Matt Ruff - Ich und die anderen

Es gibt 35 Antworten in diesem Thema, welches 11.899 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Tammy1982.

  • Hier meine Meinung - und zugleich mein letztes Buch für den SLW09:


    Autor: Matt Ruff
    Original: Set this House in Order (2003)
    meine Bewertung: 5 von 5



    Andy Gage hat ein Problem. Beziehungsweise mehrere dutzend. Er leidet an einer Multiplen Persönlichkeitsstörung, doch gemeinsam mit seiner Psychiaterin Dr. Grey hat er es geschafft, in seinem Kopf ein Haus zu bauen, in dem jeder Seele ihr eigener Platz zugewiesen ist. Abwechselnd dürfen die verschiedenen Seelen den Körper übernehmen und ein bisschen Zeit für sich in der „Realität“ beanspruchen, doch sie werden dabei immer von der Hauptseele Andy überwacht, der die Verantwortung für den Körper trägt, während sein Vater für das Haus der Seelen sorgt.


    Dadurch hat sich Andys Leben entscheidend verbessert, er hat keine Blackouts mehr so wie früher, nur selten gerät er in Schwierigkeiten, aber immer muss er sehr aufmerksam sein und vor allem die wilderen Seelen scharf im Auge behalten. Natürlich erfordert dies einen straff geregelten Tagesablauf und Drogen und Alkohol sind tabu.


    Andy hat Glück, denn er lernt eines Tages Julie Sivik kennen. Sie betreibt ein Softwareunternehmen namens „Reality Factory“ und findet, Andy sei ein idealer Berater für ihre Programmentwickler. Andys Leben scheint fast perfekt zu sein – sofern das halt mit verschiedenen Seelen, die natürlich alle unterschiedliche Bedürfnisse haben, möglich ist. Doch dann verliebt sich Andy blöderweise in seine Chefin und dank ihr konsumiert er wesentlich mehr Alkohol, als ihm lieb ist. Als in Julie abweist, gerät sein Leben ein wenig aus den Fugen, richtig schlimm ist es dann aber erst, als Julie Penny Driver einstellt.


    Penny ist ebenfalls eine Multiple, allerdings hat sie sich das selbst noch nicht so richtig eingestanden. Julie möchte, dass Andy Penny hilft, ebenfalls ein Haus zu bauen und ihre unterschiedlichen Seelen zu vereinen, doch die Sache gestaltet sich viel schwieriger, als anfangs erwartet. Während Penny jedoch ihr Leben sehr, sehr langsam zu ordnen vermag, wird Andys Leben umso schneller wieder chaotisch.


    Es beginnt eine Spurensuche, die Andy zurück zu dem Haus führt, in dem ihm in seiner Kindheit Schreckliches angetan wurde und das letztlich dazu geführt hat, dass sich Seelenteile von seiner Hauptseele abgespalten haben. Penny begleitet ihn durch die Odyssee und versucht mit ihren verschiedenen Seelen ihm so gut wie möglich zur Seite zu stehen.


    „Ich und die Anderen“ ist das erste Buch, das ich von Matt Ruff gelesen habe, meine Meinung über das Buch ist also unabhängig von seinem bisherigen Werk, besonders oft wird in Kritiken nämlich betont, das Buch sei „total anders“. Anders vielleicht, aber auf keinen Fall schlecht. Anfangs hat man noch ein wenig seine Probleme damit, sich in eine zweifache Metaebene zu begeben – der Leser beobachtet Andy Gage, der aber seinerseits seine Seelen immer im Auge behält. Doch schon nach einigen Kapiteln hat man Andy ebenso ins Herz geschlossen wie seine „Mitbewohner“.


    Es ist eine sehr ernsthafte Thematik, mit der sich Ruff beschäftigt, und natürlich kann ich nicht beurteilen, inwiefern seine Schilderungen dem tatsächlichen Leben eines Menschen mit einer Multiplen Persönlichkeitsstörung entspricht, aber ich kann sagen, dass durch die sympathischen Hauptdarsteller eindrücklich klar wurde, dass es sich nicht um eine „Verrücktheit“ handelt, sondern um eine ernstzunehmende Erkrankung, mit der die Betroffenen selbst Probleme haben, mit denen sie aber auch gut zurande kommen können. Die Multiple Persönlichkeitsstörung wird zum Thema, ohne die Betroffenen bloß zu stellen oder ins Lächerliche zu ziehen.


