Edward. M. Forster - Wiedersehen in Howards End

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  • Ich bin gestern bis zum 12. Kapitel gekommen.


    Also zum Unterschied zu Austen kann man Forster nicht nur einfach nebenher lesen, man muss sich schon etwas Zeit lassen, weil er sehr spitzfindig schreibt und viele Dinge (da er ja seinen Roman, wie oft bei Th. Mann, selber kommentiert) einwirft, wo ich mir dann die Zeit nehme und ein wenig nachdenke :smile:


    Bis jetzt gefällt mir das Buch sehr gut :winken:

  • Ich bin mittlerweile mit Kapitel XV durch.


    Ich habe das Gefühl, Howard spielt stark mit dem Klassenbewusstsein in der damaligen Zeit: Helen und Margaret diskutieren seitenweise, ob man die sich anbahnende Bekanntschaft mit Mr. Bast vertiefen sollte und ob man ihm dadurch einen Gefallen tut oder nicht...


    Er versteht es auch, die Spannung zu halten. Da regt sich auf der einen Seite die ganze Familie Wilcox auf, weil die verstorbene Mutter Margaret Schlegel Howard's End überlassen will ... wenige Seiten später sind zwei Jahre vergangen, und es fällt kein Wort über Howard's End, die Wilcox' sind ausgezogen, haben vermietet, und die Schlegels sind immer noch auf Wohnungssuche. Bin mal gespannt, wie das ausgeht!


    Und die Formulierungen sind oft sooo herrlich.


    Nur zwei Beispiele (Seitenzahlen aus SZ-Ausgabe):


    Zitat von "Seite 108"

    (über Charles Wilcox' Frau): "Seine ganze Zärtlichkeit und seine halbe Aufmerksamkeit - das gönnte er ihr das ganze glückliche Eheleben lang."


    Zitat von "S. 116"

    Das letzte Wort (...) war jedenfalls nicht auf dem Friedhof von Hilton gesprochen worden. Dort war sie nicht gestorben. Begräbnis ist nicht Tod, so wenig wie Taufe Geburt oder Hochzeit Vereinigung ist. Alle drei sind plumpe Kunstgriffe, bald zu früh und bald zu spät, mit denen die Gesellschaft das rasche Hin und Her des Menschen festzuhalten sucht.


    Einziges kleines Ärgernis in meiner Ausgabe: die SZ-Bibliothek hat wahrlich ein ß-Problem. "Miß" sieht einfach scheußlich aus :grmpf:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • :grmpf: Mir vermiest die Arbeit jetzt auch dieses Buch. Es ist so anstrengend, dass ich auch in meiner Freizeit völlig erschöpft und für Forster kaum aufnahmefähig bin. Daher komme ich nur im Schneckentempo vorwärts und bin erst bei Kap. 6 angelangt.


    Dass, wie Creative schreibt, die Wilcox' dem Schlegelschen Ideal entsprechen, kann ich bisher nicht ganz nachvollziehen. Ich sehe da eher eine Faszination auf Grund der fremden Herangehensweise an das Leben.
    Dass die Schlegels Leonard Basts Ideal nahe kommen, kann ich schon eher so sehen.


    Die Konzertszene fand ich ganz hervorragend. Ich muss mir die CD gleich mal raussuchen und gucken, ob ich die Kobolde und die tanzenden Elefanten auch höre kann.


    Eine Frage zur deutschen Übersetzung im 5. Kap.:
    Nach dem Andante heißt es:
    Applause, and a round of wunderschöning and prachtvolleying from the German contingent.
    (Kursiv von mir.) Wie kann man so was übersetzen?

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Zitat von "Saltanah"

    Applause, and a round of wunderschöning and prachtvolleying from the German contingent.


    :lachen: Das ist ja genial! (Die Übersetzung ist ganz langweilig: "Eine Salve "Wunderschön" und "Prachtvoll" von der deutschen Kolonie :entsetzt: )


    Als ideal empfinden die Schlegels die Wilcox' auch in meinen Augen nicht, sie sind sich wohl irgendwie sympathisch...

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich bin jetzt auch im XV Kapitel und habe ein kleines Tief. Entweder es liegt an meiner Müdigkeit nach der Arbeit oder an der etwas lauen Passage über die Diskussionsrunden der Schlegelschwestern.


    Ich hoffe mal das Buch zieht mein Interesse wieder etwas mehr an auf den nächsten Seiten.


