Thomas R. P. Mielke - Orlando Furioso

Es gibt 48 Antworten in diesem Thema, welches 11.874 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Thrakonia.

  • Hallo Astrid,


    und herzlich willkommen.
    Schön dass die Fragen teilweise von 2 Personen beantwortet werden. Das verdoppelt die inhaltliche Ausbeute.


    Wenn ich dir das Buch schicke, wie geht es dann weiter, Rückporto mit Umschlag dazu? Ist doch sinnvoll, oder?


    Nach Luthers Reformation ging es mit der Gleichberechtigung bergab?
    Da habe ich wohl ein großes Defizit :redface:

  • Hallo Papyrus,


    Zitat

    Wenn ich dir das Buch schicke, wie geht es dann weiter, Rückporto mit Umschlag dazu? Ist doch sinnvoll, oder?


    Machen wirs mal nicht zu kompliziert, schick es mir als Büchersendung (http://www.deutschepost.de/dpa…pl=html&skin=hi&check=yes), und so bekommst du es dann auch zurück. Ok?


    Die Sache mit der Gleichberechtigung...
    Es war natürlich auch noch regional verschieden (Italien war z.B. anders als Deutschland, Skandinavien war wieder ein anders Thema), aber die Ungleichbehandlung spielte sich eher zwischen den verschiedenen Ständen als den verschiedenen Geschlechtern ab. D.h. Bauern oder Tagelöhner hatten so gut wie keine Rechte, und zwar Mann und Frau gleichermaßen. Hingegen erfuhren Mädchen, die das Glück hatten, aus höherem Hause zu stammen, die gleiche Erziehung wie die jungen Männer, einschließlich Reiten und Waffengebrauch und natürlich der Kunst der Konversation und sonstiger Bildung.
    Luther sah den Platz der Frau jedoch eindeutig hinter dem Herd und ihren Aufgabenbereich als Kinder-Küche-Kirche.

  • Hallo Astrid,


    ... die Sache mit der Gleichberechtigung verändert mein ganzes Weltbild (na ja, nicht so ganz) aber dass die 3 K´s auf Luther zurückzuführen sind war mir nicht bekannt.


    Interessant das der Aspekt mit den Frauen am Anfang des 20. Gesangs bei "Orlando furioso" wieder angesprochen wird.


    Das Angebot dir das Buch zu schicken nehme ich gerne an, allerdings hatte ich heute meinen letzten Urlaubstag und da es sich ja nun wirklich nicht um eine "verhohlbeinte Dan Brown-Version" (tolle Beschreibung) handelt, dauert das Lesen nun etwas länger.

  • Na, ich wohne ja hier auch noch ein Weilchen :zwinker:
    Laß dir Zeit beim Lesen.

  • Ich finde die Gleichberechtigung aber auch in diesem Buch sehr zwiespältig. Einerseits gibt es die "Superfrauen" wie Bradamante und Marfisa, die in jedem Bereich, sei es der traditionell weibliche oder männliche, einfach unschlagbar sind. Das zeigt sich z.B. sehr schön in der Episode, als Bradamante in irgendeinem Schloss für die Übernachtung kämpfen muss und hinterher sowohl im Kampf gegen die anderen Ritter als auch im Wettstreit um die größte Schönheit unter den Frauen (natürlich) gewinnt. Im Gegensatz dazu steht aber sehr stark, dass immer wieder Frauen, die nicht ganz so prominent sind, als Eigentum eines Ritters/Mannes betrachtet werden und auch durch eine einfache Herausforderung mal eben so den Besitzer wechseln können.


    Ein anderes Detail in der unglaublichen Detailfülle dieses Buches ist mir sehr spaßig vorgekommen: nämlich die lustige Durcheinandermischung aller möglichen Mythologien. Da führt der Evangelist Johannes den Ritter Astolf bei den Parzen vorbei, die Helden von Troja werden ganz selbstverständlich in die Stammbäume integriert, und Merlin spielt auch eine nicht ganz unwichtige Rolle.


    Mir erscheint diese Verquickung ein ziemlich tolerantes, "umfassendes" (vielleicht auch einfach vereinnahmendes) Verständnis von Christentum zu verdeutlichen - auch etwas, was meinem sehr landläufigen Verständnis des Mittelalters nicht entspricht. Der Renaissance schon eher...


