Leo Tolstoi - Anna Karenina (Teil 2)

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  • Hallo!


    So, hier bin ich jetzt richtig :zwinker:


    Also diese Beschreibungen der Petersburger Gesellschaft :rollen:. Mittagessen so um 16.00 Uhr-17.ooUhr, Abendessen irgendwann um 23.oo Uhr -Mitternacht. Die haben echt ein schweres :zwinker: Leben, die Damen und Herren.
    Opernbesuche danach Abendgesellschaften besuchen, sich über "wichtige" Themen unterhalten. Echte Aufgabe haben die ja alle nun wirklich nicht.


    Die Ehepaare leben irgendwie ihr eigenes Leben habe ihre Kreise und treffen sich dann zwischendurch mal. Echte Zweckgemeinschaften.
    Über die Reaktion von Annas Mann zur Sache mit Wronski wunder ich mich trotzdem schon etwas.
    Na ja, Gefühle sind ihm wohl peinlich.


    Kapitel 11
    Dieses Kapitel hat mich nun richtig enttäuscht :sauer:.
    Da hat das Buch 1000 Seiten und dann war dem Autor diese so wichtige Szene gerade mal 2 Seiten wert.
    Haben die beiden "Es" nun gemacht, oder nicht? Das Tolstoi hier nicht ins Detail geht ist schon klar, aber das diese so wichtigen Geschehnisse einfach so "dazwischen geklatscht" wurden, hat mir gar nicht gefallen.
    Ich hatte eine Szene erwartet die den Leser berührt, mitnimmt. Wie sie sich in die Arme fallen, sich streuben aber sich doch nicht gegen ihre Gefühle wehren können.


    Da wird mit allen Einzelheiten das Leben von Ljewin auf seinem Landgut beschrieben. Okay, ist ja auch interessant, aber hier waren für meinen Geschmack die Gewichte nicht richtig verteilt.


    Ljewin, wird mir auf jeden Fall immer sympathischer. Ich fand ja vorher eher das er ein Langweiler ist. Aber er arbeitet wenigstens, ist intelligent und hat eben seine Prinzipien. Der Müssiggang der Gesellschaft ist ihm zuwieder.


    LG
    Flor

  • Ich bin bis Kapitel 3 im 2. Teil gekommen. Arme Kitty kann man da nur wieder sagen, wird sie gleich krank vor Kummer... Dass sie sich so schämt bei der Untersuchung durch den Arzt, das fand ich schon sehr amüsant. Wie sie Dolly mal so richtig die Meinung sagt, dass fand ich schon erstaunlich. Da tat sie mir richtig leid. Aber um so schöner die Versöhnung. Was ich blöd finde, ist, dass Kitty nun auf einmal doch sagt, dass sie mit Lewin zusammen sein will. Jetzt da sie ja weiß dass Wronskij sie nicht will. Das ist doch irgendwie billig und heuchlerisch, oder?

    Literatur ist die Kunst, Außergewöhnliches an gewöhnlichen Menschen zu entdecken und darüber mit gewöhnlichen Worten Außergewöhnliches zu sagen<br /><br />Boris Leonidowitsch Pasternak

  • @Über den Wolken
    Ich kann Kitty schon verstehen. War damals einfach nicht normal sich vor dem Arzt auszuziehen. Und mal ehrlich, für die Diagnose "gebrochenes Herz" muss man das auch eigentlich nicht. Er ist mit seiner "neumodischen" Untersuchungsweise auch nicht zu einem anderen Ergebnis gekommen wie der andere Arzt. Für mich hatte das ganze etwas von einem Spanner, so hat die Szene auf mich gewirkt.


    Obwohl wenn ich mir das jetzt noch mal so überlege, während ich das hier schreibe.
    Ich vergesse einfach immer das das Buch im 19. Jahrhundert geschrieben wurde, manchmal denke ich ich habe hier einen historischen Roman vor mir, von einem Autor aus der Gegenwart.


    Aber wir haben hier ja einen Autor des 19. Jahrhunderts mit den Ansichten des 19. Jahrhunderts. (Entschuldigung Klassiker sind nicht unbedingt mein Genre :redface::zwinker:) Vielleicht hat Tolstoi die "neumodischen" Untersuchungsmethoden so negativ dargestellt und den Arzt so schlecht aussehen lassen, weil Tolstoi selber dieser neuen Art der Untersuchung negativ gegenüberstand.


    So und zur Moral, da gibt es ja richtig interessante Einsichten. Allerdings wiederspricht sich das alles ein wenig.
    Im 1. Kapitel hat man das Gefühl als ob Ehebruch etwas ganz schreckliches und ungewöhnliches ist. Und ich wiederhole mich da gerne ich konnte Kittys Überreaktion nicht verstehen. Weil für mich gehörte das damals doch einfach dazu. Wie man ja auch sieht leben die Männer und Frauen ja schon nebeneinander her. Und die Ehen waren oft ja eher Zweckgemeinschaften.
    Allerdings habe ich dieses "Privileg" eher für die Männer gesehen.


    Jetzt lerne ich hier aber etwas ganz anderes. Ehebruch auf beiden Seiten scheint nicht weiter schlimm zu sein. Man darf sich nur nicht verlieben.
    Wronskis Mutter sagt dazu ja auch. ...es sich nicht um ein glänzendes, unterhaltsames Verhältnis im Stile der großen weiten Welt handele (dagegen hätte sie nichts gehabt), sondern um ein Art verzweifelter Werther-Leidenschaft...


    Ja und was soll man nun zu Annas Mann sagen. Was ich nicht weiß, macht mich nicht heiß? Er verschließt einfach die Augen und denkt: "was ich nicht sehe passiert auch nicht".
    Im allgemeinen finde ich es auch sehr merkwürdig, dass Anna und Wronski gar kein richtiges Geheimniss um die Beziehung machen.


    Ich versteh einfach nicht warum,nach allem was wir im 2. Kapitel über Ehebruch und die Moral damals lernen, sich Kitty so aufgeregt hat.
    Oder hat das mit der von Saltanah angesprochenen 2 (wie soll ich sie jetzt nennen?) moralischen Klassen zu tun. Die einen die "verkommene Spaßgesellschaft, eben Wronski und Konsorten und die anderen Kittys Familie, Annas Mann die "konservativen Moralapostel"


    Ich hoffe ihr wird noch schlau aus meinem Geschreibsel. Mir fällt es etwas schwer in Worte zu fassen was ich eigentlich meine.


    Dann kommt die schockierende Rennszene. Man hat die ganze Zeit das Gefühl, das kann nicht gut gehen. Aber so ein Ende.
    Mich hat sehr erstaunt, dass die Herren selber geritten sind und nicht die Jogeys(schreibt man das jetzt so?)


    LG
    Flor

    Einmal editiert, zuletzt von Flor ()

  • Also ich bin jetzt bei der netten Teegesellschaft angelangt, die die Fürstin Betsy abhält. Wie doch einer über den anderen lästert, fast wie heutzutage. Damals gabs ja auch noch keine Fernseher, da musste man sich eben so die Zeit vertreiben ^^


    Ich glaube nicht, dass Karenin einfach nur die Augen vor der Wahrheit verschließt und nicht sehen will, dass Anna sich anderweitig amüsiert. Durch die Art wie er auftritt, seinen Zynismus, Sarkasmus und den Spott über die ach so wahre und tiefgründige Liebe - das alles deutet eher darauf hin, dass er genau weiß was Sache ist und Anna einfach machen lässt. Wahrscheinlich ist ihm genau bewusst, dass sie ihn nie richtig lieben wird. Deshalb pflegt er zumindest eine freundschaftliche Beziehung zu ihr.

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  • Hallo da bin ich wieder :breitgrins:.


    Kapitel 28
    Hier hat sich ja meine Frage zum Pferderennen erübrigt. Es war ein militärisches Rennen und die Teilnehmer die Offiziere. Okay, Übung muss ja auch mal sein, aber mit solchen Folgen?!


    Kapitel 29
    Ein aufschlußreiches Kapitel was die Gefühlswelt Alexei Alexandrowitsch angeht. Hat mir gut gefallen das Kapitel. Das Anna aber, einmal gefragt, gleich so direkt mit der Wahrheit rausrückt, auf so brutale Weise ,hat mich schon schockiert.
    Aber wahrscheinlich konnte sie einfach nicht mehr ansich halten. Sie ist ja auch schwanger und das Verhältnis zu Wronski geht ja auch schon etwas länger. Leider erfährt man nicht wirklich wie viel Zeit vergangen ist.


    Und die Gute Kitty ist auf Kur. Und schwärmt gleich wieder für eine Frau. So eine Schwärmerei hatte sie ja auch anfangs zu Anna.


    Ich werde heute noch das 2. Kapitel abschließen und mich morgen an das 3. machen.


    LG
    Flor

  • Flor: ich nehme an du meintest nicht 2. Kapitel sondern 2. Teil, oder?


    Ich habe gerade Kapitel 11 des 2. Teils beendet und bin genau wie du auch ein bisschen enttäuscht gewesen. Interessant finde ich aber, dass Tolstoi hier den Verführer (Wronskij) mit einem Mörder vergleicht ... selbst für die, die das Ende nicht kennen, deutet das auf nichts Gutes. Und Anna flüchtet sich gleich in eine polygame Traumwelt - wie nett ^^


    Meinen Eindruck von Karenin muss ich auch revidieren... Als er in Kapitel 8 mit sich selbst Zwiesprache hält, merkt man dass er eigentlich sehr erbärmlich ist. Alles was für ihn zählt ist die öffentliche Meinung. Um Anna scheint es ihm gar nicht wirklich zu gehen. Und das ist auch der eigentliche Grund warum er sich nicht maßlos über die ganze Sache aufregt und sich keine Eifersucht erlaubt. Weil er sie nicht wirklich heißblütig liebt und von selbst kaum drauf gekommen wäre, wenn ihn nicht die Reaktionen der Gesellschaft verärgert hätten. In Kapitel 8 steht ja auch "die Vorstellung, sie könnte ... ein Eigenleben haben, kam ihm so fürchterlich vor...." Das ist wirklich der Hammer. Als wäre die Frau an seiner Seite nur ein hübsches Acessoir, das keiner eigenen Meinung bedarf. Das erinnert mich gerade an meinen letzten Türkeiurlaub.


    :winken:

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  • Flor: ich nehme an du meintest nicht 2. Kapitel sondern 2. Teil, oder?


    ÜberdenWolken
    Natürlich ich meine den 2. Teil :zwinker:.


    Tolstoi vergleicht Wronski mit einem Mörder? Ich glaube ich muss diesen Teil noch mal nachlesen.


    Ich finde auch, es kommt sehr klar rüber das Anna von ihrem Mann nicht wirklich geliebt wird. Oder er ist einfach wirklich so kalt, ich glaube "richtig lieben", dazu ist er nicht fähig.


    Deshalb mag ich ja auch Wronski :zwinker:


    LG
    Flor

  • @Floor: du meintest, es kommt nicht ganz raus, wie lange die Affäre zwischen Anna und Wronskij schon geht, als sie alles ihrem Mann gesteht. Ich bin zwar noch nicht soweit, aber in Kapitel 11 - also als sie "es" dann ja offensichtlich getan haben ist wohl über ein Jahr vergangen. Und da ist sie ja auch gleich schwanger geworden. Also denk ich mal so ca. 1,5 Jahre oder sowas.


    Liest eigentlich noch jemand mit?

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  • ÜberdenWolken
    Ja, ist in der Tat etwas ruhig hier geworden :sauer:.


    Das mit dem 1 Jahr bevor die beiden "es" getan haben ist mir auch aufgefallen. Aber leider erfährt man nicht wieviel Zeit vergangen ist seit sie es das erste mal getan haben. Wie lange die Affäre also nun wirklich läuft. Irgendwie finde ich sowieso das die Geschichte da ein Loch hat. Die beiden lernen sich kennen und plötzlich ist "es" passiert aber wir sind auch schon 1 Jahr weiter. Ich hätte gerne erfahren was in diesem Jahr passiert ist.


    LG
    Flor

  • Hallo!
    Sorry, dass ich mich erst jetzt wieder melde...


