Hans-Jürgen Massaquoi - "Neger, Neger, Schornsteinfeger !"

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  • "Neger, Neger, Schornsteinfeger !" von Hans-Jürgen Massaquoi


    Durch eine Zufall kam ich zu diesem Buch und bin dem Zufall mal wieder dankbar ! Ich hatte mein aktuelles Buch zuhause liegen gelassen und wollte nach der Arbeit mit der Bahn in die Stadt fahren - ohne Buch undenkbar ;-). Aus unserer Hausbibliothek schnappte ich mir also mehr oder weniger im Vorbeigehen das nächstbeste Buch und wurde angenehm überrascht.


    Angemehm ist die Geschichte natürlich nicht ! Hans-Jürgen Massaquoi erzählt in diesem spannenden Buch sein ganzes Leben - wie er es geschafft hat, im Nazideutschland als Farbiger bzw. Mischling den Krieg zu überleben. Er wurde in Deutschland geboren - sein Vater (Al-Haj) war der Sohn des liberianischen Diplomaten Momolu Massaquoi, seine Mutter Bertha eine deutsche Krankenschwester die Momolu M. wärend eines Krankenhausaufenthaltes gepflegt hatte.


    Und so beginnt eine teilweise unglaubliche Geschichte im kriegsgebeutelten Deutschland. Wie alles anfing bekam Hans-Jürgen M. ganz deutlich am eigenen Leib zu spüren. Wo ihn die Menschen als kleines Kind noch "sooo süß" fanden mit seinen großen dunklen Augen, den Kraushaaren und der Schockoladenhaut - begannen sie langsam in ihm eine Bedrohung zu sehen. Ein Nicht-Arier der "zurück nach Afrika" zu den minderwertigen Menschen gehört. Denn Hitler und seine Helfer hatten erfolgreich und heimtükisch dem deutschen Volk eine Gehirnwäsche verpasst. Interessant ist auch, dass Hans-Jürgen sich anfangs garnicht bedroht fühlte,er selbst hatte Vorurteile gegen "die Juden" und fühlte sich lange Zeit als Deutscher und somit nicht angesprochen.


    Aber als dann alle seine Freunde nach und nach der Hitlerjugend beitreten, er ausgeschlossen wird, Lehrer beginnen ihn zu quälen und zu diskriminieren und er nicht - wie er es sich wünscht - in einen Sportverein eintreten darf weil er Nicht-Arier ist, ihm eine höhere Schule verweigert wird, beginnt er langsam zu begreifen was da vor sich geht.


    Auch eine ganz normale Beziehung zu einem weißen Mädchen darf er nicht haben - natürlich freundet er sich trotzdem mit einem blonden Nachbarsmädchen an. Heimliche Treffen sind solange möglich, bis er feststellt dass er eine Gefahr für sie ist.


    Als sich die Lage zuspitzt, kommt Hans-Jürgen immer wieder in brenzliche Situationen - er muss 100 Schutzengel gehabt haben. Und er hatte eine ganz tolle Frau zur Mutter ! Eine mutige Kämpferin - aber gottseidank auch sehr vernünftig...


    Als Hamburg dann zum Ende des Krieges bombadiert wird und die beiden im Bunker sitzen, fängt man wirklich an zu glauben die beiden seien echte Glückspilze. Auch diese Situation überleben sie unbeschadet und als endlich die Truppen kommen, der Krieg vorbei ist, will Hans-Jürgen nur noch eines - nach Amerika, Land seiner Träume...


    Aber so schnell geht das nicht. Er ist zwar schwarz aber Afrikaner, hat also keinen Anspruch auf ein Visum - aber er schafft es sich als Amerikaner auszugeben und bei den GI´s schnuppert er das erste mal etwas an der amerikanischen Lebensart, wie er glaubt. Dass auch in Amerika der Rassenhass ganz alltäglich ist, ahnt er da noch nicht...


