Laurence Sterne - A Sentimental Journey Through France and Italy

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    Mit Sternes zweitem Meisterwerk nach Tristram Shandy soeben fertig geworden, möchte ich Euch meine Eindrücke nicht vorenthalten.


    Worum geht es? Yorick, dem aus Tristram Shandy bekannten Geistlichen, wird vorgehalten, er sei ja in seinem Leben noch nicht einmal in Calais gewesen. Von einer Sekunde auf die andere beschliesst er, dies zu ändern; er reist ab, und – da schon einmal unterwegs – will er gleich bis nach Rom reisen.


    Wer jetzt einen der konventionellen Reiseberichte erwartet, wie sie z.B. Sternes Zeitgenosse Smollett abgeliefert hat, wird enttäuscht. Auch Sterne ist zwar wie Smollett durch Frankreich und Italien gereist (die beiden haben sich sogar getroffen, schienen sich aber nicht zu mögen...), aber er lässt all die Denkmäler und kulturellen Sehenswürdigkeiten weg. Wenn Yorick die Parister Oper besucht, schildert er uns nicht die Aufführung, sondern wie auf den Stehplätzen ein kleinwüchsiger Franzose versucht an einem vor ihm stehenden deutschen Riesen vorbei einen Blick auf die Bühne zu erhaschen.


    Womit ich zum zentralen Begriff des Buchtitels komme. „Sentimental“ transportiert für den heutigen Leser genauso wie die deutsche Übersetzung „empfindsam“ eine Bedeutung, die dem Leser des 18. Jahrhunderts noch unbekannt war oder die er nur als Teil der Bedeutung von „sentimental“ empfand. Nicht das Larmoyante, Gefühlsselige und Gefühlsduselige steht im Vordergrund, sondern eine moralisch-erzieherische Komponente: den Menschen zum ethisch richtigen Handeln leiten durch (durchaus auch einmal larmoyantes) Aufzeigen von Missständen. „Aufzeigen“ das heisst hier Ansprechen des Gefühls und nicht des Verstandes.


    So kommen in diesem Text auch die äusserst „sentimentalen“ (im negativen heutigen Sinn!) Schilderungen der geistig verwirrten Maria oder eines gefangenen Vogels vor – immer wieder aber wird der Text "verdorben" durchmehr oder weniger zweideutig-schlüpfrige, mehr oder weniger amouröse Abenteuer des Yorick. Der hat zwar in England seine Geliebte Eliza, aber das hindert ihn nicht daran, immer mal wieder mit andern Damen und Dämchen anbandeln zu wollen. Sterne verlässt dabei an der sprachlichen Oberfläche nie die Wohlanständigkeit, umso faszinierender ist es, den Text quasi in polarisiertem Licht zu lesen.


    Wer Tristram Shandy kennt, kennt auch Yorick, der dort als Geistlicher des Bezirks eingeführt wird, in dem die Shandys leben. Yorick nimmt seinerseits auf Tobias und Walter Shandy Bezug, so dass sich die Frage stellt, ob diese empfindsame Reise eine Art Fortsetzung des Tristram sei. Allerdings benutzt Yorick bedeutend weniger Abschweifungen und dafür bedeutend mehr sentimentale Schilderungen.


    Das Buch wurde übrigens nicht beendet. Die Subskription lief auf 4 Bände, doch knappe zwei Monate nach dem Erscheinen der ersten beiden, ist Sterne gestorben. Und so endet die Reise damit, dass Yorick – gezwungen, sein Hotelzimmer mit einer Lady und deren Mädchen zu teilen, in einem nächtlichen Disput mit der Lady aus seinem Bett langt und


    I caught hold of the Fille de Chambre’s


    END OF VOL. II.

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

    Einmal editiert, zuletzt von fairy ()