    Edit: wie weit seit Ihr anderen eigentlich ungefähr? Ich werd nämlich heute fertig... (so ein langer Weihnachtsurlaub ist Gold wert :) )

    Viele Grüße aus dem Zwielicht<br />[size=9px]Rihla.info | blooks - Rezensionen und mehr<br />[b][url=http://www.librarythi

  • Hallo ihr Lieben,


    nun habe auch ich endlich genügend Zeit zum Lesen gefunden :smile:
    Das ist ja ein ganz faszinierendes und schillerndes Buch zum Hineinversinken. Die Handlung ist unglaublich schnell und soviele Handlungsfäden auf einmal hab ich auch noch nicht gesehen. Besonders nett finde ich Ariosts Kommentare zum Geschehen (im Buch kursiv gesetzt): Lebensweisheiten, Gesellschaftskritik und Lob auf seine Gönner. Außer dem von Euch schon erwähnten z.B. diese Stelle:

    Zitat von "Seite 173"

    Orlando trifft wieder einmal in einer Höhle auf ein hilfsbedürftiges junges Mädchen - und ich denke dabei "Na so ein Zufall aber auch", blättere um auf Seite 174 - und was lese ich da:
    "Die Ritter hatten es doch gut in fernen Tagen. Wo sie auch suchten in all den Felsenschlünden,... überall entdeckten sie, was selbst die Kenner heute nicht einmal mehr in stolzen Schlössern finden: die allerliebsten Mädchen..." :breitgrins:


    @trpmielke: Ich finde es auch gut, dass alle Namen und die Gesangseinteilung wie im Original beibehalten wurden. Im Nachwort ganz hinten hab ich allerdings gelesen, dass der Roman gegenüber Ariosts Werk gekürzt wurde :entsetzt: Was wurde denn so weggelassen ? (Nur ausschweifende Beschreibungen oder etwa auch Handlung oder Ariosts Kommentare ?)


    Kaum zu glauben, dass dies die erste Romanfassung des Orlando ist.


    Zitat von "twilight"

    Ein anderes Detail in der unglaublichen Detailfülle dieses Buches ist mir sehr spaßig vorgekommen: nämlich die lustige Durcheinandermischung aller möglichen Mythologien.


    Ja, das gefällt mir auch. Ich bin gerade da, wo Gott den Erzengel Michael beauftragt, mit der Zwietracht (Eris ?) und dem Schweigen den Franken zu helfen. Einfach köstlich sowas.


    Grüße von Dietrich (der soeben den 14. Gesang beendet hat)

    [size=9px]Paul ist 24 Jahre alt. Er ist doppelt so alt, wie Thomas war, als Paul so alt war, wie Thomas heute ist. Wie alt ist Thomas ?[/size]

  • Zitat von "Twilight"


    Edit: wie weit seit Ihr anderen eigentlich ungefähr? Ich werd nämlich heute fertig... (so ein langer Weihnachtsurlaub ist Gold wert :) )


    Ich bin auf Seite 413, im 27. Gesang.


    Die "Zusammenkunft" verschiedener Mythologien finde ich auch einfach umwerfend.


    Zitat von "Twilight"


    Mir erscheint diese Verquickung ein ziemlich tolerantes, "umfassendes" (vielleicht auch einfach vereinnahmendes) Verständnis von Christentum zu verdeutlichen - auch etwas, was meinem sehr landläufigen Verständnis des Mittelalters nicht entspricht. Der Renaissance schon eher...


    Ich denke hier eher dass Ariost hier ein wenig Kritik an seiner Zeit übt. Wenn ich das richtig verstanden habe, spielt die Geschichte um 800 n.Chr., Ariost hat das Buch aber 1500 nChr. veröffentlicht.

  • Guten Morgen,


    ich hatte beim Lesen des Buchs eigentlich immer das Gefühl, ich würde irgendwo auf einem Markt einem Balladen-/Bänkelsänger zuhören, der eine große Geschichte mit vielen kleinen, mehr oder weniger zusammenhängenden Geschichten erzählt.
    Und in diesem Zusammenhang habe ich mir auch diesen Mythenmischmasch erklärt. Damals, so ohne Buch/Fernsehen für die Allgemeinheit waren es doch die großen Heldengeschichten, die man erzählt bekam, da haben "große" Namen einfach überdauert. Ich denke, den Leuten wars egal, ob das jetzt ein heidnischer oder christlicher Held war, es waren eben Geschichten und Namen, die man kannte, also hat der Erzähler sie eben munter zusammen gemixt.
    Ich weiß nicht, ob dieses Bild von "Mittelalterunterhaltung" so stimmt, aber ich kann mir das so ganz gut vorstellen.


