Kaufen* bei
Amazon
Bücher.de
Buch24.de
* Werbe/Affiliate-Links
Anne Strelau, 30, 117 kg, fliegt nach London, um ihre erste (und einzige) wahre aber unglückliche Liebe noch einmal zu treffen. Auf dem Weg erinnert sie sich an ihr bisheriges Leben. Aufgewachsen in einem Hamburger Vorort als 2. von drei Geschwistern in einer Familie, die sich nicht durch besondere Herzlichkeit ausweist, war sie auch in der Schule nicht glücklich. Eine weitgehend freundinlose Außenseiterin fand sie sich selbst nicht liebenswert, da unter anderem (viel) zu dick - ganze 70 kg bei einer Größe von 1,80! 60 kg wären okay gewesen, 59 (oder besser 57) perfekt, aber wie sehr sie auch hungerte, kotzte oder diverse Schlankmachmittel nahm, so erreichte sie nie ihr Idealgewicht, das sie mit einem Schlag glücklich, beliebt und geliebt machen würde.
Als Jugendliche machte sie erste Kuss- und Sexerfahrungen. Nicht dass sie das wirklich gewollt, es ihr gefallen oder gar Spaß gemacht hätte; nicht mit den Jungs zumindest, die Interesse an ihr zeigten, aber auf die Idee, die Interessenten einfach abzuweisen, kam sie nicht. Das war undenkbar, denn erstens musste sie ja froh sein, kein Mauerblümchen zu werden, und zweitens konnte sie mit dem "richtigen" Freund in der Hierarchie der Klasse nur steigen.
Irgendwann nahm die Schule - wie alles Übel - dann ein Ende, aber was danach kam, warauch nicht besser. Ziel- und selbstwertlos schlug sie sich mit einfachen Jobs durch, wanderte von Beziehung zu Beziehung, landete schließlich durch Zufall in einer Therapie, die, das wusste sie schon vorher, ihr Leben auch nicht verändern würde, nahm stetig zu und wird endlich so dick, wie sie sich ihr ganzes Leben lang gefühlt hat.
Wer auf der Suche nach einem Feel good-Roman ist, ist mit diesem Buch falsch bedient. Leider wird es teilweise unter der Rubrik "Humor" geführt und auch auf dem Buchrücken steht etwas von "hochkomisch" und "unbeschreiblich lustig". Auf mich wirkte es allerdings eher tieftragisch und deprimierend. Das stellt jetzt keine Kritik an dem Buch dar - im Gegenteil. Anne wird eben nicht zur Witzblattfigur, die man aus ihr auch hätte machen können, sondern sie wird in ihrer ganzen Tragik, in ihrem Leid gezeigt. Zwar sind einige Szenen witzig, aber auf eine sehr bedrückende Weise, die einem das Lachen im Halse stecken bleiben lässt. Anne ist in ihrem Mangel an Selbstwertgefühl, in ihrer Hoffnungslosigkeit eine äußerst glaubwürdige Figur, die mich mit ihr mitleiden ließ. Auch die Atmosphäre der 70er und 80er Jahre ist gut getroffen und vieles erkannte ich las Altersgenossin wieder.
Negativ ist mir an dem Buch vor allem der Stil aufgefallen. Anne erzählt ihre Geschichte in der ersten Person und benutzt einen einfachen Stil mit kurzen Sätzen, der zwar zu ihr passt, mir aber nach jeder Lesepause aufs Neue auf die Nerven ging, bis ich von dem Buch wieder so weit gefesselt wurde, dass ich über den Stil hinwegsehen konnte.
Leider ließ das Buch für meinen Geschmack gegen Ende hin nach. Gerade die Beschreibung von Annes missglückter Therapie und auch ihrer Erlebnisse in London erschien mir nicht mehr so wahrhaftig und tragisch wie ihre Kindheit und Jugend, sondern passte tendenziell eher in einen "Frauenroman", der bloß unterhalten will. Schade um einen hervorragend startenden Roman.
Insgesamt bedeutet das 1,5 Ratten Abzug und ich vergebe
+