Miguel Sousa Tavares - Am Äquator

Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 5.774 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

  • Hallo zusammen,


    nachfolgend meine Rezension zu


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    [size=16pt][glow=red,2,300]Miguel Sousa Tavares: Am Äquator[/glow]
    Inhalt[/size]:
    Der Roman spielt zu Beginn des 20. Jahrhunderts und schildert ca. drei Jahre im Leben des portugiesischen Geschäfts- und Lebemannes Luis Bernardo Valenca, der vom portugiesischen König aufgefordert wird, den Gouverneursposten der Kolonie Sao Tomé und Principe, zweier kleiner Inseln am Äquator vor der westafrikanischen Küste –zu übernehmen. Luis Bernardo, durch Zeitungsartikel als Humanist und Gegner der de Facto-Sklaverei auf den Kakao- und Kaffee - Plantagen der beiden Inseln bekannt – soll die Plantagenbesitzer und –verwalter sowie den englischen Konsul der Inseln davon überzeugen, dass die angolanischen Zwangsarbeiter ihre Menschenrechte bekommen.
    Luis Bernardo gerät neben den politisch- wirtschaftlichen Konflikten mit den portugiesischen Besitzern und der Kolonialverwaltung in eine tragische Liebesbeziehung zur schönen Frau des englischen Konsul und scheitert am Ende des Romans in jeder Hinsicht.


    Einschätzung


    Das Buch entführt in eine vielen bisher unbekannte Welt und Zeit: Portugal und seine Inselkolonie werden dem Leser präsent, Staats- und Kolonialgeschichte auf spannende Weise und im Wesentlichen „politisch korrekt“- vermittelt.
    Daneben ist das Buch von einer schönen wehmütigen Stimmung geprägt und ganz gesättigt mit der Atmosphäre der Tropen.
    Einziger Wermutstropfen: Obwohl er Roman trotz traditioneller Erzählweise ein hohes literarisches Niveau bewahrt, misslingen die Liebesszenen, da sich hier der Autor kitschiger und zudem abgenudelter Versatzstücke bedient: Das hätte der Roman nicht nötig gehabt.
    Dennoch: sehr empfehlenswert für alle literarischen Globetrotter und Liebhaber anspruchsvoller historischer Romane!



    HG
    finsbury

    Einmal editiert, zuletzt von Seychella ()

  • Hallo!


    Merkwürdigerweise stand ich gestern (virtuell) auch vor diesem Buch. Allerdings muss ich gestehen, dass mich portugiesische Journalisten nicht so recht zu überzeugen vermögen ... Mal schauen, vielleicht ergeben sich noch weitere Stimmen.


    Übrigens - wegen diverser Suchfunktionen: Ändere doch bitte den Namen des Autors ab, da ist ein Tippfehler drin. Er heisst Tavares. Danke!


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Hallo sandhofer und alle,



    Merkwürdigerweise stand ich gestern (virtuell) auch vor diesem Buch. Allerdings muss ich gestehen, dass mich portugiesische Journalisten nicht so recht zu überzeugen vermögen ... Mal schauen, vielleicht ergeben sich noch weitere Stimmen.


    Welchen entsetzlichen Generalverdacht hegst du denn - so lange nach der Militärdiktatur - gegen portugiesische Journalisten?



    Übrigens - wegen diverser Suchfunktionen: Ändere doch bitte den Namen des Autors ab, da ist ein Tippfehler drin. Er heisst Tavares. Danke!


    Wieso? Ist doch hier richtig? Hast du's schon geändert?


    HG
    finsbury

  • Hallo!


    Welchen entsetzlichen Generalverdacht hegst du denn - so lange nach der Militärdiktatur - gegen portugiesische Journalisten?


    Ach, ich habe - als RTP bei uns noch im Kabel eingespiesen wurde - hin und wieder portugiesisches Fernsehen geguckt. Und fand irgendwie zuviel Meinungsjournalismus und zuwenig Fakten. Aber vielleicht habe ich auch immer die falschen Sendungen erwischt ...


    Wieso? Ist doch hier richtig? Hast du's schon geändert?


    Darf und kann ich hier ja nicht :zwinker:. Wenn ich recht sehe, war's Seychella. Ich habe nicht mehr weiter daran gedacht, sonst hätte ich den Passus aus meinem Beitrag gestrichen. :redface:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Hallo zusammen!


    Dennoch: sehr empfehlenswert für alle literarischen Globetrotter und Liebhaber anspruchsvoller historischer Romane!


    Im Moment kann ich mich Deiner Empfehlung leider nicht anschliessen. Ich stecke auf S. 345 fest und ärgere mich über den Autor, der seine Hauptfigur nur noch Quatsch machen und am Laufmeter die offenbar dauer-läufige Frau seines besten Freundes (der natürlich der englische Konsul ist und gar nicht sein Freund sein dürfte!) poppt.


    Die ersten 300 Seiten fand ich saugut - jetzt bin ich daran, das Buch abzubrechen. Noch simpler und dümmer könnte wohl kein Autor auf die geplante Katastrophe zusteuern ...