    Schönen Gruß,
    Marmotte

  • Das Gefühl, das Du beschreibst, hatte ich auch. Allerdings haben die Geschichten durchaus alle miteinander was zu tun, wie sich allerdings häufig erst sehr viel später herausstellt (wenn z.B. A von B in Indien gerettet wird, in einem weiteren Erzählstrang C von D vor Paris auf seine Lanze gespießt wird und sich dann zeigt, dass D über die Großmutter von B mit C verwandt ist, die verzauberte Lanze aber eigentlich A gehört :D - oder so ). Außerdem hat Ariost für das Werk 30 Jahre gebraucht, was meiner Meinung anch dafür spricht, dass das ganze Opus sehr bedacht durchkomponiert ist.

    Viele Grüße aus dem Zwielicht<br />[size=9px]Rihla.info | blooks - Rezensionen und mehr<br />[b][url=http://www.librarythi

  • Zitat von "Twilight"

    Das Gefühl, das Du beschreibst, hatte ich auch. Allerdings haben die Geschichten durchaus alle miteinander was zu tun, wie sich allerdings häufig erst sehr viel später herausstellt (wenn z.B. A von B in Indien gerettet wird, in einem weiteren Erzählstrang C von D vor Paris auf seine Lanze gespießt wird und sich dann zeigt, dass D über die Großmutter von B mit C verwandt ist, die verzauberte Lanze aber eigentlich A gehört :D - oder so ).


    :totlach: Ich glaube das ist die beste Zusammenfassung die man für dieses Buch machen kann d055.gif

  • Einmal zurück in die Pyrenäen!
    Ich habe das Buch ja dort im Urlaub gelesen (und ja, wir sind auch dieses Jahr wieder zur Rolandsbresche gewandert), weil ja der "Original"-Roland dort diesem Hinterhalt zum Opfer fiel und zu meiner großen Freude hat ja auch einiges der Handlung dort gespielt. Zumindest in so einer Art fiktiver Pyrenäen :breitgrins:
    Aber meine Frage an Thomas: Irgendjemand steht dort auf einem Berg, wo man sowohl Atlantik als auch Mittelmeer sehen kann (was wir auch dieses Jahr trotz überragender Fernsicht wieder nicht geschafft haben :zwinker: ), ist das eine Originalformulierung von Ariost?


    Schönen Gruß,
    Marmotte

  • [quote="Papyrus"
    und da es sich ja nun wirklich nicht um eine "verhohlbeinte Dan Brown-Version" (tolle Beschreibung) handelt, dauert das Lesen nun etwas länger.[/quote]


    Das ging zwar an Astrid, aber ich muß hier mal Irrtümern vorbeugen. Ich habe absolit nichts gegen Dan Brown und seine meisterlich gemarketingte Sprache (und die ilustrierte Ausgabe vom SAKRILEG an einem spannenden, wenn auch manchmal von schrillen "Fehler!"- und "Das hat er gekaut aus..."-Aufschreien unterbrochenen Wochenende genossen).


    Und zu Hohlbein ebenfalls ein Wort. Ich gehöre zu denjenigen, die ihn seit zwanzig Jahren loben und verteidigen: Kompliment und alle Achtung für diese Schreibleistung! Er schreibt Bücher, die gern gelesen werden. Das allein zählt, und dafür will ich gern alle larmoyanten "Schriftsteller" und Jammerlappen in den Feuilletons in der Pfeife rauchen.


    mfg
    trpm

  • Zitat von "Papyrus"

    [quote="Twilight"]
    Allerdings haben die Geschichten durchaus alle miteinander was zu tun, wie sich allerdings häufig erst sehr viel später herausstellt (wenn z.B. A von B in Indien gerettet wird, in einem weiteren Erzählstrang C von D vor Paris auf seine Lanze gespießt wird und sich dann zeigt, dass D über die Großmutter von B mit C verwandt ist, die verzauberte Lanze aber eigentlich A gehört :D - oder so ).


    GENAU
    Deshalb ist Astrid auf die Idee gekiommen, schon wegen der vielen hundert Namen und Blondprinzessinnenähnlichkeiten die Kapitelinhalte mal stichwortartig und nach Namen und Begriffen "verlinkt" aufzuschreiben. Das war eine unheimlich praktische Hilfe. Wenn ich z.B. auf dem Text das Wort "Rodomont" (im Italienischen wurde daraus ein fester Begriff für "grossmäulig") angeklickt habe, bekam ich sofort eine Art Notizzettel, auf dem alle Querverbindungen, Beziehungen, Einzelabenteuer mit Kapitel- und Zeilenangebe im Originaltext usw. standen.


