Günter Grass bei der Waffen-SS?!

Es gibt 83 Antworten in diesem Thema, welches 23.029 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von helmutp.

  • Mein Vater war 16, als man ihn zum Ende des Krieges in die Wehrmacht gepresst hat. Er wurde an die Front gekarrt und durfte als Flakhelfer Leipzig verteidigen. Ich habe Fotos von ihm gesehen: das war ein verängstigtes Kind in einer viel zu großen Uniform, das gar nicht begriff, was nun eigentlich passierte. Er hat mir immer erzählt, dass viele seiner gleichaltrigen Freunde gefallen sind. Er ist in amerikanische Gefangenschaft gekommen, ist fast an Typhus gestorben und mit Scheinhinrichtungen gefoltert worden. Bis heute hat er das Kriegstrauma nicht überwunden. So ist es vielen Tausend Gleichaltrigen gegangen und Günter Grass war einer davon. Diese Kinder sind einfach missbraucht worden. Mit den wirklichen Überzeugungstätern hat das ja wohl nichts zu tun. Ein bisschen mehr Differenzieren wäre bei einem so sensiblen Thema schon angebracht.


    Was mich wundert: Maren hat geschrieben, sie wusste, dass Grass in der Waffen-SS gewesen ist. Schon seit 10 Jahren. Da das ja offenbae kein Geheimnis gewesen ist, warum kommt das jetzt aufs Tapet. Vielleicht um die Lebenserinnerungen besser zu verkaufen? Das allerdings fände ich geschmacklos.

  • Da gibts doch eine ganze Menge: Deutsche im Widerstand etwa oder die zahllosen deutschen Opfer der Nazis.



    CK


    natürlich gibt es die, aber es sind meist erwachsene, die sich dem ganzen entzogen haben.. als kind durschaut man das ganze doch nicht..

  • Hallo!



    Richtig. Und wieviele davon wurden hingerichtet?


    Nicht wenige. Das ist aber nicht der Punkt. Man weiß heute durch die Forschungen der letzten Jahrzehnte, dass man z.B. in der Wehrmacht und in den Sondereinsatzkommandos sich durchaus weigern konnte, an Kriegsverbrechen teilzunehmen, OHNE hingerichtet zu werden.


    CK

  • Ich bin schon sauer auf Grass, denn es ist keine Art irgenwas jahrelang von Flaghelfer zu erzählen und dauernd loszuwerden, dass die Deutschen ihre Vergangenheit nicht bearbeiten. Für mich ist kein Problem, dass er dabei war, denn das waren wirklich viele, aber ausgerechnet ein Schriftsteller, der als Dauerthema den Krieg und das Naziregime hat, der hätte das zu Beginn seiner Karriere klarstellen sollen.
    Das Interview in der FAZ hab ich gelesen und mich sowieso auch da über seine arrogante Beurteilung der Adenauergeschichte geärgert.


    Aber ansonsten halte ich es mit Reich- Ranitzki, der ja Grassens Bücher noch nie sehr beeindruckend fand: mich hat Grass immer gelangweilt.
    Ich brauch bloß an "örtlich betäubt " zu denken. Ich war dagegen immer ein Fan von seinem Zeitgenossen: Heinrich Böll.


    Also: Grass brauch ich wirklich nicht,


    Judith :winken:

    Einmal editiert, zuletzt von Judith ()

  • Hallo,


    ein ziemlich sensibles Thema. Immerhin hat Günter Grass einen Literaturnobelpreis bekommen und dies unter anderm dafür, wie er literarisch mit dem Dritten Reich und den Folgen umging... Aber genau deshalb wundere ich mich dann doch, dass ausgerechnet er so ein brisantes Detail seiner eigenen Geschichte so lange verschwiegen hat.
    Klar, wie hier schon geschrieben wurde, viele in diesem Alter haben ihre "Karriere" im Dritten Reich gemacht - da braucht man häufig nur in der eigenen Familiengeschichte zu forschen (ich hatte beispielsweise einen Großgroßonkel, der Mitglied der SS-Division Leibstandarte Adolf Hitler war). Dennoch ist es das lange Schweigen bei der Person Grass äußerst komisch anmutend.


