Margriet de Moor: Sturmflut

Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 4.595 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von schokotimmi.

  • Hallo!


    Nachdem ich das Buch schon vor ein paar Tagen beendet habe kommt hier meine Rezension:


    Inhalt:
    Die Schwestern Lidy und Armanda tauschen aus einer Laune heraus ihre Rollen: weil Armanda auf eine Party gehen möchte, fährt Lidy zum Geburtstag von Armandas Patenkind nach Zeeland. Was als harmloser Spaß gedacht war endet tragisch, denn Lidy gerät in die Sturmflut, die 1953 große Teile Zeelands überschwemmte und hunderte Todesopfer forderte...


    Meine Meinung
    Wer möchte nicht gerne ab und zu in die Haut eines Anderen schlüpfen? Für die beiden Schwestern scheint der Rollentausch einfach zu sein, denn obwohl sie keine Zwillinge sind, sehen sie sich zum Verwechseln ähnlich und schließlich wollen sie niemandem etwas Böses mit ihrer kleinen komödie. Doch dann kommt alles anders, denn Lidy kommt ums Leben und nach und nach übernimmt die jüngere Schwester immer mehr die Rolle der Älteren.


    Entgegem dem Titel ist "Sturmflut" ein sehr ruhiges Buch. Margriet de Moor erzählt zwei parallele Geschichten, denn während Lidys Leben langsam zuende geht beginnt für ihre jüngere Schwester ein neues Leben. Die Geschichten werden mit unterschiedlicher Geschwindigkeit erzählt, was für mich eindeutig den Reiz des Buchs ausmacht. Die Leben der Schwestern scheinen so nie getrennt zu werden, sondern nebeneinander her zu laufen, obwohl das unmöglich ist. Nach und nach kommen kleine Konflikte ans Tageslicht, die während Lidy noch lebte unterdrückt wurden...


    Ich kann mich finsburys Urteil nur anschliessen und vergebe 5ratten


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Ich habe dieses Buch heute fertig gelesen und bin noch ganz gefangen von der bedrückenden Atmosphäre, besonders in dem Handlungsstrang um Lidy. Wie präzise und nüchtern hier menschliche Schicksale geschildert werden, fand ich ziemlich erschütternd. Ähnlich empfand ich bei der Handlung um die jüngere Schwester, aber hier deshalb, weil ein Mensch versucht, einen anderen bis in die letzte Konsequenz zu ersetzen und offensichtlich daran zugrunde geht.


    Das unterschiedliche Tempo in den beiden Geschichten ist zwar eine Abwechslung zu anderen, ähnlich aufgebauten Büchern, allerdings hätte mir eine ausführlichere Schilderung von Armandas Leben besser gefallen.


    Das letzte Kapitel war etwas verwirrend. Ganz schlau bin ich nicht daraus geworden, das wird mich sicher noch eine Weile beschäftigen.


    Grüße
    Doris

  • Hallo!


    Das letzte Kapitel war etwas verwirrend. Ganz schlau bin ich nicht daraus geworden, das wird mich sicher noch eine Weile beschäftigen.


    Wenn mich mein Gedächtnis nicht trügt habe ich mir damals folgendes überlegt.



    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • @ Kirsten
    Kannst Du Dich noch an Einzelheiten erinnern? Was Du schreibst, stimmt, besonders der letzte Satz. Es heißt immer, dass Menschen, die den Tod vor Augen haben, gedanklich noch einmal ihr ganzes Leben oder zumindest wesentliche Abschnitte davon abspulen. Das zögert natürlich den letzten Moment scheinbar hinaus.



    Immerhin hat man auf diese Weise die Möglichkeit, noch eigene Gedankengänge zu entwickeln und bekommt nicht alles fix und fertig vorgesetzt. Aber manches war doch sehr zweideutig.


    Liebe Grüße
    Doris

  • Ich hab's nun auch ausgelesen und war begeistert, vor allem von den beiden Handlungssträngen. Lange ist mir nicht ganz klar gewesen, warum Armanda so sehr und bis zu ihrem Tod an Lidy hängt, sie verinnerlicht hat, loszuwerden versucht und es doch nicht schafft. Erst gegen Ende wird der Verdacht auf das wahre Ausmaß ihrer Schuldgefühle und dessen Ursache zur Gewissheit.