    Hieraus ergab sich rein statistisch auf eine Art Meßlatte für die Aufnahme in unsere deutsche Romanversion. Wenn z.B. irgendein König oder Krieger nur ein einziges Mal innerhalb des ganzen Werkes genannt wird, mußte ich entscheiden: rein oder raus.


    Das war manchmal verdammt schwer und ließ sich erst nach mehreren Prüfrunden=Romanversionen entscheiden, denn dabei ging es nicht allein um eine dramaturgische oder literarische Bewertung, sondern auch um den (auch für uns nur schwer abzuschätzenden) Kenntnisstand der deutschen Leser heute.


    Beispiel: Im 43. Gesang kommt in Zeile 75 der (italienische) Name Tiberio vor. Nur dort und sonst nicht wieder. Eingeweihte vermuten natürlich sofort, dass es sich um Kaiser Tiberius handeln muss. Aber welcher Tiberius ist denn gemeint? Also im "Kleinen Pauly", Band 5 nachschlagen. Nach der Beschreibung verschiedener Tiberiusse entschied ich mich, dass wahrscheinlich der Nachfolger Justizians auf dem "byzantinischen" Thron gemeint sein könnte. Logisch? Dann die Verwirrung: Hermann Kurz bezeichnet in seiner Übersetzung von 1841 die gleichen Person schlicht (und eigentlich falsch) mit "Krösus". Die Oxford-Ausgabe sagt (schon besser) reicher Herrscher auf dem Thron von Constantinopel. In der letzten Versübersetzung von 1908 hat Kissner dann einfach von "Tiberius Schatz" gesprochen. Hatte er einen? Wer weiß das? Und war "Krösus" vor 150 Jahren nicht doch besser ausgedrückt?


    Da kommt dann die Frage nach der Quellengenauigkeit (was übrigens auch für das Streichen/Kürzen von früher üblichen Wiederholungen gilt). Was wollte Atriost eigentlich sagen?


    Dass jemand viel Geld gerbt und es in kürzestes Zeit verplempert hat. Das kann man auch ohne Tiberius und Krösus sagen - besonders dann, wenn beide nur noch vage bekannt sind und weiter kleine Rolle in der Story spielen. Also raus aus dem Roman.


    Auf diese Weise konnten EINIGE HUNDERT Namen eingespart werden (auch all die damaligen VIPs, die als ätzend pflichtgemäß von Ariost im 46. Gesang gelistet werden, Dutzende von tabellarischen Wappenbeschreibungen irgendwelcher Earls und Peers in England, die nach der grossen Heeresversammlung bei London nie wieder vorkommen und deren Charme und sicherlich auch hinterhältig-ironisch gemeinte Symbolik (man denke an Dieter Hildebrands Sprachgags durch Weglassen und angedeutete Zusammenstellungen) sich auch bei bester Beschreibung heute nur noch Heraldikern und ZDF-Royality-Beauftragten erschließen dürfte.


    Auch Italo Calvino läßt einfach alles weg, was er oder wir heute nicht verstehen oder was uns nicht mehr interessier, doch leider macht aber aus dem Orlando eine Art literarisches Kammerkonzert nur für Gebildete. Das ist und war er nie. Und der WDR in seiner Obexer-Koppelmann-Hörversion von gerade mal sechs Gesängen mit drei Dutzend Sprecher/Sprecherinnen auf 5 CD verzichtet gleich ganz auf irgendwelche Verständlichkeit. Man übt sich lieber in Publikumsbeleidigung durch bemühte Kunst-lichkeit.


    Ich gebe zu, man kann fast über jeden Satz, jede Weglassung und jede Interpretation streiten. Wir haben oft genug mit uns selber gerungen, zumal wir extra wegen Orlando in Italien recherchiert, Ariosts Vita und den Gegebenheiten seiner Zeit nachgefahren und als Gasthörer ein Semester lang alle entsprechenden Seminare und Vorlesungsreihen an der FU Berlin und der TU Berlin über den mittelalterlichen Abenteuer- und Liebesroman usw. belegt haben.


    Wie Astrid schon angemerkt hat: Die Story lebt und verändert sich bei jedem neuen Lesen. Literaturwissenschaftler und gewisse Verleger würden hierzu sicherlich irgendetwas von "rezeptionästhetischen Überlegungen" murmeln. Ich sage es einfacher: Der Stoff wird uns wohl nie wieder loslassen.