    Und noch was: mit 17 Jahren würde ich niemanden als Kind bezeichnen! In diesem Alter sind durchaus ein gewisses Wissen, ein bestimmtes Verantwortungsbewusstsein, ... vorauszusetzen. Was nicht heißen soll, dass man in solch einem Alter nicht empfänglicher (als zum Beispiel so manch ein Erwachsener) für Propaganda und Verblendungen ist.



    Was mich wundert: Maren hat geschrieben, sie wusste, dass Grass in der Waffen-SS gewesen ist. Schon seit 10 Jahren.


    Vielleicht ist sie ja seine Frau! :zwinker: Nein, ernsthaft: es war -nach seinen eigenen Angaben- nur seine Frau eingeweiht, nicht aber seine Kinder beispielsweise.
    Was man wußte, war, dass Herr Grass in den letzten Monaten als Soldat und Flakhelfer gedient hatte (und auch in Kriegsgefangenschaft war). Dass er Mitglied der Waffen-SS (Panzerdivision Frundsberg) war, wurde erst jetzt bekannt.



    Nicht wenige. Das ist aber nicht der Punkt. Man weiß heute durch die Forschungen der letzten Jahrzehnte, dass man z.B. in der Wehrmacht und in den Sondereinsatzkommandos sich durchaus weigern konnte, an Kriegsverbrechen teilzunehmen, OHNE hingerichtet zu werden.


    Richtig! (Was einem u.a. die Wehrmachts-Ausstellung übrigens durchaus schlüssig belegen konnte!)
    Trotz allem war eine solche Entscheidung äußerst bedrohlich (vor allem in den letzten Monaten im Kampf um Berlin, als der lynchende Mob selbst kleine Jungens an den Laternenpfählen aufgeknüpft hat) und verlangte eine fast unglaubliche Portion Mut und auch Überzeugung, das Richtige zu tun.
    Menschen im Widerstand (ob sie nun jung oder alt waren) hatten einen absolut bewundernswerten Glauben an Menschlichkeit/Gerechtigkeit und das Herz am richtigen Fleck - doch dafür haben sie auch einiges (oder sollte ich sagen: meist alles) gegeben! Oder waren zumindest bereit dazu.


    Bei dieser Gelegenheit fällt mir immer wieder die alte Aussage ein: Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht. (angeblich von Bert Brecht)
    Aber das sagt sich (vielleicht) nur so einfach...



    Aber ansonsten halte ich es mit Reich- Ranitzki, der ja Grassens Bücher noch nie sehr beeindruckend fand: mich hat Grass immer gelangweilt.


    Ja, da hat Marcel Reich-Ranicki mal wieder vollkommen recht gehabt! Und ich empfand und empfinde Grass auch als öde (ausgenommen vielleicht wirklich noch die Blechtrommel) - ehrlich gesagt habe ich den Nobelpreis für ihn eh nie ganz kapiert. Aber das ist definitiv eine andere Sache.


    Oder sollte die ganze Chose tatsächlich nur die Werbetrommel für "Beim Häuten der Zwiebel" sein??

    Schöne Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

  • dubh

    Zitat

    Bei dieser Gelegenheit fällt mir immer wieder die alte Aussage ein: Wo Recht zu Unrecht wird, wird Widerstand zur Pflicht. (angeblich von Bert Brecht)
    Aber das sagt sich (vielleicht) nur so einfach...


    Wir können immer wieder beobachten und fast täglich in der Zeitung lesen, wie wenig Zivilcourage es heute in unserem Staat, der immerhin seinen Bürgern die Grundrechte zusichert, gibt. Einfach weggucken und durch ist die Devise. Wenn das jetzt, hier und heute in Rechtssicherheit, schon nicht klappt, wie sollte es denn in Zeiten der Diktatur?


    Zitat

    Und noch was: mit 17 Jahren würde ich niemanden als Kind bezeichnen! In diesem Alter sind durchaus ein gewisses Wissen, ein bestimmtes Verantwortungsbewusstsein, ... vorauszusetzen. Was nicht heißen soll, dass man in solch einem Alter nicht empfänglicher (als zum Beispiel so manch ein Erwachsener) für Propaganda und Verblendungen ist.


    Bewusst kannten diese Jugendlichen doch nichts anderes als das Dritte Reich. Wie sollen sie denn da ein kritisches Bewusstsein entwickeln? Und vor allem: woher? Es gab kein Fernsehen, kein Internet, Presse und Rundfunk waren zensiert. Schulen und Jugendorganisationen waren alle stramm auf Linie. So gesehen waren 17jährige vor 60 Jahren Kinder und nicht mit unseren Jugendlichen vergleichbar.

  • Oder sollte die ganze Chose tatsächlich nur die Werbetrommel für "Beim Häuten der Zwiebel" sein??


    Offen gesagt war das mein erster Gedanke :rollen: Obwohl derartige Aktionen ja eigentlich eher bei den Biografien irgendwelcher C-Prominenz üblich sind...


    Liebe Grüße, Pandora

  • Karasek bringt es hier auf den Punkt (der Artikel umfasst zwei Seiten!)...


    (Edit: jetzt müsste der Link stimmen)

    Einmal editiert, zuletzt von Deep Throat ()


  • Karasek bringt es hier auf den Punkt (der Artikel umfasst zwei Seiten!)...


    Hallo Deep Throat,


    danke für diesen Link! Auch wenn ich Karasek nicht als unbedingten Sympathieträger empfinde - hier bringt er auch meines Erachtens alles zu 100 Prozent auf den Punkt! Sehr guter Beitrag.


    Schönen Gruß
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

  • da eine verlinkung nicht mehr möglich zu sein scheint, kopiere ich eben meinen beitrag vom 12.08.2006, 13.59 uhr aus dem lagerfeuer-thread hier hinein:


    nachdem ich nun zwei stunden hin und her überlegt habe, bin ich zu dem schluss gekommen, dass ich mir überhaupt kein urteil erlauben kann, da ich weder dabei war, noch genügend ahnung vom dritten reich habe, um mich dazu äußern zu können, ob man den dienst in der waffen-ss verweigern konnte oder nicht.
    alles, was ich sagen kann, ist, dass ich die bücher von günter grass sehr gerne mag (ich habe mir erst neulich seine sämtlichen werke schenken lassen) und ihn als menschen immer bewundert habe. alles andere bleibt dann abzuwarten.
    die biografie werde ich mir auf jeden fall zulegen - falls das eine pr-strategie war, hat sie gewirkt :zwinker: nein, im ernst, ich hätte sie sowieso gekauft :smile:

    Liebe Grüße<br /><br />em

  • Hallo!


    Ich bin ein wenig überrascht, wie nachsichtig man in diesen Tagen mit Grass verfährt. Es ist schon fast eine unvermeidliche Selbstverständlichkeit, dass er bei der Waffen-SS war, er war jung, verführbar, durch das Aufwachsen in einem totalitären Staat nicht verantwortlich. Trotzdem es nach meinem Dafürhalten keine Selbstverständlichkeit ist, sich zur Waffen-SS zu melden und es auch Beispiele gibt, die in genau dem gleichen Alter wie Grass der Nazi-Ideologie nicht verfielen, ist diese Mitgliedschaft an sich nicht der entscheidende Punkt.


    Entscheidend scheint mir die Doppelmoral, mit der er 60 Jahre durch die Lande zog. Und wie anders soll man Sätze der Form "Wer schweigt wird schuldig!" interpretieren, wie ein Verhalten verstehen, das einer Verharmlosung der Nazi-Gräuel, einem Bagatellisieren den Kampf erklärt, ohne den Mut zu besitzen, von sich selbst zu erzählen. Der Möglichkeiten zu einem Bekenntnis gab es viele, nicht zuletzt jene oft zitierte in Bitburg. Was muss man für eine selektive Erinnerung sein eigen nennen, wenn man meint, Kohl (zu Recht???) für dieses Gedenken kritisieren zu dürfen und gleichzeitig selbst bei jener Einheit gewesen ist, deretwegen man diese Kritik äußert.


    Grass galt als Kämpfer für ein "neues" Deutschland, ein gerechteres, eines, das sich von seiner Vergangenheit emanzipiert hat. Aber - war das so moralisch, so mutig? Bedurfte es des Mutes, den Nationalsozialismus, rechtes Gedankengut anzuprangern? Grass war dort moralisch, wo diese Moral billig zu haben war, wo er der Zustimmung großer Teile des intellektuellen und linken Deutschlands sicher sein konnte, kritischer Vorzeigelinker zur Abdeckung jenes Wählerspektrums der SPD, das man Schröder nicht gewinnen konnte. Und als solcher wundervoll verwendbar - oder wieder missbraucht? Mut jedenfalls hat es zu dieser Rolle nicht bedurft.


    Und heute - ist es heute mutig? Oder, wie böse Zungen vermuten, doch nur ein geschickter Marketingtrick? Martin Walser gibt gar der Öffentlichkeit die Schuld, Grass hätte gar kein Geständnis machen können, die gesellschaftliche Stimmung würde solches verunmöglichen, man weiß ja, wie man in Deutschland mit derlei verfährt (Interview in Aspekte Extra, ZDF vom 16. 8). Und so bleibt ein Opfer Grass zurück, der mutig nach 60 Jahren Gewissensqual in die Öffentlichkeit gegangen ist. Und bei mir der Eindruck von jemandem, der moralisch dort ist, wo es opportun erscheint. Klaus Theweleit berührt einen weiteren wichtigen Punkt: "Wenn Grass den Polls entnimmt, dass nicht 102 Prozent der Deutschen ihn kennen, dann fällt ihm so etwas ein". Er ist halt gern überall dabei. Und wenn sich der Verein später als Verbrecherorganisation entpuppt, kann man noch mit Geständnis und Gewissensqualen an seinem Bekanntsheitsgrad arbeiten.


    s.

  • Ich bin ein wenig überrascht, wie nachsichtig man in diesen Tagen mit Grass verfährt.


    Vielleicht liegt das daran, dass wir hier allgemein nicht die Marotte haben, einfach so zu verurteilen ohne


    a) nähere Beweggründe eines Menschen zu kennen und
    b) selbst zu wissen, wovon wir reden, weil wir noch nie in einer ähnlichen Situation waren.


    :rollen:

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.


  • Martin Walser gibt gar der Öffentlichkeit die Schuld, Grass hätte gar kein Geständnis machen können, die gesellschaftliche Stimmung würde solches verunmöglichen, man weiß ja, wie man in Deutschland mit derlei verfährt


    Da gebe ich Walser aber recht. Man sieht ja wie Grass in der Öffentlichkeit geradezu zerissen wird.


    Und was die Waffen SS angeht, was ich von meinem Opa weiß, hat man da nicht einfach sagen können: Ach nö, ich habe gerade keine Lust da mitzumachen. Nehmt doch wen anderen.


    Wer verweigert, bekommt die Konsequenzen zu spüren.


    Wir haben keine Ahnung wie es im Krieg zugeht. Wir haben noch nie Hunger verspürt. Und wir urteilen über andere, die in Extremsituationen gehandelt haben? Wer gibt uns das Recht über andere zu richten ohne etwas zu wissen?
    Waren wir dabei? Nein. Also finde ich, dass alle die nicht im Krieg dabei waren zu diesem Thema Schweigen sollten.


    Katrin


  • Wir haben keine Ahnung wie es im Krieg zugeht. Wir haben noch nie Hunger verspürt. Und wir urteilen über andere, die in Extremsituationen gehandelt haben? Wer gibt uns das Recht über andere zu richten ohne etwas zu wissen?
    Waren wir dabei? Nein. Also finde ich, dass alle die nicht im Krieg dabei waren zu diesem Thema Schweigen sollten.


    Hallo,
    ich kann Dir nicht zustimmen, scheichsbeutel geht es um einen ganz anderen - m.E. den entscheidenden - Aspekt. Es geht nicht um eine Verurteilung, dass er in der Waffen SS war, sondern dass er jahrelang darüber geschwiegen hat und zugleich sich als moralische Instanz der Bundesrepublik positioniert. Diesen Aspekt kann man schon beurteilen, auch wenn man nicht im Krieg dabei war. Es geht hier um die Frage einer Doppelmoral. Das gibt es ja auch in anderen Bereichen.


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • Es geht hier um die Frage einer Doppelmoral. Das gibt es ja auch in anderen Bereichen.


    Ja, überall und bei jedem. Warum sollte ich mich über so etwas aufregen? Ich muss Grass' Kritik heute nicht mehr oder weniger ernst nehmen als vor seinem Geständnis. Hat er sich also 60 Jahre lang seiner Vergangenheit geschämt und trotzdem den moralischen Zeigefinger erhoben... tja... Gutmenschentum gibt es nicht nur in der Welt von Günter Grass ;)

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.


  • Ja, überall und bei jedem.


    Solche Verallgemeinerungen stimmen einfach nicht. Zum einen gibt es viele Leute, die sich in der Öffentlichkeit ganz bewusst nicht als moralische Instanz aufspielen. Und dann gibt es integre Personen, ich denke da zum Beispiel an unsere Bundespräsidenten Weizsäcker und Herzog.


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • Hallo Thomas,


    ich glaube, Du verallgemeinerst da jetzt etwas....


    Solche Verallgemeinerungen stimmen einfach nicht. Zum einen gibt es viele Leute, die sich in der Öffentlichkeit ganz bewusst nicht als moralische Instanz aufspielen. Und dann gibt es integre Personen, ich denke da zum Beispiel an unsere Bundespräsidenten Weizsäcker und Herzog.


    ... weil: Kennst Du deren Privatleben so gut? Was, wenn sie morgen auch etwas beichten, das Dich erschüttert? Man sollte nicht vorschnell über andere Menschen urteilen, wenn sie einem völlig fremd sind und man nicht in ihr Innerstes blicken kann.


    Liebe Grüße
    nimue

    Rechtsextremismus ist wieder salonfähig gemacht worden, durch CDU/CSU und FDP.

  • Hallo zusammen!


    Was ist es nun?


    Verstörte und verschreckte Fans, die jetzt Kopf und Hände verwerfen und den Glauben ans Gute im Menschen verloren haben?


    Politische Gegner, die sich hämisch freuen?


    Interessanter als die Grass' SS-Problem finde ich die jetzt stattfindende Diskussion ... Selbst Intellektuelle glauben offenbar immer noch an unfehlbare Götter in Menschengestalt ... :rollen: und imaginieren sich Ideale in fehlbare Menschen aus Fleisch und Blut ... Und sind jetzt entsetzt ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • ... weil: Kennst Du deren Privatleben so gut? Was, wenn sie morgen auch etwas beichten, das Dich erschüttert? Man sollte nicht vorschnell über andere Menschen urteilen, wenn sie einem völlig fremd sind und man nicht in ihr Innerstes blicken kann.


    Mich erschüttert die Aussage von Grass ja nicht, ich rege mich auch nicht darüber auf - das macht ja nur die Presse. Grass musste mit einer derartigen Reaktion rechnen, v.a. da er nach wie vor nicht erklärt, warum er so lange geschwiegen hat. Er wundert sich öffentlich über die Reaktionen. Grass ist nun am Zuge zu erklären, warum er geschwiegen hat. Das Thema ist von der Press, speziell der FAZ, etwas hochgespielt, das sehe ich auch so. Dennoch kann ich Grass (ohne Begründung für sein Handeln) nicht in Schutz nehmen.


    Gruß, Thomas

  • Wenn jemand Sätze prägt wie "Wer schweigt, macht sich schuldig", ist es schon peinlich, wenn er selber 60 Jahre lang schweigt, oder?


    Angesichts der damaligen Situation finde ich es nicht "schlimm", dass Grass bei der Waffen-SS war, aber irgendwie hat diese Enthüllung kurz vor Erscheinen des Buches (das im übrigen mittlerweile schon vor dem offiziellen Erscheinungsdatum verkauft wird!) einen faden Beigeschmack.


    Man kann die Schuld auch nicht der Öffentlichkeit geben. Viele haben mittlerweile über ihre Vergangenheit im Dritten Reich gesprochen, ohne dafür in der Luft zerrissen zu werden. Im übrigen auch Richard von Weizsäcker, den ich als moralische Instanz schätze, in seiner Autobiographie.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen