der kursierenden Thesen. Was zu differenzierter Betrachtung und Kommentieren verlockt - wenngleich ich die genannten Bücher nicht gelesen habe - doch es ist schwierig, sich zu dieser Thematik zu äußern, da der Thread nicht zur Diskussion ausgeschrieben ist..... :belehr:

  • Hallo Tamlin!


    Das im Thema "nur" Rezesension steht heißt doch aber nicht, dass über das Thema nicht diskutiert werden darf :confused:


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • @ Kirsten:


    Ich wollte nur sichergehen. :zwinker:


    Mich würde interessieren, wieso jemand meint, die Highland Clearances seien (nur) eine Bestrafung für die Teilnahme an der Erhebung von 1745 gewesen?


    Historisch betrachtet stimmt das nicht. Landvertreibungen im Sinne der sog. Clearances gehörten nicht zu dem Paket der Bestrafungen gegen jene Highland-Clans, die an der Erhebung teilgenommen hatten.
    Die Schafzucht wurde erst gegen 1760 in den Highlands eingeführt, die ersten Landvertreibungen deswegen sind ab ca. 1770 belegt, gingen bis etwa 1820 und ab 1840 (also fast 100 Jahre nach Culloden) gab es eine weitere Welle. Erst da waren es tatsächlich oft englische Landlords, die Vertreibungen veranlaßten - aber deswegen, weil diverse schottische Lairds inzwischen ihre Besitztümer verkauft hatten.


    Indirekt stimmt es jedoch, daß die Niederlage von Culloden weitaus mehr entschieden hat als nur, wer auf dem englischen Königsthron sitzt. Die Zerstörung des Clansystems und die angestrebte Vernichtung der gesamten Kultur und damit auch Lebensweise der Highlanders waren direkte Folgen der Niederlage von 1746. Die Entmachtung der Clanoberhäupter und das Zerbrechen der patriarchalischen Bindung zwischen ihnen und ihren "Kindern" schufen die Voraussetzung einerseits für die späteren Landvertreibungen und andererseits für die anschwellende Flut der Auswanderungen in die Kolonien.


    Im übertragenen Sinne, sowohl vom Standpunkt der Jakobiten aus als auch der Angehörigen jener vielen Highland-Clans, die nicht oder auf der Gegenseite an der Erhebung teilgenommen hatten, könnte man es süffisant allerdings so sehen, daß alle Entwicklungen nach der Erhebung 45/46 eine abstrakte Form kollektiver Bestrafung darstellten.

  • Hallo Tamlin!


    Zitat von "Tamlin

    Mich würde interessieren, wieso jemand meint, die Highland Clearances seien (nur) eine Bestrafung für die Teilnahme an der Erhebung von 1745 gewesen?


    Wieso noch viele Leute glauben, die HC wären nur ein Strafakt für Culloden gewesen weiß ich auch nicht. Fakt ist aber, dass es noch ganz viele Leute tun. Je nachdem, wo und wen man in Schottland fragt, wird man dahingehend informiert :entsetzt: Ich bin ja auch zuerst diesem Irrtum aufgesessen, weil ich in meinem ersten Jahr in Schottland Culloden besucht habe und dort zum ersten Mal den Begriff Clearances gehört habe. Dass der Hauptgrund dafür ein wirtschaftlicher war habe ich erst so richtig gelernt, als ich mich selbst informiert habe.


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Hallo Kirsten,


    Mich würde mal interessieren, ob du die vorgestellten Bücher auf englisch oder deutsch gelesen hast ? Und wenn auf englisch, ist es ein zu vertehendes englisch oder braucht man da recht oft das Wörterbuch ?

    liebe Grüsse melanie

  • Hallo Melanie!


    Ich habe die Bücher alle auf englisch gelesen. Ich lese seit Jahren englische Bücher und habe deshalb auch mit diesen drei keine Verständnisprobleme gehabt. Und wenn ich wirklich ein Wort nicht kannte, dann hat es sich aus dem Kontext ergeben. Ein Wörterbuch habe ich also nicht gebraucht.


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • @ Kirsten:


    Ach sooo..... die Leute in Schottland erzählen heute, die HC seien (nur) die Bestrafung für die Erhebung von '45/46 gewesen.


    J.F. Kennedy schrieb einmal, daß der Feind der Wahrheit nicht immer die Lüge, sondern der Mythos ist. :zwinker:


    Die Erhebung von 1745 war in mehr als einer Hinsicht ein Schlüsselereignis. Es war die letzte bewaffnete Erhebung für einen katholischen König und der letzte Waffengang von Highland-Clans gegen Engländer. Es dürfte auch die letzte, bewaffnete Auseinandersetzung zwischen Highland und Lowland gewesen sein. Die Niederlage von Culloden besiegelte das Schicksal der Lebensweise und Kultur der Highlander. Danach war es bald für immer mit der politischen Eigenständigkeit vieler Highland-Clans vorbei. Vor allem löste sich binnen weniger Jahrzehnte das Selbstverständnis der Highland-Clans auf, völlig unabhängige Minikönigreiche und Fürstentümer zu sein, in denen ihr Oberhaupt allein das Sagen hatte und alles jenseits der eigenen Grenzen ohne echten Belang war.


    Das Clanoberhaupt herrschte patriarchalisch über seine Besitztümer an Vieh und Land, die er den Angehörigen seines Clans zuteilte, die ihm dafür bewaffnete Gefolgschaft leisteten. Dieses System wandelte sich nach 1746 vielerorts in ein feudales Verständnis von Landbesitz um, an die Stelle der Gefolgschaft traten Pachtzahlungen für Haus und Land. Die Macht der Oberhäupter wurde beschnitten oder verminderte sich, die enge persönliche Bindung des Oberhaupts an den Clan verschwand und die stolze Vorstellung aller Mitglieder, zumindest theoretisch Angehörige derselben, edlen Familie zu sein und sich gemeinsam *als Familie* zu sehen, zerbröckelte.


    Der Wandel vom patriarchalischen Clan-System mit einer gemeinschaftlich organisierten pastoralen Lebensweise hin zu einem feudalen Grundbesitz-System mit zu leistenden Pachtzahlungen für die Bewirtschaftung an den Landeigentümer (Lord/Laird) war einer der Voraussetzungen für die HC. Dieser Wandel als *Ursache allen Übels* läßt sich auf die Erhebung von 1745 und die Niederlage von Culloden zurückführen - zwar nicht als Bestrafung, aber als mittelbare Folge jener Ereignisse sowie der danach verhängten Verbote.


    Und wenn man einen Sündenbock sucht, dann ist es natürlich leichter, diesen im rachsüchtigen England oder abgestuft in den verhaßten Lowlandern zu sehen als im Wesenswandel der Clan-Oberhäupter oder dem Niedergang des Clan-Systems der Highlands. Besser gesagt läßt sich beides ebenfalls als von außen oktroyierte Bestrafung stigmatisieren. :zwinker:

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Hallo!


    Zitat von "Tamlin"

    @ Kirsten:


    Ach sooo..... die Leute in Schottland erzählen heute, die HC seien (nur) die Bestrafung für die Erhebung von '45/46 gewesen.


    Jetzt ist mir ein ganzer Kronleuchter zu Deinem ersten Posting aufgegangen! Entschuldige, wenn das bei meiner Buchvorstellung nicht gleich verständlich war.


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.