James Joyce - Dubliner

Es gibt 62 Antworten in diesem Thema, welches 17.792 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Erendis.

  • Hallo,


    der einzige Vorteil an meinem Materialband: Der Briefwechsel zwischen Joyce und seinem Verleger ist abgedruckt und in demselben bittet Joyce, sämtliche Zeichensetzung so zu belassen wie er es geschrieben hat, weil er nicht sehr viel von Anführungsstrichen halte.
    fairy hat recht.


    LG,


    mondpilz

  • Hi,


    auch ich habe etwas weitergelesen und hier sind meine Eindrücke:


    Eveline:
    Diese Geschichte stellt in Frage, ob es wirklich gut ist zuviel Rücksicht zu nehmen und zu wenig gesunden Egoismus an den Tag zu legen. Eveline hatte ja ihrer Mutter versprochen, das Haus so lange es geht zusammenzuhalten. Dabei verliehrt sie die eingenen Wünsche und Träume und die Frage bleibt offen: "Wofür?" Ich dachte die ganze Zeit "Mensch Mädel, geh' doch endlich. Es dankt Dir keiner, wenn Du jetzt auf Dein eigenes Leben verzichtest. Du kannst nicht nur für andere da sein, sondern man muß auch an sich selbst denken (in gesundem Maß)"
    Auch hat mich die Geschichte an eine Aussage, einer Freundin erinnert, die einmal sagte: "Manchmal wiederholt sich das Leben der Mütter in dem Leben der Tochter" und das ist eine Frage über die ich in letzter Zeit sehr oft nachdenke. Man sieht in der Geschichte der Mutter, wie Dinge sich entwickeln, daß es Dinge gibt, die nicht gut gehen können und zum Scheitern verurteilt sind, und man macht es wider besseren Wissen, trotzdem genauso, obwohl man eigentlich kein blöder Mensch ist. Ich glaube aus diesem Grund hat mich diese Geschichte ganz besonders angesprochen.


    Nach dem Rennen / After the Race:
    Cave: Was macht ein junger Mensch nicht alles nur um dazu zugehören. Gut fand ich den letzten Satz, als Villona die Tür öffnet und sagt "Morgengrauen, meine Herren!" Ich denke dieses "Morgengrauen" kann man durchaus wörtlich sehen.


    Zwei Kavallariere / Two Gallants:
    Bei dieser Geschichte dachte ich "Was will mir der Autor jetzt damit sagen?" Ich hab' sie auch nicht kapiert.


    Die Pension / The Boarding House
    In der Erklärung meiner Ausgabe steht, daß "Madame" auch eine Bezeichnung für eine Bordellbesitzerin war. Das würde erklären, daß die Mutter es mit einem kleinen Trick sehr wahrscheinlich schaffte, der Tochter zu ersparen, in diesem Metier ihr Geld zu verdienen.


    Eine kleine Wolke / A little Cloud
    Eine schöne Beschreibung, was für Gefühle ein Mensch hat, der auf einmal merkt, daß das Leben, welches er eigentlich leben wollte an ihm vorbeogezogen ist, ohne daß er daran Teil hatte. Noch schlimmer ist es, wenn man erkennt, daß es zu spät ist um veräumte Gelegenheiten nachzu holen, weil man ansonsten einen sozialen Scherbenhaufen hinterlassen würde. Die Entäuschung schlägt um in Wut, und obwohl man dies alles selbstverschuldet hat, bekommt es das schwächste glied der Kette ab, auch wenn man es hinterher noch so bereut. Wieder ein Beispiel dafür, daß man vielleicht manchmal im Leben einfach egoistischer sein sollte.


    Ich merke, daß ich mir die Erzählungen der erwachsenen Portagonisten wesentlich besser gefallen. Mittlerweile gefällt mir dieses Buch sehr gut, auch wenn ich anscheinend einfach zu blöd bin, um manche Geschichten zu verstehen oder richtig zu interpretieren.
    Die fehlenden Anführungsstriche (wir nennen sie immer Gänsefüßchen :breitgrins:) stören mich in diesem Buch nicht so. Ich hatte letztens ein Buch mit Saltanah gelesen, von Zeruya Shalev, da haben die Anführungszeichen auch gefehlt, aber die direkte Rede war auch nicht durch Gedankenstriche (-) markiert gewesen, sondern mitten im Satz eingefügt. Da hatte icdh anfangs wirklich extreme Probleme mich beim Lesen auf den eigentlichen Inhalt zu konzentrieren.


