Es gibt 108 Antworten in diesem Thema, welches 28.255 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von HoldenCaulfield.

  • Naja, irgendwo habe ich mal gelesen, Kafka sei in Phasen einer Schreibblockade immer "depressiv" gewesen. Das ist aber keine medizinische Diagnose, eher kann man sagen, daß die Bezeichnung umgangssprachlich verwendet wurde. "Niedergeschlagen", "bedrückt" usw. hätte seine Verfassung wahrscheinlich besser beschrieben.


    Sehr informativ ist übrigens wieder mal der Wikipedia - Eintrag zu Franz Kafka, an dem ich auch ein wenig mitgeschraubt habe. Vielleicht werde ich demnächst noch einen Absatz zur Lungenkrankheit hinzufügen.


    EDIT: Habe den Wikipedia-Artikel ergänzt. Wer mehr weiß: Immer her mit den Infos!

  • Zitat von "Claudi"

    Ich frage mich immer nur, wie verkorkst ein Mensch sein muss, damit er an all seinem Elend immer nur seinen Vater Schuld sein lassen kann. Irgendwann muss man sich doch auch mal selbst rausreißen und Verantwortung für das eigene Leben übernehmen.


    Aber die Geschmäcker sind ja Gott sei Dank verschieden.


    Hätte ich früher Kafka gelesen, als ich noch im Sumpf meiner Krankheiten steckte, hätte mir Kafka sicherlich gefallen. Geteiltes Leid ist halbes Leid. Und so denke ich, dass bestimmt viele jüngere Menschen sich von Kafka angezogen fühlen, die sich noch vom Elternhaus oder anderen Dingen befreien müssen. Ihnen hält Kafka die Stange. Wenn man erst mal mit beiden Beinen im Leben steht, fällt es schwer (wenigstens für mich) sich mit Kafka auseinander zu setzen.

  • Da Kafka keinerlei Lösungsvorschläge für die labyrinthischen Verstrickungen anbietet, die er beschreibt - im Gegenteil: Die absolute Ausweglosigkeit ist ja geradezu unverzichtbarer Bestandteil der meisten Werke Kafkas - frage ich mich, inwieweit sich irgendwer von seinen Geschichten und Romanen angezogen fühlen soll, der sich von irgend etwas befreien will... Und gerade das, d.h. das Kafkaeske der Geschichten, ist doch eigentlich der Grund für die Faszination, die diese ausüben. Aber egal, Geschmäcker sind eben verschieden.

  • Ich habe das mit "krank" aufgebracht, Bartlebooth, weil dieses Wort es am deutlichsten ausdrückt was ich meine. Zugegeben habe ich bisher nur ein paar Erzählungen von ihm gelesen (Verwandlung, Strafkolonie und das Urteil), Kurzprosa und den Prozeß begonnen und abgebrochen. Und überall steckte für mich die gleiche "krankhafte" Phantasie dahinter. Wie kommt ein Mensch nur auf solche Sachen, das sind starke "Underground"-Gedanken, und würde hervorragend zu diesen "Schwarzen-Menschen" passen.


    Das sind meine Gedanken, und da stehe ich auch zu. Jetzt kannst du mir tausendmal etwas anderes nahelegen.

  • Moin,


    Kafka hat Jura studiert, da ist es kein Wunder das er manchmal im ugs. Sinne depressiv war, davon kann ich auch ein Lied singen :breitgrins:
    "Der Prozeß" zeugt davon.



    Kafka fing als Jurist bei der "Arbeiter-Unfall-Versicherungs-Anstalt" an, wenn ich mich recht erinnere. Hallo Kringel, dann bist Du auch Jurist?


    Fraglich erscheint mir jedoch die These vom Vaterkomplex, der sich durch Kafkas Werk ziehen soll.


    Ich habe mir noch einmal einige Kurzgeschichten angesehen und nichts betreffendes ausmachen können. Vielleicht kann mir das noch jemand näher erläutern?


    Gruß
    Nischa


    EDIT: Das was einige hier als "Krank" bezeichnen, ist wohl eher das "Kafkaeske" und das ist nicht krank, nur ein Schreibstil.

    Habent sua fata libelli

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  • Zitat von "Kringel"

    Die absolute Ausweglosigkeit ist ja geradezu unverzichtbarer Bestandteil der meisten Werke Kafkas - frage ich mich, inwieweit sich irgendwer von seinen Geschichten und Romanen angezogen fühlen soll, der sich von irgend etwas befreien will...


    Ich habe nicht geschrieben, dass man sich mit Kafka befreien kann (da könnte man evtl. Hesse nehmen), lediglich dass man noch gefesselt ist!

  • Zitat von "Nischa"

    Hallo Kringel, dann bist Du auch Jurist?


    Nein, aber Kafka war zu Beginn seiner beruflichen Laufbahn Unfallsachbearbeiter. Ich hatte bis 2002 genau den gleichen Job.


    @Heidi Hof: Ach so, da habe ich dich wohl falsch verstanden. Aber wenn du Kafka eine krankhafte Phantasie unterstellst, muß ich dich fragen, was du unter einer krankhaften Phantasie eigentlich verstehst.


    Wenn jemand sich bizarre Situationen und alptraumhafte Begebenheiten ausdenken kann, hat er dann eine "krankhafte" Phantasie? Dann habe ich die auch. Die hat dann praktisch jeder Schriftsteller, der Werke im Genre der Phantastik und des Horrors schreibt. Warum muß immer gleich alles "krank" oder "krankhaft" sein, nur weil es ungewöhnlich ist?


    Wenn jemand Gewaltphantasien, perverse Gedanken usw. auslebt, dann ist das vielleicht etwas anderes.

  • Zitat von "Nischa"

    Vielleicht kann mir das noch jemand näher erläutern?


    Schau mal hier - allerdings weiß ich nicht, inwieweit dieser Artikel historisch belegt ist.

  • Hallo Heidi,


    Zitat von "Heidi Hof"

    Und überall steckte für mich die gleiche "krankhafte" Phantasie dahinter.


    Mich würde halt nur mal interessieren, was dich zu solchen Aussagen bringt und was genau nun das "Krankhafte" an Kafkas Phantasie sein soll.


    Herzlich, B.


    EDIT Kringel war schon wieder schneller...

  • Dann erklärt mir bitte einmal diese Foltermaschine in der "Strafkolonie", wie kommt ein Mensch auf solche grauslichen Gedanken. Oder eines Morgens wacht man als Käfer auf.
    Ungewöhnlich finde ich es nicht, Kringel, das Wort ist mir zu harmlos. Aber vielleicht kommen wir noch auf ein Wort, das uns beiden gefällt :zwinker:

  • Zitat von "Heidi Hof"

    Dann erklärt mir bitte einmal diese Foltermaschine in der "Strafkolonie", wie kommt ein Mensch auf solche grauslichen Gedanken. Oder eines Morgens wacht man als Käfer auf.
    Ungewöhnlich finde ich es nicht, Kringel, das Wort ist mir zu harmlos. Aber vielleicht kommen wir noch auf ein Wort, das uns beiden gefällt :zwinker:


    Verstörend, bedrohlich, grausam etc. pp. Es gibt viele Wörter, die mir dazu einfallen. "Krank" gehört definitiv nicht dazu. Es hat eine viel abwertendere Denotation als die Wörter, die ich genannt habe. Die Frage ist, ob diese Abwertung intendiert ist.


    Herzlich, B.

  • Das ist jetzt aber sehr subjektiv (mein Kommentar), Bartlebooth, denn für mich ist ein bedrohlicher, grausamer Geisteszustand ärger als ein "kranker". Krank kann m. E. die persönlichen Macken sein, die jeder mit sich trägt, auch Furcht vor Spinnen oder ähnliche Dinge.


    Verstörend finde ich gar nicht mal so schlecht (aus dem seelischen Gleichgewicht gebracht), darauf könnte ich mich gerne einigen.


    Zitat

    Die Frage ist, ob diese Abwertung intendiert ist.


    Aber du gibst zu, dass man nicht so ohne Weiteres auf solche Gedanken kommt.


    Kann auch sein, dass wir Zwei hier wieder aufeinander prallen, weil unsere Gedanken so unterschiedlich sind. Z.B. bei Hesse "Steppenwolf" >nur für Verrückte<, ich fand das toll. Ja, dann ist das was für mich. Mittlerweile, so wie ich dich jetzt hier kennen gelernt habe, denke ich, gehst du einen Schritt davon zurück. (Hoffentlich habe ich das jetzt verständlich ausgedrückt, ich möchte dich hiermit nicht kränken. Ich überlege nur, wie wir uns demnächst begegnen können; ich möchte dich ja verstehen :zwinker: )

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  • Hallo zusammen!


    Zitat von "Heidi Hof"

    Das ist jetzt aber sehr subjektiv (mein Kommentar), Bartlebooth, denn für mich ist ein bedrohlicher, grausamer Geisteszustand ärger als ein "kranker".