    Durch den Umfang, die ernsthafte Thematik und die ungewöhnliche Perspektive ist das Buch zwar eher anstrengend in der Lektüre, durch eine gewisse Situationskomik und hintergründigen Humor wird es zwischenzeitlich aber doch immer wieder etwas aufgelockert. Angenehm ist auch, dass die Problematik der beiden Hauptfiguren, nämlich die Ursache ihrer seelischen Abspaltung, zwar erzählt wird, allerdings Details im Dunkel bleiben. Ich empfand das nicht als oberflächlich, wie andere Rezensenten oft bemängeln, sondern als respektvoll. Der Leser bekommt Einblick in das tiefste Innere der Protagonisten, nämlich ihre Seelen. Meines Empfindens nach ist es dann nicht notwendig, sensationsgierige oder voyeuristische Bedürfnisse des Lesers zu befriedigen. Ein Buch, das sicher nicht im Vorbeigehen gelesen werden kann (allein schon aufgrund des Umfangs), das aber dafür auch länger im Gedächtnis bleibt.
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    Taschenbuch: 720 Seiten
    Verlag: Deutscher Taschenbuch Verlag (1. Mai 2006)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3423208902
    ISBN-13: 978-3423208901


    5ratten

  • Das habe ich auch gelesen und damals eine Rezension für meinen - inzwischen eingestellten - Bücherblog geschrieben:


    Matt Ruff – Ich und die anderen
    dtv, 2003
    ISBN 3-423-20890-2


    Taschenbuch, 716 Seiten


    Matt Ruff mag dem einem oder anderen schon durch „Fool on the hill“ oder „G.A.S.“ bekannt sein. Sein neues Buch ist mit den Vorgängern aber gar nicht zu vergleichen.


    Amerika, Ende der 90er Jahre. Unser Protagonist Andy Gage leidet an multipler Persönlichkeitsstörung (MPS). Die hauptsächlich handelnde Person in ihm ist Andrew, dessen „Vater“ (eine weitere Persönlichkeit) im Kopf ein „Haus“ gebaut, in dem alle anderen Seelen bis auf eine, Gideon, leben. Andy weiß also von seinem Zustand. Durch einige Tricks seiner angehimmelten Chefin Julie lernt er Penny Driver kennen, die ebenfalls multipel ist, deren Hauptpersönlichkeit namens Mouse davon aber nichts weiß. Sie weiß nur, daß sie immer wieder „Zeit verpaßt“. Andy versucht Penny zu helfen, damit sie ebenfalls ein „Haus“ bauen kann, doch gerät dabei sein eigener Zustand völlig aus dem Gleichgewicht, so daß es Gideon gelingt, den Körper zu übernehmen und Andys Stiefvater zu suchen. Dieser hatte durch jahrelangen Kindesmißbrauch erst dafür gesorgt, daß die Seele in Scherben zerbrach und Andy multipel wurde...



    Ein überaus schwieriges Thema, das Matt Ruff sich hier ausgesucht hat. Persönlichkeitsstörungen und zusätzlich noch Kindesmißbrauch, das ist wirklich hart. Umso höher ist es dem Autor daher anzurechnen, daß er nicht voyeuristisch an das Thema herangeht oder seine Figuren für dümmliche Witzen missbraucht. Vielmehr erhält der Leser auf eine ungeheuer einfühlsame Art und Weise einen Einblick in das Leben von Menschen, die an MPS leiden. Die Schwierigkeiten, denen sie im Tagesablauf begegnen, werden überaus deutlich und auch welches Leid es bedeutet, nicht zu wissen, was man vor wenigen Minuten getan haben könnte. Wenn man liest, wie Mouse damit umgehen muß, daß eine andere ihrer Seelen auf ziemlich rüde Art den Job gekündigt hat und sie nun plötzlich von ihrem Chef wie Dreck behandelt wird, ohne den Grund dafür zu kennen, macht das einfach nur betroffen. Andys Erlebnisse in seiner Kindheit sind dagegen beinahe mehr, als man ertragen kann. Dabei schildert Ruff diese zwar gar nicht ausdrücklich, vielmehr blendet er vorher aus, die bloße Vorstellung, was ab diesem Punkt geschehen wird, genügt aber vollkommen. Besser kann man mit diesem Thema wohl gar nicht umgehen (als dezenter Hinweis an Somoza und sein „Die dreizehnte Dame“).