    Viele Grüße Tina, ich bin schon sehr gespannt auf Eure Interpretationen :winken:

  • hallooo allerseits :winken:


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    was meint ihr mit "anstriche", was die wörtliche rede betrifft?
    in meinem buch werden halbe anführungszeichen verwendet.


    @ fairy: wie kommst du darauf, die erzählungen biografisch zu interpretieren? steht darüber etwas in deiner ausgabe?denn normaler weise darf man den ich-erzähler auf keinen fall mit dem autor gleichsetzen!

    Liebe Grüße<br /><br />em

  • Hi,


    wie ihr merkt, da ich schon wieder poste, hat's mich gepackt. :breitgrins: Ich habe die nächste Erzählung gelesen:


    Duplikate / Counterparts
    Eine sehr traurige Geschichte, die mich etwas an die Erzählung davor erinnert. Ein frustrierter Mensch, der unglücklich ist in Beruf und Privatleben. Es ist schlimm, aber ich denke diese Geschichte spielt sich genau so auch heute noch in sehr vielen Familien ab. Da wird die Wut, wie in "A little Cloud", an der kleinsten und schwächsten Person ausgelassen und zwar in ganz schlimmer, körperlicher wie psychischer Grausamkeit. Da schüttelt's mich, wenn ich so etwas lese, gerade weil ich weiß, daß dies, was den Inhalt der Erzählung angeht, keine Fiktion ist sondern immer wieder passiert.


    James Joyce hat anscheinend, bzw. hatte anscheinend wirklich ein sehr schlechtes Verhältnis zur katholischen Kirche. Jede Geschichte hatte bis jetzt, das Thema Kirche berührt und nicht gerade im positiven Sinne. Ich glaube zu verstehen, daß er sehr die Doppelmoral der angeblich Gläubigen anklagt.


    Tina

  • ich kann mir sehr gut vorstellen, dass die darstellung des father flynns in "the sisters" im katholischen irland von 1914 massiven protest hervorgerufen hat :breitgrins:

    Liebe Grüße<br /><br />em

    Einmal editiert, zuletzt von emerald moon ()

  • So, ich habe gestern Abend nun auch wieder etwas weitergelesen. :smile:


    The Encounter
    Ich fand hierbei die Darstellung des Leo Dillon recht interessant. Denn obwohl er ebenso wie die anderen Kinder die Abenteuergeschichten mag, bringt er letzten Endes nicht den Mut auf gewissermaßen dazu zu stehen (wenn man das jetzt mal so formulieren will), indem er sich zuletzt doch gegen den Ausflug (der ja einem Ausbruch aus den Regeln der Erwachsenen gleichkommt) entscheidet und brav zur Schule geht.
    Das macht dann auch einen wesentlichen Unterschied zum Erzähler und zu Mahony aus, denn wie der Erzähler ja an einer Stelle sagt: "But real adventures, I reflected, do not happen to people who remain at home: they must be sought abroud." Man kann also schon sagen, dass Leo zwar die Abenteuergeschichten mag, jedoch wegrennt (oder eher wegbleibt), wenn sich die Gelegenheit auf ein eigenes, ein richtiges Abenteuer bietet.
    Wobei hierbei auch wieder die Rolle des Father Butler recht interessant ist, da man sich die Frage stellen könnte, ob Leo möglicherweise anders gehandelt hätte, wenn er nicht von dem Geistlichen so angepfiffen worden wäre. Wenn dieser ihn also nicht zurechtgestutzt, ihn nicht gehorsam gemacht hätte.
    Und jepp, dieser Mann, den die beiden da am Feld getroffen haben, der war echt ziemlich unheimlich.


