Beate Lakotta - Noch mal leben vor dem Tod

Es gibt 11 Antworten in diesem Thema, welches 3.379 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Valentine.

  • Kurzbeschreibung
    Fünfundzwanzig Geschichten von Menschen, die unheilbar krank sind, die davon erzählen, wie es ist, dem Tod sehr nahe zu sein und Abschied vom Leben nehmen zu müssen. Eindrucksvolle Porträts, aufgenommen kurze Zeit vor und unmittelbar nach dem Tod, begleiten sie. Kaum etwas bewegt uns so sehr wie die Begegnung mit dem Tod. Kaum etwas geschieht heute so verborgen wie das Sterben. Die Journalistin Beate Lakotta und der Fotograf Walter Schels baten Schwerkranke, sie in den letzten Tagen und Wochen begleite zu dürfen. Aus diesen Begegnungen entstanden einfühlsame Schilderungen und Fotos von Menschen am Ende ihres Lebens. Die meisten verbrachten ihre letzte Zeit im Hospiz, einem Lebensort für Sterbende, an dem Hoffnungen und Ängste gleich wiegen: Wer hier einzieht, wird die Zeit bis zum Tod so bewusst und schmerzfrei wie möglich erleben können.
    Doch es bleibt ihm nur eine kurze Spanne, um Bilanz zu ziehen, Frieden mit sich und anderen zu machen, sich mit dem Tod zu befassen und mit der Frage nach dem Danach.


    Meine Meinung:
    Ein Buch das Berührt. Ein Buch zum Nachdenken. Ein Buch das Angst nimmt. Eine gute Freundin von mir arbeitet seit Jahren im Hospiz, aber erlebt habe ich das Hospiz erst als letztes Jahr ein guter Freund dort gestorben ist. Jedes Schicksal ist anders, aber allen ist eins gemeinsam: Sterben müssen wir alle und irgendwann sollten wir uns damit beschäftigen.


    Hier werden 25 verschiedene Menschen in ihren letzten Wochen begleitet. Jeder Bericht beginnt mit einem Foto vom ersten Treffen und ein Foto nach dem Tod. Gerade dieses Fotos finde ich sehr berührend und nehmen mir etwas von der Anst oder der Scheu vom Umgang mit dem Tod. Währen man den Lebenden die Schmerzen doch sehr ansieht, sehen sie im Tod sehr friedlich aus.


    Jedes Schicksal - jeder Krankenverlauf und wie der Kranke, Freunde und Verwandte damit umgeht, wird in dem Buch dokumentiert. Jeder Betroffene geht auch anders mit der Situation im Hospiz um. Manche haben schon mit ihrem Leben abgeschlossen und warten nur noch auf das Ende. Manche hoffen aber auch auf ein Wunder, daß aber leider nicht eintrifft.


    Es ist nicht immer leicht zu lesen und es ist kein Buch, das man auf Seite 1 anfängt, durchliest und wieder ins Regal stellt. Immer wieder mußte ich Pausen machen und immer wieder mußte ich an unseren Freund denken, der das gleiche mitmachen mußte.


    Dieses Buch möchte ich eigentlich jedem ans Herz legen. Es betrifft jeden von uns.


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    Gruß Mascha

    Einmal editiert, zuletzt von fairy ()

  • Hi Mascha!


    Vielen Dank für die schöne Rezi und den Buchtipp. Ich werde mir das Buch definitiv kaufen, da mich das Thema Tod sehr interessiert und – ich gebe es zu – manchmal auch ängstigt.


    Liebe Grüsse


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Danke, dass du mich an das Buch erinnerst, Mascha.
    Ich hatte vor einiger Zeit einen Flyer des Museum für Sepulkralkultur in Kassel gesehen, das eine Ausstellung zu diesem Buch gemacht hatte (glaube ich zumindestens; es könnte sich aber auch nur um eine Bücherwerbung gehandelt haben). Die in dem Flyer abgedruckten Fotos haben mich jedenfalls tief berührt.

    Wir sind irre, also lesen wir!

