Henry James - The Golden Bowl/Die goldene Schale

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    Hallo zusammen!


    Gerade fertig gelesen: The Golden Bowl von Henry James. Ich liebe diesen Autor ja sehr. Und zu diesem Text fällt mir nur eines ein:


    Henry James at his best!

    The Golden Bowl
    ist der letzte Roman, den Henry James noch vollendet hat. Seine Technik, nicht die Ereignisse zu erzählen, sondern diese in Gesprächen der Protagonisten nachzuholen, oft sogar nur im Nachdenken eines Protagonisten, ist hier zur Perfektion entwickelt. Dass er dabei die Chronologie nicht immer einhält ist natürlich: Weder im Gespräch noch in unsern Gedanken werden wir ja ein Ereignis schön der Reihe nach erzählen.


    Die Geschichte erinnert ein bisschen an die Wahlverwandtschaften. Zwei Ehepaare sind – zum Teil allerdings durch natürliche Verwandtschaft! – nicht nur pärchenweise sondern auch übers Kreuz verbunden.


    Erzählt wird die Geschichte eines amerikanischen Millionärs und seiner Tochter in England. James’ ureigenes Thema des Amerikaners in Europa klingt an, spielt aber in diesem Roman eine untergeordnete Rolle. Erzählt wird die Geschichte zweier Ehen, die mehr oder weniger defekt sind – und dies schon vom Moment der Eheschliessung an.


    Der Amerikaner, zu Beginn der Geschichte seit rund einem Dutzend Jahren Witwer, reist mit seiner Tochter kreuz und quer durch Europa. Schliesslich lassen sie sich in London nieder, wo die Tochter einen verarmten römischen Prinzen heiratet. Am Vortag der Trauung trifft dieser auf seine ehemalige Geliebte, ebenfalls eine weltreisende Amerikanerin, ehemalige Schulkollegin (wenn ich mich recht erinnere) der Tochter. Sie ist trotz allen Reisens arm wie er. Es war die beiderseitige Armut, die sie dazu führte, auf eine Eheschliessung zu verzichten. Doch die Gefühle sind immer noch da ...


    Es kommt, wie es kommen muss: Die Tochter – aus einer Art schlechten Gewissen heraus gegenüber dem Vater, den sie nun alleine lässt – beginnt nach einer zweiten Frau für ihren Vater zu suchen. Sie wird gefunden bzw. von einer gemeinsamen Freundin geschickt präsentiert in der Gestalt der ehemaligen Geliebten des Prinzen. Vater und Tochter verbringen sehr bald wieder sehr viel Zeit miteinander und mit dem Principino, dem Enkel bzw. Sohn, während die Stiefmutter und der Prinz die beiden Paare gegen aussen vertreten, auch gemeinsam.


    Eine dicht gewebte Symbolik, in welcher der vergoldete Kristallbehälter, der dem Ganzen den Titel gegeben hat, eine zentrale Rolle spielt, hält den Text zusammen und den Leser in Atem. Diese Spannung ist eine der leisen Töne – einen Eclat wie in den Wahlverwandtschaften wird man bei James vergebens suchen.


    Sprachlich vielleicht nicht mehr ganz auf dem Niveau von The Wings of the Dove, kompositorisch, technisch noch einen Tick weiter entwickelt.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

    Einmal editiert, zuletzt von fairy ()