    Araby
    Hier tat mir der Erzähler ungemein Leid, da er ein Versprechen gibt (und das ja auch nicht irgendwem, sondern eben diesem Mädchen) und es allein deshalb nicht halten kann, weil er von seinem Onkel nicht für voll genommen wird, wohingegen seine Tante ja eine etwas andere Einstellung zu haben scheint, die Entscheidung (ob er gehen darf oder nicht) aber scheinbar nicht fällen darf.


    Eveline
    Seltsamerweise fand ich diese Geschichte bis jetzt am bedrückensten, was vermutlich daran liegt, dass Eveline im Gegensatz zu dem Kind aus den vorherigen Geschichten (sofern es denn immer daselbe ist) wirklich selbst darüber entscheiden kann, ob sie gehen oder bleiben soll. Und dennoch tut sie das, was (aus Sicht der meisten Leser) vermutlich die schlechtere Wahl sein dürfte. Es wirkt beinahe so, als fürchte sie die Freiheit und die Veränderung, obwohl sie sich gleichzeitig danach sehnt. So gesehen, erinnert mich ihr Verhalten ein wenig an Leo aus "The Encounter".
    So wie sie zum Schluss da steht, haftet ihr etwas ungemein Apathisches an, indem sie keine Miene verzieht und sich einem Leben fügt, das ihr nicht gefällt, obwohl sie an Stelle dessen ein (vermutlich) besseres haben könnte, das ihr ja beinahe auf dem Silbertablett geboten wird (da sie ja nur mitzugehen bräuchte). Dabei kommt es mir schon so vor, als stehe Eveline stellvertretend für die Gesellschaft oder zumindest Gesellschaftsschicht, in der sie lebt.



    Penta

  • interessant an dem fremden in "an encounter" ist,

    .

    Liebe Grüße<br /><br />em

    Einmal editiert, zuletzt von emerald moon ()

  • Was die äußerliche Erscheinung des fremden Mannes in "An Encounter" betrifft,



    Penta

  • ja, genau, der ich-erzähler hat erwartet, dass die matrosen am hafen


    edit: ok, ich habe unter "jerry hat" leider nichts gefunden, aber dafür folgende beschreibung zu "high hat": "a man's hat having a narrow brim and a tall cylindrical crown, usually made of silk. Also called high hat.", was durchaus zu den hüten passt, die so bezeichnet für leprechauns sind.

    Liebe Grüße<br /><br />em

    Einmal editiert, zuletzt von emerald moon ()

  • @ emerald moon


    Das mit dem high hat stimmt zwar schon, aber ich glaube nicht wirklich, dass Joyce da irgendeine Parallele zwischen diesem Fremden und den Leprechauns herstellen wollte. Denn wenngleich diese bisweilen recht griesgrämig und geizig sein sollen, gelten sie dennoch nicht als böse oder dergleichen (sie wollen halt einfach in Ruhe gelassen werden).
    Jedenfalls steht das so bei Wikipedia.



    Penta


  • "the sisters"


    Ich weiß nicht, ob wir da in die Geschichte mehr hineinlesen als eigentlich drin steht, aber jedenfalls kam mir auch ein Gedanke in der Richtung. Schon in den ersten Sätzen hatte ich den Eindruck, dass der Junge etwas zu viel Interesse an dem Leben oder Sterben des Pfarrers zeigt. Irgend etwas stimmt da nicht, dachte ich.


    The Encounter:
    Ich finde es faszinierend, dass Joyce es offen lässt, was mit dem Mann denn eigentlich los ist. Oder lässt er das wirklich? Wir alle bekamen ja einen unheimlichen Eindruck von ihm. Aber wieso bleibt der Junge sitzen und hört dem Mann so lange zu? Ist er doch so eingeschüchtert (alias "gut erzogen"), dass er sich selbst einem Erwachsenen gegenüber das Recht abspricht, ein Treffen zu beenden? Er muss erst eine Pause im Monolog des Mannes abwarten, bevor er gehen "darf", während Mahony viel früher abhaut. Der Erzähler bezeichnet sich ja als "a reluctant indian", als nicht so abenteuerlustig wie andere (anzunehmenderweise Mahony), also Erwachsenen gegenüber höflicher und damit auch gefährdeter. Brrr, mich gruselt bei der Geschichte.


    Araby:

    Zitat von "Penta"

    wohingegen seine Tante ja eine etwas andere Einstellung zu haben scheint, die Entscheidung (ob er gehen darf oder nicht) aber scheinbar nicht fällen darf.


    Ich hatte den Eindruck, dass der Junge auf seinen Onkel warten musste, da er Geld brauchte, teils für den Eintritt und teils für das Geschenk. Die Tante hatte wohl selbst nichts.
    Wie Tina schrieb eine Geschichte darüber, wie sehr Kinder den Launen der Erwachsenen ausgesetzt sind und wie wenig Verlass manchmal auf diese und deren Versprechen ist. Wie wahr, wie wahr.


    Nach diesen drei Geschichten bin ich noch froher als gewöhnlich darüber, kein Kind mehr zu sein.


    Eveline:

    Zitat von "Penta"

    Seltsamerweise fand ich diese Geschichte bis jetzt am bedrückensten


    Das ging mir genauso, und eben auch, weil Eveline sich selbst einsperrt. Sie unternimmt zwar einen Ausbruchversuch, schafft es aber schließlich doch nicht, ihn auch durchzuführen. Tragisch. So wie sie am Ende dasteht, wirkt sie nicht nur apathisch sondern schon tot. Ihre Seele scheint sie verlassen zu haben, nur noch eine Schale ist übriggeblieben.


    After the Race:
    Aaah, ich hätte schreien können! Dieser Dummkopf! Ein bisschen (oder auch viel) Alkohol, der Anschein von Freundschaft und Zugehörigkeit, und er macht den größten Quatsch.


    Gut fand ich den letzten Satz, als Villona die Tür öffnet und sagt "Morgengrauen, meine Herren!" Ich denke dieses "Morgengrauen" kann man durchaus wörtlich sehen.


    Du meinst mit Betonung auf Grauen? Klasse Übersetzung, nur gibt sie vielleicht doch ein bisschen zu viel Interpretation vor. Auf englisch steht da "daybreak", was doch etwas offener ist. Aber Morgengrauen passt gut zu der Geschichte.


    Jetzt bin ich gespannt auf Two Gallants, mit der ihr ja Schwierigkeiten habt. Mal schauen, ob ich die passende Idee habe.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Mich hat die zweite Geschichte, "The Encounter", auch ziemlich lange beschäftigt.
    Ich bin mir gar nicht sicher, ob der Fremde überhaupt wirklich bösartig ist, vielleicht entsteht dieser Eindruck ja nur aus der Einbildungskraft der beiden Jungen.
    Vielleicht wollte Joyce mit den grünen Augen Andersartigkeit ausdrücken und er ist den Jungen deshalb so unheimlich, weil er anders ist als alle anderen Leute, die sie kennen.
    Auf jeden Fall ist mir schon aufgefallen, dass Joyce es seinen Lesern nicht einfach macht, seine Geschichten zu deuten. :zwinker:
    So, jetzt muss ich mal schnell gucken gehen, was ein Leprechaun ist... :redface:

    :lesen: Joe Navarro - Menschen lesen

  • Bösartig ist er vielleicht nicht, aber meiner Meinung nach auf jeden Fall potentiell gefährlich, ob nun direkt für die beiden Jungen lasse ich mal dahingestellt. Aber er zeigt ja schon ein beunruhigendes Interesse erst für Mädchen what nice soft hair they had and how soft their hands were and how all the girls were not so good as they seemed to be, und wiederholt die Phrasen immer und immer wieder, während er später davon anfängt, von der Züchtigung böser Jungs zu phantasieren.
    Eindeutig unheimlich, falls man die Ereignis als wirklich so geschehen wie von dem Jungen geschildert annimmt. Es könnte natürlich sein, dass die Phantasie mit ihm durchgegangen ist, allerdings glaube ich nicht daran.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Dass sich der Erzähler in "An Encounter" erst nach einer ganzen Weile davonmacht, kann durchaus damit zusammenhängen, dass dieser Mann eben ein Erwachsener ist. Wobei es mich selbst aber auch so nicht sonderlich verwundert hat, dass er nicht einfach aufgesprungen und weggerannt ist. Das ist, denke ich, ein ganz typisches Verhalten, wenn einem jemand "nur" extrem unheimlich ist, ohne dass dieser direkt einen Versucht macht, einem etwas anzutun.
    Wegzurennen und so offen zu zeigen, dass man Angst vor jemanden hat, ist meiner Ansicht nach ein eher ungewöhnliches Verhalten, solange dieser jemand halt noch nichts tut (von ganz kleinen Kindern mal abgesehen, die sind ja nochmal ein wenig anders). Keine Ahnung, ob diese Einschätzung damit zusammenhängt, dass ich nebenbei noch ein Buch über Haie lese, aber in der übrigen Tierwelt ist es ja ganz ähnlich. Ergreift ein Tier, das potenzielles Futter ist, beim Anblick eines Fressfeindes die Flucht, kann das bei diesem einen Angriff provozieren. Selbst dann, wenn dieser Fressfeind zunächst gar kein kulinarisches Interesse an dem anderen Tier hatte - aber das Wegrennen stellt gewissermaßen einen Schlüsselreiz dar, der Tiere in Angriffsstimmung versetzen kann. Soweit der biologische Ansatz dazu. :breitgrins:


    Mir erschien der Mann aber eben auch ziemlich sonderbar, wenn man bedenkt, wie er über das Auspeitschen von Jungen spricht. Ebenso, dass er immer wieder im Wesentlichen ein- und daselbe sagt - dadurch wirkte er zumindest auf mich wie jemand, der von irgendeiner Sache geradezu besessen ist. Und Besessenheit ist mir immer unheimlich, egal um welchen Gegenstand es dabei geht. :entsetzt:
    Was ich mich aber frage, ist, warum das, was er zunächst sagt, so völlig entgegengesetzt ist zu dem, was er sagt, nachdem er kurz ein Stück gegangen ist und dann wieder zu den beiden zurückkehrt. Der wird doch nicht etwa eine gespaltene Persönlichkeit haben?! :confused:



    Penta

  • Ich finde schon, dass sein Verhalten zusammen passt. Erst geilt er sich bei dem Gedanken an die Mädchen auf, dann geht er onanieren (was er meiner Meinung nach tut), und dann kommt er zurück, entsetzt darüber, was er gemacht hat (ich sehe ihn als eine sehr verklemmte Persönlichkeit mit viel unterdrückter Sexualität), und redet davon, wie sehr ungezogene Jungs (=er selbst) für ihr Verhalten bestraft werden müssen.


    Deine Überlegungen dazu, wieso der Erzähler nicht abhaut, finde ich gut.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo,


    vielleicht haut er aber auch einfach deswegen nicht ab, weil die kindliche Neugier wesentlich stärker ist, als die Angst, oder aber wie das Kanninchen vor der Schlange.
    Später noch mehr zu den Erzählungen
    Tina

  • The tow Gallants habe ich auch schon gelesen, aber wurde noch nicht so ganz schlau aus der Geschichte. Ich schätze, die lese ich morgen nocheinmal.


    Gruß, fairy


    Hallo,
    das ging mir auch so, aber ich habe zum Glück in meinem Buch einen Anhang entdeckt, mit diversen Erklärungen zu den einzelnen Kapiteln.


    "The Two Gallants" endet damit, daß das Dienstmädchen Lenehan ein Goldmünze gibt. In meiner Anmerkung steht:
    Die Goldmünze ist der Lohn von Wochen für ein Dienstmädchen, wenn sie nicht gestohlen ist.
    Nun sehe ich die ganze Sache in einem anderen Licht. Die zwei Kerle nehmen das Mädchen entweder aus wie eine Weihnachtsgans oder übereden sie zum stehlen. Fiese Typen.


    Erendis: Der Leprechaun wird meistens als mehr oder wenig griesgrämig, vor allem als scheu dargestellt. Anders als andere Märchenwesen wollen sie mit Menschen nichts zu tun haben. Sie wollen nicht helfen, wie etwa Heinzelmännchen, oder Schabernack treiben, wie Kobolde – sondern schlichtweg in Ruhe gelassen werden. Sie werden als eigenbrötlerische, unsoziale, jedoch sehr hart arbeitende Wesen dargestellt. Oft findet man sie hinter Büschen, wo sie Pfeife rauchen oder Schuhe herstellen. Die Vermutung liegt nahe, dass sie die ganze Märchenwelt mit Schuhen beliefern. Sie sollen angeblich am Fuße des Regenbogens Unmengen von Gold vergraben haben. Neben der Schusterei sollen sie auch gute Banker sein. Sie sind die einzigen Fabelwesen, die als geizig gelten.


    Tina


  • Ich finde es faszinierend, dass Joyce es offen lässt, was mit dem Mann denn eigentlich los ist. Oder lässt er das wirklich? Wir alle bekamen ja einen unheimlichen Eindruck von ihm. Aber wieso bleibt der Junge sitzen und hört dem Mann so lange zu? Ist er doch so eingeschüchtert (alias "gut erzogen"), dass er sich selbst einem Erwachsenen gegenüber das Recht abspricht, ein Treffen zu beenden? Er muss erst eine Pause im Monolog des Mannes abwarten, bevor er gehen "darf", während Mahony viel früher abhaut. Der Erzähler bezeichnet sich ja als "a reluctant indian", als nicht so abenteuerlustig wie andere (anzunehmenderweise Mahony), also Erwachsenen gegenüber höflicher und damit auch gefährdeter. Brrr, mich gruselt bei der Geschichte.


    ja, die geschichte ist wirklich gruselig! da hat man länger daran zu kauen!


    ich finde es vollkommen verständlich, dass die jungen nicht sofort wegrennen. mein gott, das sind doch noch kinder! und der fremde schleicht sich ja sehr geschickt in ihr vertrauen ein, indem er z. b. dem ich-erzähler das gefühl gibt, etwas besonderes zu sein ("mahony asked why couldn't boys read them - a question which agitated and pained me because I was afraid the man would think I was as stupid as mahony", s. 25); dann fängt er an, über mädchen als "sweethearts" zu sprechen, den jungen verständnis zu suggerieren ("his attitude on this point struck me as strangely liberal in a man of his age.", s. 25) und so kommt er schritt für schritt zum eigentlichen inhalt seiner perversen phantasien, nämlich dem misshandeln kleiner jungen.
    weiter darf man nicht vergessen, dass der zeitrahmen, in dem die handlung dieser erzählung anzusiedeln ist, ende 19., anfang 20. jahrhundert umfasst; zu dieser zeit war der satz "und sprich niemals mit fremden, kind!" wahrscheinlich nicht bestandteil des regulären erziehungsprogramms.


    ich bin im übrigen davon überzeugt, dass dieser fremde pädophil und somit pervers ist und nicht nur andersartig; bei father flynn mag das nun angehen oder auch nicht, aber bei dem fremden ist das einmal ziemlich sicher; und dass joyce die szene, in der der fremde onaniert, durch mahony beschreiben lässt, ist schon so direkt, wie es nur geht. das hat nichts damit zu tun, dass er den leser im dunklen lassen möchte; denn hätte er den fremden wegehen und wiederkommen lassen ohne weiteren kommentar eines der beiden jungen, hätte der leser auch gewusst, worum es geht; eine noch graphischere darstellung dieser szene wäre joyce intention absolut nicht dienlich gewesen, da das dann nichts weiteres als perverse p.o.r.n.o.graphie gewesen wäre.