    Die bedrückende Thematik führt aber nun nicht dazu, daß dieses Buch todernst wäre. Zum einen ist schon schlicht beeindruckend, wie Andy und Penny trotz aller Probleme, die ihr Zustand verursacht, ihr Leben meistern. Der Leser freut sich mit ihnen über jeden Erfolg,den sie erringen. Zum anderen durchzieht ein feiner und hintersinniger Humor das Buch. Hier werden keine Witze auf Kosten psychisch kranker Menschen gemacht, als humoristischer Pol fungieren vielmehr die „normalen“ Personen, die sich hier alle deutlich „verrückter“ verhalten. Diese Darstellung des Umgangs zwischen den Figuren des Buches, insbesondere zwischen „normal“ und „gestört“ (man lese nur den Abschnitt zwischen Officer Cahill und Andy), macht auch den besonderen Reiz des Buches aus.


    Überhaupt wachsen einem die Personen wirklich ans Herz. Zwar sind einige der Nebenfiguren das pure Klischee (Julie Sivik und Dennis), doch stört das überhaupt nicht. Denn sie scheinen eben als genau das ersonnen zu sein, damit der Umgang zwischen solchen Personen und einem Multiplen besser veranschaulicht werden kann. Andere Nebenfiguren sind deutlich intensiver und realistischer ausgearbeitet, so daß es sehr schade ist, daß man nicht mehr über sie erfährt (Mrs. Winslow oder Chief Bradley). Sie bieten genügend Inhalt für eigene Bücher. Das wichtigste aber sind natürlich die Protagonisten. Und hier ist die Darstellung der MPS wirklich gelungen. Die Seelen, die in Andy leben, sind natürlich teilweise genau so, wie man sich das bei jemandem wie ihm vorstellt (das Kind, der Vernünftige, der „Böse“). Und doch sind sie alle schlüssig entwickelt, keine wirkt fehl am Platz, ihre Handlungen sind klar und verständlich, gerade auch die Gideons. Das gleiche gilt für Penny, die natürlich andere Seelen in sich hat, die genauso wunderbar gestaltet sind (besonderen Spaß macht Maledicta, eine der „Beschützerinnen“).


    Was mich dann noch besonders fasziniert hat, ist die Art, wie Ruff den Übergang zwischen verschiedenen Seelen und das Innere eines Multiplen beschreibt. Der Wechsel geschieht teilweise mitten in einem Satz, während eines Geschehens, so daß die Abruptheit, mit der Penny leben muß, besonders deutlich wird. Auch der Leser darf dann manchmal mitraten, wer jetzt gerade die Kontrolle über den Körper hat. Nicht nur an dieser Stelle ist das Buch dabei von einer sprachlichen Brillanz, die man zunächst kaum erahnt. Leicht und beschwingt wird hier erzählt, aber mit einer erschreckenden Eindringlichkeit. Der Leser ist schlicht berührt, und wenn am Ende des Buches Andy alleine in seiner Küche sitzt und weint, dann werden auch dem Leser die Augen feucht.


    Dies alles trägt eine Handlung, die auf den ersten Blick möglicherweise etwas schlicht erscheint, doch beim Lesen ungeahnte Facetten offenbart. Das reicht von kleinen Verwirrspielen, die sich um den Tod von Andys Stiefvater drehen, über die Beziehung zu Penny und Julie (Nein, es gibt kein „Happy-End“ in diesem Sinne) bis schließlich zu der Frage, wer Andy eigentlich ist. Da wird stellenweise Philosophie betrieben, ohne daß man es direkt merkt, insbesondere eben zu der Frage, was eigentlich die Identität eines Menschen ausmacht. Und so denkt man auch noch lange, nachdem man das Buch weggelegt hat, noch über diese Fragen nach.