    MfG
    TRPM

  • Zitat von "Marmotte"

    Einmal zurück in die Pyrenäen!
    Ich habe das Buch ja dort im Urlaub gelesen (und ja, wir sind auch dieses Jahr wieder zur Rolandsbresche gewandert), weil ja der "Original"-Roland dort diesem Hinterhalt zum Opfer fiel und zu meiner großen Freude hat ja auch einiges der Handlung dort gespielt. Zumindest in so einer Art fiktiver Pyrenäen :breitgrins:
    Aber meine Frage an Thomas: Irgendjemand steht dort auf einem Berg, wo man sowohl Atlantik als auch Mittelmeer sehen kann (was wir auch dieses Jahr trotz überragender Fernsicht wieder nicht geschafft haben :zwinker: ), ist das eine Originalformulierung von Ariost?


    Schönen Gruß,
    Marmotte


    Ganz ehrlich: ich war auch überrascht, zumal ich die Gegend zwischen den Meeren bereits für meine Romanbiographien von Karl Martell und Karl dem Grosen besichtigt hatte. Ich ich würde nicht im Traum daran denken, Ariost zu korrigieren, sei es bei dem mir anders geläufigfen Orlando=Roland (der übrigens im Boiards Vorläufer-Epos älter und noch ziemlich tumb ist), sei es bei der Hauptstadt Paris, die Karl der Grosse nie hatte, oder sei es beim Alter der jungen Damen (die in deutschen und englischen Bearbeitungen gründsätzlich volljährig osder mindest auf 18 Jahre gefälscht wurden).


    MfG
    TRPM

  • :winken:
    Hallo,


    ich lese seit 2 Tagen auch mit, und bin ehrlich gesagt gefesselt von den vielen Handlungssträngen und Verknüpfungen untereinander.
    Oft habe ich das Gefühl ein Märchenbuch aufzuschlagen oder alle Heldensagen des Abendlandes auf einmal hintereinander, verstrickt untereinander und aufeinander aufbauend zu lesen.
    Nicht nur aufgrund der Sprache, sondern auch durch die Vielfalt der Einzelabenteuer. Keine Frage, warum dieses Epos Ideengeber für ungezählte Romane/Heldengeschichten/Fantasyabenteuer etc. ist bzw. war.


    Die Beschreibung der Helden (zumindest der christlichen bisher) sind durchgehend blond und blasshäutig, oder irre ich da? Bisher wurden die Sarazenenkrieger auch noch nicht detailliert beschrieben, sind die dunkelhäutig, braungebrannt, dunkeläugig etc. Kommt so eine Beschreibung noch?
    Die schönen Prinzessinen sind auch alle blond, oder irre ich da (wieder)? Sogar die chinesische Prinzesin Angelica ist blond.


    Ich war etwas überrascht über die Magier, Zauberschwerter, Rüstungen usw., da ich auch mit einem historischen Roman (im heutigen Sinne bezüglich Genauigkeit) gerechnet habe. Mittlerweile bin ich ganz gespannt, mit welchen Zaubereien uns die Abenteurer noch begegnen.
    Oder wie Zauberer Atlas immer neue Pläne ersinnt seinen Ruggiero vor den Kriegsgrauen zu schützen.


    Toll finde ich Bradamante, als kluge und starke Frau, die sich auf dem Weg zu ihrem Liebsten von nichts beirren läßt. Was bei Orlando oder Rinaldo als Rittertugend verkauft wird, sehe ich doch als Ablenkung vom eigentlichen Ziel der Suche nach ihrer Liebsten Angelica etwas störend. Angelica ist mir eher unangenehm, da sie die treuen Herren (vielleicht sind sie ja wirklich nur hinter ihrer Rose her und lassen sie dann fallen so wie Olympia durch Biren) ausnutzen will, sogar abwägt wen sie erwählen soll, damit er sie sicher nach China begleitet, aber keine Schwierigkeiten bei der Abschiebung macht ... Also wirklich, so eine FEINE Dame!


    Mir fehlt bislang noch das große Ziel: wohin führt uns die Geschichte.
    Geht es darum, wer Angelica bekommt, oder ob die Christen siegreich die Heiden vertreiben. Oder ist es einfach eine unterhaltsame Darstellung verzwickter, verquickter, verwobener Heldentaten.


