Günter Grass bei der Waffen-SS?!

Es gibt 83 Antworten in diesem Thema, welches 23.025 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von helmutp.

  • ... ich war wirklich geschockt, als dieser beitrag eben in den nachrichten kam!!!
    was sagt ihr dazu?!

    Liebe Grüße<br /><br />em

    Einmal editiert, zuletzt von Seychella ()

  • Hallo zusammen!


    Er war, meine ich verstanden zu haben, 16 damals ... Ich glaube kaum, dass man ihn dafür verantwortlich machen kann, dass zu Kriegsende alles und jeder in irgendwelche Waffengattungen gepresst wurde, was auch nur halbwegs männlich war, laufen und ein Gewehr halten konnte - selbst wenn's die Waffen-SS war ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Aber das lange Schweigen kann man ihm schon vorhalten, denke ich!


    LG,
    dumbler

  • Mein Vater war 1945 25 Jahre alt und hat nur wegen einer schweren Kriegsverletzung (er hat ein Auge verloren) zum Ende des Krieges hin nicht mehr kämpfen müssen. Heutzutage wird übersehen, dass die jungen Männer im 2. Weltkrieg meistens keine Wahl hatten ob sie überhaupt und wenn ja wo sie als Soldat in welcher Einheit kämpfen wollten oder mussten. Sicher gab es wie überall "Überzeugungstäter" oder "Mitläufer". Fraglich ist, wie sich ein 16 jähriger, der seine Jugend im Krieg verbracht hat, wehren oder sich dagegen entscheiden soll, wenn er zu der SS einberufen wird.
    Fast jeder Deutscher dieser Generation hat in diesem wahnsinnigen Krieg gekämpft, nur weil GG ein prominenter Schriftsteller ist, kann er für diese Vergangenheit nicht verurteilt werden.
    Schade ist eigentlich nur, dass GG erst jetzt seine Vergangenheit offenbart und die Presse nichts besseres zu tun hat um mal wieder eine Person zu demontieren.
    Mein Vater hat mir uns sehr selten über seine Kriegserlebnisse gesprochen. In meiner Schulzeit wurde der 2. Weltkrieg und der Holocaust intensiv behandelt. Heute bin ich absolut gegen Pauschalurteile wie alle Mitglieder der SA und SS waren Mörder.
    Es war eine vollkommen andere Zeit mit vollkommen anderen Voraussetzung. Eigentlich kann ich für meinen Sohn und uns nur hoffen, dass so eine Situation für unsere Kinder, Jugendliche und auch für uns als Erwachsene, Eltern und letzendlich auch Wähler nie mehr eintritt.


    Olima

    In te ipsum redi - Schaue in dich selbst hinein

  • Moin, Moin!


    Es läßt sich immer prima und schnell urteilen. Grass in der Waffen-SS? Krass! GraSS! Am liebsten wäre mir ein Verweilen, ein Nachdenken. Aber in unserer modernen Mediokratie undenkbar. Ich sehe schon, wie in den nächsten Tagen dieses Thema zerpflückt wird und jeder A-Z-Promi seinen Senf abgeben wird. Oh, bin ich das leid. Jedenfalls sammle ich <a href="http://ubique.antville.org/stories/1450054/">ein bißchen Material</a>. Bedenken wir: er war 17 Jahre, er war geblendet von der Naziideologie, er war nur wenige Monate drin, die Einheit hat, wie Historiker sagen, keine Kriegsverbrechen begangen. Daß er, wie er sagt, keinen Schuß abgegeben hat, dürfte so unglaubhaft nicht sein. Und warum erst jetzt? Ich denke, die Arbeit an seinem autobiografischen Buch hat die jahrzehntelang ruhendes Wahrheit kräftig in Unruhe versetzt und virulent gemacht. Dat iss bei TBC ja ähnlich. Es ruht eingeschlossen in dir und bricht dann aus, wenn ein Anlaß gegeben wird. Mir fällt noch ein: das Evozieren von Mißverständnissen ist so sensiblen Tatsachen inhärent, wie auch der Historiker Mommsen <a href="http://ondemand-mp3.dradio.de/file/dradio/2006/08/11/dkultur_200608112309.mp3">sagt</a>. Deshalb ist die Scheu, sich nicht eher zu melden, fast eine Art Selbstschutz. Der Rummel, der sich gewiss darum ausbreiten wird, wird beweisen, daß diese "späte Reue" vielleicht doch nicht ZU spät kommt.