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()

  • Klingt sehr interessant, wenn mich die Idee mit den Fotos auch ein klein wenig befremdet :redface:


    Zum Thema Tod und Sterben fällt mir noch ein sehr interessantes Buch von Sherwin B. Nuland ein, "Wie wir sterben". Leider habe ich das nie rezensiert und kriege jetzt meine Eindrücke nicht mehr zusammen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • [quote author=Valentine]Klingt sehr interessant, wenn mich die Idee mit den Fotos auch ein klein wenig befremdet :redface:[/quote]


    Genau so ging es meinem Mann auch, als ich ihm davon erzählt habe. Er fand das irgendwie "deftig". Ich finde die Idee sehr schön, aber eben, ich will mir zuerst selbst ein Bild von dem Buch machen. Ich habe es bereits bestellt, wenn ich es dann studiert habe, werde ich hier meine Eindrücke posten.


    Liebe Grüsse


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Hallo!



    Ich werde mir das Buch definitiv kaufen, da mich das Thema Tod sehr interessiert und – ich gebe es zu – manchmal auch ängstigt.


    Hm, ich weiß nicht so recht, was ich sagen soll... Tod. Ängstigt. Nein, Panik macht er mir. Und zwar sehr. Sehr extrem natürlich seit meine Mama gestorben ist. Vor mittlerweile 3 1/2 Wochen. Ich hab sie auch nochmal gesehen, 12 Stunden nach ihrem letzten Mal Atmen. Ich bin danach zusammengebrochen. In dem Moment hab ich mir geschworen, mir das nie wieder anzutun, jemanden tot zu sehen, den ich gekannt hab. Ich weiß zur Zeit nicht, was besser ist: sich mit dem Tod beschäftigen, damit er sein großes Mysterium verliert, oder ihn zu verdrängen. Zur Zeit kann ich nicht anders, als zu verdrängen. Alles andere macht mir zu viel Angst.


    Nimmt einem so ein Buch wirklich Angst oder verstärkt es nicht nur die Panik, die ich seit Wochen mit mir rumtrage? Sollte ich erst ein wenig Zeit vergehen lassen, bevor ich mich dem Thema nähere? Ich glaube, ich hätte grad nicht die Kraft, mich damit auseinanderzusetzen. Es ist einfach furchtbar, und die Angst nagt wahnsinnig an meiner seelischen Gesundheit, wenn ich ehrlich bin.


    @Alfa: Hast du schon angefangen? Kann es einem starke Ängste nehmen?


    Liebe Grüße,
    melima

  • Hallo,


    an alle, die das Buch gelesen haben, ist mir folgende Antwort nicht klar:


    Ist das ein Buch, für jemanden, der keinen Trauerfall verarbeiten muss oder will?
    Ist es ein Buch, dass dem (quicklebendigen, hoffentlich noch weit vom Tod entfernten) Leser eine Erkenntnis für sein zukünftiges Leben bringt? Geht ihr mit Eurem Leben seit der Lektüre (etwas) anders um (ich weiß natürlich auch, dass ein einzelnes Buch, nicht gleich das ganze Leben umwirft)? Oder welche Erkenntnis habt ihr daraus gezogen?


    Wäre schön, wenn jemand was dazu schreiben könnte.


    Gruß, Thomas

  • Hi Klassikfreund!


    Gut, dass du den Thread wieder ausgräbst - das Buch steht immer noch ungelesen im Regal. Da du dich dafür interessierst, werde ich es bei Gelegenheit (das kann noch ein paar Wochen dauern) mal anfangen zu lesen und dann hier meine Eindrücke posten.


    Lieber Gruss


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Hi!


    Wie versprochen hier meine Eindrücke zu diesem Buch:


    Inhalt:
    Die Autorin Beate Lakotta und der Fotograf Walter Schels haben über einen Zeitraum von etwa einem Jahr Menschen kennen gelernt und porträtiert, die unheilbar krank waren und ihre letzten Wochen oder Tage in einem Sterbehospiz zubrachten. Dabei wurden die Leute fotografiert - vor und nach ihrem Tod. Zu den Porträtaufnahmen hat Beate Lakotta Texte über die sterbenden Menschen geschrieben; über ihr Leben, über ihre letzten Tage, wie sie mit dem bald bevorstehenden Tod umgehen und was sie darüber zu sagen hatten.


    Meine Meinung:
    Der Tod geht uns alle an - weil wir in unserem Leben zwangsläufig liebe Menschen für immer verlieren und weil wir eines Tages selber sterben. Trotzdem tun wir uns in unserer Gesellschaft schwer mit diesem Thema und verbinden es vor allem mit Leid, Schmerz und Angst. Über den Tod spricht kaum jemand gerne ernsthaft, die Auseinandersetzung mit dem eigenen Sterben wird gerne verdrängt und kaum jemand hat keine Angst vor diesem letzten, unbekannten Prozess.