    Jedenfalls vielen Dank an Thomas und Astrid und alle anderen Mitwirkenden für dieses wunderbare Buch. Herrliche Sprache, unheimlich spannend verpackt. Sicher nicht ganz so leicht zu lesen (wie Dan B. und Wolfgang H.) und um so einiges schwerer zu schreiben, wenn sogar Goethe (das Multitalent) es aufgegeben hat. Und der Autor hat 30 Jahre benötigt die Heldentaten zu verweben (ob auf oder abgerundet, wird uns heute keiner mit Genauigkeit sagen können, und wer weiss wie lange die Geschichten schon im Kopf von Ariost herumgeschwirrt sind).
    :blume:

    _________________________________________________________________________________________<br /><br /><br />________________________________________________________________________________________

  • Liebe Astrid, lieber Thomas und natürlich liebe Leserunde,


    es freut mich, dass hier so eifrig diskutiert wird! :knuddel:


    Leider stecke ich derzeit in einem schlimmen Lesetief und bin deshalb auch noch nicht weitergekommen mit meinem "Orlando Furioso" - das liegt ganz sicher nicht am Buch!


    Nur kann ich hier momentan gar nicht mitdiskutieren und ich möchte mich dafür entschuldigen. Aber so wie ich das sehe, kommt ihr gut klar und ich freue mich auf die nächste Woche, wo ich dem Buch dann vielleicht ein bißchen mehr Zeit und Energie widmen kann.


    Falls ihr dann schon durch seid, ist das zwar sehr schade, aber ich würde dann meine Fragen und Gedanken gerne hier noch posten und sie vielleicht sogar in ein Interview verpacken.


    Also... ich wünsche euch weiterhin viel Spaß mit dem Buch und werde in ein paar Tagen besser einsteigen können! :winken:


    Liebe Grüße
    nimue

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Zitat von "Thrakonia"

    Ich war etwas überrascht über die Magier, Zauberschwerter, Rüstungen usw., da ich auch mit einem historischen Roman (im heutigen Sinne bezüglich Genauigkeit) gerechnet habe.


    Vorab nochmal zur Klarstellung:


    Der Orlando furioso ist KEIN historischer Roman! Da hat der Verlag leider einen so ärgerlichen Positionierungsfehler gemacht, dass ich noch heute sauer bin. Astrid und ich haben uns den Mund fusselig geredet - leider ohne Erfolg.


    Und dann zum eigentlichen Irrtum (zu deiner Annahme "im heutigen Sinne bezüglich Genauigkeit"):


    Man nenne mir auch nur EINEN sogenannten historischen Roman, der nicht zum überwiegenden Teil frei erfunden oder (was noch viel üblicher und schlimmer ist) nach den Klischees von AutorIn, Verlag und den potentiellen Lesern geschrieben ist!


    Natürlich gibt es einige wenige nach bestem Wissen und Gewissen recherchierte Romane. Autoren wie Felix Dahn und Gustav Freitag gehören vielleicht dazu, Gisbert Haefs, auch Tanja Kinkel mit ihren Puppenspielern. (Nur mal ein Beispiel: Astrid und ich haben 4 Jahre an ATTILA recherchiert, alles gelesen, was es dazu gab und sind durch halb Europa zu den Schauplätzen und zu den örtlichen Archiven gereist - und schon ergab sich ein völlig anderes Attila-Bild als wir selbst bis dahin ebenfalls geglaubt hatten). Unser besonderes Aha-Erlebnis: Die historische Wissenschaft ist keinesweg ein Leitfaden wie nach mathematischen Formeln, sondern verändert sich jeden Tag.


    Der Mehrzahl der heutigen Verfasser von historischen Romanen ist es ohnehin vollkommen wurscht, das es im alten Rom weder Kilometer noch Minuten oder Sekunden gab. Man spricht grundsätzlich von "Ihr" und "Euch", weil das seit den 3 Musketieren und Hollywood schon mal als ganz toll historisch gilt. Dann wird gesoffen und gefurzt, mit dem Schwert rumgehampelt und der armen heimatlosen Unschuld vom Lande unter den Rock gegriffen. Toll = Courths-Mahler läßt grüßen und Rezept für einen Bestseller.


    Die Frage ist (wie beim Fernsehen) immer, was man eigentlich vermitteln will - die trockene Fakten-Pille INFO+WISSEN mit etwas Unterhaltungs-Zuckerguß. Oder die schiere Kinderschokolade mit den winzigen Alibi "viel Milch wenig Kakao" (was auch schon eine ganz bewußte Publikumsverdummung ist, weil die Füllmasse Magermilchpulver weitaus billiger und wertloser ist als Kakao und Kakobutter).