  • Meine erste Reaktion war auch Entsetzen. Aber dann fing ich an zu rechnen, und, wie andere schon schrieben, war er damals noch ein halbes Kind und hatte kaum eine andere Wahl.
    Dass er so lange geschwiegen hat? Ja, das kann man kritisieren, aber immerhin: er selbst hat es jetzt freiwillig erzählt, und das finde ich doch beeindruckend.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Günther Grass in der Waffen SS. Lach man glaubt es kaum... Tja mag sich aufregen wer will aber wenn man die letzten Jahrzehnte seines Lebens berrtachtet braucht man sie ja um seine politische Gesinnung keine Sorgen machen. Oder? Liest man die Blechtrommel sollte einem klar sein was er von den Nazionalsozialisten hält.
    Wie ihr schon erwähnt wurde waren am Ende des Krieges viele Junge Menschen aufeinmal in der Waffen SS ob sie nun wollten oder nicht - und weshalb? Weil es kaum noch ältere gab die nicht im Krieg waren. Insofern sollte man sich schon überlegen ob man sich darüber aufregen darf oder nicht. Warum das erst jetzt raus kommt? Na wie würdet ihr euch fühlen wenn ihr wüsstet das ihr mal in der Waffen SS gewesen seit? Und jeder euch dafür gleich verurteilen würde obwohl ihr das heute selbst nicht gut fandet?

  • Günther Grass ist mit 17 zur Waffen-SS gekommen und mit 18 war der Krieg vorbei. So what? Außerdem hatte er wohl kaum eine andere Wahl. Und nochmal außerdem ist die Geschichte schon uralt, ich wußte das bereits vor 10 Jahren, er hat das immer offen zugegeben.

  • Ich weiß nicht, was es daran zu kritisieren gibt, so wie einige da jetzt in meinem umfeld schon taten (eine Freundin: Und soeiner bekommt einen Nobelpreis!Unglaublich!") Hallo? Geht es noch?


    Grass war damals grade mal 17 und hatte keine andere Wahl zu dem Zeitpunkt und dass muss ich keinem sagen, der ein wenig Ahnung von dem dritten Reich hat.
    Das er es erst heute erzählt, kann und sollte man ihm nicht zum Vorwurf machen, es ist seine eigene freie Entscheidung gewesen.
    Ok, vielleicht wäre es im Rahmen der Vergangheitsbewältigung für ihn nützlich gewesen eher darüber zu reden.


    Und man bedenke, wie Olima bereits sagte: Kann man einem 16-jährigen wirklich vorwerfen, der im Krieg aufwächst, in die Waffen-SS oder als Soldat eingezogen worden zu sein? Welche anderen Möglichkeiten hatte ein solcher Jugendliche damals gehabt?

  • Ich frage mich, ob er seinen Nobelpreis bekommen hätte, hätte er sich früher offenbart. Peter Handke wurde der Heine-Preis wegen angezweifelten politischen Äusserungen verwehrt. Anscheinend war Grass an erster Stelle zu sagen - nein, das passe nicht zusammen. Und nun das?
    Wie dem auch sei - scheint als habe er die Blechtrommel gegen eine Werbetrommel eingetauscht.


    dumbler


  • Ich frage mich, ob er seinen Nobelpreis bekommen hätte, hätte er sich früher offenbart. Peter Handke wurde der Heine-Preis wegen angezweifelten politischen Äusserungen verwehrt.


    Das kannst Du nicht vergleichen! Handke ist erwachsen und macht seine Äußerungen als Erwachsener, Grass war ein Kind, in einem totalitären System aufgewachsen. Ob man Handke den Preis wegen seiner offensichtlichen Sympathie für den Kriegsverbrecher Milosevic zurecht aberkannt hat, ist wieder ein anderes Thema.

