Toni Morrison - Menschenkind

Hallo Tina,

ich habe gerade Deine Rezi gelesen und muss sagen, dass ich durch Deine Eindrücke die Geschichte noch einmal etwas anders sehe als vorher. Dass Menschenkind kein "Buch für zwischendurch" ist, trifft es genau. Es werden so viele wesentliche und sensible Themen aufgegriffen, dass ich gut verstehe, warum Morrison den Pulitzerpreis für das Buch bekommen hat.

Ich habe mich ein wenig verstrickt in die Beziehung zwischen Menschenkind und Sethe, und da sie beide so ganz anders agierten, als ich es an der jeweiligen Stelle getan hätte, waren diese beiden Charaktere für mich etwas schwer zu verstehen. Es wäre sinnvoll, das Buch etwas sacken zu lassen und dann nochmals zu lesen. Vielleicht würden sich dann einige Rätsel lösen, die ich noch nicht verstehe.

Ich möchte vergeben.

Grüße
Doris

Hallo,

ich habe gestern den zweiten Abschnitt beendet.

Die einzelnen Kapitel über die Gedanken der drei Frauen fand ich sehr interessant. Bei Sethe habe ich auch den Eindruck, dass sie langsam den Bezug zur Realität verliert. Bei Denver empfinde ich das allerdings ähnlich. Sie hat sich auch schon als Kind von der Außenwelt abgeschottet, indem sie aufgehört hat zu hören.

Das Kapitel mit Menschenkinds Gedanken kommt mir auch sehr rätselhaft vor. Wer ist z.B. der tote Mann, der auf ihrem Gesicht stirbt? Vielleicht klärt sich davon noch etwas im Verlauf des Buches. Wenn ich fertig bin, werde ich dieses und das darauffolgende Kapitel auf jeden Fall noch einmal lesen. Sehr schön fand ich, wie der Text in die Versform übergegangen ist. Ich fand das schon sehr verworren, aber auch sehr bewegend.

Was meint ihr, hatte Stamp Paid das Recht sich in die Sache einzumischen, indem er Paul von Sethes Tat erzählte?

Zitat von Thanquola

Was meint ihr, hatte Stamp Paid das Recht sich in die Sache einzumischen, indem er Paul von Sethes Tat erzählte?

Ich finde, er hätte sich raushalten müssen aus dieser Sache. Sethe hätte selbst entscheiden sollen, ob sie Paul D. davon erzählt. Letzten Endes hat er zwar festgestellt, dass ihm die Beziehung wichtiger ist als eine Tat, die lange Jahre zurückliegt und weit entfernt ist von den üblichen "niedrigen Beweggründen", aber vielleicht wäre er dann geblieben und nicht zeitweilig ausgezogen. Das ist eine Angelegenheit, die nur Sethe angeht, und Stamp Paid hätte sich nie anmaßen dürfen zu entscheiden, wer davon erfahren soll.

Hallo,

ich habe mich auch gefragt, ob sich Stamp Paid richtig verhielt, als er Paul D. von Sethes Vergangenheit erzählte, aber ich denke nicht daß er es böse gemeint hat, wie man ja an seinen späteren Gewissensbissen sieht. Paul D. hätte es so oder so, früher oder später erfrahren, aber dann denke ich ist es besser, wenn er es von einem Freund oder Bekannten erfährt. Daß er es erfährt, finde ich wichtig, denn diese Tat war ja sehr massgebend in Sethes Leben. Gerade diese Tat, gibt doch bei ganz genauem und sensiblen Hinsehen, einen kleinen Einblick auf Sethes Seele oder Charakter, die sie ja sonst sehr verschlossen hält. Gerade diese Tat, zeigt, wie tief Sethe empfindet, leidet, trauert und nicht vergessen kann. Naürlich kann ich die Tat an sich nicht gut heißen, aber Sethes Seele wird gerade durch sie, sehr lebendig.
Versteht ihr eigentlich was ich meine. Ich bin heute morgen nach einem 24 Stunden Dienst nach Hause und ich glaube es macht sich cerebral noch bemerkbar.

Tina

Ich denke, ich habe Dich verstanden, Tina.

Ich spreche auch aus eigener Erfahrung, wenn ich es nicht für gut halte, anderer Leute Geheimnisse weiter zu erzählen. Es muss doch jeder selbst entscheiden können, was und vor allem wem er etwas aus seinem Leben preisgibt. Außerdem gibt es keinen schöneren Vertrauensbeweis, wenn Seth dieses einschneidende Erlebnis Paul D. selbst hätte erzählen können. Wenn sie es denn getan hätte Wichtig ist es schon, dass Paul D. davon erfahren hat. Ich frage mich nur, ob er es richtig interpretiert hat, denn dann hätte ich erwartet, dass er bei Sethe bleibt und ihr beisteht, weil sie offensichtlich in Menschenkind ihre verstorbene Tochter sieht.

LG
Doris