    Die minutiöse Schilderung der Sturmflut ist natürlich ganz furchtbar in ihrer Eindringlichkeit. "Nebenbei" entstehen detaillierte Bilder der Region und der Menschen, die in ihr leben. Die Karte, die in meiner Ausgabe auf das Vorsatzblatt gedruckt war, fand ich sehr hilfreich.



    Vielleicht beabsichtigt, bleibt Armanda neben ihrer Schwester merkwürdig schemenhaft, neben den groben Umrissen und Stationen ihres Lebens erfuhr ich bis auf das allerletzte Kapitel wenig über sie, wie sie "tickt" und was sie bewegt. Ihre mutmaßliche Angst vor dem Verlust ihrer Jungfräulichkeit ist eine der wenigen Ausnahmen, und auch die kann man sich nur zusammenreimen. Sie steht auch in der Handlung des Romans im Schatten ihrer verschwundenen Schwester.


    Auch der plötzliche Tod Nadjas hat mich befremdet. Was für eine Rolle spielte der an dieser Stelle der Handlung? Dass zum Ende hin alles, was Lidy war, vergangen ist?


    Trotz und wegen vieler Fragen ein tolles Buch.


    4ratten :marypipeshalbeprivatmaus:

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    Ende Januar 1953, die schwerste Sturmflut seit Jahrzehnten steht bevor, aber niemand bemerkt die Vorzeichen des Sturms, der dazu führen wird, dass halb Zeeland untergehen wird und Hunderte Menschen in den eiskalten Fluten umkommen werden. Armanda überredet ihre ältere Schwester, Lidy, doch an ihrer Stelle zu der Geburtstagsfeier in Zierikzee zu fahren, sie selbst bleibt in Amsterdam, passt auf Lidys kleine Tochter auf und besucht mit Lidys Mann die Party am Wochenende.


    Die Darstellung der Beziehung der beiden Schwestern bzw. den Teil, der aus Armandas Sicht geschrieben ist und in dem sie ja immer wieder über Lidy nachdenkt, empfand ich als langweilig und nichts sagend, Armanda war für mich die ganze Zeit ein leichtlebiges Etwas und ihren Versuch das Leben ihrer Schwester in gewisser Weise fortzuführen, war für mich die meiste Zeit eher ein eigennütziges Vorgehen, als wäre sie sowieso immer neidisch auf Lidys Leben gewesen und würde nun ihre Chance kommen sehen, als ein wahrhaftiger Versuch zu büßen und ein Ersatz zu sein.


    Die Schilderungen Lidys auf dem untergehenden Schouwen-Duiveland empfand ich hingegen als sehr packend. Ich habe das Buch passenderweise vor Ort gelesen und habe dann immer wieder auf Straßenschilder gestarrt und gedacht „Dieser Ort ist praktisch völlig untergegangen“. Ich habe mir bereits vor ein paar Jahren eine Ausstellung im Museum zu der Flut gesehen, habe de Moors Geschichte aber als viel eindringlicher empfunden. Im Buch beschreibt sie ein Photo von zwei Pferden, die bis zum Widerrist im Wasser stehen, welches angeblich durch die Presse gegangen wäre. Ich habe das Bild online gesucht, aber nicht gefunden. Wenn sie sich das nicht ausgedacht hat, hätte ich es passend gefunden, das Bild auch im Buch vorzufinden. Überhaupt wirken gerade die Flutopfer um einiges lebendiger als die lebende Familie Lidys. Man will wissen, ob nicht gegen alle Wahrscheinlichkeit einige von ihnen doch überlebt haben könnten und erhofft sich von der Autorin ein Nachwort, welches uns entsprechend informiert. Dadurch, dass Margriet de Moor das unterlässt, wirkt ihre Beschreibung der Katastrophe so realistisch. Niemand kennt das Schicksal aller Opfer.


    Ich vermute allerdings Margriet de Moor wollte eigentlich doch am ehesten einfach nur eine Schwesterngeschichte schreiben und nutzt die Flut mehr als literarisches Mittel und nicht als echte Katastrophe. Das ist für mich ein Grund kein weiteres Buch von ihr zur Hand zu nehmen, sie schreibt da völlig an meinen Bedürfnissen vorbei.
    2ratten für die Geschichte und mehr als 4ratten für die Katastrophenschilderung


    =
    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Einmal editiert, zuletzt von illy ()

  • Hallo Ihr lieben,


    auch ich habe das Buch nun mehr oder weniger "vor Ort" gelesen und ich muss sagen es hat mir 1-2 schlaflose Nächte bereitet, dazu aber später.


    Lidy und Armanda tauschen die Rollen, Lidy fährt nach Zeelande um dort das Patenkind von Armanda zu besuchen, während Armanda mit Lidys Mann zu einer Amsterdamer Party geht. Was niemand ahnt, Lidy wird Opfer der schweren Flutkatastrophe von 1953. Armanda, von Schuldgefühlen geplagt, übernimmt mehr und mehr Lidys Frau- und Mutterrolle.


    Im Großen und Ganzen kann ich illy nur zustimmen. Die Darstellung der Flut, die letzten Stunden in Lidys Leben das hat mich berührt, gefesselt und mir (weil auch wir einwenig Sturm hatten bei unserem Aufenthalt in Nord Beveland) Angst gemacht hat.
    Armanda und ihr Leben blieb für mich oberflächlich und unnahbar. Warum war es nur für alle so normal, dass sie Lidys Rolle voll und ganz übernimmt. Das habe ich mich immer gefragt - spinnen die alle?! Ich konnte das nicht verstehen - die einzige, die daran ja doch irgendwie zugrunde gegangen ist, war Armanda selbst.
    Ich empfand die Familiengeschichte als unwirklich und für mich persönlich unglaublich und habe mich durch diese Kapitel auch eher durchgequält. Keine Person war mir wirklich nahe, mit keiner konnte ich mitfühlen - ich wüßte nicht ob ich es jemandem weiterempfehlen würde und schon gar nicht bei einen relaxten Spätsommeraufenthalt...


    Von mir gibts 3ratten.


    Grüße
    schokotimmi

  • Hallo, :winken:


    Sturmflut lässt mich ziemlich zwiespältig zurück. Einerseits fand ich die Idee toll, dass sich die zwei Handlungsstränge über Lidy und Armanda abwechseln, obwohl sie zeitlich parallel zueinander ablaufen. Andererseits konnte mich die Ausführung nicht wirklich überzeugen. De Moors Schreibstil war mir etwas zu distanziert, ich konnte kaum mit einer Figur mitfühlen oder sie mir bildlich vorstellen, noch nicht einmal mit Lidy. Die Beschreibung der Flutkatastrophe ist zwar sehr eindringlich, aber auch hier hatte ich zwischendurch einige Hänger, vor allem weil ziemlich viele Personen auftauchen, die für die weitere Handlung gar nicht relevant sind.


    Ich hätte mir auch gewünscht, dass auf Armandas Leben mehr eingegangen wird. So werden die Ereignisse in ihrem Leben nur streiflichtartig widergegeben und auch ihre Motivation, nahezu komplett in Lidys Leben zu schlüpfen, wurde mir überhaupt nicht klar. Leider erfährt man sehr wenig über die Gefühle der Eltern – mir schien es fast, als würden sie gar nicht um ihre Tochter trauern. Zum Ende hin scheinen sich die Leben der beiden Schwestern wieder anzunähern, falls man das so sagen kann, was mir wiederum sehr gut gefallen hat. Dennoch kann ich nur eine durchschnittliche Bewertung vergeben, da mich die Geschichte nicht mitreißen konnte, streckenweise fand ich sie sogar etwas langweilig.


    Fazit: Gute Idee, aber die Ausführung hat mir nicht wirklich zugesagt.


    3ratten

  • Hallo cuddles,


    schöne Rezi muss ich sagen, du konnste es besser formulieren als ich. Vielleicht hatte ich zumindest zu den Teilen wo es um die Flut ging noch den regionalen Bezug als Bonus, darum hat mich das mehr berührt, obwohl ich jetzt nach ein paar Wochen auch zugeben muss, streckenweiße hat das mit dem Ertrinken schon etwas lange gedauert... (ich hoffe das klingt nicht zu gemein, so ist es gar nicht gemeint)


    Viele Grüße
    schokotimmi