Eduard von Keyserling - Wellen

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 3.643 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Doris.

  • Kaufen* bei

    Amazon
    Bücher.de
    Buch24.de

    * Werbe/Affiliate-Links


    Und wieder ein SUB-Wettbewerbsbuch gelesen :smile:


    Anfang des 20. Jahrhunderts in einem Badeort an der Ostsee: nach der gescheiterten Ehe mit einem viel älteren Mann, der sie nur bevormundet hat, lebt die schöne Gräfin Doralice jetzt mit dem Maler Hans Grill zusammen. Die bessere Gesellschaft zerreißt sich natürlich das Maul über sie.


    Das Mädchen Lolo, verträumt und beeinflussbar, ist hingegen fasziniert von der Gräfin, die sich nicht um Konventionen schert, die im knappen Badekostüm schwimmen geht und Lolo das Leben rettet, als die zu weit hinausschwimmt - und auch Lolos junger Verlobter fühlt sich zu Doralice hingezogen.


    Lolos Mutter ist entsetzt über diese Faszination mit einer Frau, die sie für durch und durch verdorben hält, während sich ihre Mutter wiederum eher distanziert über alles amüsiert.


    Der rauhe Charme des Inselbades, an dessen Rändern unerbittlich die See zerrt, die schon so viele der Inselfischer nicht mehr hergegeben hat, ist mir von dem Buch am deutlichsten in Erinnerung geblieben.


    Das Zwischenmenschliche beherrscht zwar eigentlich die Handlung, aber die Personen gingen mir nie so richtig nahe, von einer gewissen Sympathie mit der unkonventionellen Gräfin und der gütig-toleranten Großmutter abgesehen.


    3ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





    Einmal editiert, zuletzt von Valentine ()

  • Ich habs auch vor kurzem erst gelesen -
    hier ein Zitat aus meiner Rezi:


    Keyserling hat einen Roman geschaffen, der in einer malerischen Sprache verfasst ist und in die vorletzte Jahrhundertwende entführt. Die Geschichte ist überhaupt nich spannend, dafür für Romantiker sicher das Richtige. Nicht jedermanns Sache, aber sicher einen Versuch wert!

  • Magst Du vielleicht Deine komplette Rezi einstellen? Ist immer schön, verschiedene Meinungen in einem Thread versammelt zu haben :smile:

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Die Geschichte eines Sommers erzählt in einer poetischen Sprache.


    Doralice, die sich von ihrem sie einengenden, viel älteren und konservativen Ehemann hat scheiden lassen und den Maler Hans Grill geheiratet hat, findet sich in ihrem neuen Leben nicht zurecht. Sie vermisst den gewohnten gesellschaftlichen Glanz und Luxus und ist überfordert mit Hans moderner Einstellung zum Leben und zur Partnerschaft. Sie genießt das Aufsehen, dass sie bei den übrigen Badegästen erregt und träumt sich zurück in ihre Kindheit. Etliche Mitglieder der Familie von Buttlär und deren Tross, die ebenfalls ihren Sommerurlaub an der Ostsee verbringen, verfallen der ehemaligen Gräfin bis das ganze Geschehen dramatisch eskaliert.


    Eine wichtige Nebenfigur ist noch zu erwähnen: der Geheimrat Knospelius, "eine kleine, wunderlich verbogene Gestalt". Aufgrund seiner Behinderung führt er ein Leben als Zuschauer menschlicher Begegnungen und Leidenschaften und hat sein Vergnügen daran, die so unterschiedlichen Badegäste zusammenzubringen und die sich daraus ergebenden Verwicklungen zu beobachten und zu analysieren.


    Neben der gesellschaftlichen, heute überholten, Problematik, bietet das Buch ein fein gezeichnetes und psychologisch glaubwürdiges Beziehungsgeflecht. Besonders bemerkenswert sind jedoch die Schilderungen von Wetter und Meer, Licht und Farben, die das Gefühl erwecken, manche Szenen als Gemälde zu sehen und die Handlung teils unterstreichen und teils kontrastieren.


    Der Autor:
    Eduard von Keyserling (1855-1918) stammte aus dem baltischen Landadel und lebte später in München. Aufgrund von Krankheiten lebte er ab 1900 sehr zurückgezogen. In seinen letzten Lebensjahren war er erblindet und bettlägerig und diktierte seinen Schwestern seine Werke. Da sein Nachlass auf seinen Wunsch hin vernichtet wurde, bleibt vieles aus seiner Biographie unbekannt.


    Viele Grüße
    christie


  • Besonders bemerkenswert sind jedoch die Schilderungen von Wetter und Meer, Licht und Farben, die das Gefühl erwecken, manche Szenen als Gemälde zu sehen und die Handlung teils unterstreichen und teils kontrastieren.


    Es ist schon einige Jahre her, dass ich den Roman genossen habe. In Erinnerung blieb viel weniger die Handlung, als eben die herrlichen Farben...ich sah Farben von Lovis Corinth, der Keyserling porträtiert hat und an Südseebilder von Emil Nolde.


    "Abendliche Häuser" von Keyserling hat mir auch sehr gefallen...(meine Lektüre ist schon lange her, sonst könnte ich mehr schreiben).


    Liebe Grüße
    mombour

  • Ich habe vor längerer Zeit auf Arte die Verfilmung gesehen und jetzt hab ich Wellen endlich auch gelesen, hier also meine Meinung:


    Eine Liebe die vorbei geht, zuerst war sie groß, doch schon zu Beginn des Romans beschleicht den Leser bereits dieses Gefühl, dass bald etwas zu Ende gehen wird. Im Roman ist es die Liebe, in der echten Welt ist es diese Zeit, in den Jahren bevor der erste Weltkrieg alles veränderte. Keyserling zeichnet das Bild einer Gesellschaft, die es so bald nicht mehr gab. Alles scheint auf etwas zu warten.


    Ich persönlich fand vor allem Doralices Gefühle wunderbar getroffen. Sie fühlte sich eingesperrt und bevormundet, nach und ach erkennt sie das ihre 2. Ehe sie nicht befreit hat. Sie ist wieder eine Gefangene der Konventionen, einer Gesellschaft der sie sich hatte entziehen wollen. Überhaupt wird diese Enge, dieses Gefühl kaum Luft zum Atmen zu haben, vor allem bei den weiblichen Figuren, klar und deutlich. Sie sind es, die gerne einen anderen Weg einschlagen würden, frei sein wollen. Lolos Bad im Meer bei Nacht zeugt davon, hier kann sie einmal selbst entscheiden. Doch ihre Rettung zeigt auch das sie letztendlich wieder Andere über sie bestimmen werden und niemals sie selbst.


    So zeichnet Keyserling ein recht treffendes Bild seiner Zeit aber in einer wunderschönen Sprache, die man in heutiger Literatur so manches mal vermisst. Man taucht ein in diese kleine enge Welt, beobachtet von weitem was geschieht.
    Die männlichen Figuren blieben mir eher fremd. Sie scheinen zum Teil eher wie Statisten, auch wenn Hans eine tragende Rolle hat. Am Ende hat er dann doch einmal Macht über seine Frau. Sie wird am Strand stehen und Gefangene ihrer Trauer sein, fast erwartet man sie dort zu treffen würde man sich dorthin begeben.


    5ratten