    :sauer:

  • Hatte eben doch noch ein kleines Lesehighlight:


    Mir hat es sehr gut gefallen, wie Forster die Schlegelschwestern mit Mr. Wilcox am Flußufer über den Wandel der Lebensgewohnheiten sprechen lässt, über Höhen und Tiefen, die bildlich mit der Flut und dann wieder mit dem Zurückweichen des Flusses gleichgesetzt werden.

  • Hallo,


    ich habe gerade Kapitel 14 beendet und das Buch gefällt mir nach wie vor sehr gut. Besonders gefallen hat mir die Aussage, daß die Menschen viel zu viel Zeit dafür aufwenden, für alles vorbereitet zu sein. Da konnte ich mir doch teilweise an meine eigene Nase fassen. Ich denke auch sehr oft: "Was ist wenn?", aber natürlich ist das Humbug, weil es meistens nicht eintrifft und wenn dann doch, man sowieso anders handelt. Ich finde ebenfalls, daß allzu viel Vorbereitung auf Dinge, welche eventuell passieren könnten, die Spontanität und die Spannung des Lebens nehmen und es ist gut, daß es eben nicht immer funktioniert.
    :confused::spinnen: Oh je, hat das jetzt einer verstanden. Naja in Anbetracht der späten Stunde, ist mir vielleicht noch so ein gedanklicher Wirrwar zu verzeihen. :breitgrins:
    Ich habe vor einiger Zeit sehr viele Krimis und Thriller gelesen, die ich auch nach wie vor mag, aber momentan habe ich eine krimifreie Phase in der mir solche Bücher wie dieses hier oder Jane Austen sehr gut gefallen. Es ist glaube ich der ruhige Schreibstil, ohne viel Action, der mir momentan gut tut, weil er einen quasi dazu zwingt, beim lesen nachzudenken. Ich merke, daß ich solche Bücher viel intensiver lese und bei mir sehr viel mehr in Erinnerung bleibt.
    Ich habe es gerade heute Abend bemerkt, als ich mit Epona die letzte "WallanderVerfilmung" angesehen habe. Wir konnten uns beide an sehr vieles nicht mehr erinnern. :redface: Da frage ich mich schon, wie intensiv ich Bücher lese, bzw. nicht.
    Nun ja, jetzt geht's zum :zaehneputzen: und gaehn, aber natürlich werde ich noch ein paar Seiten im Bette lesen. :klatschen:


    Gut's Nächtle Tina

  • Ich lese immer wieder den Satz, dass das Geld die Kette im Gewebe sei.
    Kann mir das jemand erklären?
    Meint Forster damit, dass sich das Thema Geld wie ein roter Faden durchs Leben zieht?


    Im Moment komme ich nur schleppend voran. :sauer:

  • Hallo


    ich werde erst heute abend wieder dazu kommen zu lesen, den dann habe ich die Muse und Ruhe, welche ich für dieses Buch benötige. Was ich mich aber bei den letzten Kapiteln fragte, war wie alt eigentlich Meg, Helen und Tibby sind? Stand das irgendwo und habe ich es überlesen? :redface:


    Zitat von "Germa"

    Ich lese immer wieder den Satz, dass das Geld die Kette im Gewebe sei.
    Kann mir das jemand erklären?
    Meint Forster damit, dass sich das Thema Geld wie ein roter Faden durchs Leben zieht?


    In welchem Kapitel steht das? Ich kann es mir nur vorstellen, daß wen in einem Gewebe die Maschen nicht richtig "verkettet" sind, dann löst sich die ganz Chose auf. Das hast Du bestimmt schon einmal beii einem Strickpulli erlebt. Nun ja, das verstehe ich darunter.


    Liebe Grüße Tina :winken:

  • Hallo Tina,
    in Kapitel III der SZ-Ausgabe steht gleich am Anfang, dass bei Tibbys Geburt Helen 5 und Margaret 13 ist.
    Auf Seite 17 schreibt Forster, dass Helen nun volljährig wird, also 21, Margaret ist dann 29 und Tibby 16.


    Der Satz taucht bis Kapitel 17 immer mal wieder auf.

  • Zur "Kette im Gewebe":


    Kettfaden
    aus Wikipedia, der freien Enzyklopädie


    Die Kettfäden (auch Kette genannt) sind die Fäden, die bei der Herstellung eines Gewebes in Längsrichtung liegen.


    Sie werden von den Schäften der Webmaschine angehoben und abgesenkt, um eine bestimmte Bindung des Gewebes zu erhalten.


    Die Kette ist also die Grundlage, das Gerüst, auf dem ein Gewebe hergestellt wird. Übertragen ist Geld also eine unabdingbare Voraussetzung, um das herum das Leben aufgebaut wird.


    @Germa:
    Hier gibt's also noch eine, die wie ich immer nach Hinweisen zum Alter der handelnden Personen sucht. :winken: Ich hatte mir die entsprechenden Stellen gleich rausgeschrieben.
    Jetzt bleibt nur noch die Frage, in welchem Jahr/Jahren das Buch spielt. Wisst ihr was genaueres darüber?


    Ich bin leider arbeitsbedingt so erschöpft, dass ich nicht weiter voran gekommen bin. Ich hoffe auf mehr Energie nächstes Wochenende, da ich dieses voll arbeiten muss. :sauer:

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Danke Saltanah für den Hinweis mit der Kette.


    Ich denke das Buch spielt um 1910, da ist es meines Wissens nach erschienen. Kommt auch ungefähr mit den beschriebenen Automobilen hin.


    Bin heute im 24-Stundendienst und solange es ruhig bleibt werde ich noch einiges lesen. :winken:

  • Hallo
    @Germa bin ich froh, daß ich meine 30 Stunden-Dienste hinter mir habe, zumindest im Moment, da ich nur als Aushilfe 1x in der Woche in der Klinik arbeite, aber wenn meine Tochter älter ist, wird das wohl auch wieder auf mich zukommen :kotz: Ich vermisse sie nicht. Ich bin momentan nicht viel zum lesen gekommen, da ich oft Besuch hatte.


    Bis Kapitel 19
    Was mir immer sehr befremdlich ist, daß in dieser Zeit Heiratsanträge gemacht wurden, ohne sich richtig zu kennen (wie Meg sagte auf die Frage Ihrer Schwester:"Wirst Du ihn lieben?" "Ja, dessen bin ich mir ziemlich sicher." Ich weiß nicht ob mir ein "ziemlich" ausreichen würde um mich ein Leben lang an einen Menschen zu binden, zumal die beiden es ja auch wirklich finanziell nicht nötig haben. Naja, Schiefgehen kann es immer. Hätte ich meinen Mann vor 9 Jahren, als wir uns kennenlernten direkt geheiratet, wären wir wohl auch immer noch zusammen, aber ich muß dann immer an "Stolz und Vorurteil" denken. Ich weiß nicht ob Mr. Bennet es sich nicht nocheinmal überlegt hätte, wenn er seine Frau besser kennengelernt hätte. Der Arme war ja ziemlich gestraft mit diesem Weibsbild.
    Der Altersunterschied zwischen Mr. Wilcox und Meg ist ja auch nicht wirklich gering, aber das stört mich weniger. Ich habe auch immer eher eine Affinität zu älteren Männern. :breitgrins:
    Ich bin 'mal gespannt, ob sie mit ihm glücklich wird, zumal er ja doch relativ konträre Ansichten hat.


    Liebe Grüße Tina :winken:

  • Zitat von "Saltanah"

    Die Kette ist also die Grundlage, das Gerüst, auf dem ein Gewebe hergestellt wird. Übertragen ist Geld also eine unabdingbare Voraussetzung, um das herum das Leben aufgebaut wird.


    Danke, Saltanah, so hatte ich es mir auch gedacht.


    Denn es ist sicherlich so, dass auch die besten Ideale ohne Geld nicht wirklich weiterbringen. (Nicht wahr, Creative, das haben wir doch bei Hans gesehn :zwinker: )
    Dann kann man von seinen Idealen nur träumen, aber meistens nicht realisieren.


    Ich bin nun auch bei dem

    Zitat

    Heitratsantrag

    angekommen. Es verwundert mich schon ein wenig, dass Meg ihn annehmen möchte, und nur die praktischen Dinge in den Vordergrund stellt. Sie kam mir eigentlich emanzipierter vor. Na ja, mal sehen, ist ja noch nichts geschehen :zwinker: (Ich habe zwar den Film vor Jahren schon gesehen, kann mich aber an kaum etwas erinnern. Gott sei Dank :smile: )

  • Helen erscheint mir als die emanzipiertere von den beiden, und ich denke, dass Margaret so ganz unterschwellig doch ein klein bisschen Torschlusspanik hat bzw. ihr der Antrag ganz recht kam.


    Es ist ein ziemlich ruhiges Buch, das aber auch einige schöne Denkanstöße beinhaltet. Man muss sich ein wenig darauf einlassen, aber mir gefällt es immer noch sehr gut.


    (Beruhigt mich, dass Ihr auch noch nicht fertig seid, ich habe am WE sehr wenig gelesen.)


    Tina: ich gehöre gerade bei Krimis auch zur Schnellvergesserfraktion. Hat aber auch was für sich, denn dann kann man auch Krimis mehrmals lesen :breitgrins:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Ich bin jetzt im 23. Kapitel und kann das Buch nur in Ruhe lesen, weil wirklich viele Passagen zum Nachdenken anregen.


    Ich bin verwundert, dass Helen, die eigentlich so locker mit der Affaire mit Paul umgegangen ist, doch noch so an dieser Geschichte zu knabbern hat. Das sieht man ja sehr schön an ihrer Reaktion auf die bevorstehende Hochzeit von Margaret. Ich meine auch zu spüren, dass Margaret Henry liebt. Vielleicht nicht mit großer Leidenschaft wie Evie ihren Zukünftigen, aber sicher sehr innig.


    Habe heute frei und mache mir einen Lesetag. Heute abend schreibe ich hier sicherlich nochmal. :winken:

  • Mittlerweile bin ich bei Kapitel 30 angelangt (bin schon weiter, als ich dachte :rollen: )


    Jetzt muss ich aber doch mit Spoiler weitermachen ;)


    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Hallo,


    ich habe jetzt Kapitel 24 beendet. Mir hat das Buch schon die ganze Zeit gut gefallen, aber ab Kapitel 23 fing ich an es zu lieben. Ihr haltet mich jetzt bestimmt alle für völlig meschugge, aber die Beschreibung des Hauses und des Baumes, der gesamten Landschaft hat mich sehr, naja jetzt fehlt mir das passende Wort, vielleicht ergriffen? Nein, das ist zu pathetisch, es hat mich berührt. Vielleicht liegt es einfach daran, daß ich England so liebe. Ich mußte diese beiden Kapitel einfach zwei Mal lesen. Ich hatte das Bedürfnis, meine Kamera zu nehmen und es zu fotografieren. Das ging mir schon einmal so, bei dem Buch Tess von Thomas Hardy. Naja, in der Beziehung bin ich vielleicht wirklich etwas merkwürdig. :spinnen:


    Zu Mr. Wilcox:

    Zitat

    Dieser Mensch, wird mir immer unsympathischer, aber vielleicht ändert es sich auch wieder. Seine kaltschnäuzigkeit und Überheblichkeit Mr. Bast gegenüber fand ich einfach nur abstoßend. Natürlich hätte Mr. Bast nicht auf den Rat hören müssen, aber wenn man sowieso nicht viel Geld zum Leben hat und davon ausgehen muß, daß ein Mann wie Mr. Wilcox sich in diesem Geschäft auskennt, dann neigt man dazu so jemandem zu vertrauen. Nicht umsonst sucht man auch heute beratende Leute auf, wenn es um wichtige Dinge geht, in denen man selbst keinen Weitblick hat. Ich verurteile Mr. Wilcox nicht dafür, sich geirrt zu haben, aber dafür so arrogant zu sein, daß es ihn kalt läßt. Er mußte sich sehr wahrscheinlich noch nie Gedanken darüber machen, wie es finanziell weitergeht. So nach dem Motto, die Armen sind arm, was soll's, Hauptsache ich habe meine Schäfchen im Trockenen.
    Das zweite, was mich an Mr. Wilcox maßlos störte, war die Impertinenz, einfach über Meg's Wunsch, noch bei Ihrer Tante zu bleiben, hinweg zu gehen, als wären Ihre Gefühle und Wünsche völlig irrelvant. Noch mehr allerdings ärgerte ich mich darüber, daß es Meg es dann einfach hinnahm und sich seinem Wunsch, oder wohl eher Befehl fügte. Wenn man so was von Anfang an zu läßt, dann bekommt man es nicht mehr 'raus, weil der andere denkt: "Was einmal funktioniert, funktioniert auch weiterhin." Oh, bei sowas geht mir die Hutschnur hoch.


    Also, alles in allem, ich bin jetzt süchtig nach diesem Buch un dich weiß, daß es zu denen gehören wird, welche ich mehr als einmal lesen werde.


    Liebe Grüße Tina


    :winken:

  • @ Tina:


    Ich finde Mr. Wilcox zwar nicht besonders anziehend, aber so abstoßend wie du ihn findest sehe ich ihn nicht.
    Ich denke es schlummert ein guter Kern in ihm, denn sonst hätte er nicht so an der verstorbenen Mrs.Wilcox gehangen. Sie liebte Howards End so sehr, die Natur und war sehr introvertiert.
    Mal sehen wie es im Buch weiter geht, aber ich habe so das Gefühl, als könnte Margaret Empfindungen in ihm wecken, die jetzt noch verborgen in ihm ruhen.
    Mir tur Dolly sehr leid, die von keinem so richtig ernst genommen wird.