    Fazit:
    Ein wirklich großes Buch und das in jeder Hinsicht. Sprachlich überragend, mit einer faszinierenden Personendarstellung, liebenswerten Figuren und einer überzeugenden Handlung, die betroffen, aber nicht depressiv macht. Eine uneingeschränkte Leseempfehlung.


    5ratten

  • Danke, Ingroscha! Es beschäftigt und bewegt mich tatsächlich immer noch.


    Geht mir auch so und das obwohl die Lektüre 2,5 Jahre her ist. Ich habe immer noch einzelne Szenen genau vor Augen. Das geht mir lange nicht bei allen Büchern so.

  • Nein, normalerweise ist das bei mir auch nicht so. Aber irgendwie hat es was, das Buch. Und ich erwisch mich schon öfter dabei, mich selbst zu beobachten und versuchen festzustellen, ob ich eh noch ich bin - weil selbst mir geht es manchmal so, dass ich Dinge tue, die eigentlich untypisch für mich sind und die würde ich manchmal gern einer anderen Seele in die Schuhe schieben :breitgrins:


    Welche Szene ist dir denn besonders im Gedächtnis geblieben?

  • Meine Meinung
    Das war mein allererstes Buch von Matt Ruff und es hat viel zu lange auf meinem SuB gelegen, bevor es mir jetzt für den SLW gewichtelt wurde. Am Anfang habe ich ein bisschen gebraucht, bis ich das Prinzip verstanden habe und die einzelnen Seelen auseinanderhalten konnte, aber die Geschichte hat mich wirklich unheimlich schnell in Bann gezogen und ich habe mich immer auf das Buch gefreut. Parallel zum Lesen habe ich die Leserunde mit Matt Ruff nachgelesen und dabei habe ich gemerkt, dass es nicht nur interessant ist, bei einer Leserunde mitzumachen, sondern einfach auch im Nachhinein eine zu verfolgen. Dass der Autor dabei war, ist natürlich das Highlight, wann kann man schon so unmittelbar nachlesen, was ein Autor über sein Buch zu sagen hat. Schön, dass das alles für die Nachwelt festgehalten ist.


    Die Figuren/Seelen fand ich unglaublich lebendig beschrieben und sie sind mir eigentlich alle ans Herz gewachsen. Dazu beigetragen hat die wechselnde Perspektive und auch die Tatsache, dass immer auch auf den Hintergrund der Figuren (ich meine jetzt nicht die Seelen) eingegangen wird. Zum Beispiel auf den von Beispiel Mrs Winslow oder auch Danielle Grey.
    Nicht ganz so warm geworden bin ich mit Julie, wobei sie mir nicht direkt unsympathisch war, aber ihr Verhalten fand ich einfach nicht immer gut.


    Oftmals musste ich beim Lesen wirklich schlucken, zum Beispiel bei der Beschreibung von Pennys Kindheit. Das sind Dinge, die man nicht so schnell vergisst. Umso beeindruckender, dass trotzdem ein gelungener Balanceakt zwischen Lachen und Weinen geschaffen wird.


    Eine Sache hat mich wirklich überrascht,


    Das Thriller-Element in Buch 10 hat mich an sich jetzt weniger gestört, allerdings fand ich schon, dass es ein bisschen zu breit ausgewalzt wurde und sich zu lang hinzieht. Den Epilog fand ich dann einfach wieder perfekt, ein ganz würdiger Abschluss für das Buch.


    Es gäbe noch viel mehr zu dem Buch zu sagen, aber ehrlich gesagt habe ich das Gefühl, dass das meiste ein bloße Wiederholung dessen wäre, was hier/in der Leserunde bereits geschrieben wurde. Deshalb nur noch zum Abschluss: Die anderen Bücher von Matt Ruff sind schon auf meine Wunschliste gewandert und diesmal möchte ich sie nicht so lange auf dem SuB liegen lassen.


    Ich vergebe: 5ratten

    :lesen: Cathy Ytak: Rendez-vous sur le lac<br /><br />Deine Freunde sind die, die neben dir stehen, wenn die Welt Death Metal spielt.<br />(Aleksander Melli: Das Inselexperiment)<br /><br />SLW 2011<br />Seychella-List

  • Seit gestern lese ich dieses Buch und es ist in der Tat sehr beeindruckend zu lesen. Matt Ruff gelingt es sehr bildhaft, die Symptome dieser psychischen Erkrankung zu erklären und begreiflich zu machen. Ich dachte aber auch, dass es sich eher um ein humorvolles Buch handelt. Dem ist aber nicht so. Im Gegenteil. Manchen Szenen empfinde ich als so furchtbar, dass ich dieses Buch nicht Abends lesen kann. Ich meine damit ganz besonders die Stellen von Penny und ihrer Mutter. Da schnürt es mir im wahrsten Sinne des Wortes die Luft ab. Das schlimme daran ist - auch wenn es nur eine fiktive Geschichte ist - solche Dinge geschehen jeden Tag und überall auf der Welt und das ist unvorstellbar.
    Ich kann dieses Buch nur in Etappen lesen und brauche zwischendurch immer wieder leichtere Lektüre.

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    OT: Set This House in Order
    OA: 2003
    600 Seiten
    ISBN: 978-3423208901


    Inhalt:
    Für den fünfjährigen Jake Honigpops, für Tante Sam Kräutertee und für Seferis gesalzene Radieschen: Es ist gar nicht so leicht, jeden Morgen die Bedürfnisse aller Hausbewohner zu befriedigen. Aber eigentlich hat Andrew Gage sich und seine »anderen« ganz gut im Griff. Andrew hat eine Multiple Persönlichkeitsstörung; mit Unterstützung einer engagierten Psychologin hat er es jedoch geschafft, für die vielen Ich-Abspaltungen in seinem Kopf ein imaginäres Haus zu konstruieren. 

Eine strenge Hausordnung ist der Garant dafür, dass Andrew sich im wirklichen Leben behaupten kann. Doch die Grundmauern des Geisterhauses beginnen stark zu wackeln, als Andrews Chefin Julie, Gründerin einer Firma, die sich mit virtueller Realität befasst, die junge Penny Driver einstellt. Denn Penny ist ebenfalls multipel – nur weiß sie das noch nicht.


    Eigene Meinung:
    Dieses Buch ist wirklich einzigartig. Obwohl in diesem Buch das Hauptthema eine psychische Erkrankung ist, ist es absolut spannend, bis zur letzten Seite. Die Protagonisten sind, trotz ihrer durchgeknallten Art, absolut liebenswert und man bringt ihnen sehr viel Respekt entgegen, auf Grund der Belastung, die sie jede Minute ihres Lebens mit sich herumschleppen und der Art wie sie es schaffen damit umzugehen.Matt Ruff ist es gelungen sehr bildhaft darzustellen, wie es einem Menschen ergeht, der sich in verschiedene Parallelwelten flüchtet, um einem Trauma zu entgehen. Zu Beginn erschien mir die Welt von Andrew Gage sehr verwirrend, aber sehr schnell begann ich zu begreifen, wie die einzelnen Seelen miteinander in Kontakt stehen und warum sie so wichtig sind. Ruff beschreibt diese Symbiose hervorragend und ebenso vermittelt er das Grauen, wenn diese Symbiose gestört ist und nicht mehr funktioniert. Ebenso gelungen erklärt sind die Ängste, die diese Menschen ausstehen und die einfallsreichen und faszinierenden Hilfsmittel, welche sie entwickeln, um in der „normalen“ Welt existieren zu können.
    Besonders bewegend fand ich die Hintergründe der Erkrankung von Andrew und Penny. Ruff zeigt auf wirksame, aber auch brutale Weise, was Menschen sich und Anderen antun können und die lebenslangen Konsequenzen dieser körperlichen und psychischen Übergriffe.
    Bei diesem Buch wird so mancher Leser über sich selbst reflektieren und vielleicht in Zukunft mit mehr Bedacht und Empathie auf andere zugehen.
    Mir persönlich hat dieses Buch so manches menschliche Verhalten verständlicher gemacht.


    4ratten

  • Ich hab das Buch heute Nacht ausgelesen und ich finde, das war das Beste, was ich seit langem gelesen habe. Ich habe das Buch auf Englisch gelesen (das erste englische Buch seit Jahren) und bin sehr froh drum. Obwohl die Perspektiven sehr oft wechseln und auch Zeitsprünge vorkommen, habe ich immer direkt gewusst, welche Person/Seele gerade erzählt, um wen es geht. Das verdankt man meiner Meinung nach dem sehr guten Schreibstil von Matt Ruff. Durch seine Wortwahl hat er es geschafft, die einzelnen Charaktere sehr gut darzustellen und zu beschreiben, sodass man selbst als Leser sie sofort erkannt hat, ohne dass die Namen genannt wurden. Matt Ruff schreibt sehr anschaulich - ich konnte mir genau vorstellen, wie es in Andrews und Pennys Köpfen aussieht. Die Geschichte wirkte auch nicht zu konstruiert, sondern man konnte alles gut nachvollziehen. Ich habe gegen Ende auch total mitgefiebert und gehofft und gebangt und feuchte Augen gab's dann bei mir auch noch.


    Mich hat das Buch teilweise sehr bedrückt. Die Erzählungen aus Pennys und Andrews Kindheit haben mich sehr mitgenommen. Für schwache Nerven ist das sicherlich nichts.


    Also insgesamt kann ich sagen: Ein fantastisches Buch mit tollen Charakteren, sehr gut geschrieben, eine gute Story.


    Von mir gibt's 5ratten und :marypipeshalbeprivatmaus:.

    Bücher kaufen und Bücher lesen sind zwei völlig verschiedene Hobbys.

  • Hallo Ihr Lieben,


    ich krame mal wieder einen ziemlich alten Thread hervor... :breitgrins: Ich habe heute begonnen dieses Buch zu lesen und musste mich dann richtig zwingen, dass ich auch noch ein bisschen Haushaltskram mache und nicht den ganzen Tag lesend verbinge.


    Ein Kollege hat mir den Tipp gegeben gehabt und ich bin sehr froh, dass meine Neugierde gesiegt hat und ich mir gleich das Buch geholt habe. Ich finde es total faszinierend zum einen Andrew mit seinen geregelten Persönlichkeiten und zum anderen Penny, die noch gar nichts von ihren anderen Persönlichkeiten weiß, zu folgen. Die Spannung wird auch noch dadurch erhöht, dass teilweise satzweise die Personen wechseln. Das ist aber so gut gemacht, dass ich als Leser mühelos folgen kann.


    Die bis jetzt noch kurz gehaltenen Exkursionen in die Vergangenheiten von Andy und Penny haben mich schon schwer schlucken lassen und ich fürchte, dass da wahrscheinlich noch einiges kommen wird.


    Sehr gut gefällt mir auch, wie Matt Ruff es schafft das Innenleben von Andy zu beschreiben.


    Bin sehr gespannt, wie sich die Geschichte noch weiter entwickelt! :lesen:


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • Ich habe dieses Buch Anfang des Jahres gelesen und ich war ebenfalls begeistert - allerdings hatte ich anfangs große Schwierigkeiten mich mit Andrews verschiedenen Persönlichkeiten zurechtzufinden und zu verstehen, was da eigentlich in seinem Kopf vorgeht.


  • Ich habe dieses Buch Anfang des Jahres gelesen und ich war ebenfalls begeistert - allerdings hatte ich anfangs große Schwierigkeiten mich mit Andrews verschiedenen Persönlichkeiten zurechtzufinden und zu verstehen, was da eigentlich in seinem Kopf vorgeht.


    Interessant. Ich habe mich sehr schnell zurecht gefunden und konnte mich da sehr schnell einfühlen. Hm, was sagt das jetzt über meinen geistigen Zustand aus? :entsetzt: :elch: Kommt vielleicht aber daher, da ich erst vor Kurzem ein Buch über muliple Persönlichkeitsstörung gelesen habe und es da auch schon gut beschrieben wurde. Ich finde ja, dass die Beschreibung "Seelen" mir da auch sehr zu Gute kommt. Ich stelle mir einfach vor, dass der Körper wirklich nichts anderes ist, als eine Hülle, in der normalerweise eine Seele wohnt. Wenn aber die äußeren Rahmenbedingungen für diese eine Seele zu schlimm werden, kommen noch weitere Seelen dazu, die stärker sind bzw. das irgendwie absorbieren können.


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)

  • Bei der Frühstücksszene war ich zugegebenermaßen auch verwirrt und hab daraufhin die ersten Seiten nochmal gelesen. Danach war es aber okay für mich.


    Mein Lesekreis hat das Buch übrigens auch gelesen und einstimmig für sehr gut befunden. :smile:

    Bücher kaufen und Bücher lesen sind zwei völlig verschiedene Hobbys.

  • Hallo Ihr Lieben,


    so, habe das Buch zwar schon länger ausgelesen, aber erst jetzt schaffe ich es endlich auch meine Meinung hier zu schreiben:


    Andrew Gage führt quasi ein normales Leben mit einer Hausgemeinschaft. Jeder hat andere Vorlieben zum Frühstück oder auch beim Duschen. Jedoch ist diese "Hausgemeinschaft" nicht so wie man denkt: Sie befindet sich ausschließlich im Kopf von Andy Gage und nur wenn er es zulässt dürfen die anderen Bewohner entsprechend den Körper, den sie sich alle teilen, übernehmen. Auch wenn sich das etwas komisch anhört, führt Andy ansonsten ein normales Leben. Nachdem seine Kindheit eher ein nicht vorzustellender Alptraum war, hat er es geschafft über die "Hausgemeinschaft" sein Leben in den Griff zu bekommen, hat einen Job und scheinbar ist alles geregelt. Bis zu dem Tag, an dem Penny auftaucht. Penny, deren Körper auch mehrere Seelen bewohnen, die das aber noch gar nicht weiß... Und ganz schnell befindet sich Andy in einem kompletten Chaos, dass seine bis dahin geregelte Welt gehörig auf den Kopf stellt.


    Dieses Buch ist definitiv ganz anders, als alles, was ich bis dato gelesen habe. Matt Ruff beschreibt sehr anschaulich und sehr gut das Innenleben von multiplen Persönlichkeiten und schafft es nur durch anders gedruckten Text bzw. durch andere Wortwahl darzustellen, welcher Charakter gerade den Körper übernommen hat. Auch wenn ich mir das nicht vorstellen kann, wie es sein muss, wenn mehrere Seelen den gleichen Körper bewohnen, konnte ich es gut nachvollziehen und fand, dass auch die Herausforderungen und Probleme gut dargestellt worden sind.


    Schlucken musste ich immer wieder, wenn auch nur grob angerissen wurde, was Andrew bzw. Penny in ihrer Kindheit alles erdulden mussten. Bei solchen Geschichten wundert es mich nicht, dass sie Zuflucht in anderen Seelen gesucht haben, um irgendwie dieses Grauen überleben zu können. Hatte ich zuerst gedacht, dass die Vergangenheit von Penny schon wirklich schrecklich ist, hat mich Andrew's wahre Geschichte eines Besseren belehrt. Dabei möchte ich gar nicht darüber nachdenken, wie viele Gestörte es tatsächlich gibt, die ihren Kindern die Hölle auf Erden bereiten.


    Obwohl es ungewohnt ist, sich für jeden Charakter immer den gleichen Körper vorzustellen, wurde jeder Charakter doch so eigen beschrieben, dass ich mir trotzdem sehr gut vorstellen konnte, wie er auf einmal sich anders bewegt, sich anders hinsetzt und v. a. auch anders spricht, den Kopf hält etc. Jede Seele war dadurch einzigartig und auf ihre Art und Weise habe ich sie irgendwie alle gern gehabt.


    Alles in allem ein Buch, dass mich sehr stark berührt hat und mich oft hat stark schlucken lassen. Dabei eine sehr spannende und interessante Reise in den Kopf von multiplen Persönlichkeiten und hat mir dabei wieder viel interessantes Wissen vermittelt. Starkes Buch, dass man aber gut verdauen können muss.


    5ratten


    Liebe Grüße
    Tammy :winken:

    &WCF_AMPERSAND"Jeder der sich die Fähigkeit erhält, Schönheit zu erkennen, wird nie alt werden.&WCF_AMPERSAND" (Franz Kafka)