    Ich habe bei der gegenwärtigen Entwicklung keine großen Hoffnungen. Die Vergangenheit ist längst zum alten Lappen geworden, die wohlfeil ausgequetscht werden kann. Dabei könnten die meisten der heutigen Romane völlig beliebig überall und zu jeder Zeit spielen. Das wirklich Andere und Fremde erschließt sich heute keinem Leser mehr. Was (nur ein Beispiel) verstehen wir von der Weltuntergangsangst und der Gläubigkeit eines mittelaltelichen Menschen? Von seiner Gleichgültigkeit gegenüber dem Tod? Wir verstehen ja auch nicht, warum sich junge Menschen nur ein, zwei Flugstunden entfernt mit Sprengstoff in die Luft jagen.


    Und dass im Orlando alle Schönen blond sind, hat damit zu tun, dass sich Ariost schon damals über die gängigen (heute noch gültigen?) Klischees lustig gemacht hat.


    Schönen Tag noch
    TRPM

  • Ich wollte nur mal Meldung machen :breitgrins:


    Leider bin ich letzte Woche nicht so zum Lesen gekommen wie ich wollte, aber genug gejammert.
    Ich bin zur Zeit auf Seite 543, im 35. Gesang und immer noch begeistert von dem Buch.


    Was man auf dem Mond so alles findet...
    Eine sehr einfallsreiche Art Kritik an der Gesellschaft zu üben.


    Nun habe ich aber noch eine Frage:
    Unser Orlando mäht ja alles nieder was ihm im Wege ist, ist das auch "sinnbildlich" gemeint, oder interpretiere ich da nun zu viel hinein? :confused:

  • Hallo zusammen,


    ich bin nun bei Gesang 30 angekommen. Der Roman hat immer noch das gleiche Tempo und gefällt mir weiterhin gut. Endlich mal ein Klassiker, der (dank Thomas Arbeit) einfach zu lesen und zu verstehen ist und keine großartige Interpretation erfordert :smile:
    Nun ja, der Schwierigkeitsgrad steigt ein wenig, da jetzt auch noch die Pferde, Schwerter, Lanzen, Rüstungen und Helme ihre Besitzer wechseln :zwinker:


    Zitat von "Thomas"

    Die Frage ist (wie beim Fernsehen) immer, was man eigentlich vermitteln will - die trockene Fakten-Pille INFO+WISSEN mit etwas Unterhaltungs-Zuckerguß.


    Bei historischen Romanen bin ich seeeehr vorsichtig. Ich fasse die lediglich als gute Unterhaltung auf. Wenn ich mal einen lese, recherchiere ich vorher den geschichtlichen Hintergrund - wie auch bei Klassikern. Schöner ist es natürlich, gut recherchierte Romane zu lesen, aber das kann man vor dem Lesen kaum herausfinden. Was ist Realität, was ist Fiktion ?


    Zitat von "Thrakonia"

    Mir fehlt bislang noch das große Ziel: wohin führt uns die Geschichte.
    Geht es darum, wer Angelica bekommt, oder ob die Christen siegreich die Heiden vertreiben. Oder ist es einfach eine unterhaltsame Darstellung verzwickter, verquickter, verwobener Heldentaten.


    Tja, darüber rätsele ich auch noch: Ziel könnte der Abschluss der Rahmenhandlung; also der Sieg über die Sarazenen sein. Und natürlich die Auflösung, wer den sonst noch mit wem wie verwandt ist. Das ganze erinnert mich an Wolfram von Eschenbachs 'Parzival', in dem auch viele Ritter in Europa und im Orient herumdüsen, eine verzauberte Burg befreit wird und sich am Schluss noch einige Verwandschaftsbeziehungen ergeben.


    In Gesang 17 wird ein "Ork" erwähnt. Der hat allerdings außer dem Namen nichts mit "Herr der Ringe" zu tun. Der Ork und seine Story erinnern mich vielmehr an den geblendeten Kyklopen Polyphemos aus Homers Odyssee.


