Tim Binding - Inselwahn

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    Kurzbeschreibung
    Guernsey, eine kleine Insel im Ärmelkanal, auf dem Höhepunkt des Zweiten Weltkrieges: Die Inselbewohner haben sich notgedrungen mit den deutschen Besatzern arrangiert; man genießt das Leben, so gut es geht. Es gibt sogar ein kleines Inseltheater, das mit Revuen und heiteren Stücken für zeitweilige Ablenkung sorgt. Für viele der jungen Inselfrauen ist es keineswegs eine Schande, die Geliebte eines deutschen Offiziers zu werden. Bis Isobel, die Tochter des großen Bauunternehmers auf Guernsey, ermordet wird. Ihr ehemaliger Freund Ned, der Inselpolizist, macht sich mit Major Lentsch, Isobels letztem Geliebten, auf die Suche nach dem Mörder.


    Meine Eindrücke
    Inselwahn liefert ein eindringliches Portrait der Inselgesellschaft während ihrer Besetzung durch die deutsche Wehrmacht. Fünf Jahre lang lebten Besatzer und Einheimische in einem Mikrokosmos, der kein Entrinnen bot und beide Seiten zu einer zermürbenden Balance zwang. Auf der einen Seite die Bewohner, dezimiert durch Evakuierung und Inhaftnahme aller Briten, die nicht auf der Insel geboren wurden. Auf der anderen Seite die Deutschen, die sich auf der Insel einrichten, sie zur Festung ausbauen und gleichzeitig als attraktiven Lebensraum für ein geplantes Erholungszentrum erhalten müssen. Keine leichte Aufgabe, menschlich zu bleiben, denn Wachsamkeit und Misstrauen gehören ebenso in den Alltag wie Gier und Opportunismus - auf beiden Seiten.


    Die britische Bevölkerung ist innerlich zerrissen: Ein gewisses Maß an Kooperation muss sein, um das eigene Leben zu retten und erträglich zu halten. Aber der Stolz darf auch nicht zu kurz kommen und die Briten entwickeln ihre kleinen Strategien, um die Selbstachtung nicht ganz zu verlieren (z. B. kleine Kniffe, um Wehrmachtsangehörige nicht grüßen zu müssen). Junge Frauen nehmen den augenscheinlich leichtesten Balanceakt auf sich: Sie suchen sich deutsche Offiziere als Geliebte und verschaffen sich und ihren Familien kleine Vorteile. Denn ein zugestecktes Päckchen Zucker oder etwas zusätzlicher Tee sind in Zeiten der Rationierung bereits Gold wert. "Im Krieg wird ein Verhalten, das zu Friedenszeiten undenkbar wäre, plötzlich alltäglich und verständlich. Sogar notwendig." beschreibt der Vater der getöteten Isobel die Bräuche.


    Das Buch ist in meinen Augen kein richtiger Krimi, auch wenn Ned und Lentsch einen Mörder suchen müssen. Bei mir dominiert der Eindruck eines historischen Romans, der die beengten Verhältnisse auf der Insel und die komplexen Formen des Zusammenlebens beschreibt und zu verstehen versucht. Alles in allem fand ich "Inselwahn" gleichzeitig beeindruckend und beklemmend, gerade weil bei einigen Bewohnern irgendwann klar wird, wie groß ihre Verzweiflung ist. Binding findet Mittel, das nahezu körperlich spürbar zu machen (z. B. bei Isobels Vater).
    Das Ende im Buch ist offen und ich denke, ein solches Ende passt am besten in den Handlungsrahmen.


    4ratten

    ☞Schreibtisch-Aufräumerin ☞Chief Blog Officer bei Bleisatz ☞Regenbogen-Finderin ☞immer auf dem #Lesesofa