Patricia Highsmith - Der talentierte Mr. Ripley

Es gibt 67 Antworten in diesem Thema, welches 15.607 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Weratundrina.

  • @ Nymphetamine
    Möglich, dass wir ein bisschen aneinander vorbei geschrieben habe. Vielleicht hätte ich einfach diffenzieren sollen: Erst einmal hätte ich mich auf das perfekte Verbrechen im Allgemeinen beziehen und darauf meine Definition von "perfekt" anwenden sollen.
    Dann erst hätte ich mich auf Tom und seine Verbrechen beziehen sollen. Denn da finde ich, kann man wirklich zwischen seinen Zielen unterscheiden. Wie bereits gesagt, den Habgier-Bereich hat Tom abgedeckt, aber was seine Persönlichkeit angeht, hat er ja wohl wirklich nichts erreicht. Im Gegenteil.
    Aber wie du schon sagst. Es kommt wahrscheinlich auf die Erwartungen an, die man an das Buch stellt. Und letztlich hat es uns beiden ja gefallen. Also, alles in Ordnung. :breitgrins:

  • Ich bin wieder etwas weiter gediehen und wundere mich insgesamt über das Verhältnis der Protagonisten untereinander. Da sind viele Aspekte von Euch schon erwähnt worden:
    Marge zu Dicke, Greenleaf zu Tom, Tom zu Dickie, Greenleaf zu Dickie. Nirgendwo gibt es besondere Zuneigung, nicht einmal von den Eltern zum Sohnemann in Europa. Jeder lebt vor sich hin und lebt neben dem anderen her. Und mittendrin Tom, der ein anderes Leben haben will und das Nichtstun als sein Ziel erkoren hat.


    Das Buch hat derzeit den Status "lesen wegen LR" und nicht "lesen wegen Interesse". Ich kann noch nicht präzise erläutern, warum, aber bisher hat mich die Geschichte um einen psychisch instabilen Menschen in einer antriebslosen Umgebung nicht gefesselt.


    Zu den Trinkgewohnheiten:
    Das scheint mir in den 1950ern Mode unter denen gewesen zu sein, die es sich leisten konnten. In Spielfilmen aus dieser Zeit wurde auch ständig ein Drink gereicht - auch in den deutschen Spielfilmen. So sehr gewundert habe ich mich daher gar nicht. In den USA hat sich das ja bis zu Dallas/Denver gehalten *g*

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  • Jesses nee, Tom und das Buch werden mir suspekter.


    Gerade habe ich gelesen, wie der Mord an Dickie seinen Gang nimmt. Dass jemand in die Rolle eines anderen schlüpfen möchte, um Vorteile zu erhalten, ist ein akzeptables Motiv. Aber was Tom im Zug zuvor empfindet und als Mordgrund für sich entdeckt, reicht als Motiv nun wirklich nicht aus. Das wirkt - zumindest für mich - so weit hergeholt, dass ich den Mord (an dieser Stelle des Buchs und aus diesem Beweggrund) absolut nicht nachvollziehen kann.


    Bin gespannt, wie sich das weiter entwickelt.

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  • Zitat von "Bettina"


    Bin gespannt, wie sich das weiter entwickelt.


    Vielleicht doch mehr als "lesen wegen LR"?


    Dass Tom :vogelzeigen: finden/wissen (wir) ja auch alle.

  • Zitat von "Papyrus"

    Dass Tom :vogelzeigen: finden/wissen (wir) ja auch alle.


    Es wundert mich, dass Nymphetamine sich dazu noch nicht geäußert hat. ;)


    @ Bettina
    Ich weiß nicht, ob du meine "Diskussion" mit Nymphetamine wegen der vielen Spoiler schon gelesen hast, aber - ohne zuviel zu verraten - die folgenden Beweggründe rechtfertigen Tom's Handeln m.E. auch nicht unbedingt.

  • Zitat von "*Sternenstauner*"

    @ Bettina
    Ich weiß nicht, ob du meine "Diskussion" mit Nymphetamine wegen der vielen Spoiler schon gelesen hast, aber - ohne zuviel zu verraten - die folgenden Beweggründe rechtfertigen Tom's Handeln m.E. auch nicht unbedingt.


