Annika Thor - Eine Insel im Meer

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    Ich bin ein großer Fan von Kinder- und Jugendliteratur und muss zunächst sagen, dass mir das Buch zwar sichtlich gefallen, aber es doch schon meine Erwartungen in vollem Umfang überrumpelt hat.


    4ratten


    Edit: Leider wurde die Rezension von Bibliophle geklaut, weshalb ich sie gelöscht habe. Die Originalrezension ist hier zufinden. LG nimue

    Einmal editiert, zuletzt von nimue ()

  • Eine sehr schöne Rezension, bibliophile! :klatschen:


    "Eine Insel im Meer" hat mich ebenfalls sehr beeindruckt!


    Es hat meiner Meinung nach zu Recht den Deutschen Jugendliteraturpreis 1999 gewonnen!


    Steffi (12) und ihre kleine Schwester Eleonore (Nelli) kommen durch ihre Evakuierung nach Schweden in einen ihnen fremden Kulturkreis. Sie müssen lernen, sich in einer hermetisch abgeschlossenen Inselgemeinschaft einzuleben, die zudem streng protestantisch ist. Die Gläubigen versuchen sie dann auch sehr schnell zu "erwecken".
    In Schweden werden sie zwar als Juden nicht verfolgt, aber ihr Glaube wird hier einfach nicht ernst genommen.


    Zudem müssen sie ihren Lebensstil komplett umstellen - ihr Wiener Leben wird auf der Insel als "elender Schlendrian" betrachtet...


    Während sich Nellie schnell einlebt, begegnet Steffi einer Fülle von Problemen und kämpft darüber hinaus noch mit der Pubertät. Sie muss immer die Stärkere sein, um ihre kleine Schwester zu trösten und die Eltern daheim nicht zu ängstigen. Sie wünscht sich auch Trost und Interesse an ihrer Person, traut sich aber nicht, direkt darum zu bitten. So stellt sie ihre Stacheln auf und vergrätzt mögliche Freunde.


    Geht es in der ersten Hälfte des Buches hauptsächlich um ihr persönliches Schicksal, so kommt im zweiten Teil auch verstärkt die politische Dimension dazu: die Verfolgungen und Repressalien in Wien werden stärker, so dass Steffis Vater seine Tochter um Mithilfe bittet. Sie soll ihm und seiner Frau helfen, nach Schweden einreisen zu dürfen.


    Besonders positiv fand ich die Gegenüberstellung vom Leben in Schwedens Süden und den Lebensbedingngen im besetzten Wien, die durch Rückblicke und Erinnerungen eingeflochten werden.


    Der Grundgedanke, der auch dem Buchtitel zu Grunde liegt, ist ein Hoffnungsvoller:


    Zitat

    Kein Mensch ist eine Insel, ganz und gar für sich;
    jeder Mensch ist ein Teil des Festlandes, ein Teil des Ganzen [..]
    der Tod eines jeden Menschen macht mich geringer, denn ich bin eingeschlossen in der Menschlichkeit; drum sende nie Boten aus und frage, für wen die Glocke läutet: Sie läutet für dich.


    Diese freie Übersetzung aus John Donnes Meditationen trifft die Situation sehr gut.


    Ein tolles Kinderbuch, das eine Brücke zwischen zwei Kulturen schlägt und einen Ausschnitt aus dem 3. Reich sehr kindgerecht aufbereitet. :tipp:


    Die Folgebände:


    Eine Bank am Seerosenteich
    In der Tiefe des Meeres
    Offenes Meer

    Ich werde kein&nbsp;Geld hinterlassen. Ich werde keinen Aufwand und Luxus hinterlassen. Aber ich möchte ein engagiertes Leben hinterlassen.<br />(Martin Luther King)

  • Danke für die sehr schöne Rezension, bibliophile. Eigentlich kann ich auch nichts mehr ergänzen, du hast alles gesagt. Ich schließe mich deiner Meinung voll an. Ich habe dank marilu ein völlig neues Genre für mich entdeckt. Ihre Lesetipps und Rezis brachten mich dazu, doch so ab und an mal ein Jugendbuch zu lesen. Aber zurück zu diesem Buch. Annika Thor hat in diesem Buch ruhig und klar über die Probleme der beiden jüdischen Mädchen aus Wien, die nach Südschweden evakuiert wurden, geschrieben. Dabei wurde nichts kindgerecht beschönigt, aber kindgerecht beschrieben und erzählt. Sie schrieb, wie es gewesen sein könnte. Sie schrieb über die vielen Probleme, die es bei der Eingewöhnung auf der Insel gab, aber auch über die kleinen Freuden der Kinder. Sie schrieb über Verantwortung, Verständnis und Mitgefühl. Auch an Spannung fehlte es nicht. Ich empfand dieses Buch als sehr ruhig und nachdenklich, aber auch als hoffnungsvoll, das hat marilu mit dem Zitat, das den Kerngdanken des Buches besser trifft als ich es sagen könnte, schon deutlich gemacht. Mich hat dieses Buch sehr berührt und ich habe auch schon den Folgeband "Eine Bank am Seerosenteich" recht weit oben auf meinem SUB.

    Liebe Grüße<br />Karthause :schmetterling:<br /><br />Die Kunst zu lesen, in ein Buch hineinzufallen, darin zu versinken, kaum noch auftauchen zu können, ist ein Stück Lebenskunst. <br />Elke Heidenreich


  • :redface: Danke.


    Tja, Grund zu schämen hast du allemal: Blumen für eine Rezension einzustecken, die nicht du geschrieben hast. Peinlich.


    Also, hier meine Rezension:


    Kurz vor dem Ausbruch des zweiten Weltkrieges schicken die jüdischen Eltern ihre beiden Töchter Nelli und Steffi nach Schweden. Die Mädchen haben zuvor miterlebt, wie ihre eigentlich wohlhabenden Eltern ihre große Wohnung verlassen mussen, ihr Hund erschossen wurde und wieviel Angst und Schrecken in der jüdischen Bevölkerung in Wien herrscht. Die beiden Mädchen versuchen tapfer zu sein, dabei wissen sie doch gar nicht, was auf sie zukommt.


    In Schweden, einem Land, dessen Sprache die beiden nicht wirklich sprechen, kommen die beiden zu ihren Gasteltern. Obwohl sie unbedingt zusammen bleiben wollten, werden sie getrennt. Die jüngere Nelli erwischt es ganz gut. Sie kommt zu Tante Alma, lernt schnell die schwedische Sprache und findet viele Freunde. Der älteren Steffi geht es nicht ganz so gut. Sie kommt zu Tante Märta, einer sehr verschlossenen und strengen Frau. Es wird selten geredet, weshalb sie sich wesentlich schwerer tut, die Sprache zu lernen. Freunde findet sie auch keine.


    Doch die Zeit vergeht und anstatt der vorgesehenen drei Monate sind die Kinder jetzt schon fast ein Jahr auf der Insel. Mit der Zeit findet auch Steffi Freunde, in der Schule ist sie so gut, dass die Lehrerin vorschlägt, sie aufs Gymnasium nach Göteborg zu schicken. Doch Tante Märta und ihr Mann Onkel Evert haben einfach kein Geld dafür. Erst als im Sommer die Sommergäste kommen und sich Steffi um deren Hund rührend kümmert, scheint sich eine Lösung aufzutun. Doch die Heimat bleibt vorerst fern.


    Die Geschichte rund um Nelli und Steffi ist traurig und berührend, aber dennoch hoffnungsvoll. Steffi findet man anfangs zwar nicht so besonders sympathisch, doch auch mit ihr fiebert man mit und möchte den Mädchen gerne helfen. Man ärgert sich darüber, wie sie sich benimmt und möchte ihr gerne einen Tritt in den Hintern geben, doch dann erfährt man, warum sie sich wie benimmt. Eine wichtige Geschichte, vor allem für Kinder zwischen zwölf und fünfzehn.
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    Gebundene Ausgabe: 206 Seiten
    Verlag: Süddeutsche Zeitung / Bibliothek (April 2006)
    Sprache: Deutsch
    ISBN-10: 3866151322
    ISBN-13: 978-3866151321

  • Oh mann, wie fies ist denn sowas! :rollen: Also nochmal mein Dank an dich, Chil! :winken:

    Ich werde kein&nbsp;Geld hinterlassen. Ich werde keinen Aufwand und Luxus hinterlassen. Aber ich möchte ein engagiertes Leben hinterlassen.<br />(Martin Luther King)

  • Annika Thor: Eine Insel im Meer


    Dies ist die Geschichte der Geschwister Stephanie und Eleonore, genannt Steffi und Nelli, die aus einer jüdischen Familie in Wien stammen und im Jahr 1939 als Flüchtlingskinder ohne ihre Eltern in Schweden aufgenommen und in Gastfamilien untergebracht werden, um sie vor dem Naziterror zu schützen. Dieser Aufenthalt soll nur vorübergehend sein, denn eigentlich wollen die Eltern mit den Kindern nach Amerika auswandern, doch dies gestaltet sich schwierig und die Kinder müssen länger als erwartet in Schweden bleiben.


    Sie werden in zwei verschiedenen Gastgeberfamilien auf einer Insel vor der schwedischen Küste untergebracht. Für mich scheint diese Umgebung paradiesisch, doch das Leben dort ist so völlig anders als es die Schwestern aus Wien gewöhnt sind und die beiden fühlen sich sehr fremd. Sowohl die einfache und arbeitsame Lebensweise der Fischer auf der Insel (die sich stark vom Wiener Leben in einer reichen jüdischen Arztfamilie unterscheidet) als auch der religiöse Fundamentalismus einiger Inselbewohner machen den Mädchen anfangs sehr zu schaffen.


    Nelli, der jüngeren, die in einer Familie mit Kindern gelandet ist, fällt die Eingewöhnung leichter als Steffi, der älteren. Steffi (12 Jahre alt) lebt nun als einziges Kind mit der schweigsamen, strengen Märta zusammen und mit Evert, der zwar gern mit ihr redet, aber als Fischer tagelang aufs Meer hinausfährt. In die Schule zu gehen, Freunde zu finden fällt ihr schwerer als Nelli, die fremde Sprache und die Schatten der in Wien erlebten Grausamkeiten behindern sie. Dazu kommt regelrechtes Mobbing von seiten einiger Kinder, das sich im Lauf der Geschichte bis zu antisemitischen Übergriffen steigert.


    Die Geschichte wird aus Steffis Sicht erzählt und ist in kindgerechten kurzen, knappen, aber klaren Sätzen gehalten. Umgebung und Ereignisse werden sparsam und mit einfachen Worten beschrieben, passend zur Weltsicht eines Kindes. Die Einsamkeit und Verzweiflung,die Steffi durchlebt, wird für den Leser sehr deutlich spürbar. Ebenso ihre Angst und Unsicherheit angesichts des Kriegsbeginns und des Angriffes der Deutschen auf Norwegen im Frühjahr 1940, ihre Angst um die Eltern und ihre Sehnsucht nach ihnen. Als Leser fühlt man mit Steffi. Die Inselbewohner werden realistisch geschildert als Menschen, die freundlich und warmherzig sind, aber auch vorurteilsbehaftet und politische Drückeberger. Doch als das Dasein für Steffi unerträglich zu werden scheint, zeigen sich einige Personen plötzlich von einer unerwarteten Seite und stehen zu ihr.


    Das oben erwähnte Inselzitat habe auch ich als zentral empfunden. Obwohl Steffi und Nelli auf einer Insel sind und sich von allem abgeschnitten wähnen, sind sie doch nicht losgelöst von der Welt, vom Festland, und von der Hoffung (letztere wird verkörpert durch die Feriengäste vom Festland, durch die sich für Steffi eventuell eine Zukunftsperspektive auftut.)



    Steffi findet man anfangs zwar nicht so besonders sympathisch, doch auch mit ihr fiebert man mit und möchte den Mädchen gerne helfen. Man ärgert sich darüber, wie sie sich benimmt und möchte ihr gerne einen Tritt in den Hintern geben,


    Ich fand Steffi keinen Moment lang unsympathisch und habe mich auch nicht über sie geärgert.



    Das Buch behandelt ein sehr wichtiges Kapitel deutscher und europäischer Geschichte kindgerecht und macht einen authentischen Eundruck auf mich. Es steht in einer Reihe mit Büchern wie Die Kinder aus Nr. 67 und Als Hitler das rosa Kaninchen stahl. Klare Leseempfehlung für Kinder ab 11 Jahren.


    5ratten


    Übrigens gibt es mehrere Fortsetzungsbände, die ich nun natürlich auch lesen möchte:
    Band 2: Eine Bank am Seerosenteich
    Band 3: In der Tiefe des Meeres
    Band 4: Offenes Meer


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    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

  • Ich habe letzte Woche dieses Buch beendet und möchte meine Rezension mit euch teilen. Das Original findet ihr in meinem Blog booknapping.de: Annika Thor - Eine Insel im Meer.



    Sie dachten, sie kämen für einen etwas längeren Urlaub nach Schweden. Doch es war kein Urlaub und der Aufenthalt sollte viel länger werden als erwartet. Steffi und Nelli lebten in Wien mit ihren Eltern, die sie aber nach Einmarsch der Deutschen in die österreichische Großstadt verlassen mussten. Sie sollten alleine zunächst nach Schweden reisen, bis ihre Eltern eine Ausreisegenehmigung für Amerika erhalten hätten. In Wien lebten sie in einer schönen großen Wohnung, bis die Nazis kamen und allen Juden ihren Besitz nahmen. In einem kleinen Zimmer wurde die Familie zusammengepfercht, sodass es ein großes Glück für die zwei Mädchen war, in das weit entfernte Schweden ausreisen zu dürfen. Ihren Eltern stand diese Möglichkeit zu dem Zeitpunkt nicht offen.


    Auf der Flucht


    Als Flüchtlinge kommen die Schwestern nach Schweden. Und was sie dort erleben ist damals wie heute aktuell. Zwar werden sie gastfreundlich und durchaus liebevoll aufgenommen, jedoch fühlen sie sich fremd in diesem unbekannten Land bei Menschen, deren Sprache sie nicht sprechen oder verstehen. Zudem werden die Geschwister getrennt voneinander untergebracht, was von außen nachvollziehbar, für die Kinder aber grausam ist. Allein. Fremd. Ungeliebt. Und dazu noch die Angst um die in Wien verbliebenen Eltern.


    Annika Thor schreibt in kurzen und leicht verständlichen Sätzen. Dies erleichtert jungen Menschen die Lektüre dieses so wertvollen Buches und mindert dabei älteren Lesern aber keineswegs das Leseerlebnis. Fast malerisch schildert die Autorin die kargen Landschaften der Schäreninsel auf der ihre Protagonistinnen ihr neues Zuhause finden sollen. Beim Lesen des kurzweiligen Buches kommt die teils leichtfüßige Erzählung immer wieder an Stellen, die den Lesefluss jäh stocken lassen. An vielen Ecken lauert die Grausamkeit des Krieges, der schließlich auch das benachbarte Norwegen erreicht. Zudem haben die Mädchen mit den ganz normalen Problemen von Kindern in ihrem Alter zu kämpfen. Ihre Herkunft macht das Ganze zudem nicht einfacher.


    Die Furcht vor allem, das fremd ist

    Steffi lebt etwas abseits der anderen Inselbewohner und hat es bei ihrem schon älteren Gastgeberpaar nicht leicht. Tante Märta wirkt immerzu mürrisch und streng. Onkel Evert ist zwar liebevoll, aber meist in seinem Beruf als Fischer tagelang unterwegs. So ist Steffi schlechter integriert als ihre Schwester Nelli, die in einer jungen lebhaften Familie mit zwei weiteren kleinen Kindern lebt. Nelli spricht nach kurzer Zeit bereits sehr gutes Schwedisch, bei Steffi aber dauert es lange, bis sie sich gut verständigen kann. Als die beiden zur Schule kommen, hat Steffi es in ihrer Altersklasse doppelt schwer. Die angesagten Mädchen haben so kurz vor der Pupertät bereits ihre eigene Clique und Steffi ist als Fremde das perfekte Opfer. So muss sie auch hier in Schweden erniedrigende Erfahrungen machen. Steffi ist fremd und bleibt dies auch, da es ihr nicht leicht gemacht wird, sich einzubringen, sich zu integrieren. Und mit ihren zwölf Jahren ist sie sich leider auch oft selbst im Weg und grenzt sich aus, obwohl sie eigentlich das Gegenteil erreichen möchte.


    Hoffnung – Angst – Hilflosigkeit – Hoffnung


    “Eine Insel im Meer” lässt hoffen, dass ein solcher Krieg nie wieder ausbrechen wird. Auch wenn Annika Thor nicht vordergründig über das Kriegsgeschehen berichtet, sind es doch die Rückblenden ins Leben der in Wien ansässigen jüdischen Familie und das Aufblitzen von aufschreckenden Geschehnissen im ruhigen schwedischen Alltag, die die NS-Zeit und die Verfolgung der Juden immer wieder thematisieren. Angst ist eines der Gefühle, die die Geschichte begleiten. Hilflosigkeit ein weiteres, dem sich besonders Steffi als Flüchtling ausgesetzt fühlt.


    Dieser Roman wurde 1999 in der Sparte Kinderbuch mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Heute ist er so aktuell wie eh und je. Nicht nur das Thema des Nationalsozialismus ist wichtig und sollte immer präsent sein. Auch die Möglichkeit eine Geschichte durch die Augen einer Geflüchteten zu sehen, machen dieses Buch so wertvoll. Für Menschen jeden Alters. Wie schön, dass es nun wieder in einer günstigen Taschenbuchausgabe erhältlich ist. Es gibt drei Folgebände, die ebenfalls beim Carlsen Verlag erhältlich sind. Dieser erste Roman kann aber auch losgelöst von den Fortsetzungen gelesen werden.