    "Bedrohlich", "grausam" etc. sind Kafkas Texte; nur weil er solche Texte schreibt, muss der Autor keineswegs einen solchen Geisteszustand aufweisen. Genausowenig wie, wenn die Figur XY des Autors YZ antisemitische Äusserungen von sich gibt, deswegen der Autor ein Antisemit ist. (Er kann es sein, muss es aber nicht!)


    Gerade bei Kafka wird oft die Stimmung seiner Texte übertragen auf den Autor. Liegt vielleicht daran, dass eine psychoanalytische Deutung (Vaterkonflikt) tatsächlich bei vielen seiner Texte zu einer Aufschlüsselung verhelfen kann. (NB: Die psychoanalytische Deutung ist bei Kafka auch nicht die einzig mögliche oder gar einzig richtige, sie kann aber zu einem Verständnis der Texte führen. Bei andern Autoren führt sie zu gar nichts.)


    Zitat von "Heidi Hof"

    Aber du gibst zu, dass man nicht so ohne Weiteres auf solche Gedanken kommt.


    Öhm ... heisst das nicht ausgedeutscht, dass letztlich nur die eigenen Gedanken die "gesunden", die "richtigen" sind? Mir läuft's bei solchen Sätzen kalt den Rücken herunter.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Zitat von "sandhofer"

    Öhm ... heisst das nicht ausgedeutscht, dass letztlich nur die eigenen Gedanken die "gesunden", die "richtigen" sind? Mir läuft's bei solchen Sätzen kalt den Rücken herunter.


    Nein, würde ich nicht sagen. Da es nicht nur mir so geht, sondern vielen (bei Kafka). Aber das ist ein sehr weites Feld, denn nicht unbedingt was die Mehrheit denkt, muss richtig sein. Und gibt es überhaupt richtig und falsch?
    Meine Kenntnisse in der Psychologie bringen mich dazu, dass das "krank" oder besser verstörend sein muss, aber sind das nicht auch Vorurteile. Mir ist das immer klar, denn vielleicht musste Kafka einfach so sein wie er war, es war für ihn absolut gesund. Denn wer weiß schon wie im Leben sich alles ergibt, und was für ein Sinn dahintersteckt.


    Klar, wenn ich sage, für mich ist das "krank", dann kann ich mit dem Gesagten/Geschriebenen nicht viel anfangen, es passt nicht zu mir. Aber ich habe ja auch geschrieben, dass das nur meine Meinung ist, also rein subjektiv zu betrachten ist. Und es wäre eigentlich schön, wenn man Meinungen stehen lassen könnte. Denn jeder Jeck ist eben anders.
    Ich schreibe demnächst, passt nicht zu mir.


    Aber jetzt mal ehrlich, wer von den Menschen hier, reflektiert so seine Gedanken? :elch:

    Einmal editiert, zuletzt von ()

  • Zitat von "sandhofer"

    "Bedrohlich", "grausam" etc. sind Kafkas Texte


    Danke, sandhofer! Danke! Danke! Danke!
    Wir reden doch tatsächlich über Literatur. :entsetzt:


    Das war mein Punkt: Krank kann ja nur ein Mensch oder meinetwegen eben ein "Geisteszustand" sein, dh in so einem Wort steckt die Diffamierung eines Autors, nach dem Motto: "Verstehe ich nicht, also muss er einen Knall haben". Und eine solche werde ich mitnichten "einfach mal so stehen lassen" (da war's wieder ;-)) - denn es ist eben nicht erkennbar eine Meinung über einen Text, die könnte ich unter gewissen Umständen "so stehen lassen".

    Zitat von "sandhofer"

    Öhm ... heisst das nicht ausgedeutscht, dass letztlich nur die eigenen Gedanken die "gesunden", die "richtigen" sind? Mir läuft's bei solchen Sätzen kalt den Rücken herunter.


    Auch dem kann ich nur zustimmen - wobei ich einräumen muss, dass ich den Zusammenhang, bevor sandhofer ihn hergestellt hat, gar nicht verstanden habe, dh vielleicht hast du ja etwas anderes sagen wollen, Heidi?


    Zitat von "Heidi Hof"

    Mittlerweile, so wie ich dich jetzt hier kennen gelernt habe, ich denke, gehst du einen Schritt davon zurück.


    Ich vermute, da fehlt ein "k". :teufel:


    Herzlich, B.

  • Ich weiß ja, dass du frech bist Bartlebooth, aber vorher nimmst du deine Annahme, ich hätte Kafka als Mensch diffamiert, dass ich mich auf seine Werke beziehe war doch eindeutig? Obwohl Werke von Menschen geschrieben werden, und darin befinden sich dessen Gedanken.
    Du bist schnell mit auf den Zug von Sandhofer gesprungen, ansonsten hättest du selber mit in diesem Boot gesessen (siehe deinen Beitrag ganz oben auf der Seite).


    Ich schätze Sandhofers Äußerungen, und den schlimmsten Kritiker findet man in sich selber. Er gab mir diesen Ruck, meine Gedankengänge zu durchleuchten. Ich meine immer noch, dass Kafkas Werke „krank“ sind, doch ich würde es jetzt besser formulieren. Sie sind für mich „krank“, weil ich sie mit meinem Gedankengut nicht verknüpfen kann, mir fehlt dieses Grausame.

  • Moin,


    @Kringel: Danke für den Artikel, jetzt ist mir einiges klarer.


    In nochmaliger Lektüre des Kurztextes "Das Urteil" unter diesem Aspekt, mag möglicherweise, die Problematik des Vaterkomplexes, zu Tage getreten sein. Das Kafka ja auch lange im elterlichen Haus lebte, mag das noch unterstreichen.
    Wie Sandhofer schon schrieb, ist dies aber nur eine Betrachtungsweise wie man an Kafkas Texte herangehen kann, denn mE nach ist dieser Aspekt nicht in allen Texten Kafkas auszumachen.



    Kafka schreibt viel in Bildern, die nicht immer leicht zu entschlüsseln sind. Er verwendet oft Tiergestalten, die nicht immer den Fabeln zuzuordnen sind, aber in diesem Sinne zu verstehen sind.
    Oft kommt man sich in seinen Geschichten wie im Traum vor.



    Zitat

    Er war ein Träumer, und seine Dichtungen sind oft ganz und gar im Charakter des Traumes konzipiert und gestaltet;...(Thomas Mann)


    @Heidi Hof
    Vielleicht ist Kafka aus dieser Sichtweise heraus nicht ganz so "krank" für Dich, oder hast Du noch nie surreale Träume gehabt?
    Ich weiß, Du meinst nicht Kafka wäre krank, sondern seine Werke, aber da Du die Texte personalisierst, mit "Krank", dies kann nun mal nicht auf eine Sache zutreffen, überträgst Du dies auf den Autor.




    Gruß
    Nischa

    Habent sua fata libelli

  • Zitat von "Nischa"

    Ich weiß, Du meinst nicht Kafka wäre krank, sondern seine Werke, aber da Du die Texte personalisierst, mit "Krank", dies kann nun mal nicht auf eine Sache zutreffen, überträgst Du dies auf den Autor.


    Werke sind für mich auch keine Sache, auch Kunst ist für mich keine Sache, obwohl man eine Plastik durchaus als Gegenstand betrachten könnte. Dahinter stecken für mich immer Kreativität, Gefühle und Gedanken ...

  • Zitat

    was unter dem Ausdruck "kafkaesk" zu verstehen ist


    Das grösste Kompliment, das mir mein Deutschlehrer damals mal gemacht hatte war: "Deine Ausführungen sind kafkaesk" :breitgrins:


    Ich mag ihn, sehr. Hab aber schon lange nichts mehr (wieder) gelesen.

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • Hallo!


    Ich habe auch Kafkas Strafkolonie, Verwandlung und anderes gelesen. Ab und zu habe ich mich zwar geschüttelt und mir überlegt, wie er auf diese besonders unappetliche/grausame Idee gekommen ist. Aber im Vergleich zu manchem, was heute geschrieben wird, ist das doch noch harmlos. Trotzdem muß es nicht heißen, dass ein Autor, der solche Dinge beschreibt, auch im normalen Leben, also wenn er nicht schreibt, genauso denkt.


    Ich kann leider als einziges Beispiel nur Iain Banks anführen, der als Autor oft sehr grausam und teilweise sehr ekelhaft ist. Der Mensch Iain Banks ist aber einganz anderer. Auf seine besonders Bücher angesprochen und wie er "so etwas" schreiben kann antwortete er, dass das sein Beruf ist und dass man dem keine Bedeutung beimessen sollte, wenn man ihn als Mensch beurteilt.


    Natürlich weiß ich nicht, wie Kafka auf eine solche Bemerkung reagiert hätte und ob er das Schreiben so von sich trennen würde. Trotzdem glaube ich nicht, dass man von den Fantasien eines Autors auf dessen Person schliessen sollte.


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.