    Neben 'Don Quijote' habe ich übrigens am Wochenende schon den zweiten Klassiker entdeckt, der Motive aus dem Orlando benutzt:


    Falstaff: Mein Wirt vom Hosenbande, -
    Wirt: Was sagt mein Rodomont? Sprich gelahrt und weislich!
    Falstaff: Wahrhaftig, mein Wirt, ich muss einige von meinem Gefolge abschaffen.
    Wirt: Lass fahren, Roland Herkules; dank' ab, lass sie traben! marsch! marsch! -


    Gruß Dietrich

    [size=9px]Paul ist 24 Jahre alt. Er ist doppelt so alt, wie Thomas war, als Paul so alt war, wie Thomas heute ist. Wie alt ist Thomas ?[/size]

  • Zitat von "Papyrus"

    Nun habe ich aber noch eine Frage:
    Unser Orlando mäht ja alles nieder was ihm im Wege ist, ist das auch "sinnbildlich" gemeint, oder interpretiere ich da nun zu viel hinein?


    Nun, ich hole mal etwas aus. Man muß dazu wissen, was Ariost am Hofe der Estes für einen Job hatte: heute würde man Eventmanager dazu sagen. Er hatte zum einen das höfische Volk zu unterhalten, für offizielle Anlässe Gedichte zu schreiben (zum Beispiel für die Hochzeit Lucrezia Borgias mit Alfonso d'Este) UUUUUUND er sollte für die Familie d'Este eine Legende erschaffen. Das war so Mode, daß man sich am liebsten bis auf antike Helden zurückführen wollte. (Ich weiß jetzt gerade nicht, ob das Thomas nicht schon erwähnt hat. Wenn doch, sehts mir nach...)


    Das ganze hat Ariost aber schon ein bißchen gestunken. Er wollte eigentlich ganz andere Literatur schreiben und über das ganze höfische Chi-Chi hat er sich bei jeder Gelegenheit lustig gemacht (darum ist ja jede Frau die schönste der Welt :zwinker: und jeder Ritter der stärkste).
    Dazu kam auch noch, daß er die Figuren wie Orlando, Angelica, Rinaldo, Ruggiero usw. ja quasi "gebraucht" übernommen hat vom Grafen Boiard, und schon diese Geschichte gar nicht schreiben wollte. Natürlich hat er rumgeholzt mit denen und alles dermaßen überzogen, damit ihn die Estes endlich in Ruhe lassen sollten mit dem Auftrag, den "Orlando" weiter zu scheiben. Aber die Leute waren begeistert davon! Und zwar sowohl am Hof als auch in den einfachen Wirtsstuben.
    Irgendwann muß es ihm wohl auch selber Spaß gemacht haben, denn immerhin hat er 30 Jahre dran immer und immer wieder dran.gefeilt.
    Er war ja sogar schon fertig damit, nämlich nach dem 40. Gesang.
    Da ist die Geschichte eigentlich erzählt - und jetzt komme ich zu Thrakonias und Dietrichs Frage...


    Zitat von "Dietrich"

    Tja, darüber rätsele ich auch noch: Ziel könnte der Abschluss der Rahmenhandlung; also der Sieg über die Sarazenen sein. [...] Das ganze erinnert mich an Wolfram von Eschenbachs 'Parzival', in dem auch viele Ritter in Europa und im Orient herumdüsen, eine verzauberte Burg befreit wird und sich am Schluss noch einige Verwandschaftsbeziehungen ergeben.


    Ja, Ariost erfüllt seinen Job, die Boiardsche Orlando-Geschichte weiterzuerzählen und macht das, indem er den Konflikt der Christen gegen die Sarazenen thematisiert. Dazu nudelt er noch alles kabaretistisch durch, was ihm unter die Feder kommt.


    Nun wurde aber damals noch etwas anders erzählt. Nicht so wie heute: Held hat Konflikt, der wird gelöst und zum Schluß ist Happy End. Nein, man mährte sich oft ziemlich aus. (Siehe Parzival oder Melusine oder Die schöne Magelone, oder was auch imemr an mittelalterlichen Erzählungen...)
    Aber nach Gesang 40 war die Story fertig und zuu Ende. Jetzt kamen aber die Estes und sagten "Och nöööö, das war so schön. Und außerdem wollen wir noch ein Happy End und irgendwie mußt du es noch hinkriegen, daß die Figuren in unsere Ahnenreihe passen." Da hat dann Ariost nochmal 6 Gesänge angehängen müssen.
    Deshalb hat die Story auch nicht so den Spannungsbogen, den wie heutzutage gewöhnt sind. Und letztlich sollten die verschiedenen Geschichten darin einfach Spaß machen. Gerade im Italienischen ist es in erster Linie einfach schön, die Ariostschen (Spott)reime zu hören.


    Es grüßt
    Astrid