    Sie sollen angeblich am Fuße des Regenbogens Unmengen von Gold vergraben haben.


    was heißt denn hier "angeblich"?! das ist ja wohl die reine wahrheit :breitgrins:


    ich finde den gedanken, dass der fremde äußerlich an einen leprechaun angelehnt ist, nicht abwegig, da ich der meinung bin, dass joyce nicht nur mit dublin in einer hassliebe verbunden war, sondern, dass sich diese ab-/zuneigung auf das gesamte irland bezieht; somit ist es durchaus möglich, dass er in dem fremden zwei wahrzeichen, nämlich das grün der "emerald island" ("as I did so I met the gaze of a pair of bottle-green eyes peering at me from under a twitching forhead.", s. 27) und den leprechaun "verbraten" hat, um den seiner meinung nach durch und durch maroden zustand seiner heimat darzustellen.

    Liebe Grüße<br /><br />em

    Einmal editiert, zuletzt von emerald moon ()

  • was heißt denn hier "angeblich"?! das ist ja wohl die reine wahrheit :breitgrins:


    Das ist nicht auf meinem Mist gewachsen sondern ich habe die Beschreibung von Wikipedia kopiert. Ich wußte auch nicht was Leprechauns sind. Ich kannte sie nur von Harry Potter und war sehr erstaunt, daß wohl auch James Joyce schon Harry Potter gelesen hatte. :breitgrins:


    Ich habe jetzt gelesen:


    Erde / Clay
    Auch diese Erzählung hat viel mit den vorigen gemeinsam. Was mir bis jetzt aufgefiel ist, daß viele der Protagonisten in den Erzählungen nicht ernst genommen werden. Sie werden vielleicht gemocht, aber es macht sich kaum jemand oder niemand die Mühe auch nur zu versuchen diese Menschen zu verstehen, in ihren Ansichten und Gefühlen. Man nimmt sie hin, weil sie einfach da sind, aber sie gehen allesamt irgendwie in der Gesellschaft unter und keiner hat ein wirkliches Interesse an ihren Belangen. Das geht so weit, daß die betreffende Person gekränkt und beleidigt wird, ohne daß dies vom Verursacher eigentlich gewollt ist. Ich finde das sehr traurig, weil in der Erzählung "Erde", Maria am Ende ja selbst mit allen Mitteln versucht, ihre Seele und Gefühle zu verschließen. Entweder aus Selbstbetrug oder aus Angst vor neuen Verletzungen, da bin ich mir noch nicht sicher. Trotzdem ist es für Maria einer der schänsten Tage/Abende. Ich vermute, weil sie es gar nicht mehr erwartet, daß man sie ernst nimmt oder Anteil an ihren Wünschen, Sorgen und Sehnsüchten. Man hat sie ja sowie schon für's Kloster ausersehen, auch wenn es hier, wie ein Spiel wirken soll, steckt viele Wahres dahinter. Man spricht Maria ja schon überhaupt nur die Möglichkeit ab, einen Menschen zu treffen, der mit ihr sein Leben verbringen möchte, aber sie hat immer noch die Sehnsüchte, wie man an der Begegnung mit dem Mann in der Straßenbahn sieht. Wieder einmal geht e sin der Geschichte um Glauben in Form der Gebetbücher. Ein adäquater Ersatz, für das wahre Leben? Ich glaube, daß ist es was Joyce ankreidet.


    Tina


  • Das ist nicht auf meinem Mist gewachsen sondern ich habe die Beschreibung von Wikipedia kopiert. Ich wußte auch nicht was Leprechauns sind. Ich kannte sie nur von Harry Potter und war sehr erstaunt, daß wohl auch James Joyce schon Harry Potter gelesen hatte. :breitgrins:


    da haben wir jetzt, glaube ich, aneinander vorbeigeredet :spinnen:


    ich lese gerade "two gallants", bin jetzt auf s. 59 angelangt, also dort, wo lenehan an corley und der frau ganz "zufällig" vorbeigeht, und denke nur die ganze zeit über: "wie supi! hundert jahre zeit gehabt und gar nichts hat sich geändert! gespräche eben dieser art sind heute immernoch auf der straße zu belauschen wie eh und je!" :grmpf:

    Liebe Grüße<br /><br />em

    Einmal editiert, zuletzt von emerald moon ()