José Saramago - Der Doppelgänger

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  • Da kann ich mich deiner Meinung nur anschließen. Diese Kombination ist richtig gut gelungen, wenn es auch ziemlich viel Konzentration beim lesen bedarf.


    Mittlerweile wird mir Tertuliano immer suspekter. Er erzählt ja noch nicht einmal seiner Mutter die Wahrheit, dass er einen Doppelgänger von sich entdeckt hat. Was bezweckt er mit dieser Heimlichtuerei? Ich kann das langsam nicht mehr nachvollziehen.
    Was wird dann erst passieren, wenn er ihm endlich gegenüberstehen wird. Wird er dann durchdrehen?

  • Ja, die Erzählperspektive ist klasse! Ich mag es grundsätzlich, einen offensichtlichen Erzähler sehen zu können. Ich habe in den letzten Jahren öfters Bücher gelesen, die vollkommen subjektive, von den ProtagonistInnen aus gesehene Perspektiven hatten, wo aber mittendrin dann doch Informationen kamen, die die Person, aus deren Warte gerade erzählt wurde aber gar nicht haben konnte, was mich regelmäßig geärgert hat.
    Hier ist es klar: zwar wird hauptsächlich Tertulianos Erleben geschildert, wir befinden uns aber nicht in seinem Kopf!


    Wieso Tertuliano niemandem von seinem Erlebnis erzählt, habe ich mich auch oft genug gefragt. Ich kann es zwar in gewisser Weise nachvollziehen (ich neige dazu, wichtige Sachen auch erst mal für mich zu behalten, bis ich für mich selbst Klarheit geschaffen habe), aber eine wirklich handfeste Antwort liefert das Buch nicht.
    Eindeutig ist aber, dass er sich mehr und mehr in seiner Identität bedroht fühlt. Anfangs denkt er selbstverständlich, dass der andere sein Doppelgänger ist, später aber kommt ihm die Frage, ob es nicht vielleicht umgekehrt sein könnte: Ist er vielleicht die Kopie und der andere das Original? Und als der Mathematiklehrer ihm erzählt, er habe sich verändert, reagiert er fast panisch.


    Jetzt freue ich mich darauf zu erfahren, wie die Reaktion des anderen sein wird, ob er die Existenz eines Doppelgängers besser verkraften kann. (Bin auf S. 186/285)

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo!


    Ich weiß gar nicht, was ich von dem Buch halten soll. Einerseits kommt es mir doch sehr skurril vor, der Leser wird so dermaßen hingehalten bzw. die Geduld auf die Probe gestellt, andererseits bin ich doch immer sehr neugierig, wie es weitergeht und nehme das Buch immer wieder zur Hand.


    Es spricht auf jeden Fall für den Autor, Nebensächlichkeiten und Details so zu beschreiben, dass es letztendlich doch nicht langweilig wird.


    Ich bin jetzt auf Seite 193/383 angelangt und warte eigentlich schon elendslange darauf, dass die beiden endlich aufeinandertreffen. Doch Tertuliano mit seinem ewigen Rückziehern und Unsicherheiten, seinen Zwiegesprächen mit dem Menschenverstand verzögert dieses Aufeinandertreffen enorm.


    An Sympathie verliert er stetig. Seinen Umgang mit Maria finde ich absolut nicht ok., in Wirklichkeit ist er einfach nur zu bequem und zu feige, die Beziehung zu beenden. Andererseits erkennt er nicht, dass es der Mathematiklehrer wirklich gut mit ihm meint, ihm wohl gesonnen ist und er in ihm vielleicht wirklich einen Vertrauten und Freund finden könnte.


    Warum er niemandem von seinem Doppelgänger erzählt, das ist für mich auch absolut nicht nachvollziehbar. Gerade der Mathe-Lehrer würde sich doch anbieten! Aber ich denke mal, dass es im Buch noch Hinweise darauf geben wird.


    so, nun gehts weiter!

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Wie bereits im Leserunden- und Leseblockadenthread erklärt - ich komme den Leserunden nicht mehr hinterher und mag mich nicht mehr unter Druck setzen lassen. Tut mir leid. :sauer:

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • @Weratundrina: Kein Problem, du kennst ja meine Meinung dazu :knuddel:


    So, ich bin jetzt auf Seite 308/383.



    Mittlerweile kommen mir beide Männer, António wie Tertuliano, sehr seltsam vor. Ich kann mir schon vorstellen, dass es ein Schock ist, wenn man seinem perfekten Ebenbild gegenübersteht, aber die Reaktionen der beiden kommt mir ziemlich überzogen vor.

  • Ich komme nur langsam weiter; mittlerweile bin ich auf S. 212/285.
    Abgesehen davon, dass ich nicht so viel Lesezeit habe, wie ich gerne hätte, finde ich auch, dass es sich leider etwas zieht. Eine Straffung des Ganzen hätte dem Buch mMn doch gut getan. Die Einwürfe des Erzählers, die mir anfangs besonders gut gefielen, nehmen allmählich überhand, und die eigentliche Geschichte kommt nicht recht voran. Aber immerhin

    Zitat

    haben die beiden sich endlich getroffen. Auf den ersten Blick verlief das Treffen sehr unspektakulär, aber so einfach, wie sie sich das vorgestellt haben, lässt sich das Doppelgängerproblem doch nicht vergessen.
    Leider bin ich nur mäßig gespannt darauf, wie sich das Verhältnis der beiden weiter entwickeln wird.
    Spannender finde ich die Frage, wie Außenstehende wie Helena (von der wissen wir immerhin, dass sie arg unter dem Wissen zu leiden hat), Tertulianos Mutter (die er bei mir gerade besucht) und Maria reagieren werden.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo!


    Mir fehlen jetzt noch etwa 80 Seiten, Tertuliano besucht gerade seine Mutter.


    Mir geht es euch ganz ähnlich. Irgendwie zieht sich das ganze etwas. Das Treffen verlief doch weniger spektakulär als erwartet, doch ich glaube auch, dass keiner der beiden es so einfach vergessen kann.


    eine besondere Stelle ist mir aufgefallen: (bei mir auf S.288, Antonio Claro macht gerade den Brief in der Produktionsfirma ausfindig)

    Zitat


    ... wahrscheinlich wegen dieses Absatzes, vermutlich befürchtete das Management, dass hier in der Firma und auch draußen, im ganzen Land, plötzlich Unterschriftenlisten auftauchen könnten, in denen Gleichberechtigung und Gerechtigkeit für dieNebendarsteller gefordert wird, das wäre eine Revolution in der Filmindustrie, und stellen Sie sich mal vor, was es nach sich ziehen könnte, wenn die Forderung von den unteren Schichten aufgegriffen würde, von den Nebendarstellern der Gesellschaft im Allgmeinen....

    .


    Ich habe mich ein bisschen mit Saramago beschäftigt, und denke, dass das eine ganz typische Passage für ihn ist.


    Irgendwie erwarte ich einen fulminanten Schluss, irgendeine überraschende Wendung, ich finde, das Buch verlangt danach (obwohl ich sonst nicht der Effekt-Hascher bin :zwinker: ). Erst dann kann ich eine Beurteilung über das Buch abgeben, momentan empfindeich es von der Idee her sicherlich bemerkenswert, im ganzen aber so lálá.


    Ich habe heute freu :klatschen: und hoffe, das Buch zu Ende bringen zu können!

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Zitat von "creative"

    Ich habe mich ein bisschen mit Saramago beschäftigt, und denke, dass das eine ganz typische Passage für ihn ist.


    Inwiefern ist das eine typische Passage von Saramago? Ich kenne bisher ja nur dieses Buch von ihm.


    Zitat von "creative"

    Irgendwie erwarte ich einen fulminanten Schluss, irgendeine überraschende Wendung, ich finde, das Buch verlangt danach (obwohl ich sonst nicht der Effekt-Hascher bin :zwinker: ).


    Genau das hatte ich um diese Seitenzahl herum auch gedacht.


    Ich habe das Buch jetzt beendet.


    Zitat

    Leider hatte Tertuliano seiner Maria nicht die Wahrheit über seinen Doppelgänger erzählt. Und als sie es dann zufällig herausbekommt, ist es erst mal wie ein Schock für sie. Und wie es scheint, auch der Auslöser zum tödlichen Autounfall.
    Fast schon erscheckend fand ich auch, wie Helena die Nachricht aufgenommen hatte, dass ihr Mann António, bei dem Unfall um´s Leben kam.
    Und irgendwie konnte ich es wieder nachvollziehen. Immerhin hatte er sie ja auch betrogen.
    Und ganz zum Schluss taucht wieder ein neuer Doppelgänger auf.


    Irgendwie kann ich es überhaupt nicht nachvollziehen, warum die Männer so reagiert haben. Wieso hatte António mit einem solchen Hass reagiert? Warum wollte er sich damit rächen, dass er sich als Tertuliano ausgibt und mit Maria schläft? Wieso hatte Tertuliano nicht den Mut gehabt und hatte auch mit Maria über den Doppelgänger gesprochen?


    Also wirklich zufrieden bin ich mit dem Buch nicht. Einiges von der Erzählung kann ich nicht nachvollziehen. Die Einschübe fand ich allerdings teilweise sehr interessant. Ich habe mich gegen Ende gefragt, wie ich wohl reagieren würde, wenn ich plötzlich einer Doppelgängerin von mir gegenüberstehen stehen würde. Mit ziemlicher Sicherheit wäre ich erst mal sehr geschockt. Vielleicht hätte ich auch davor Angst, dass sie sich als mich ausgeben würde. Aber ich würde diese Entdeckung nicht für mich behalten, sondern mit meinem Partner, meinen Eltern und Freunden darüber sprechen.


    Auf jeden Fall werde ich noch mehr von Saramago lesen wollen. Er scheint ein sehr interessanter Schriftsteller zu sein.

  • Zitat von "wolves"


    Inwiefern ist das eine typische Passage von Saramago? Ich kenne bisher ja nur dieses Buch von ihm.


    Ich kenne auch bisher nur dieses Buch, habe aber "Stadt der Blinden" und "Das Zentrum" auf meinem SUB.


    Den Nobelpreis erhielt er für "für sein Werk, dessen Parabeln die Menschen die trügerische Wirklichkeit fassen lassen".


    wikipedia schreibt:


    Zitat

    Im Mittelpunkt steht meist das Verhalten und Bemühen von einzelnen Personen oder Gruppen (meist Angehöriger der unteren Schichten), mit einer für sie feindlichen Umwelt bzw. Gesellschaft zurechtzukommen.

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Zitat von "wolves"


    Also wirklich zufrieden bin ich mit dem Buch nicht.


    Und irgendwie finde ich es doch interessant. Vielleicht ist es ja gerade das faszinierende für mich daran, dass ich das Verhalten der Männer nicht nachvollziehen kann. Ich weiß nicht wie ich mich da ausdrücken soll um das verständlich rüberbringen zu können. Ich hoffe, ihr versteht was ich meine.



    @creative: Danke für deine Antwort! Irgendwie bin ich gar nicht auf die Idee gekommen etwas über Saramago zu recherchieren. An das naheliegende denkt man scheinbar nicht.

  • Ich habe das Buch jetzt auch durch.
    Insgesamt war mein Eindruck doch sehr zwiespältig. Die Grundidee war hervorragend aber in der Durchführung hatte ich immer mehr das Gefühl, man hätte daraus viel mehr machen können. Was es bedeutet, wenn Menschen nicht mehr Unikate sind sondern in mehrfacher Ausführung existieren, blieb doch sehr vage. Das Buch schnitt eine Menge Fragen an, aber es blieb immer bei dem Anschneiden; ich hatte nicht das Gefühl, dass irgendeiner der vielversprechenden Ansätze ausschöpfend behandelt worden wäre.
    Stilistisch hat mir das Buch in der ersten Hälfte gut gefallen, aber gegen Ende fiel mir das umständliche Erzählen von unwichtigen Details ziemlich auf die Nerven.
    Nachvollziehen konnte ich das Verhalten der Männer auch nicht wirklich. Viel interessanter und lebensnäher waren in meinen Augen die Reaktionen der drei betroffenen Frauen.


    Saramago kann's besser.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Ich habe das Buch zwischenzeitig auch beendet und meine Meinung ist aucn sehr zwiespältig.


    Zitat


    Kurzfristig das Herz stehen geblieben ist mir, als ich vom Autounfall der beiden las. Das war wohl doch die von mir herbeigesehnte "überraschende Wendung".


    Ganz ausgezeichnet fand ich den Erzählstil, die Erzählperspektive, die Kontaktaufnahme mit dem Leser. Als Leser war man "mitten im Geschehen", fühlte mit, litt mit, zitterte mit.


    Einige Elemente der Erzählung haben mir auch sehr gut gefallen.
    Die Idee des Hamurabi'schen Gesetzes "Aug um Aug - Zahn um Zahn" die sich von Beginn an durch das Buch zieht - zuerst nur in Form des Mesopotamischen Lehrbuches, das Tertuliano mit sich zu allen möglichen und unmöglichen Orten mit sich herumschleppt - bis zur tatsächlichen "Anwendung" des Gesetzes.
    Oder auch die Rolle seiner Mutter als "Kassandra". Diese Einwürfe habe ich sehr genossen, solche Stilmittel mag ich sehr gerne.



    Ebenfalls ganz toll fand ich die Grundidee.
    - Wohin können die Auswüchse der Gentechnologie führen?
    - Inwieweit ist jeder ersetzbar und austauschbar?
    - Inwieweit ist man wirklich ein Individuum?
    - Der ewige Wettkampf um den "ersten Platz".


    Absolut nicht nachvollziehbar ist für mich, warum denn um Gottes Willen Tertuliano niemanden davon erzählt hat. Ich hoffte bis zum Schluss, dass es vielleicht irgendeinen Grund gibt, das Tertuliano irgendetwas verheimlicht und deshalb Skrupel hat. Aber bis zum Schluss gibt es absolut keine Erklärung dafür.


    Im Großen und Ganzen hat mir das Buch eigentlich recht gut gefallen, wenn ich mir allerdings von einem "Saramago" doch mehr erwartet habe. Aber ich habe ja noch weitere auf meinem SUB liegen. :zwinker:

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative