Edgar Hilsenrath - Der Nazi & der Friseur

Es gibt 4 Antworten in diesem Thema, welches 3.795 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Elena.

  • Ich bin inzwischen auf Seite 215 angelangt, also fast in der Mitte des Buches Der Nazi & der Friseur.


    Gerne eröffne ich hier schon eine Diskussionsrunde um Bücher dieses Genres.


    Der Klappentext ist es der einen wahrscheinlich entweder magisch anzieht oder abstößt - oder beides, so war es bei mir:


    Dem Romancier Edgar Hilsenrath gelingt in »Der Nazi und der Friseur« scheinbar Unmögliches – eine Satire über Juden und SS ... Ein blutiger Schelmenroman, grotesk, bizarr und zuweilen von grausamer Lakonik, berichtet von dunkler Zeit mit schwarzem Witz.


    Was zutrifft sind die Worte grotesk, bizzar, grausam. Schwarzer Witz - da kenne ich mich nicht so aus- aber Witz - hm, bizzar trifft es eher. Satire habe ich mal bei Wikip. eingegeben... SATIRE


    Nun gut, es geht also um Max Schulz - Sohn einer Hure, Vater unbekannt. Sein Stiefvater schlägt und vergewaltigt ihn, seine Mutter tut nichts dagegen. Sein bester Freund Itzig - ein Jude - ist der Sohn des Meisterfriseurs Chaim Finkelstein gleich auf der anderen Straßenseite. Dort geht Max auch in die Lehre.


    Als es dann soweit ist dass Hitler die Menschen mit seinen Worten vergiftet hat und der Judenhass um sich greift - macht der Irrsinn auch nicht vor Max halt. Seine alten Freunde sind von nun an seine Feinde.


    Die Geschichte wird in ich-Form aus der Sicht von Max Schulz erzählt. Er wählt immer wieder die Worte "Ich - Max Schulz, später Itzig Finkelstein und Massenmörder..." Viele Ausdrücke und Umschreibungen sind sehr obszön und sicher nicht jedermans Sache. F... kommt öfter vor, Arsch für Gesäß usw.


    Teils angeekelt, teils fasziniert von diesem Roman, muss ich weiterlesen um mir ein abschliessendes Urteil bilden zu können. Es ist schwer so über dieses Thema zu schreiben, soviel steht fest. Und es ist keine Geschichte wie man sie sonst gelesen hat. Max Schulz hat absolut nichts an sich was man mögen könnte und es gibt keinen Lichtblick oder irgendetwas an dem man sich erfreuen könnte. Kalt und abgeklärt - ohne Gefühlsregung erzählt Max wie er tausende von Menschen ermordete. Also ist das Buch nichts für schwache Nerven und ich empfehle im Anschluss ein positives Buch !


    Vielleicht möchte jemand was dazu sagen oder kennt andere Bücher dieser Art ?


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    Einmal editiert, zuletzt von Jona77 ()

  • Der Nazi & der Friseur von Edgar Hilsenrath


    Es fällt mir nicht so leicht über das Buch meine Meinung zu schreiben. Ich war immer wieder hin und hergerissen zwischen Ekel und Faszination, zwischen dem Gefühl "schmeiß es in die Ecke" und "les es zuende - du musst doch wissen wie es ausgeht".


    Es geht also um Max Schulz. Er wächst auf mit seiner Mutter, einer Hure und seinem Stiefvater der ihn regelmässig missbraucht und schlägt. Sein bester Freund ist Itzig Finkelstein, der Sohn des angesehen jüdischen Frisörs Chaim Finkelstein. Dort macht Max auch seine Lehre zum Frisör - obwohl sein Stiefvater einen Frisörladen auf der anderen Seite der Straße betreibt. Doch Max will nur das Beste und hält sich oft und lang bei der Familie Finkelstein auf - lernt damals schon ihre Bräuche und Rituale kennen. Irgendwann jedoch kippt die Stimmung - Hitler hat die Gedanken der Menschen in Deutschland vergiftet und auch Max entzieht sich nicht den grausamen Verlauf der Dinge, er folgt der Masse.


    Er geht zur SS und lebt seine Rolle voll aus. Er tötet kaltschnäuzig Menschen ohne mit der Wimper zu zucken. Er erzählt dem Leser in ich-Form in oft anstößiger Sprache von seinen Erfahrungen mit Frauen, dem Töten, er teilt seine kranken Gedanken mit und so entwickelt man beim lesen eine immer größere Abneigung gegen ihn und das Unverständnis für die damaligen Geschehnisse wächst.


    Max hat einen Dachschaden - so sagt er es selbst immer wieder. Er hat oft wirre Gedanken, dass sind die Zeilen in dem Buch die mich einerseits dazu brachten darüber nachzudenken ob ich denn nun wirklich weiter lesen oder aufhören sollte. Aber wie geht es aus - wird Max irgendwann bestraft ? Und diese wirren Zeilen fesseln auch...


    Als der Krieg zuende geht, bangt Max um sein Leben und er schmiedet einen bizzaren Plan. Er schlüpft in die Rolle von Itzig Finkelstein. Er liest viel über das Judentum, beschäftigt sich mit den jüdischen Bräuchen und ihrer Geschichte. Und schließlich wandert er nach Israel aus. Dort wird er ein angesehener Frisör, verkehrt in jüdischen Kreisen ohne das jemand ahnt dass er ein Massenmörder und Lügner ist.


    Das Buch ist zu keiner Zeit langweilig aber oft etwas schwierig - ich weiß nicht wie ich es anders beschreiben soll. Ich denke dass liegt auch daran, dass ich seltener Bücher diesen Genres lese und dass ich immer mal pausieren und über viele Dinge nachdenken musste. Trotz der oft obszönen Ausdrucksweise an die ich mich erst gewöhnen musste, möchte ich noch ein Buch des Autors lesen.


    Auch wusste ich nicht dass das Buch bereits älter ist ! Erstveröffentlichung 1977 - es ist also so alt wie ich.


    Wer interesse an dem Autor hat, bei Wikip. gibts zumindest ein paar Infos E.Hilsenrath Es gibt aber noch viel mehr über ihn zu lesen im Netz, dazu kam ich jetzt noch nicht.


    Abschließend bleibt zu sagen: interessant und verstörend, fesselnd und zugleich abstoßend. Wo jetzt eigentlich der "schwarze Witz" (Text Buchrücken) war, bleibt mir eher schleierhaft. Vielleicht ist mein schwarzer Humor ein anderer...

    Einmal editiert, zuletzt von Jona77 ()


  • Abschließend bleibt zu sagen: interessant und verstörend, fesselnd und zugleich abstoßend. Wo jetzt eigentlich der "schwarze Witz" (Text Buchrücken) war, bleibt mir eher schleierhaft. Vielleicht ist mein schwarzer Humor ein anderer...


    Dass das Buch interessant und verstörend, fesselnd und zugleich abstoßend kann ich gut verstehen. Es widerspricht der allgemeinen Meinung, dass die Nazi-Mörder Ungeheuer und Bestien waren. Sie waren letztendlich nur ganz normale Menschen. wie wohl die meisten von uns, zumindest wenn cih an Männer denke. Das erschreckt und verstört.
    Für mich will dies der Autor mit dem Identitätswechsel ausdrücken. Die Absurdität wird durch die, teiwleise makaberen, Slapstickeinlagen noch mehr verdeutlicht. Ich denek dabei an die einbeinige Frau.
    Ist zumindest das, was sich mir eingeprägt hat. Das Buch habe ich vor ca 25 Jahren gelesen.


    Wer dazu etwas tiefer nachlesen will kann ich Harald Wälzer "Täter - Wie aus ganz normalen Menschen Massenmörder werden" empfehlen


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    Liegt der "schwarze Witz" nicht allein schon darin, dass ein Mörder in die Rolle seiner Opfer schlüpft, um der Verurteilung zu entgehen und darin ein angesehener Bürger wird.


    Gelesen habe ich von Edgar Hilsenrath noch "Nacht", ein sehr intensiver fiktiver Bericht über das Leben in einem jüdischen Ghetto. Gerade durch die nüchterne, fast emotionslose Erzählart erlebt der Leser das Geschen fast körperlich, auf jeden Fall voller Emotionen.


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    Und "Das Märchen vom letzten Gedanken ". Ein Roman über den völkermord an den Armeniern


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    Schön das Hilsenrath immer noch gelesen wird. Er ist ein sehr intensiver Autor, der seine Leser tief berührt.


    LG Dyke

  • Nacht möchte ich auch noch lesen !


    Hm, es haben ja nicht alle mitgemacht - ein paar Ausnahmen gab es ja doch gottseidank. Dass ein "ganz normaler Mensch" zum Mörder wird, ich spreche von denen die wirklich mit eigener Hand gemordet hat und nicht die Steinewerfer, bezweifle ich. Mit denen hat im Oberstübchen schon vorher was nicht gestimmt ! Ein gewisses Gewaltpotenzial muss schon vorhanden sein. Oder sehe ich dass falsch ?? Vielleicht ist mein Verstand einfach nicht in der Lage zu glauben, ein herzensguter Mensch könne über Nacht zur Bestie werde... Ich weiß ja dass es so war, aber begreifen werde ich es wohl nie...


    Der Identitätswechsel war in der Tat das Erschreckenste -allerdings bei Max irgendwie vorauszusehen - er war ja nun mal kein Normalo - er war ja von anfang an nicht ganz dicht...


    Der schwarze Witz - ich glaub ich kann mit dem Begriff einfach im Zusammenhang mit dem 2. Weltkrieg nichts anfangen. Aber ich weiß schon was gemeint ist. Absurd, makaber, grotesk trifft es aber besser finde ich.


    Das Buch von Welzer hört sich interessant an aber ich brauch erstmal eine Pause von Mord und Totschlag...

    Einmal editiert, zuletzt von Jona77 ()

  • Mich hat das Buch sehr fasziniert. Ich konnte es nicht mehr aus der Hand legen. Natürlich ist es makaber, aber ich konnte nicht mehr aufhören und fand es sehr sehr interessant.


    Aber das hat dieses Thema bei mir generell so an sich ...


    Weitere Bücher von Hilsenrath sind bereits auf meiner Wunschliste !