Max Frisch - Biedermann und die Brandstifter

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    Handlung:
    Gottlieb Biedermann stellt sich in dem Einakter als typischer Kleinbürger dar, selbstgerecht und auch selbstbewusst, zugleich feige, verlogen und bei aller nach außen vorgetäuschten Menschlichkeit im Innersten inhuman. Er ist Haarwasserfabrikant und dabei sehr reich geworden. Während er bei seiner häuslichen Zeitungslektüre über die andauernden Brandstiftungen schimpft, kommt ein Hausierer, Schmitz, keineswegs eine vertrauenerweckende Erscheinung. Schmitz dringt in die Wohnung vor und lädt sich praktisch selbst ein, indem er Biedermann an seine Menschlichkeit erinnert. Wenig später wird diese "Humanität", die wegen der versteckten Drohungen von Schmitz aus Feigheit geboren wurde, Lügen gestraft, als Knechtling, ein entlassener Angestellter von Biedermann, Gewinnbeteiligung an dem Haarwasser, seiner eigenen Erfindung, fordert. Er wird hinausgeworfen. Schmitz wird auf dem Dachboden Asyl gewährt. Auch die zunächst empörte Frau Biedermann schafft es nicht, Schmitz die Bleibe aufzukündigen, nachdem er an ihre Sentimentalität erinnert hat. Zugleich kommt ein Freund von Schmitz, der ehemalige Kellner Willi, der ebenfalls in den Dachboden zieht. Herr Biedermann bemerkt, wie beide Benzinfässer auf dem Estrich stapeln, tobt deswegen zunächst auch, lässt sich jedoch durch die rückhaltlose Offenheit der beiden überrumpeln. Er redet sich selbst wider besseres Wissen ein, niemand würde eine derartige Wahrheit wirklich aussprechen. Vor der Polizei, die den Selbstmord Knechtlings meldet, macht sich Biedermann aus schlechtem Gewissen zum Komplizen der Beiden. Er behauptet, in den Fässern sei Haarwasser. Während Schmitz und Willi auf dem Boden weiter ihre Vorbereitungen zum Brandstiften treffen, überdeckt Biedermann seine blanke, aber durchaus gerechtfertigte Angst mit wortreicher Zuversicht und den Sprüchen von Ruhe und Frieden sowie vom Vertrauen in die Menschheit. Als letztes Hilfsmittel fällt ihm nur noch ein, sich mit den Gangstern auf immer vertrauteren Fuß zu stellen, sie schließlich zum Abendessen einzuladen und sich mit ihnen zu duzen. Dabei gibt Biedermann den Ganoven auch noch die Streichhölzer, da sie - wie er trotz seiner Furcht und seiner Einsicht argumentiert - selbst Streichhölzer hätten, wenn sie Brandstifter wären. Er kommt gemeinsam mit seiner Frau in den Flammen des Feuers um, das Schmitz und Willi Eisenring noch in derselben Nacht legen. Zuvor tritt noch ein Intellektueller als dritter Verbündeter auf, der zum Schluss ein Manifest gegen die beiden verliest, da er feststellen muss, dass sie nicht aus Ideologie, sondern aus reinem Gefallen brennen. Immer wieder tritt die Feuerwehr auf, die dem Treiben entsetzt zusieht und von Anfang an sowohl den Ausgang deutlich macht als auch die Sinnlosigkeit von Biedermanns Tun vor Augen führt. Bereits zu Beginn wird klargestellt, dass es nicht Schicksal ist, was Biedermann zu erleiden hat, sondern sinnloser und gefährlicher Blödsinn.


    Interpretation:
    Der Untergang des Bürgertums muss als unmittelbar der thematischen Auseinandersetzung des Stückes zugehörig betrachtet werden. Die Bitte nach Menschlichkeit kommt für Biedermann so unverhofft wie das Auftauchen von Schmitz selbst. Er schmeichelt sich bei Biedermann ein und berichtet ihm, dass er den Zirkus, seinen alten Arbeitsplatz, in Brand gesteckt hat. Da sein Vater Köhler war, wurde Schmitz mit dem Feuer groß. Er hat Spaß am Feuer, am Knistern und den Funken. Sein Handeln ist durch Freude am Feuer motiviert. Er gesteht, dass er Brandstifter ist, doch Biedermann will dies nicht wahrhaben.


    Biedermann versteckt den Brandstifter gegenüber seiner Frau und weist ihm einen Schlafplatz auf dem Dachboden zu. Ohne eine Antwort zu bekommen, versichert sich Biedermann nochmals, ob Schmitz auch wirklich kein Brandstifter ist. Biedermann verschließt die Augen vor jeder Realität und geht zu Bett.


    Biedermann und die Brandstifter ist ein Lehrstück. Die Lehre, dass das Böse keinesfalls unabwendbares Schicksal ist, erkennt jeder. Doch in den Augen Frischs hat es für die Menschheit, wie für Biedermann, keine Lehre. Denn jeder ist wie Biedermann, er erkennt das Böse, will diese Erkenntnis nicht wahrhaben und wird immer wieder falsch handeln. Der Mensch wird stets den Weg des geringsten Widerstands gehen, auch wenn es ihn sein Leben kosten kann. Abschließend stellt sich die Frage, ob Frisch mit seiner Meinung: "Die Dummheit stirbt nie aus", recht behält. Oder wird der Mensch die Dummheit jemals besiegen können?



    Das ist ein Teil einer meiner Rezension aus der Schulzeit (http://www.bhak-bludenz.ac.at). Hat jemand schon andere Werke gelesen von Frisch, zB Homo Faber bzw. wie habt ihr Frisch gelesen?

    Einmal editiert, zuletzt von fairy ()

  • Hi!


    Ich nehme mal an, Du schreibst hier über Frischs Theaterstück Biedermann und die Brandstifter von 1958.


    Ich persönlich gehöre zu denen, die Frischs Alterswerk bevorzugen. Zu einfach (u.a., weil zu stark an Brecht angelehnt) finde ich seine Theaterstücke. Von daher aber sicher gut geeignet als Schullektüre.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Ich habe meine Abschlussprüfung in Deutsch in der 10 Klasse über dieses Buch geschrieben. Die Geschichte war ganz ok, aber wirklich umgehauen hat sie mich nicht. Wahrscheinlich auch, weil wir einfach viel zu viel analysieren mussten.

  • Zitat von "sandhofer"

    Hi!


    Ich nehme mal an, Du schreibst hier über Frischs Theaterstück Biedermann und die Brandstifter von 1958.


    Ich habe den Titel mal angepasst! :winken:

    [size=9px]&quot;I can believe anything, provided that it is quite incredible.&quot;<br />~&quot;The picture of Dorian Gray&quot;by Oscar Wilde~<br /><br />:leserin: <br />Henry Fielding - Tom Jones<br /><br />Tad Williams - The Dragonbone Chair<br /><br />Mark Twai

  • "Principiis Obsta!"
    Das Stück ist super! Man muss halt auch ein wenig hinter die Kulissen schauen. Brandstetter übt in diesem Werk ziemliche Gesellschaftskritik und wenn man will (ich denke, man würde damit auch nicht zu weit gehen), kann man auf die Geschichte auch auf Hitlers Propagandamaschinerie umlegen. *nachdenk* Doch, ich würde sagen, da lassen sich durchaus Parallelen entdecken.

  • Ich habe "Biedermann und die Brandstifter" gestern Abend gelesen und es hat mir recht gut gefallen. Es ist vielleicht, wie bereits vermerkt worden ist, nicht besonders vielschichtig, aber der gesellschaftskritische Gehalt ist absolut aktuell. Biedermann möchte seinen Frieden haben; schliesslich hat er auch ein Geschäft zu führen. Weshalb soll ausgerechnet er sich mit den Brandstiftern auseinandersetzen, ist er vielleicht für ihr Auftreten verantwortlich? Ausserdem hat bis zuletzt keiner mathematisch bewiesen, dass es wirklich Brandstifter sind! Der Mensch hat keine Einsicht, er muss sich bescheiden...
    So geht alles vor die Hunde, weil man, um es zu verhindern, hätte mit seinen Gewohnheiten brechen und energisch aktiv werden müssen. Schön fand ich auch, wie der kommentierende Feuerwehr-Chor in der Szenerie "herumhängt", manchmal auch im Weg steht usw.
    Mein Lieblingszitat (aus dem "Nachspiel" 1958; das Stück selbst ist von 1957):


    Biedermann: Und überhaupt - man kann doch nicht alle, wenn alle dasselbe tun, in die Hölle werfen!
    Babette: Wieso nicht?


    Es ist vielleicht kein grosses Kunstwerk, aber mit Sicherheit ein wichtiges Stück.
    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

    Tell all of my friends, I don&#039;t have too many: just some rain-coated lovers&#039; puny brothers. Dallow, Spicer, Pinkie, Cubitt - rush to danger, wind up nowhere.<br />Patric Doonan - raised to wait. I&#039;m tired again, I&#039;ve tried again...<br />and now my heart is full. Now my heart is full and I just can&#039;t explain, so I won&#039;t even try to.<br />(Morrissey)