Martin Walser - Angstblüte

Es gibt 5 Antworten in diesem Thema, welches 2.268 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kirsten.

  • Hallo,


    also ich kämpfe mich durch den neuen Walser.

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    . Ich schreibe, dass ich kämpfe, weil ganz viel aus der Welt der Geldanleger, Anlageberater beschrieben wird. Ich habe zu Geld ein gestörtes Verhältnis und kenne mich zum Thema Finanzwirtschaft und Geldvermehrung überhaupt nicht aus. Natürlich ist das nur ein Strang des Romans, weil es um einen 70 jährigen Anlageberater, Karl von Kahn, geht, der befreundet ist mit Lambert, der nur Diego genannt werden darf, der mit Kunstgegenständen handelt und mit Gundi verheiratet ist, die Talkshows der besonderen Art macht.


    Ich bin erst auf Seite 115, aber ich musste jetzt gefühlsmäßig diesen Zwischenbericht dalassen.
    Walser hat schon eine tolle Sprache und feine Ironie. zum Beispiel dann, wenn er die Personen beschreibt, die er finanzmäßig berät.


    Gut, also ich nehme an, dass ich bis morgen den Roman gelesen habe und dann werde ich noch ein wenig weiter berichten und meine Wertung noch vor dem Urlaub abgeben.


    Judith :winken:

    Einmal editiert, zuletzt von nimue ()

  • ... Fortsetzung


    Sprachgewaltig ist der Walser.
    Karl von Kahn zieht Vergleiche zwischen seinem unbedingten Willen Geld zu verdienen und seinem Hobby: Bergsteigen. Er nennt seinen Willen: "Bergauf beschleunigen".
    Außerdem ist seine Philosophie, dass "es ihm auf nichts als den Gelderwerb ankomme." Beziehungsweise auf die Geldvermehrung....


    Judith :winken:

  • ...Fortsetzung


    Nun entdecke ich einen weiteren wichtigen Strang: die Angstblüte. Angstblüte in der Natur bedeutet ja, wenn irgendein Gewächs vom Absterben bedroht ist, dann bekommt es eine besonders schöne Blüte vor dem Vergehen.
    Das Buch durchzieht die Angst vor der Vergänglichkeit. Das wird an vielen Stellen sehr nah spürbar.
    Ist auch eigentlich ein Thema von Anfang an, denn von Kahn ist ja bereits 70 Jahre alt, da ist er bereits mit seiner nicht funktionierenden Sexualität ein Symbol der Vergangenheit des Lebens, der Liebe. Ich werde immer stärker reingezogen.


    Judith :winken:

  • ... so, und nun, wie versprochen, das Ende ...


    Erst mit dem Ende kann ich natürlich alle Erzählstränge überblicken.
    Im zweiten Teil: Liebe zwischen zwei Generationen, Sex, Lebenslust, nachdenkliche Gespräche, ein Drehbuch und viele Ängste.


    Was bleibt vom Leben übrig: die Sehnsucht


    Meine Bewertung: 5ratten:tipp:


    es grüßt euch ganz herzlich Judith, die nun ab morgen ca drei Wochen weg ist.
    Und ich will noch sagen: ich fühl mich bei euch sehr wohl :winken:

  • Hallo zusammen,


    heute Morgen habe ich den o.a. Roman zu Ende gelesen und möchte doch ein paar Worte dazu schreiben. Bei der Suchfunktion habe ich endeckt, dass einige von euch auch daran sind oder ihn bereits fertig gelesen haben und würde mich über eure Stellungnahme freuen.


    Martin Walser: Angstblüte. Roman (2006)
    Inhalt:


    Karl von Kahn, ein Münchner Anlageberater von etwas über 70 Jahren lebt für seinen Beruf, denn Geld verdienen ist für ihn eine Kunst und seine Berufung.
    Mit seiner Frau Helen, einer Eheberaterin, führt er eine ruhige und harmonische Ehe.
    Kurz hintereinander wird er durch drei Erschütterungen mit der Haltlosigkeit und Todesangst seines verborgenen Selbsts konfrontiert: Sein bester Freund erschleicht sich - und auch noch ohne Not - eine Vertragsunterschrift von ihm; Sein älterer Bruder bringt sich wegen eines Konfliktes zwischen Liebe und Moral um; Und er verliebt sich bis zur völligen Selbstentblößung in die vierzig Jahre jüngere Schauspielerin Joni Jetter, die auf ihn angesetzt wird, damit er sich an einer windigen Filmfinanzierung beteiligt. Das Buch endet mit dem Versuch, zu seiner Ehefrau, die ihn verlassen hat, wieder Kontakt aufzunehmen.


    Stellungnahme:
    „Angstblüte“ ist ein botanischer Fachbegriff und bezeichnet den Notaustrieb gefährdeter Bäume. Hier dient er als Metapher für Karl von Kahns finale Involvierung in eine erotische Obsession, derer er nicht Herr wird.

    Der Roman spielt in der Münchner Geld- und Kulturwelt und karikiert oder schildert auch positiv die reichlich weltfremden Nöte und Interessen dieser Kreise. Viele der dargestellten Probleme und Ausführungen erscheinen mir überflüssig, da es nur um Worthülsen zur Begründung von manierierten Verhaltensweisen und Interessen geht.


    Mir ist kaum vorstellbar, dass ein intelligenter Mann wie der Protagonist auf eine derart offene Anmache und platte Intrige– wie sie von Joni Jetter und ihren Filmfreunden inszeniert wird – hereinfallen kann. Auch seine Selbstentblößung kann ich nicht nachvollziehen (das Buch verliert sich hier zudem in z.Teil abstoßenden p.o.r.n.o.grafischen Formulierungen).


    Es bleibt mir positiv der Eindruck von existenzieller Bedrohung, Unbeherrschbarkeit des Lebens. Ich habe auch viel über das Geld machen erfahren.
    Daneben bin ich aber verärgert, dass ein Schriftsteller seine auch hier hohe Sprachkunst daran wendet, in langen Passagen Personen und Einstellungen darzustellen, die nur für ebensolche „Hohlbirnen“ von Interesse sein können.
    Mir fällt – wie oben geschildert – auch schwer, das Schicksal des Protagonisten nachvollziehen zu können.


    Fazit: Muss man nicht lesen!


    P.S.:
    Am Samstag habe ich Walser bei einer Lesung aus diesem Buch erlebt: Ein wirklich guter Vorleser, aber das bringt mir das Buch auch nicht näher. Eine Diskussion schloss sich nicht an, aber das ist bei seinen fast achtzig Jahren vielleicht auch zuviel verlangt.


    HG
    finsbury



    edit fairy: Ich habe dich hier angehängt!

    Einmal editiert, zuletzt von fairy ()

  • Ein wirklich guter Vorleser, aber das bringt mir das Buch auch nicht näher

    Mir ging es genau umgekehrt bei einer Lesung von einem Autor aus der Region: bei der Lesung fand ich das Buch sehr interessant und habe mich sehr aufs Lesen gefreut. Aber trotz ganz viel Lokalkolorit hat mir das Buch überhaupt nicht gefallen.


    Aber nun zu diesem Buch ;)

    Meine Meinung

    Karl von Kahn hat mich an einen Bekannten erinnert, dessen Gesicht ich die ganze Zeit beim Lesen vor mir gesehen habe. Vielleicht hatte er deshalb nie eine Chance, mir sympathisch zu werden. Auch die Kreise, in denen er sich bewegt, haben mich sehr an die meines Bekannten erinnert. Noch ein Minuspunkt. Aber auch ohne das hätte mir Angstblüte nicht gefallen. Ich konnte Karls Gefühle nach der Erkrankung seines Freundes und wie ihn das aus der Bahn wirft, nachvollziehen. Je weiter ich aber im Buch kam, desto mehr hatte ich den Eindruck, als ob er abschweifen würde und das in eine Richtung, die mir nicht gefällt. Vom Anfang des Buchs her hatte ich mir mehr versprochen, deshalb war ich insgesamt enttäuscht.

    2ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.