Ulrike Purschke - Hendrikje, vorübergehend erschossen

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    "Nur nichts anbrennen lassen", dachte sich die Autorin Ulrike Purschke bei ihrem Debütroman Hendrikje, vorübergehend erschossen und lies nicht nur ein Kind in den Brunnen fallen, sondern gleich einen ganzen Kindergarten samt Tante und Milchmann ohne Rückfahrkarte, und wer darf dieses Stehgewässer wieder bis zu seinem bitteren Grund auslöffeln? Genau, der ahnungslose Leser der sich dieses Buch mit Nachhause genommen hat.
    Aber wir wollen ja nicht aus der Chronologie springen...


    Hendrikje ist eine Frau, gut 30 Stück an Jahren, die sich so mehr schlecht als recht durch ihr Leben als Malerin/Kellnerin wurstelt. Malen würde sie gerne aber davon kann sie (noch) nicht leben, und kellnern muss sie -von dem kann sie zwar leben- aber sie tut´s nicht gerne.
    Alles verlief, wie so oft, in geordneten Bahnen bis das Schicksal meinte ihr ordentlich Knüppel zwischen die Beine werfen zu müssen.
    Weihnachte.
    Ihre Omi sitzt tot am festlichen Tische, ihr Atelier steht samt all ihrer Bilder -die in einigen Monaten hätten in einer Galerie hängen sollen- in Flammen, mit einem Schlag hat sie nen Schuldenberg von sage und schreibe 107 000 Euro an der Backe, ihr Rad wird gestohlen und ihr "nicht" Freund/Geliebter verlässt sie von heute auf morgen...und das ist noch nicht alles gewesen.
    Unter diesen Bedingungen wird der unumschmeißliche Beschluss des Selbstmordes gefasst, das Leben hat keinen Sinn mehr. Leider ist Hendrikje so naiv wie inkompetent in solchen Belangen so dass der erste Versuch mit einem blauen Auge endet. Beim zweiten helfen ihr ihre Freunde, zu was hat man sie denn sonst?
    Termin steht, sie erlebt noch ne bomben Woche, selbst der doofe Bruno kann ihr nicht an, und als es so weit ist liegt auch ne Leiche am Boden...
    ...aber nicht Hendrikje
    Und jetzt beginnen die Probleme erst recht.


    Hendrikje, vorübergehend erschossen stammt aus der Feder Ulrike Purschkes die sich ihr Geld unter anderem mit dem Schreiben von Drehbüchern für die allseits beliebten TV-Telenovelas verdingt. Dies soll jetzt zwar nicht auf die Qualität des Buches schließen lassen, erklärt aber dennoch die etwas flache, mit sehr blassen Charakteren verzierte, Handlung.
    Auf der Habenseite kann Purschke eine gute Idee und einen etwas flotteren Schreibstiel vorweisen.
    Auf der Sollseite steht leider die etwas missglückte Umsetzung des Ganzen.
    Mit dem mehrseitigen Monolog über Hendrikje´s Arbeitsplatz macht sie einen wirklich guten Anfang (inklusive politisch inkorrekten Witz) nur weicht das ganze schnell einem lamentieren und dahingreinen. Das Buch verliert zwar nicht an Tempo aber merklich an Schwung.
    Alles wird nur angeschnitten, die Charaktere sind unausgereift und sind manchmal nur Statisten in diesem Spiel, manches ist nicht fertiggedacht und zu allem Überfluss vorhersehbar.
    50 Seiten braucht es bis alles Unglück der Welt über Hendrikje hereingebrochen ist, die Autorin streckt das ganze dann noch unnötiger Weise auf 140 Seiten, so dass der Schluss auf gerade mal 50 Seiten dahingepfuscht wird. Was ich sehr bedauerlich finde, weil gerade jener es ist der den freien Fall des Buches zumindest etwas bremst.
    Denn erst im letzten Teil des Buches findet die "Heldin" ihre wahre Liebe, und diese gegenseitige Annäherung hätte gut und gerne 30-40 Seiten mehr verdient.
    "...warmherziger und witziger Roman..." steht auf dem Buchdeckel. Das Erstere auf den letzteren Teil des Buches bezogen mag wohl stimmen. Aber witzig?? Zwei Lacher auf 216 Seiten ist nicht gerade ne Spaßgranate.


    So mancher Leserin wird das Buch vielleicht gefallen, aber selbst bei einem Blindkauf -mit geschlossenen Augen- ist die Wahrscheinlichkeit definitiv größer ein besseres Buch zu finden als das hier vorgestellte.


    Fazit: 2ratten
    Die zweite Ratte gibt es nur für das annehmbare Ende :rollen:


    NtM

    Einmal editiert, zuletzt von Nymphetamine ()

  • Das Buch ist mal wieder ein Beispiel dafür, wie unterschiedlich es empfunden wird. Mir hat es gut gefallen:


    Ich konnte nicht aufhören zu lesen, bis ich damit durch war - um 12h begonnen, um 20h beendet. Dabei beginnt der Roman recht ruhig und die Erzählweise der Autorin benötigt eine Eingewöhnzeit. Aber nach ca. 50 Seiten war ich begeistert! Hendrikje lässt das Leben auf sich zukommen und meidet eigene Entscheidungen. Sie bevorzugt es, andere ihr Leben bestimmen zu lassen. Eine Einstellung, die ihre "Freunde" zu nutzen wissen und plötzlich ist ihr gerade beginnendes Leben zerstört. So sieht sie nur noch den Tod als Ausweg. Doch selbst hier "versagt" sie - während sie mit einer Schlinge um den Hals auf einem Bügelbrett stehend überlegt, wie sie am leichtesten abspringt, hört sie den Zeitungsausträger, der ihr "Die Zeitung" bringt. Welch eine Ungerechtigkeit, in den Tod zu gehen, ohne die tägliche Kolumne von Sugar Brown gelesen zu haben. Und so springt sie... ohne an die Schlinge um den Hals zu denken... :entsetzt:


    ... welch ein Glück, dass sich der von ihr gewählte Knoten bei Zug löst, statt anzuziehen. :banane:


    So und ähnlich ist Hendrikjes Leben. Äußerst bemitleidenswert, aber hoffnungsvoll und warmherzig. Trotz aller Missgeschicke glaubt sie an eine Zukunft und wird dafür belohnt. Wie, darüber werde ich schweigen (wenngleich es etwas vorhersehbar ist)...


    Es würde mich nicht wundern, wenn dieser Roman als Spielfilm adaptiert wird.


    Ich empfehle es allen, die Vergnügen an Romanen mit einem Spritzer Ironie haben. Zudem sollte man Verständnis und Spaß an der nordischen (hamburgischen) Mentalität haben.


    PS: Auf der Website von dtv findet ihr übrigens den Romananfang als Leseprobe.


    4ratten

    Ich werde kein&nbsp;Geld hinterlassen. Ich werde keinen Aufwand und Luxus hinterlassen. Aber ich möchte ein engagiertes Leben hinterlassen.<br />(Martin Luther King)

  • "Nur nichts anbrennen lassen", dachte sich die Autorin Ulrike Purschke bei ihrem Debütroman ... und lies nicht nur ein Kind in den Brunnen fallen, sondern gleich einen ganzen Kindergarten samt Tante und Milchmann ohne Rückfahrkarte, und wer darf dieses Stehgewässer wieder bis zu seinem bitteren Grund auslöffeln? Genau, der ahnungslose Leser der sich dieses Buch mit Nachhause genommen hat.


    Was für eine spritzige Einleitung :clown:
    [size=7pt]Die merke ich mir und klaue sie ab sofort :breitgrins:[/size]

    ☞Schreibtisch-Aufräumerin ☞Chief Blog Officer bei Bleisatz ☞Regenbogen-Finderin ☞immer auf dem #Lesesofa

  • Seit Geschichten geschrieben werden, kennen wir solche Leute in allen denkbaren Variationen: vom Unglück auf eine Art und Weise verfolgt, dass alles schon gar nicht mehr wahr sein kann. Und dabei sind sie letztlich so unschuldig wie die Lämmchen, sie hätten eigentlich immer nur um einen Millimeter anders reagieren müssen und nix wäre passiert…. So eine ist Hendrikje, ein armes Geschöpf, ohne Eltern bei der Oma groß geworden, verdient ihr Geld als Kellnerin in einem Café, abends malt sie Bilder von Eisenbahnbrücken und hängt an einem Mann, der nur ihr Liebhaber, nicht aber ihr Freund sein will. Die Balance in ihrem Leben verliert sie mit dem Tod der Oma. Ein Tornado an "Dumm gelaufen" tobt durch ihr Dasein, hinterlässt die absolute Zerstörung und spült Hendrikje ins Gefängnis.
    Dort schildert sie "streng chronologisch" die Ereignisse der Gefängnispsychologin, die hernach beurteilen soll, ob eine Haftverkürzung für Hendrikje in Frage kommt. Was meint ihr? Schießt sie auch hier präzise daneben? Wird sie dahinter kommen, dass die positive Seite ihres Lebens schon länger neben ihr her drippelt?
    Bekanntes Thema neu tapeziert, fetzig, ein bisschen was für´s Gefühl, ein bisserl sex and crime, gut für die heißen Tage am See, im Garten, auf dem Balkon….
    "Rutscher" nenn ich solche Bücher, die uns geistig in Ruhe lassen und ausschließlich oberflächlicher Unterhaltung dienen. So, wie man eben auch zum Entspannen Kreuzworträtsel löst...
    Grüße, Hittl

    Die Ironie ist die Kaktuspflanze, die über dem Grab unserer toten Illusionen wuchert.

  • Habe das Buch vor kurzem geschenkt bekommen und auch in einem Rutsch gelesen. Im Sonnenschein, auf der Wiese.
    Und ich kann Hittl voll und ganz zustimmen und dem ist nichts mehr hinzuzufuegen, genau das ist das Buch: Ein Rutscher. (den Begriff muss ich mir merken).


    Allerdings habe ich seeeehr gelacht, ueber die schon erwaehnte detaillierte Beschreibung ihres Arbeitsplatzes im Cafe. Es kam mir nach jahrelangem Kellnern alles seeehr bekannt vor.


    Gruesse von
    Leana

  • Ich habe das Buch gelesen und fand es auch gut eigentlich schon ziemlich gut.Mußte auch öfter als 2 mal lachen.

  • Hallo!


    Habe das Buch vor kurzem geschenkt bekommen und auch in einem Rutsch gelesen. Im Sonnenschein, auf der Wiese.


    Ich auch- nach dem Wandern :breitgrins: Das sagt meiner Meinung nach vieles über das Buch aus. Für mich war es ein nettes Lesehäppchen zwischendurch über das ich nicht großartig nachdenken musste.


    Ich habe ein paar Seiten gebraucht um mich mit Hendrikje anzufreunden. Anfangs ist mir ihr Gejammer über die vielen schrecklichen Dinge, die ihr zugestossen sind und ihre Erklärungsversuche, warum sie an allem unschuldig ist schon ein bisschen viel. Als ich mich daran gewöhnt hatte konnte ich mich entspannt zurücklehnen, mich darüber amüsieren wie die Ärmste von einem Mißgeschick ins Nächste stolperte und mir ein paar schöne Lesemomente machen. Ob Hendrikje letztendlich ihr Leben in den Griff bekam war mir dabei fast egal- ich wollte nur noch wissen ob sich mein Verdacht, wer Sugar Brown ist, bestätigen würde :breitgrins:
    3ratten :marypipeshalbeprivatmaus:


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Dass Hendrikje ihre Geschichte im Gefängnis erzählt, hat sich mir nicht erschlossen bis ich schon weit über die Hälfte gelesen hatte. Es wird zwar am Anfang von einer hübschen Dekoration in einer hässlichen Umgebung gesprochen, aber das habe ich als einen unschönen Neubau abgetan, in dem sich nun mal die Praxis von Dr. Palmenberg befindet. So hatte ich zwar einen Aha-Moment, hätte aber die Geschichte bis zu diesem Punkt mit ganz anderen Augen gelesen wenn ich den Klappentext vorher beachtet hätte.


    Hendrikje ist liebenswert, aber so abgrundtief naiv, dass man sie die ganze Zeit schütteln könnte. Doch genau darauf basiert die ganze Geschichte – Hendrikje sieht nur die Fassaden der Menschen um sie herum, und nicht, was sich dahinter verbirgt. So gerät sie an falsche Freunde, und übersieht dabei völlig wer ihr Gutes will. Dies führt unweigerlich zu irrsinnigen Verwicklungen, die flott erzählt werden.


    Das Ende hat mir besser gefallen als der Hauptteil des Buches. Die eine Sache am Ende sieht man schon von ferne kommen, die andere nicht unbedingt.