    Da tat mir dieses Buch richtig gut, auch wenn mir bei der Lektüre klar wurde, dass der oft geäusserte Wunsch vom Sterben in Würde für die wenigsten Menschen in Erfüllung geht. Ganz zum Schluss ist fast jeder todkranke Patient massiv auf Hilfe von Pflegepersonal und/oder Angehörigen angewiesen. "Würdig" sind diese letzten Tage dann kaum noch (wer schon mal einen Sterbenden betreut hat, weiss, wovon ich rede) - auch wenn im Hospiz alles dafür getan wird, dass es dem Sterbenden bis zuletzt so wohl wie möglich ist.


    Es kommt noch dazu, dass praktisch jeden der Patienten irgendwann im Lauf des Aufenthalts im Hospiz die nackte Panik oder tiefstes Leid gepackt und durchgeschüttelt hat. Egal, ob das Leben zuvor erfüllt war, ob man vertanen Chancen nachweint oder bis zuletzt auf ein Wunder hofft: der Abschied fällt allen schwer, aber jeder zeigt es auf seine Weise. Das macht das Buch auch so schön und interessant. Jedes Sterben ist - wie jedes Leben - höchst individuell, ebenso der Umgang damit. Der eine kann und will nicht loslassen, die andere fragt sich, wann sie endlich tot ist. Nur eines hatten die allermeisten der porträtierten Menschen gemeinsam: sie sind fast alle äusserst friedlich und ruhig gestorben. Keine grausigen Todeskämpfe, kein Leiden bis zum letzten Atemzug. Das ist nicht zuletzt der Palliativ-Medizin zu verdanken, auf die sich die Hospize spezialisiert haben und die einzig und allein darauf ausgerichtet ist, todkranken Menschen so gut wie möglich in den Tod zu begleiten.


    Dabei geht es auch mal fröhlich zu und her; ein Sterbehospiz ist zwar keine Festhütte, aber es ist auch kein Ort, an dem nie gelacht oder ein blöder Spruch gemacht würde. Es ist ein Ort des Friedens und der Ruhe, ein Ort der Besinnung und der Rückschau. Es ist ein Ort, der ideal ist, sich auf das Unausweichliche vorzubereiten. Das zeigt Beate Lakotta in ihren Texten ganz deutlich.


    Texte, die dank Menschen entstanden sind, die wussten, dass sie keine Möglichkeit mehr hatten, das Resultat von Lakottas Arbeit zu kontrollieren und die ihr trotzdem Einblick in ihr Leben und ihr Sterben gaben. Menschen, die mit ihren Geschichten und Empfindungen dazu beigetragen haben, dass andere Menschen (wie ich) darüber lesen und nachdenken können und in meinem Fall dem eigenen Sterben sehr viel gelassener entgegensehen als vor der Lektüre. Für diese Grosszügigkeit gebührt den Verstorbenen Respekt und Dank.


    Fazit:
    Ein sehr schönes, einfühlsam geschriebenes und doch kaum etwas verhehlendes Buch über das Sterben. Trotzdem möchte ich es an dieser Stelle nicht einfach jedem empfehlen - wie diese teilweise auch sehr tragischen Todesfälle bei einzelnen Lesern ankommen, hängt stark mit den selber gemachten Erfahrungen und der eigenen Einstellung zum Tod und zum Sterben ab.


    Während ich das Buch sehr schön und tröstlich fand, kann es anderen sicher auch äusserst depremierend oder sogar angsteinflössend vorkommen. Schliesslich geht es um reale Menschen, die wirklich gelebt haben und gestorben sind - komplett mit Lebensgeschichte und (sehr schön gemachten) Nahaufnahmen nach ihrem Tod. Aber wer sich für das Thema Sterben interessiert, bekommt in diesem Buch einen guten, beeindruckenden und auf keiner Zeile voyeuristischen Einblick.