    Bevor er nach Amerika kommt und dort unheimlich viel erlebt, macht er noch einen langen Umweg über Afrika, zu seinem Vater und lernt dort "sein Volk" kennen. Es passiert soviel in diesem Buch und Hans-Jürgen Massaquoi erzählt so eindringlich und bildlich dass man es einfach nicht weglegen kann. Und es regt an - zum Nachdenken über die Situation jetzt hier in Deutschland. Ich finde es genau wie viele andere abartig und absolut unbegreiflich dass es Nazis erlaubt ist hier auf offener Straße rumzumaschieren und sie sogar in unsere Regierung gewählt werden können. Warum es diese Menschen gibt, ist die andere Frage...


    Das Buch ist absolut lesenswert, jede Seite davon.


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  • Seit vielen Jahren wollte ich dieses Buch mal lesen, habe es mir aber irgendwie nie gekauft. Und nun habe ich das gute Stück von meiner Mutter geerbt und kann es endlich lesen! Gestern bin ich gestartet und bin schon sehr gespannt auf die Autobiografie von Hans J. Massaquoi.

    Gruß suray

  • Ich kann mich der Rezi von Jona77 nur anschliessen - das Buch ist absolut lesenswert! Sehr gut geschrieben und spannend! Interessant fand ich auch die Fotos im Mittelteil. Unglaublich eigentlich, was dieser Junge/Mann alles überlebt hat! Und es ist immer wieder negativ beeindruckend wie Nazideutschland so funktioniert hat. Und wie durch Autorität und Propaganda ein ganzes Volk so dämlich werden kann... :sauer:


    Spannend fand ich auch den Bericht darüber wie er nach 18 Jahren wieder in Deutschland war und sich das Land so offen, toll wiederaufgebaut und multi-kulti präsentiert hat. Das ist wiederum auch beeindruckend, wie die damaligen Deutschen sich da berappelt haben.


    Von mir für dieses Buch
    5ratten

    Gruß suray

  • Dank der Rezi von suray habe ich nun dieses Buch auch endlich gelesen - und habe es nicht bereut, da das Buch sehr flüssig zu lesen war.
    Ich habe bisher mehrere Biographien von Juden während der Nazizeit gelesen, daher war dieses Buch mit den darin geschilderten Kindheitserlebnissen des schwarzen Autors in der Nazizeit Neuland für mich. Im Gegensatz zu Juden mußte er nicht durch einen gelben Stern auf sein Nicht-Arier-Sein hinweisen, da seine Hautfarbe dies für jeden deutlich machte. Dabei fühlt er sich als normaler Deutscher und läßt sich in kindlicher Naivität durch die NS-Propagande für die Nazi-Regierung begeistern - bis er feststellen muß, daß er immer häufiger wegen seiner Hautfarbe diskriminiert und ausgeschlossen wird. Ein normales Leben ist für ihn nicht möglich.


    Sehr eindrücklich fand ich, wieviel Glück Hans-Jürgen Massaquoi hatte und immer wieder aus gefährlichen Situationen herauskam.


    Das Buch endet nicht mit der Nazizeit, sondern beschreibt auch die Zeit Massaquois in Liberia und den USA nach dem Zweiten Weltkrieg: auch hier muß er zu seinem Bedauern feststellen, daß der Rassismus nicht weit entfernt ist.


    Das Buch ist ein sehr schönes Plädoyer gegen Rassismus und Intoleranz in jeglicher Form - und ermahnt an Zeiten, die nicht vergessen werden dürfen.


    5ratten

    Liebe Grüße

    Karin

  • Ja, die Erlebnisse in Liberia und den USA fand ich auch interessant. Und wirklich krass, dass auch in Liberia der Rassismus so verbreitet war/ist. Das ist echt ein Hohn, wenn man weiß, wer dieses Land gegruendet hat... Überall derselbe Mist.

    Gruß suray