Honoré de Balzac - Verlorene Illusionen

Es gibt 5 Antworten in diesem Thema, welches 2.631 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Rydal.

  • Lucien hat eine glänzende Zukunft vor sich. Er ist begabt, bildschön und sein Talent als Autor ist vielversprechend. Sein einziger Makel: Den Titel eines "de Rubempré" trägt er ohne Legitimation.


    Dennoch genießt er die Gunst der vierzigjährigen Madame Anaïs, einer verheirateten Dame der lokalen Gesellschaft in Angoulême. Als die Affäre in der feinen Gesellschaft zu einem Problem wird, flieht das Paar nach Paris. Madame Anaïs möchte aus Lucien einen berühmten Schriftsteller machen, um ihn in die höchsten Kreise einzuführen. Doch damit kreuzt sie die Pläne des intriganten Baron du Châtelet.


    Nach einiger Zeit lässt die feine Dame, auf Anraten ihrer adligen Cousine, Lucien fallen. Lucien gibt nicht auf, er findet Halt bei seinen Künstlerfreunden. Doch glücklich ist er nicht. Getrieben von seiner Eitelkeit und seinem Ehrgeiz nimmt Lucien das Angebot einer Zeitung, dort als Theaterkritiker zu schreiben, trotz Warnung seiner Freunde, an. Schnell gerät er ins Fahrwasser skrupelloser Journalisten und bald zerplatzen seine Träume wie Seifenblasen. Und das Unglück nimmt seinen Lauf...


    Ich war hingerissen von Balzacs ruhigem und intensivem Erzählstil und von seiner Beobachtungsgabe, die Beschreibung der verschiedenen Gesellschaftsklassen und den Versuchungen des Lasters. Die menschlichen Schwächen sind Gegenstand dieser Geschichte. Man schwankt indessen, einerseits Bedauern für Lucien zu empfinden und andererseits zu denken, es geschehe ihm Recht.


    Es existiert eine Fortsetzung, die den Namen "Glanz und Elend der Kurtisanen" trägt.
    5ratten

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  • Nabend,


    Es existiert eine Fortsetzung, die den Namen "Glanz und Elend der Kurtisanen" trägt.


    die ebenfalls sehr lesenswert ist. Leider liegt das bei mir schon mehrere Jahre zurück... :rollen: Abgesehen davon: sehr schön, ein Balzac Thread... :)


    Gruß
    Wolfgang

  • Hallo,


    meine vierte Rezi zum SUB-Wettbewerb 2007


    Honoré de Balzac: "Verlorene Illusionen"


    „Verlorene Illusionen“ ist ein Roman in drei Teilen, erschienen 1837, 1839 und 1843. In dieser Zeit war Balzacs Schuldenberg ins Unerträgliche gewachsen. 1839, in dem Jahr als der zweite Romanteil „Ein großer Mann aus der Provinz in Paris“ erschien, beliefen sich seine Schulden auf 233620 frs. Auch Balzac wollte reich werden, gründete einen Verlag, betrieb eine Druckerei, machte aber Konkurs. Von seinem Schuldenberg ist Balzac nie heruntergekommen.


    Im ersten und dritten Romanteil („ Die beiden Dichter“, „Die Leiden des Erfinders“) erleben wir die Geschichte von David Séchard, der von seinem geizigen Vater eine Druckerei übernimmt, aber eine starke Konkurrenz im Nacken hat.


    Lucien und David kennen sich aus der Schulzeit. Lucien will großer Dichter werden, verliebt sich in den Hochadel von Angoulême , in Mme. de Bargeton, aber diese Liebe bleibt kalt. Lucien will sich in höhere Kreise der Gesellschaft um seines Ruhmes Willen einfädeln. Das Ziel ist Paris, auch Mme. de Bargeton langweilt sich in der Provinz. Der Roman spielt 1821/22. In der damaligen Zeit galt ein Verhältnis zwischen dem Apothekersohn Lucien und einer Adligen als unmöglich. So mussten beide nach Paris fliehen, als ihr Verhältnis aufflog. Aber auch Paris hat seine gesellschaftlichen Gepflogenheiten. Provinzler werden beobachtet, mit Blicken durchlöchert, selbst Kleider allein machen Lucien nicht zu einem Pariser.


    In dem zweiten Romanteil zeigt Balzac, wie ein Mensch, hier Lucien de Rubembré, mit größtem Ehrgeiz zu Geld und Ansehen kommen will, an seinem Ehrgeiz aber zerbricht. Lucien schließt sich einem Kreis von Schriftstellern an. Sein Mentor ist Daniel d'Arthez, der weiß, man kommt als Schriftsteller nur weit, wenn man viel Geduld und Muße aufbringt. Er warnt den Provinzler, sich dem Journalismus zu ergeben. Der Journalismus wird in diesem Roman sehr schwarz gezeichnet. Schließlich geht es darum, dass jemand seine Künstlerseele an den Feuilleton verkauft. Ich erinnere mich gerne an „Doktor Faustus“. In den verlorenen Illusionen ist der Journalismus der Teufel, der im Gegensatz zur Kunst von Geld regiert wird.


    „Der Journalismus ist eine Hölle, ein Abgrund von Ungerechtigkeit, Lüge und Verrat, den man nur durchschreiten und aus dem man nur dann hervorsteigen kann, wenn man wie Dante von dem göttlichen Lorbeer Virgils geschützt wird.“


    „Er tritt in eines der Gedankenbordelle ein, die man Zeitung nennt, dort vergeudet er seine schönsten Ideen, dort dörrt er sein Hirn aus, dort befleckt er seine Seele.... „


    Was Balzac über den Journalismus schreibt, erinnert mich vor allem an die heutige Regenbogenpresse. Im Feuilleton wird sich an unliebsame Menschen gerächt, und über ein gutes Buch wird absichtlich eine schlechte Kritik geschrieben. Ich hatte oft das Gefühl, einen zeitgenössischen Roman zu lesen. Es wird gesagt, dass sich bei Verlagsbuchhändlern Manuskripte stapeln, die nichts wert sind, ein Romantitel muss geändert werden, da man sonst in der Provinz einen historischen Vortrag halten müsse usw. Balzac erzählt detailliert über den Beginn des damals neuen Mediums der Zeitung und gewährt Einbicke in die Verlagswelt. Besonders lustig fand ich, wie sich Balzac über die adlige Gesellschaft von Angoulême lustig macht; glänzende Karikaturen.


    Konkurrenz, Neid, Ehrgeiz...Themen, die immer aktuell bleiben und Balzac zieht besonders im zweiten Teil alle Register seines Könnens: lebensnah, realistisch, antiromantisch. Balzac erzählt mit einer so ungeheuren Lebendigkeit, dass ich das Gefühl hatte, diese Personen seien gegenwärtig und leicht vergaß, dass der Roman in der Zeit spielt, als der Triumphbogen gebaut wurde.


    5ratten
    Liebe Grüße
    mombour

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()

  • Balzac hat als erster die kapitalistischen Mechanismen in der Presse und in den Verlagen in Romanform beschrieben, wie er überhaupt als einer der ersten Schriftsteller den Einbruch der Geldwirtschaft in die noch stark feudal geprägte Gesellschaft thematisiert hat.


    Das macht die Lektüre seiner Romane und Novellen so interessant, da diese Mechanismen heute noch gültig sind.


    Eines meiner Lebensprojekte: "Die Menschliche Komödie" einmal ganz zu lesen.


    Aber dauernd kann ich Balzac auch nicht lesen. Diese oft starke Sentimentalität geht manchmal gegen mich, und ich muss das Buch dann wieder weglegen.


    Ralf

  • Mir hat der Roman natürlich auch sehr gefallen, obwohl er die eine oder andere etwas ermüdende Passage enthält.
    Eine Frage: offenbar kommt Daniel d'Arthez auch in anderen Romanen von Balzac vor (u.a. "Glanz und Elend der Kurtisanen" und "Vater Goriot") - spielt er dort ebenfalls nur eine Nebenrolle oder hat er irgendwo noch grössere Auftritte? Ich hätte nämlich gerne mehr über diesen Dichter und seinen verschworenen Freundeskreis erfahren, zumal in "Verlorene Illusionen" nicht ganz klar wird, ob das sozusagen 'wahre' Künstler, reaktionäre Naivlinge, teils-teils oder beides gleichzeitig sind.
    Die direkte Fortsetzung "Glanz und Elend der Kurtisanen" wäre für mich aber schon alleine deswegen reizvoll, weil dieser machiavellistische Diplomat am Ende nochmal eine ganz neue Note in die Handlung gebracht hat.

    Tell all of my friends, I don&#039;t have too many: just some rain-coated lovers&#039; puny brothers. Dallow, Spicer, Pinkie, Cubitt - rush to danger, wind up nowhere.<br />Patric Doonan - raised to wait. I&#039;m tired again, I&#039;ve tried again...<br />and now my heart is full. Now my heart is full and I just can&#039;t explain, so I won&#039;t even try to.<br />(Morrissey)