Elfriede Jelinek - Die Klavierspielerin

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 9.373 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Arjuna.

  • Hallo an alle!


    Das Buch hat mich während der ersten Seiten sehr gefesselt, die Beleuchtung der Beziehung zwischen Mutter und Tochter Kohut war wirklich spitze. Der Schreibstil der Jelinek ist jedoch sehr gewöhnungsbedürftig, ein Stakkato an harter, unbeschönigter Realität, alles wird beim Namen genannt und in kurzen, schonungslosen Sätzen aneinandergereiht, jedoch mit einer bestimmten Poesie – die sich wahrscheinlich nicht jedem erschließt.
    Jetzt bin ich etwa in der Mitte des Buches, in dem Erika eine Beziehung zu Klemmer eingeht und ich habe irgendwie schon genug. Ich werde „Die Klavierspielerin“ wohl nicht weiterlesen, vielleicht werde ich „durchfliegen“, aber ich musste leider feststellen, dass mir der Stil auf Dauer nicht gefällt bzw. dass ich damit nicht so gut zurechtkomme.


    Ich bin der Meinung, dass die EJ eine Meisterin der Sprache ist - wenn man das an einem einzigen Buch festmachen kann!


    Ich hoffe, dass ich meine Meinung über das Buch hier im richtigen Teil des Forums abgebe, denn rezensieren sollte man doch erst ein „durchgelesenes“ und auch „verstandenes“ Buch. Aber vielleicht interessierts euch ja doch!!


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    Einen schönen Tag wünscht claudia

    Einmal editiert, zuletzt von Alfa_Romea ()

  • Ich habe 'Die Klavierspielerin' gestern fertig gelesen und bin hin- und hergerissen. Einerseits gefällt mir die Geschichte wie auch der Stil sehr gut, aber andererseits komm ich mit Jelineks 'Kunstgriffen' (oder wie auch immer man das nennen soll) nicht klar. Ihr Satzbau wirkte auf mich teilweise sehr eigenartig. Beispielsweise lesen sich manche Nebensätze, als wäre der Hauptsatz schon fertig gewesen und ihr sei noch etwas eingefallen, was sie hinten dran gehängt hat. Außerdem benützt sie ein paar sehr seltsame Stilmittel, z.B. reimt sie im Satz (so etwas wie 'Ihre Mutter nannte sie einen Wirbelwind, denn sie bewegte sich ganz geschwind.' In der Art). Das hat mich dann doch gestört. Wie auch ihre komischen Wortspiele, die nicht recht funktionieren wollen.
    An sich ist ihre Sprache durchaus faszinierend, aber diese Sonderheiten waren für mich persönlich eher störend und nicht gerade poetisch.
    Von mir also:


    3ratten


    lg,


    mondpilz

  • Hallo,


    Vor einigen Jahren habe ich "Die Klavierspielerin" sehr gerne gelesen. Ich hatte keine Probleme mit Jelineks Art zu schreiben.
    Der Roman ist einfach sehr interessant, weil Jelinek die Charaktere fantastisch formt. Ich glaube, sie hat sich sehr gründlich mit Psychopathologie beschäftigt. Schon zu Beginn des Romans: Es ist doch toll, wie die Autorin das Verhältnis von Mutter und Tochter umschreibt. Die Mutter hat die totale Kontrolle über Erika, und dann folgen solch fantastische Sätze:


    "Die Fenster zu dem Zimmer, in dem sie übt, sind vergittert. Der Gitterschatten ein Kreuz, das dem bunten Treiben draußen vorgehalten wird wie ein Vampir, der Blut saugen möchte.


    Erikas Isolation ist mit diesen zwei Sätzen gut umschrieben.


    mondpilz: Die Sache mit dem Wirbelwind. Der erste Romansatz:

    Zitat

    Die Klavierlehrerin Erika Kohut stürzt wie ein Wirbelwind in die Wohnung, die sie mit ihrer Mutter teilt.


    Die Mutter behandelt ihre erwachsene Tochter wie ein kleines Kind. Kinder haben sehr viel Energie und wirbeln umher. Wenn Elfriede Jelinek schreibt, sie stürze wie ein Wirbelwind in die Wohnung, will sie hier schon (im ersten Romansatz) anklingen lassen, dass die Mutter in ihrer Tochter Erika immernoch ein kleines Kind sieht Kind und entsprechend behandelt. Diesen ersten Romansatz finde ich so toll, weil er schon auf das folgende vorbeireitet.


    Liebe Grüße
    mombour

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()

  • @mombour


    Ja, das ist mir schon klar. Dieser Satz hat mich auch nicht gestört, sondern der zweite:


    Die Mutter nennt Erika gern ihren kleinen Wirbelwind, denn das Kind bewegt sich manchmal extrem geschwind.


    Diesen Reim 'Wirbelwind-geschwind'... Solche Reim hat sie ab und zu und ich finde das eigenartig.


    lg,


    mondpilz

  • Hallo mondpilz,


    im Roman "Lust" kommen sehr oft Wortspiele vor. Offenbar eine Spezialität von Jelinek.


    Hier zwei Wortspiele aus "Lust" (ohne Reim):


    Zitat

    Er hat kein Herz dieser Mann, wie Feuer verzehrt er sein Haus und zerrt seine Frau herum.


    Man darf am Steuer eben nicht einschlafen in der Früh. Und was geschieht derweil mit unseren Steuergeldern?


    Man mag es, oder nicht...


    Liebe Grüße
    mombour

  • ich habe das buch auch letztes jahr gelesen und muss leider sagen, dass es eins der schlechtesten bücher ist, die ich je gelesen habe. ich fand ihre erzählweise nur so unglaublich anstrengend und zäh. ich brauchte lange für das buch und ich werde es bestimmt nicht nochmal lesen.
    schade hatte mir von einer nobelpreisträgerin mehr erwartet.
    wie der vorredner schon meinte:
    Man mag es oder nicht...

  • Elfriede Jelinek: Die Klavierspielerin


    Erika Kohut ist Klavierlehrerin mittleren Alters, herrscht verbissen über ihre Schüler und wohnt mit ihrer Mutter zusammen, von der wiederum sie sich vollkommen beherrschen lässt. Sie führt ein blutleeres, pedantisch geordnetes Leben und erscheint als vollkommen leb- und freudlose Frau, an der das Leben vorüber zieht. Ihre Mutter diktiert ihr gesamtes Leben, Erika teilt sogar das Bett mit ihr.
    Aber die Klavierlehrerin hat auch eine andere Seite, bei der sie heimlich ins Pornokino geht oder Paare in nächtlichen Parks beobachtet. Selbst traut sie sich nicht, ihre erotischen Fantasien auszuleben. Doch dann wird ihr Klavierschülerin Walter Klemmer, um einiges jünger als sie, auf sie aufmerksam und beginnt ein Verhältnis mit ihr.



    Lange habe ich mich darum gedrückt, „Die Klavierlehrerin“ zu lesen. Unerträglich sei es, sperrig und schwer zu lesen, hörte ich im Vorfeld. Das kann ich nicht bestätigen. Der Roman liest sich sogar sehr gut und flüssig, jedes Wort und jedes Komma scheint sehr gründlich ausgesucht zu sein. Auch die Wortspiele, von denen hier schon die Rede war, finden sich häufig, störten mich aber überhaupt nicht. Insgesamt fand den Schreibstil konstruiert und etwas gewollt, aber dabei stets gelungen und gut gemacht.


    Die Geschichte ist gewöhnungsbedürftig. Teilweise geht es recht deftig zu, Jelinek scheut sich nicht, die Dinge beim Namen zu nennen. Keine der Figuren ist sympathisch, aber sie sind gut durchdacht und schillern in vielen Nuancen. Erika ist eine trockene, leblose Frau mit geheimen Wünschen, die sie sich nicht zugesteht. Klemmer steht dem gegenüber als das Leben selbst, jung, sportlich und sehr körperbewusst, er ist aber gleichzeitig auch eine unangenehme Persönlichkeit. Beide ringen darum, die Oberhand zu gewinnen. Eine Art Vampirthematik zieht sich durch den Roman, wie wohl auch insgesamt durch Jelineks Werke. Sex wird ständig in Metaphern von Essen und Verspeisen geschildert, die beiden Figuren kämpfen darum, den anderen bildlich gesprochen aussagen zu können. Erika selbst ist blutleer geworden durch ihre allmächtige Mutter, die ihr jegliches gesellschaftliches Leben verbietet, und auch das Klavierspielen saugt das Leben aus den Protagonisten.


    Insgesamt würde ich sagen, „Die Klavierspielerin“ ist ein guter, aber unangenehmer Roman, der beim Lesen Widerstand leistet und der einen schalen Nachgeschmack hinterlässt.

  • Keine der Figuren ist sympathisch, aber sie sind gut durchdacht und schillern in vielen Nuancen.


    Es sind halt Wiener ... :wegrenn::breitgrins:


    Im Ernst: Ich habe selten einen Roman der Neuzeit gelesen, bei dem ich derart das Gefühl hatte, dass dies so nur in Wien stattfinden könnte. Ich hatte beim Lesen direkt Heimweh ... In gewissem Sinne ist Frau Jelinek für mich die legitime Erbin von Karl Kraus und Arthur Schnitzler.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Mich verbindet eine Art Hassliebe mit der Klavierspielerin. Bei meinem ersten Versuch mit 14 oder 15 hat mich das Buch so mitgenommen, dass ich es nach einem Drittel abgebrochen habe. Die trostlose Atmosphäre, die kaputte Protagonistin, die kalten Sexszenen ... das alles und noch viel mehr hat mich so abgestoßen, dass ich ab einem bestimmten Punkt weder weiter wollte noch konnte. Ich dachte, ich wäre fertig mit Elfriede Jelinek.
    Losgelassen hat es mich trotzdem nicht, über all die Jahre nicht. Jetzt habe ich (mitterweile fast doppelt so alt reif :clown: ) mich also mit einer gehörigen Portion Respekt noch einmal herangewagt - was für ein Glück!


    Was mich damals zu Tode geschockt hat, konnte mich diesmal nicht von den Qualitäten ablenken. Dass die Sprachspiele manche Leser befremden, verstehe ich, weil sich Frau Jelinek über vieles hinwegsetzt, was uns in der Schule als "guter Stil" beigebracht wurde (welcher Deutschlehrer würde "Ich flehe dich an, flehte sie" so stehen lassen?). Und trotzdem macht es einfach Spaß, zu sehen, wie sie die Worte arrangiert und damit oft eine ganz spezielle Wirkung erzielt. Ja, manchmal beweist sie Mut zur Hässlichkeit, aber der Plan geht in der Regel auf. Dazu kommt noch eine musikalische Grundstruktur, die bei manchen Passagen sogar mir :breitgrins: ins Auge sprang und sicher noch viel öfter da war.


    Die Charaktere - nicht nur das Trio Erika Kohut, ihre Mutter und ihr Klavierschüler, sondern auch Nebenfiguren - wirken in ihren Eigenschaften einerseits übertrieben, überzeichnet, fast wie Karrikaturen ... aber anderseits:



    Es sind halt Wiener ... :wegrenn::breitgrins:


    Zur psychologischen Ebene nur so viel: erstens tauchen tatsächlich keine sympathischen Figuren auf, und zweitens ist Erika Kohut nicht gerade eine Frau, die mir riesiges Identifikationspotenzial bietet - gerade darum hat mich fasziniert, wie nachvollziehbar und verständlich die Autorin Erikas innere und äußere Beengtheiten darstellt und dem Leser die Logik hinter scheinbar Unverständlichem vermittelt. Was dabei aber ausbleibt, ist der "Es musste ja so kommen!"-Effekt ... am Ende hatte ich zwar den Eindruck, die zerstörte Seele Erikas zu kapieren, aber dennoch blieb die vage Ahnung: "Es hätte auch anders kommen können ..."


    Fazit: Eine intensive Leseerfahrung, der man aber (emotional) gewachsen sein muss. Diesmal habe ich standgehalten und wurde sehr reich belohnt! :daumen:

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  • Ich bräuchte mal eure Hilfe, weiß jemand ob es Erikas Brief an Walter als Auszug z.B. im Pdf-Format im Netz gibt?

    Das Leben besteht aus vielen kleinen Münzen, und wer sie aufzuheben versteht, hat ein Vermögen.<br />Jean Anouilh