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Im Moment kann ich mich Deiner Empfehlung leider nicht anschliessen. Ich stecke auf S. 345 fest und ärgere mich über den Autor, der seine Hauptfigur nur noch Quatsch machen und am Laufmeter die offenbar dauer-läufige Frau seines besten Freundes (der natürlich der englische Konsul ist und gar nicht sein Freund sein dürfte!) poppt.


    Die ersten 300 Seiten fand ich saugut - jetzt bin ich daran, das Buch abzubrechen. Noch simpler und dümmer könnte wohl kein Autor auf die geplante Katastrophe zusteuern ...


    Hallo sandhofer,


    wenn du dich über idiotische Liebesbeziehungen aufregst, dann musst du wohl stapelweise Roman abbrechen.
    Darin liegt auch gewiss nicht die Stärke dieses Romans. Aber diese lastende und lähmende Äquatorschwüle und das Scherbengericht, vor dem der Protagonist am Ende steht (und das wird keineswegs nur durch seine Liebesnöte, sondern auch durch sein Scheitern am Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit bedingt) machten den Roman für mich lesenwert.



    HG
    finsbury

  • Hallo!


    wenn du dich über idiotische Liebesbeziehungen aufregst, dann musst du wohl stapelweise Roman abbrechen.


    Die meisten fang' ich wohl gar nicht erst an ... :zwinker: :breitgrins:


    Aber diese lastende und lähmende Äquatorschwüle


    Da hast Du Recht, und die ersten 300 Seiten waren auch und vor allem wegen der ungeheuer guten und dichten Atmosphäre äusserst lesenswert.


    und das Scherbengericht, vor dem der Protagonist am Ende steht (und das wird keineswegs nur durch seine Liebesnöte, sondern auch durch sein Scheitern am Widerspruch zwischen Anspruch und Wirklichkeit bedingt) machten den Roman für mich lesenwert.


    Hier ist es, wo ich nun stocke. Das Ganze wirkt allzu künstlich und nach dem Motto: "Wir brauchen nun die Katastrophe, also soll das und das und das und dieses und jenes auf den Helden einbrechen!" konstruiert. Vielleicht war es in der Realität sogar so - ich kenne die Geschichte der portugiesischen Kolonialherrschaft nicht. Aber dann kann der Autor das Zwangsläufige der Geschichte nicht darstellen. Es ist aber auch nicht eine Akkumulation von Zufällen; es wirkt einfach nur an den Haaren herbeigezogen. Abgesehen davon, dass ich nach 350 Seiten nun so langsam weiss, wie sich der Autor das Poppen vorstellt, und keine Wiederholungen derselben Szene mehr brauche. :boff:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Hier ist es, wo ich nun stocke. Das Ganze wirkt allzu künstlich und nach dem Motto: "Wir brauchen nun die Katastrophe, also soll das und das und das und dieses und jenes auf den Helden einbrechen!" konstruiert.


    Hi,


    so soll's denn nun sein. Jeder liest halt anders. Ich begriff eigentlich von Anfang an den Roman als einen des Scheiterns, was ja bereits in der Art angedeutet wird, wie der Protagonist sein Amt annimmt und was in seinen Handlungen immer wieder klar wird, gerade auch in seiner Freundschaft zum politischen Feind.


    HG
    finsbury

  • Hallo finsbury!


    Im Grunde genommen sind wir uns ja einig. Nur in der Einschätzung der Mittel, die der Autor einsetzt, unterscheiden wir uns. Für mich ist das Ganze zu hölzern konstruiert.


    Der Protagonist missbraucht den Freund und Cousin für seine Liebschaft. Um den Konsequenzen dieser Liebschaft zu entgehen, flieht er - ein absolut kafkaesker Charakter - an den Äquator. Dort missbraucht er den Freund und Ehemann für seine Liebschaft. Wohin soll er fliehen? Und wie soll die Notwendigkeit dargestellt werden, der er nun erliegt? Kafka konnte eine Welt beschreiben, in der das Absurdeste als Notwendigkeit gefühlt wurde. Tavares vermag es eben nicht, seine zusammengesuchten Zufälligkeiten als notwendig 'rüberzubringen ... Ich sehe die Absicht und bin verstimmt. (Dasselbe werfe ich übrigens auch Eco vor: Literatur nach dem Handbuch für kreatives Schreiben ... )


    Und das kreide ich ihm an. Wahrscheinlich bin ich auch nur so enttäuscht, weil die ersten 300 Seiten zum Besten gehörten, was ich dieses Jahr schon gelesen habe. :sauer:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

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    Oft sind ja Klappentexte ziemlich ungenau und weisen in die falsche Richtung, aber hier kann man ihn tatsächlich guten Gewissens zitieren:


    Klappentext:
    Lissabon, 1905. Der portugiesische König unterbreitet Luís Bernardo Valença ein unerwartetes Angebot: Ausgerechnet er, der Bonvivant und ewige Junggeselle, soll Gouverneur der Äquator-Provinzen São Tomé und Príncipe werden. Dort soll er selbst die Vorwürfe der Briten widerlegen, auf den Kakaoplantagen werde Sklavenarbeit geduldet. Voller Abenteuerlust nimmt er diese Herausforderung an und taucht ein in eine fremde, faszinierende Welt, die politische Spannungen bereithält, aber auch eine wunderschöne und gefährliche Frau ...