  • Doch dass Grass sich dahinstellt, als habe er eine reine Weste und die Verweigerung des Preises unterstützt ... eine Karriere auf einer Lüge aufzubauen macht ihn nicht sympathischer.
    Der Widerspruch in seinen späteren Jahren: die Kluft zwischen seiner Rolle als moralische Instanz auch und gerade in Fragen deutscher Geschichte und dem beharrlichen Schweigen über das eigene Verhalten.
    Erschlägt sich am Ende mit seiner Moralkeule.


    LG,
    dumbler

  • Natürlich liest es sich im ersten Moment schockierend, daß ausgerechnet Günter Grass bei der SS gewesen ist.
    Nun hat mir mein Opa (der im etwa im selben Alter ist wie Herr Grass) schon vor Jahren mal erzählt, wie sowas damals abgelaufen ist. Gegen Ende des Krieges war man eben plötzlich dabei, weil die Kriegstreiber Kanonenfutter brauchten.
    Da wurde, wie Sandhofer schon schrieb, alles zusammengetrieben, was noch da war.
    Und welche Möglichkeiten hätte ein 17-jähriger Junge gehabt, sich dem zu entziehen? Sich als Deserteur verfolgen und standrechtlich erschießen lassen?


    Grass wird jetzt vorgeworfen, er habe diesen Teil seiner Vita bewußt verschwiegen und nicht aufgearbeitet. Nun frage ich mich, verpflichtet ein gewisser Bekanntheitsgrad tatsächlich dazu, der Öffentlichkeit ALLES mitzuteilen? Und die Aufarbeitung- was ist mit Werken wie der "Blechtrommel"?
    Ich glaube, man kann Grass durchaus abnehmen, daß er sich eine Menge Gedanken um den Irrsinn der NS-Diktatur gemacht hat und alles andere als "dafür" ist.
    Für mich persönlich schmälert das Bekanntwerden dieses Lebensabschnittes seine Glaubwürdigkeit nicht im Geringsten. Ob mir sein manchmal etwas arg moralisierender Tonfall gefällt, steht dabei auf einem ganz anderen Blatt.


    LG, *Severine*

  • Ich kann die Aufregung nicht verstehen. Es gibt Menschen, die waren den ganzen Krieg bei der SS. Nur weil er berühmt ist und noch nicht öffentlich bereut hat, wird er jetzt an den Pranger gestellt??


    Das ist vollkommen lächerlich. Man sieht ja wie die Umwelt mit dem Thema umgeht, vollkommen idiotisch.


    Ich kann auch niemanden als "Mörder" hinstellen, der vor die Wahl gestellt wird einen anderen Menschen zu erschießen oder der eigene Mann wird umgebracht. Niemand kann sagen wie er in so einer Situation regaieren würde. Wir wissen nicht was Krieg bedeutet und wollen nun Menschen verurteilen, die im Krieg gehandelt haben, so wie sie es für richtig befunden haben?. Und ich denke nicht, dass die meisten Menschen freiwillig dort waren. Im Krieg hatte man keine Chance, entweder man gehorchte oder man wurde erschossen. So einfach ging es.


    Ich habe oft die "Weiße Rose" von den Scholl Geschwistern gesehen und früher habe ich immer gedacht, ich hätte mich auch gewehrt. Aber je älter ich werde, desto mehr denke ich, ich hätte mich wahrscheinlich auch nicht gewehrt, aus Angst dann einfach standesrechtlich erschossen zu werden.


    Daher finde ich, man sollte Grass nicht verurteilen.


    Katrin

  • Dabei geht es gar nicht um die Mitgliedschaft der Waffen-SS. Ein naives Mitmachen - Abenteuer? - für einen pubertierenden Burschen. Es geht ums verschweigen. Wenn er keinen Schuss abgegeben hat, sich gewundert hat, über die Abzeichen am Ärmel, gezwungen war mitzumachen, ... wäre doch nichts dabei gewesen, es zu sagen. Stattdessen schreiben seine Vitaschreiber, er sei als Soldat Flakhelfer gewesen. Nebenbei verurteilt er andere über deren politischer Verfehlungen.


    Interessant auch der Vorabbericht seiner Biographie in der "Bücher"-Zeitschrift. Als dieser anfang August erschien, wusste man noch nichts über seine Beichte eine Woche später. Die Redakteure stellten die Frage "Hat Günter Grass sein Leben neu erfunden?" Auf diese Frage antwortet Grass: "Es steht jedermann offen, mir zu glauben oder nicht - wie auch ich selbst mir gegenüber stets Zweifel hege." Darauf die Redakteure: Nur gut erfundene Geschichten wirken authentisch.
    Somit war sein Bekenntnis wohl ein recht spontaner Entschluß, sich zu offenbaren. Und er war knapp davor, wieder eine Gelegenheit ungenutzt zu lassen.


    LG,
    dumbler


  • Somit war sein Bekenntnis wohl ein recht spontaner Entschluß, sich zu offenbaren. Und er war knapp davor, wieder eine Gelegenheit ungenutzt zu lassen.

    ´


    Ich bin der Ansicht, dass es noch viele berühmte Personen gibt, die eine ähnliche Vergangenheit haben und sich nicht "outen", weil man dann gleich verurteilt wird. Man sieht ja wie die Bevölkerung mit dem Thema umgeht. Wenn ich bei der Waffen SS gewesen wäre, würde ich es mir auch zweimal überlegen ob ich das öffentlich bekenne. Das ist das Dilemma an den Deutschen/Österreichern. Keiner kann mit seiner Vergangenheit umgehen und mit dem was er gemacht hat. Einige wenige trauen es sich zu sagen und werden dann gleich an den Pranger gestellt. Und zwar von den Personen, die auch im Krieg waren und wissen wie es zugegangen ist.


    Und was seine Aussagen betrifft: Wenn er nicht mitschimpft, wie schlimm doch manche waren, dann wird man gleich verdächtigt, für eine Sache zu sein. Ich denke, dass diese Menschen in einem wahren Dilemma stecken und eher unsere Unterstützung als unser Mitlästern brauchen.


    Ich bin der Meinung, wenn man Grass schon beurteilen soll, dann an seinen Werken und nicht an ihm und die sind eindeutig Anti Nationalistisch.


    Katrin

  • Hallihallo,


    mich schock das jetzt weniger - mal ehrlich: Welcher Deutsche, der zwischen 1933 und 1945 um die 16 Jahre aufwärts war, hat keine "belastete" Vergangenheit? Wozu braucht es für etwas Offensichtliches denn ein Geständnis? Und warum muss man überhaupt private Dinge gestehen, wenn ich sie nicht ausplaudern will? Auch wenn ich berühmt bin, fühle ich mich sicher nicht dazu gezwunge, private Dinge, die niemanden außer mich etwas angehen, auszuplaudern.


    eine Karriere auf einer Lüge aufzubauen macht ihn nicht sympathischer.


    Verstehe ich nicht. Worin besteht hier die Lüge?


    Da wurde, wie Sandhofer schon schrieb, alles zusammengetrieben, was noch da war. Und welche Möglichkeiten hätte ein 17-jähriger Junge gehabt, sich dem zu entziehen? Sich als Deserteur verfolgen und standrechtlich erschießen lassen?


    Eben. Wie gesagt: Ich glaube, man würde sich wundern, wer von der eigenen Familie (Oma & Opas) alles bei der Hitlerjugend oder später beim Militär war. Wer sich geweigert hat, wurde doch gegen Ende des Krieges sogar als Gegner ins KZ gesteckt (oder konnte dorthin gebracht werden).


    Eigentlich finde ich es viel wertvoller, wenn man etwas anprangert, das man aus eigener Erfahrung kennt, anstatt etwas zu verurteilen, von dem man nur gehört hat. Und wie gesagt: Ich empfinde Grass Aussage nicht als "Geständnis", sondern eher als privates Detail, das er nun verraten hat. Ich kann auch gut ohne das Wissen weiterleben und habe trotzdem keine andere Meinung von Grass (ich mag ihn eher aus der Distanz - warm werden konnte ich mit ihm noch nie).


    Liebe Grüße
    nimue

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.