    Bisher habe ich viele Diskussionen vermieden, die im Buch weiter greifen. Aber ich höre langsam damit auf und hole das nach. Da die wesentlichen Eckdaten der Geschichte bekannt sind, dürfte es am Ende doch egal sein.


    Eine grundsätzliche, persönliche Anmerkung: Das Buch finde ich zwar überhaupt nicht "den Bringer", aber ich muss auch zugeben, dass ich große Erwartungen an Ripleys Geschichte hatte. Allerorten wurde das Buch in den Himmel gelobt, Ripley sei charmant, man würde mit ihm fiebern und es wird geurteilt, dass es ein Nonplusultra der Krimiliteratur sei (deshalb habe ich es mir ja auch zugelegt) und dementsprechend hatte ich meine Vorstellungen von den Seiten zwischen den Buchdeckeln. Daher schlägt die jetzige Ernüchterung sicher doppelt zu Buche. Da kann Highsmith aber nichts dafür.


    Sicher war das Buch eine Sensation zu seiner Zeit, bei einem heutigen Erscheinen wäre es das vielleicht anders. Sowas gibt's ja auch, dass man jahrelang von Lorbeeren lebt, von einem Mythos zehrt. Ist Ripley so ein Fall, bei dem man nach all den Jahren die Faszination speziell dieses Antihelden nicht mehr nachvollziehen kann?

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  • Zitat von "Nymphetamine"

    Bettina
    Somit hat deiner Meinung nach die Zeit das Buch eingeholt?


    Ich halte es wirklich für möglich. Der erste, der mit dem Etablierten und Gewohnten bricht, erzeugt doch oft eine besondere Faszination. Nachfolgende Projekte verlieren bzw. müssen anders überzeugen und sie erzeugen einen neuen Gewohnheitseffekt.


    Ein anderes Beispiel wäre der Film 9 1/2 Wochen, der in den USA fast schockierend gewirkt hat und inzwischen schlafen selbst Männer bei dem Film vor Langeweile ein. Oder all die Superstar-Suchereien, von denen nur die erste spürbar Spuren hinterlassen hat und alles andere als Brei unterging. Oder das Buch Lolita, das heute als Klassiker gilt, aber beileibe keine Schimpftiraden der Moralhüter mehr erzeugt.


    EDIT:
    NtM, Du hast mal geschrieben, Tom sei ein Spieler. Das ist ein Begriff, der recht gut passt. Er fälscht Unterschriften (zu Beginn des Buches) und schaut, wie lange er damit durchkommt. Ist auch bereit, irgendwann aufzuhören (also quasi auf eine andere Farbe zu setzen), um nicht zu verlieren und woanders sein Glück zu versuchen.
    Mit dem Mord ist es insofern ähnlich (nicht wegen des Motivs), weil er es einfach ausprobiert und ohne Nachzudenken/Planen ebenfalls schaut, wie erfolgreich das abläuft. Wie Du sagst, man schiebt einfach mal einen Jeton ein Feld weiter und wartet ab.

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  • Zitat von "Nymphetamine"

    *Sternenstauner*
    Bitte um nähere Definition. :rollen:


    Na, während einige hier Tom eher unsympathisch fanden, hatte ich nach deinen Aussagen das Gefühl, du wärst hier der größte Ripley-Fan. ;)

    Zitat von "Nymphetamine"

    Und gerade das macht ihn so sympathisch und das Buch so spannend.


    Da dachte ich, du würdest ihm nach Papyrus' Aussage zur Hilfe eilen wollen. ;)

  • Hallo!


    Zitat von "Bettina"

    Ist Ripley so ein Fall, bei dem man nach all den Jahren die Faszination speziell dieses Antihelden nicht mehr nachvollziehen kann?


    In meinen Augen ja. Ich habe Tom Ripley weder für charmant gehalten, noch habe ich mit ihm gefiebert. Trotzdem war ich von ihm fasziniert, allerdings aus anderen Gründen- wie man in meinen Postings nachlesen kann :zwinker:


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Besser spät als nie. Ich fang jetzt an. :redface::breitgrins:

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • Hallo


    Ich soll nun wieder die Kohlen aus dem Feuer holen?? Soll ich mir für diese noble Tat noch Strumpfhosen anziehen? :breitgrins:
    Ich kann mich Bettinas Beitrag nur anschließen, der auf eine etwas übersichtlichere Weise verdeutlicht was ich schon weiter oben sagen wollte.
    Warum ist also ein Spieler verrückt, oder Geistig sonst wie geartet, nur weil er kein System oder Muster an den Tag legt nach dem er spielt?
    (ich schreibe jetzt absichtlich nicht Anti-Held da dies schon wider eine Diskussion um Punkt und Strich lostreten würde)
    Tom ist mir so sympathisch weil er der "Alpha-Loser" ist. Er hat lediglich das Pech von uns Lesern, die wir hier sitzen, erst nach Filmen wie Fight Club, Bully, Kenpark, Elephant oder American History X wahrgenommen zu werden.
    Er ist nicht schon wieder ein Profi- Gangster.
    Er ist nicht schon wieder ein Gentleman- Gauner.
    Er ist nicht schon wieder Kanonenfutter für einen aufstrebenden Serienhelden im Krimigenre.
    Nein, er ist ein Stereotyp der durch die Mangeln des Medienzeitalters gedreht und dadurch kopiert und natürlich längst auch schon, übertroffen wurde.
    Aber ich negiere auch nicht Herr der Ringe nur weil mir Otherland besser gefällt.
    Klassiker, Kult, Alpha-Loser...nennt wie ihr es wollt.


    NtM

  • In den letzten Kapiteln wirkte Tom eher verzweifelt auf mich (bis Kapitel 19). Warum? Weil er den Eindruck erweckt, dass er aus der spontanten Reaktion heraus jeweils keine andere Wahl findet und daher in der Folgezeit seine Erklärungen und Theorien für die Umwelt irgendwie zurechtkonstruieren muss. Er steht ziemlich unter Druck.


    Er merkt, dass er einen riskanten Balanceakt begonnen hat. In Krimis heißt es oft, eine spontane Tat ziehe gerne eine Kette weiterer (Verzweiflungs)Taten nach sich, mit denen man sich zu retten versuche. Genau das macht Tom.


    Dass er dabei immer wieder an die Polizei denkt, im Stile von "sie warten auf mich", hat eher was von Schicksalsergebenheit. Er würde die Konsequenzen tragen, aber nicht aus vollem Schuldbewusstsein, sondern einfach, weil er keine Kraft und keine Lösung hat, dem zu entkommen und merkt, dass es zuviel wird. Und dann ist es weniger mühsam, sich dem Schicksal zu ergeben statt weiter "auf der Flucht zu sein".


    Das macht in der Summe derzeit den verzweifelten Eindruck aus.

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  • Ich bin noch nicht so richtig weiter gekommen. Mir fehlen die weiblichen Figuren. In der letzten Zeit bin ich bei Büchern, in denen keine Frauen vorkommen irgendwie nicht so bei der Sache.


    Tom ist jetzt grad in Europa angekommen. Bisher sagt mir das Buch gar nichts und ein Bild von Tom kann ich mir auch nicht machen.

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


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    ~ IDLES ~


  • Zitat von "Weratundrina"

    Mir fehlen die weiblichen Figuren. In der letzten Zeit bin ich bei Büchern, in denen keine Frauen vorkommen irgendwie nicht so bei der Sache.


    Hast Du das Gefühl, dass Du die Frauen besser nachvollziehen kannst, wenn Du einer Geschichte folgen willst? Ich stelle bei mir so einen Unterschied gar nicht fest und die Beobachtung interessiert mich daher...
    ________
    Ich sage nur: Kapitel 20
    Das ist ungefähr das, was NtM schon mal gesagt hat und in diesem Kapitel fiel es auch mir extrem auf (weil das Kapitel wie eine Ankündigung des Buchendes bzw. des weiteren Verlaufs wirkt): Das Buch ist die Schilderung eines grandiosen Scheiterns auf ganzer Linie.


    Ich erahne den weiteren Verlauf zwar aus Euren äusserungen, bin freilich nun gespannt, ob es so weitergeht, wie ich denke.
    _________
    P.S. Heute mal wieder schweizer Tastatur und ich habe vergessen, wie man grosses ä und scharfes s macht. Ab nächste Woche sehen meine Postings wieder wie gehabt aus.

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  • Weiss nicht, ist ganz komisch bei mir. Aber das wäre ja auch mal ein eigenes Thema wert, find ich. Hat ja nichts mit dem Buch zu tun (das immer noch an der gleichen Stelle aufgeschlagen neben meinem Bett liegt :redface: ).

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


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    ~ IDLES ~


  • Einige wenige Kapitel kurz vor Schluss "versöhne" ich mich mit dem Buch doch noch ! :klatschen:
    Ich nehme es nun einfach als einen "normale" Roman und habe es geschafft, mich von den hohen Erwartungen zu trennen. Die hatte ich am Anfang zuhauf, weil Ripley als Person so gelobt wurde, das Buch hochgejubelt wurde und ich dementsprechend ein genitöses Buch erwartete. Das habe ich zwar nicht gefunden, aber immerhin eines, für das die Zeit nicht wirklich zu schade war. Bis über die Mitte hinaus hätte ich dem Buch nie mehr als zwei Ratten gegeben - dank meines Sinneswandels bin ich inzwischen bei drei Ratten.


    Einige Kapitelchen habe ich noch und dann kommt mein Fazit.
    Bis dahin,
    Bettina

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  • Die Geschichte um Tom Ripley ist die Geschichte eines durchschnittlichen Typen, der sich mit Betrug und Finten das Leben zu bereichern sucht. Mit dem Leben unzufrieden, will er mehr für sich herausholen, ohne einen Finger dafür krumm zu machen. Tom hat keine Freunde, ist von seinem Umfeld genervt und angewidert, hat aber weder den Mumm noch den Grips zu erkennen, dass er selber dazu gehört bzw. sich selbst in dieses Umfeld gebracht hat. Was ihn fasziniert, ist das süße Nichtstun, das Leben ohne Verpflichtungen. Er möchte am liebsten von Beruf Sohn sein, so wie Dicke.


    Mir ist klar geworden, dass ich mit sehr hohen Erwartungen an das Buch gestartet bin. Die Kritiken feiern seit Jahren einen "Meilenstein der Krimiliteratur", sind von einer "charmanten" Hauptperson fasziniert und beteuern, man verfalle ihr und fiebere mit ihr. In diesen und ähnlichen Lobreden ergehen sich die Lobreden. Nur: Ripley war für mich nie eine sympathische, talentierte, geschweige denn eine schillernde und anziehende Figur. Im Gegenteil. Ich fragte mich, wie Ripley solche Beschreibungen hervorrufen konnte. Das war auch der Grund, warum ich den Roman beim ersten Anlauf nach einer Handvoll Kapiteln wieder weggelegt habe. Die Rückmeldungen zum Buch bauten Erwartungen auf, die ich bei weitem nicht erfüllt sah.


    Tom wirkt auf mich komplexbeladen und verzweifelt und ist das absolute Gegenteil eines typischen Helden. Gerade zur Entstehungszeit des Buches brach Highsmith mit Ripleys Charakter und seinem Status als Mörder und Betrüger einen Standard. Mit dem anderen Standard brach sie mit dem ewigen Tenor im Buch, Ripley könne offensichtlich unbehelligt davon kommen. Und einen dritten Standard brach sie, als sie Ripleys mögliche Vorliebe für Männer andeutete. Verständlich, dass der Roman in den 1950ern Aufsehen erregte.


    Das erhoffte "atemberaubende" und so hochgelobte Buch habe ich definitiv nicht gefunden. Ich habe den leisen Verdacht, dass die damals aufsehenerregenden Details heute nicht mehr so intensiv wirken und das Buch von der Zeit überholt wurde - wie ich mit NtM schon mal angesprochen habe.


    Doch nur 2ratten
    weil ich das Buch nicht noch einmal lesen will und eher froh bin, es nun zu kennen und "abgehakt" zu haben.

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