    Hier wird alles schon angesprochen:
    Ein eigentlich interessantes Thema mit den Arbeits- und Lebensbedingungen der aus Angola nach São Tomé verschifften afrikanischen Plantagenarbeiter, die sich offiziell nach Verbot der Sklaverei für jeweils fünf Jahre verpflichtet haben und ja soooo gut behandelt werden (glaubt man den Portugiesen auf São Tomé), von denen aber sonderbarerweise niemand in seine Heimat zurückkehrt, was den Verdacht nahelegt, sie könnten doch in sklavereiähnlichen Verhältnissen leben.
    Das behauptet zumindest Großbritannien, das eine ungute Konkurrenz zu den eigenen Kakaoplantagen sieht, und deswegen einen Konsul nach São Tomé schickt, der die Bedingungen untersuchen soll. Ein für Portugal positiv ausfallender Bericht dieses Konsuls ist wichtig, da im gegenteiligen Fall die britische kakaoverarbeitende Industrie mit einem Boykott des toméischen Kakaos droht.
    Dies ist ein mir bisher unbekanntes Thema, das mich aber interessiert und wovon ich mir einige neue Kenntnisse verstprochen hatte.


    Leider wird im Buch dann aber der andere im Klappentext angerissene Aspekt viel stärker betont. Von den afrikanischen Arbeitern erfährt man herzlich wenig. Sie sind nur Staffage, Nebenfiguren, von denen niemand ein eigenes Gesicht bekommt. Statt dessen steht Lúis Bernardos Privatleben im Mittelpunkt. Über ihn erfährt man einfach alles, aber nichts interessiert mich an ihm wirklich. So ausführlich sein Leben auch beschrieben wird, so platt bleibt seine Person und das trifft ebenso auf seinen Gegenspieler, den englischen Konsul zu, der nach 200 Seiten endlich auftaucht.
    Dieser wird in nicht weniger als 50 Seiten eingeführt - nur die Haarfarbe seiner Großmutter väterlicherseits erfahren wir nicht -, aber auch er bleibt trotz aller Informationen sonderbar blass. Seitenlang wird von seinen Erlebnissen in den indischen Kolonien erzählt, wobei immer wieder betont wird, was für ein toller Hecht er doch ist und natürlich auch, wie wunderschön, intelligent, bezaubernd... seine Frau doch ist, die er gegen den Willen ihrer Familie geheiratet hatte.
    Nervig und langweilig waren diese Seiten, aber nicht nur das - sie waren auch bestückt mit faktischen Fehlern. Das lässt mich natürlich vermuten, dass auch die anderen Teile des Buches nicht zuverlässig recherchiert sind, aber da ich über die portugiesischen Kolonien viel weniger weiß als über das britische Indien, kann mir da viel erzählt werden.


    So richtig schlecht wird das Buch dann, als der portugiesische Gouverneur an der englischen Konsulin Gefallen findet und dies leider erwidert wird. Nicht einmal ein Malariaanfall, dem Lúis Bernardo beinahe zum Opfer gefallen wäre, hält ihn von sexuellen Großtaten ab. Nackenbeißer lässt grüßen!
    Allerdings ist nicht einmal damit der Tiefpunkt erreicht: das Ende, das ich nicht verraten werde, das aber literarische Prätentionen erahnen lässt, ist dermaßen unglaubwürdig und gewollt tragisch, dass mir das Kotzen kam.


    Bedenkt man dann noch den Stil, der mich mit (vielleicht der Übersetzung geschuldeten) Ungenauigkeiten, sonderbaren Vergleichen und lächerlichen Bildern ("Sie versenkte ihren Mund in dem seinen") wiederholt mit den Augen rollen ließ, ist mein Urteil sicher nicht überraschend:


    1ratten :flop:

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Deine verschiedenen Zwischenmeldungen waren ja schon alles andere als ermutigend, aber jetzt überlege ich wirklich ernsthaft, ob ich das Buch nicht sofort aussortieren sollte. Wenn überhaupt, dann lese ich es vermutlich nur noch, um Dir sagen zu können, ob Du mit dieser Vermutung:



    Nervig und langweilig waren diese Seiten, aber nicht nur das - sie waren auch bestückt mit faktischen Fehlern. Das lässt mich natürlich vermuten, dass auch die anderen Teile des Buches nicht zuverlässig recherchiert sind, aber da ich über die portugiesischen Kolonien viel weniger weiß als über das britische Indien, kann mir da viel erzählt werden.


    recht hast oder nicht. Vielleicht liegen die Fehler ja darin begründet, daß der Autor über die englischen Kolonien weniger wußte als über die seines eigenen Landes ...