    Ich bin jetzt in Teil II, Kapitel 20



    Das mit dem 1 Jahr bevor die beiden "es" getan haben ist mir auch aufgefallen. Aber leider erfährt man nicht wieviel Zeit vergangen ist seit sie es das erste mal getan haben. Wie lange die Affäre also nun wirklich läuft. Irgendwie finde ich sowieso das die Geschichte da ein Loch hat. Die beiden lernen sich kennen und plötzlich ist "es" passiert aber wir sind auch schon 1 Jahr weiter. Ich hätte gerne erfahren was in diesem Jahr passiert ist.


    Irgenwie bekomme ich bei diesem Buch überhaupt nichts von den Zeitrelationen mit. Irgendwann wurde mal kurz erwähnt, wie lange Lewin schon wieder auf dem land ist, aber ansonsten...


    Am spannensten fand ich bis jetzt die "Aussprache" zwischen Anna und ihrem Mann. Natürlich ist es schon krass, wie er von Anna und ihrem Eigenleben denkt, aber irgenwie fand ich auch Anna ziemlich ungerecht. Sie weiß ja schließlich ganz genau, wie viel Überwindung es ihn gekostet haben muss mit diesem Thema anzufangen. Und dann lässt sie ihn so auflaufen und benimmt sich etwas feige, wie ich finde.
    Sie muss natürlich erst einmal mit sich selber klarkommen, aber ich hoffe, dass sie ihm bald die Wahrheit sagt.


    Gruß, fairy

    [size=9px]&quot;I can believe anything, provided that it is quite incredible.&quot;<br />~&quot;The picture of Dorian Gray&quot;by Oscar Wilde~<br /><br />:leserin: <br />Henry Fielding - Tom Jones<br /><br />Tad Williams - The Dragonbone Chair<br /><br />Mark Twai

  • bis Teil 2 / Kapitel 18


    Da geht es aber viel und lange um Landwirtschaft ... :rollen: und was sagt uns das? Dass die Landwirtschaft neben Ehe / Familie ein weiteres der zentralen und wichtigen Themen für Tolstoi ist. Durch seine landwirtschaftliche Arbeit wird Lewin sogar von seinem Kummer um Kitty abgelenkt. Philosophie und Landwirtschaft als Grundlage für Glück und Zufriedenheit. Ein einfaches Konzept. Mal schauen obs aufgeht. Sehr schön finde ich wie Lewin formuliert er sei zufrieden mit dem was er habe und gräme sich nicht um das was er nicht habe. Daran sollten wir uns ein Beispiel nehmen ^^


    Ich bin gespannt ob Stiwa Lewin überreden kann mit ihm nach Moskau zu kommen...

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  • bis Teil 2 / Kapitel 25


    Wahnsinn, dieser dreiste Vergleich Annas mit einer Stute! Wirklich nicht schlecht reingezaubert das Pferderennen, die Stute die sich erst gegen den Reiter sträubt, sich dann aber zähmen lässt und sich ihm ganz anpasst, unterordnet, mit ihm gemeinsam auf dem Weg ins Ziel, dann doch mit gebrochenem Rückrat darniedergestreckt wird. So treffend! Ich bin begeistert.


    Als in Kapitel 22 Anna Wronskij gesteht, dass sie ein Kind von ihm erwartet, wird wieder einmal deutlich, wie naiv dieser eigentlich ist. Er stellt sich alles ganz einfach vor, ohne Rücksicht auf Serjosha natürlich. Aber Anna ahnt schon wie sich ihr Mann verhalten wird, dem ja wie wir wissen die Gesellschaft mehr am Herzen liegt als seine Frau. Er wird sie nicht freigeben...


    So viele unheilvolle Ausblicke!


    Wo sind denn alle???

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  • Lesestand: Kap. 23.
    Hallo allerseits :winken:
    Ich lese auch fleißig weiter, komme aber arbeitsbedingt nicht so recht vorwärts. Das Buch erfordert größere Konzentration, als ich morgens nach einer Arbeitsnacht aufzubringen imstande bin. Es gefällt mir aber weiterhin, auch wenn ich mir manchmal wünsche, Tolstoi würde einige Szenen etwas weniger ausführlich erzählen und sich auf die "eigentliche" Handlung konzentrieren.


    Kap. 3:


    Dass sie sich so schämt bei der Untersuchung durch den Arzt, das fand ich schon sehr amüsant. (...)
    Was ich blöd finde, ist, dass Kitty nun auf einmal doch sagt, dass sie mit Lewin zusammen sein will. Jetzt da sie ja weiß dass Wronskij sie nicht will. Das ist doch irgendwie billig und heuchlerisch, oder?


    Wie Flor schon schrieb, erklärt sich Kittys Scham wohl aus der damaligen Zeit. Ich könnte mir vorstellen, dass es auf sie ungefähr so wirkte, als würde jemand von uns verlangen, uns mitten auf dem Marktplatz an einem Samstag Vormittag vor allen Augen zu entkleiden und angaffen zu lassen.
    Wenn ich mich richtig entsinne, war es nur Dolly, die annahm, dass Kitty es bereute, Lewin abgewiesen zu haben. Aber auch wenn, Kitty selbst es so sieht, finde ich das nicht billig und heuchlerisch. Sie war verblendet durch den spannenden Wronski, der auf eine 18-jährige so viel attraktiver als der bodenständige Lewin wirkt. Nach der Enttäuschung, die dieser ihr bereitet hat, sieht sie auch Lewins Qualitäten wieder deutlich.


    Flor:
    Auch in "Krieg und Frieden" wurden Ärzte recht kritisch beschrieben. Ich denke, dass Tolstoi nicht nur etwas gegen die "modernen" Methoden des Arztes hat, sondern ganz allgemein der ärztlichen Profession und deren zweifelhaften Methoden kritisch gegenübersteht. Auch bei anderen Autoren des 19. Jahrhunderts lassen sich wenig schmeichelhafte Beschreibungen des Ärztestandes finden.


    [b]Kap. 11:


    Dieses Kapitel hat mich nun richtig enttäuscht :sauer:.
    Da hat das Buch 1000 Seiten und dann war dem Autor diese so wichtige Szene gerade mal 2 Seiten wert.
    Haben die beiden "Es" nun gemacht, oder nicht? Das Tolstoi hier nicht ins Detail geht ist schon klar, aber das diese so wichtigen Geschehnisse einfach so "dazwischen geklatscht" wurden, hat mir gar nicht gefallen.
    Ich hatte eine Szene erwartet die den Leser berührt, mitnimmt. Wie sie sich in die Arme fallen, sich streuben aber sich doch nicht gegen ihre Gefühle wehren können.


    Ich war auch überrascht, wie kurz diese Szenen ausgefallen ist, aber im Gegensatz zu Flor hat mir gefallen, dass Einzelheiten unserer Phantasie überlassen bleiben. Ich finde, es wird dennoch gut deutlich, wie sehr dieses Ereignis die beiden (vor allem Anna) psychisch mitnimmt. An dieser Stelle war ich besonders froh darüber, in einer anderen Zeit zu leben. Annas fühlt sich erniedrigt, schuldig und verbrecherisch und selbst Wronski hinterlässt das "Ereignis" bleich und zitternd, allerdings vor allem wegen Annas entsetzter Reaktion.



    Ljewin, wird mir auf jeden Fall immer sympathischer. Ich fand ja vorher eher das er ein Langweiler ist. Aber er arbeitet wenigstens, ist intelligent und hat eben seine Prinzipien. Der Müssiggang der Gesellschaft ist ihm zuwieder.


    Mir wird Lewin immer unsympathischer. Dieser arrogante Stinkstiefel, als der er sich im 16. & 17. Kap. erweist! Erst ist er sich zu fein dazu, dem Händler die Hand zu geben, und dann zieht er über Wronskis Herkunft her: Er ist der Sohn eines Mannes, der aus dem Nichts durch Intrigen nach oben gekommen ist und einer Mutter, die Gott weiß was für Verhältnisse gehabt hat... Nein, entschuldige, aber als Aristokrat bezeichne ich nur denm, der wie ich eine fleckenfreie Herkunft aufweisen kann, 3 bis 4 Generationen mit guter Bildung...
    Ich könnte es ja verstehen, wenn er Wronski aus anderen Gründen verabscheuen würde, aber sich auf dessen schlechte Herkunft zu beziehen, finde ich ganz schön kleinkariert. Aber dabei vergesse ich natürlich, dass damals andere Sitten herrschten und man die Leute nicht nach heutigen Maßstäben beurteilen darf.




    Meinen Eindruck von Karenin muss ich auch revidieren... Als er in Kapitel 8 mit sich selbst Zwiesprache hält, merkt man dass er eigentlich sehr erbärmlich ist. Alles was für ihn zählt ist die öffentliche Meinung. Um Anna scheint es ihm gar nicht wirklich zu gehen. Und das ist auch der eigentliche Grund warum er sich nicht maßlos über die ganze Sache aufregt und sich keine Eifersucht erlaubt. Weil er sie nicht wirklich heißblütig liebt und von selbst kaum drauf gekommen wäre, wenn ihn nicht die Reaktionen der Gesellschaft verärgert hätten.


    Ich kann Karenin nicht so negativ sehen, auch wenn er es uns nicht einfach macht, ihn zu mögen. Ich glaube doch, dass er eine ganze Menge für Anna empfindet, nur ist er ein Mensch, der seine Gefühle kaum offen zeigt. Er, der der Meinung ist, dass "Eifersucht sowohl Anna als auch ihn selbst erniedrigt", versucht krampfhaft, sie nicht zu verspüren und spricht nur die rein gesellschaftliche Probleme, die Annas Untreue mit sich bringt, an. Das ist ungefährlicher, da es weniger weh tut. So ganz gelingt ihm die Verdrängung seiner Gefühle aber nicht. Im 9. Kap. merkt er, dass Anna ihm gegenüber jetzt verschlossen ist, und denkt "Das ist das Ende." Er tut mir leid, wie er sich krampfhaft einzureden versucht, dass ihm Annas Verhältnis mit Wronski nicht nahe geht.
    Eigentlich ist er das männliche Gegenstück zu Dolly. So wie sie hat er die Möglichkeit eine Untreue des Partners/der Partnerin überhaupt nicht in in Betracht gezogen, wahrscheinlich daher, weil für ihn selbst ein Fremdgehen seinerseits völlig unvorstellbar war. Desto größer dann der Schock, als er die Wahrheit erkennt. Und er sieht sie eben erst so spät, weil er sie nie für möglich gehalten hatte.


    Kap. 21:
    Interessant die Reaktion der Gesellschaft auf das Verhältnis. Nicht die Tatsache an sich wirkt empörend, sondern die Stärke der Gefühle zwischen Anna und Wronski. Fremdgehen und sich amüsieren ist erlaubt, wenn es dezent genug geschieht, aber wirkliche Gefühle zu empfinden ist verpönt. Das eine hält sich im Rahmen des gesellschaftlich Erlaubten, da die Formen (und die Ehen) weiterhin gewahrt bleiben, das andere könnte aber Unordnung in die gesellschaftlichen Verhältnisse bringen und wird dementsprechend nur ungern gesehen.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo!


    Schön das ihr doch noch da seit.
    Ich komme auch nicht schnell voran. Ich bin ja schon im 3. Teil und der zieht sich wie ich finde sehr.
    Und man muss sich wirklich sehr konzentrieren. Manchmal lese ich ganze Abschnitte und merke ich habe gar nichts richtig mitbekommen


    Die Worte Ljewin und Landleben bereiten mir schon Albträume :entsetzt:.


    Saltanah
    Das Autoren(die Menschen im allgemeinen natürlich auch) des 19. Jahrhunderts Ärzte nicht so besonders mochten ist ja sogar einleuchtend.
    Die Untersuchungsmethoden waren ja auch nicht gerade sehr angenehm und der Erfolg doch mehr als zweifelhaft.


    Zu den Figuren allgemein. Man ist wirklich immer hin- und hergerissen. So richtig kann ich mich nie entscheiden ob mir nun jemand sympathisch ist oder nicht. Im 2. Teil fing ich an Ljewin zu mögen, dass ändert sich aber im 3. wieder.


    Aber Anna die mag ich. Sie ist für ein richtiger Mensch mit Gefühlen.


    Ich mache mich jetzt noch mal auf den Weg in Thread Teil 3.


    LG
    Flor

  • Hallo!


    Ich bin auch schon mit dem 2.Teil durch und habe schon fleißig weitergelesen.


    Am schlimmsten finde ich wirklich, wie alle Beteiligten mit dem Kind umgehen. Wronskij hasst den Jungen geradezu, Karenin ist er völlig egal und Anna sieht ganz genau, wie ihr Sohn leidet. Sie hat zwar ein schlechtes Gewissen, aber etwas ändern oder mit ihm reden tut sie auch nicht.


    Und nochmal zu der ärztlichen Untersuchung und Kitty: Ich kann Kitty an dieser Stelle gut verstehen, schließlich werden uns Lesern ja die Gedanken des Arztes offenbart. Und wir erfahren, dass es ihm wirklich unter anderem darum geht, Kitty anzufassen! Klar, dass sie spührt, dass da etwas nicht mit rechten Dingen zugeht!


    Bis im nächsten Thread! :winken:

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  • bis Ende 2. Teil


    Nett, wie der russische Adel damals gekurt hat... Ich finde es sehr schön beschrieben, wie Kitty zunächst wahnsinnig für Warenka schwärmt und versucht ebenso "gut" wie diese zu sein und sich so sehr gefangennehmen lässt von dieser Frau Stahl - nur um dann durch die Anwesenheit ihres Vaters zu einem ernsthaften Überdenken dieses "neuen Lebens" bewogen zu werden. Sowas nennt man wohl erwachsen werden - mit all seinen Begleiterscheinungen. Schön finde ich die Aussage, dass es nichts bringt heuchlerisch zu sein und nicht dem eigenen Herzen zu folgen, nur um vor der Welt und vor Gott besser dazustehen. Ich bin der Meinung dass sich Kitty durch diese Erkenntnis geistig sehr an Lewin annährt und hier womöglich der Grundstein gelegt wird für ein erneutes Zusammentreffen der Beiden. Denn im Grunde hat sie ja nun die Einstellung verinnerlicht, nach welcher Lewin lebt - er tut das was er aus tiefstem Herzen für richtig hält ohne allzu große Rücksicht auf gesellschaftliche Vorgaben. Sehr schön den Bogen genommen...


    Kapitel 26


    Scheinbar geht Karenin die Situation in der er sich mit seiner Frau befindet doch mehr an die Nieren (im wörtlichsten Sinne...) als er nach außen hin erkennen lassen möchte. Und dass er nun selber ein betrogener Ehemann sein könnte, macht ihn zutiefst unglücklich. Jetzt habe ich tatsächlich ein wenig Mitleid mit ihm. Kein Wunder dass er krank ist, wenn er den ganzen Kummer in sich reinfrisst und nicht ein einziges Mal einfach drauflosbrüllt...


    Kapitel 29


    Endlich ist es raus! Aber wahrscheinlich hätte Anna ihre Affäre eh nicht mehr lange vor Karenin verheimlichen können, denn irgendwann würde sogar der merken, dass sie in anderen Umständen ist. Und alles was er sagt, ist, dass sie den äußeren Schein wahren soll. Wirklich bemitleidenswert!


    Auf zum (Querlesen im) 3. Teil

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  • Als ich Kapitel zwei angefangen habe, hab' ich gedacht, ich les' nicht richtig. Kaum hat Dolly sich versöhnt, schon hat sie das nächste Kind bekommen. Als wenn sieben Geburten nicht schon gereicht hätten....
    Und der Mann geht natürlich weiter fremd :grmpf:


    Gewundert habe ich mich auch, dass Alexej Alexandrowitsch seine Frau Anna so lange alleine gelassen hat. Im Kapitel 26 steht das er zu Beginn des Frühlings in ein ausländisches Bad gefahren und wie gewohnt im Juli zurückgekehrt sei. Da fährt er doch glatt für fast 4 Monate alleine weg, obwohl er wusste, dass es um seine Ehe schlecht bestellt war ???

  • Struppi: DAS habe ich mir auch gedacht... kein Wunder, dass ihm die Frau davonläuft, wenn er das immer so macht!

    Literatur ist die Kunst, Außergewöhnliches an gewöhnlichen Menschen zu entdecken und darüber mit gewöhnlichen Worten Außergewöhnliches zu sagen<br /><br />Boris Leonidowitsch Pasternak