    9 von 10 Punkten


    @klassikfreund:
    Um deine Frage zu beantworten: Ich finde, man kann das Buch gut lesen, ohne dass man damit einen Todesfall im eigenen Umfeld verarbeiten will oder muss. Ich habe das Buch gekauft, weil ich mich nach dem Tod meiner Mutter vor vier Jahren sehr ernsthaft mit dem Tod - insbesondere auch meinem - auseinandergesetzt habe. Gelesen habe ich es allerdings erst jetzt im Februar/März und mit Trauerarbeit hatte die Lektüre nichts mehr zu tun. Das Buch hat meinen Blick auf das Leben nicht verändert - ich habe schon vorher sehr bewusst gelebt -, aber meinen Blick auf den Tod und das Sterben hat es positiv verändert. Es hat mir Ängste genommen und Mut gemacht. Das heisst jetzt nicht, dass ich dereinst ruhig und sorgenfrei sterben werde - aber ich habe jetzt sicher weniger Angst davor als vor der Lektüre.


    Lieber Gruss


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Ich hole diesen Thread mal wieder hoch, auch wenn er schon 10 Jahre alt ist. Ich befasse mich aktuell sehr mit dem Thema Palliativversorgung. Meine Mutter ist 78, meine Schwiegeroma 96. Bereits beim Tod meines Vaters (damals war ich grad mal 21, also vor bald 20 Jahren) blieb alles an mir hängen. Das soll jetzt nicht negativ klingen, aber offenbar kann ich in solchen Situationen besonnen handeln und Trost spenden.


    Eigentlich ist der Tod ja für uns alle jeden Tag allgegenwärtig. Von jetzt auf gleich kann es vorbei sein. Da ich aber in der eigenen Familie und der Schwiegerfamilie nun 2 Kandidatinnen habe, bei denen in den nächsten 10 Jahren damit zu rechnen ist, dass sie sterben, möchte ich dieses Mal vorbereitet sein. aber nicht nur für diese Todesfälle sondern auch für meinen eigenen. Ich möchte für mich entsprechende Verfügungen machen, ein kleines Notizbuch mit allen wichtigen Ansprechpartnern, die informiert werden müssen, meinen wichtigsten Passwörtern und den Adressen von Versicherungen etc, um es meinen Angehörigen zu erleichtern.


    Aktuell hoffe ich auf einen zeitlich für mich passenden stattfindenden Letzte Hilfekurs, der sich mit dem Thema Betreuung sterbender Menschen und Trauerbegleitung auseinandersetzt. Der einzige in München in nächster Zeit ist leider an einem Tag, an dem ich nicht teilnehmen kann.


    Das Buch hier werde ich mir mal auf meine Liste setzen, auch wenn 40 Euro für die gebundene Version gerade gar nicht in mein Budget passen.


    Die hier formulierte Angst möchte ich auch einmal ansprechen. Ich selbst habe auch Angst. Jetzt nicht direkt vor meinem eigenen Tod aber vor dem Tod eines geliebten Menschen. Letzteres ist also eine für mich klassische Verlustangst. Der Gedanke, dass ein lieber Mensch in meinem Leben plötzlich nicht mehr da ist. Mein Leben sich dadurch verändert. Ich formuliere solche Gedanken in einem Notizbuch. Beim Tod meines Vaters damals hat es mir sehr geholfen, dass beim anschließenden Leichenschmaus viel über ihn gesprochen wurde und jeder seine Erinnerungen an ihn erzählt hat. Ich konnte dadurch immer auch an ihn denken, ohne diesen extremen Schmerz zu fühlen. Er fehlt mir natürlich. Er ging in einer für mich sehr prägenden Zeit. Und ich frage mich oft, welches Verhältnis wir wohl jetzt hätten, wenn er noch leben würde. Ich rede über sowas mit seinem Bild in meinem Notizbuch. Aber wenn ich an ihn denke, dann lächle ich meistens. Er war ein toller Mensch und ich hoffe, dass mir diese Erfahrung auch in Zukunft helfen wird, bei Verlust und Tod damit umgehen zu können. Sorry für diesen langen Post.

    ~~ noli timere messorem ~~

  • :knuddel:


    Ich habe vor sehr langer Zeit meinen Papa und vor ein paar Jahren meinen ebenso geliebten Stiefpapa verloren. Mir hat es dabei auch sehr gutgetan, dass wir immer offen über die beiden gesprochen und Erinnerungen wachgehalten haben. Die was-wäre-wenn-Gedanken kommen mir auch immer mal wieder.


    Bei Deinem letzten Absatz musste ich an das Gedicht von Mascha Kaléko denken, das endet "Bedenkt, den eignen Tod, den stirbt man nur, doch mit dem Tod der anderen muss man leben".

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen