Leo Tolstoi - Krieg und Frieden (Buch 2 - Teil 4)

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  • Dieser Teil beginnt mit einem wunderbaren ersten Abschnitt:
    Müßiggang sei ein paradiesischer Zustand, zu dem sich der Mensch auch nach der Vertreibung aus dem Paradies zurück sehnt, allerdings begleitet von dem unangenehmen Gefühl, dass Nichtstun Sünde ist. Also braucht man eine Situation, in der man während des Nichtstuns das Gefühl hat, seine Pflicht zu erfüllen. Und das findet man beim Militär! :breitgrins:
    (Nun sollte man wohl davon ausgehen, dass sich das eher auf die höheren Ränge bezieht, aber die Logik ist trotzdem klasse.)


    Nikolai jedenfalls genießt diesen paradiesischen Zustand, bis er nach Hause zurückgerufen wird: der finanzielle Ruin steht vor der Tür, wenn nicht ganz dringend etwas geschieht. Nur erweist sich Nikolai in diesen Dingen als ebenso unfähig wie sein Vater. Er durchschaut finanzielle Dinge ebenfalls nicht und ist dem Verwalter (und dessen mutmaßlichen Betrügereien) ausgeliefert wie die meisten anderen Adligen auch. Erst wird er dem Verwalter gegenüber handgreifich, und dann läuft alles weiter wie bisher :rollen: . Darin erinnert er mich an Pierre.


    Die folgenden Jagdkapitel haben mich dann ehrlich gesagt nur gelangweilt. Die hätten mMn ersatzlos gestrichen werden können. Einzig interessant ein Satz im 6. Kap.: Elagin hat einen hervorragenden Jagdhund gegen 3 leibeigene Familien eingetauscht :entsetzt: . So viel (bzw. wenig) sind also Menschen wert.
    Überhaupt finde ich es schade, dass die Lebensbedingungen der armen Leute nur in Nebensätzen mal erwähnt werden. Diese fände ich viel interessanter als langwierige Jagdbeschreibungen.


    Die abschließenden Kapitel mit der Beschreibung der Weihnachtsfeierei konnten mich dann aber wieder richtig fesseln. Vor allem die Schlittenfahrt im 10. Kap. ist unglaublich stimmungsvoll.
    Aber auch Nataschas innere Unruhe ist sehr gut nachvollziehbar geschildert. Allerdings beginne ich mit der Gräfin zusammen (Kap. 10), mir Sorgen um ihre Zukunft zu machen. So glatt wie bisher erwartet wird das mit ihr und Andrej vielleicht doch nicht verlaufen.


    Aber endlich hat sich Nikolai endgültig (?) für Sonja entschieden! Seine Mutter wollte ihn zwar lieber mit Julie Karagin verkuppeln - allein eine reiche Erbin könnte die maroden Familienfinanzen wieder auf die Beine stellen - aber Nikolai weigert sich. Hier weiß ich nicht, ob er richtig oder falsch handelt. Liebe schön und gut - aber eine Ehe benötigt auch eine ausreichende finanzielle Grundlage. Auch auf die Gefahr hin, von euch nur ungläubiges Entsetzen zu ernten, möchte ich ein biblisches Zitat abwandeln:
    "Der Mensch lebt nicht von Liebe allein" ist mein Standpunkt. Ständige Geldnot kann auch die tiefste Liebe zermürben, wie übrigens auch an der Ehe zwischen den alten Rostows sichtbar wird, die doch glatt nach x glücklichen Ehejahren beginnen, sich zu streiten. Und besser wird es mit den Finanzen für Nikolai garantiert nicht werden.
    Damit meine ich nicht, dass nur das Geld bei der Wahl eines Ehepartners eine Rolle spielen soll - absolut nicht! Aber eine Kombination von ökonomischer Sicherheit und Zuneigung ist mMn doch erstrebenswert.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Saltanah
    Das Jagdkapitel fand ich extrem langweilig. So gelangweilt hatte ich mich bisher in "Krieg und Frieden" noch nicht.
    Ich habe auch Augen gemacht, als die 3 leibeigenen Familien erwähnt wurden, die für einen Hund (!) eingetauscht wurden (worden waren? worden sind? Hilfe!)


    Nikolai ist bei mir gaaaaanz unten durch, seit er über 40.000 Rubel verspielt hatte. Hallo, gehts noch?! Da sagt ihm sein Vater, er solle vorsichtig sein, das Geld sei knapp - und was macht der Sohn?! Also nee, den hätte ich gekillt! Und der alte Graf macht sich selbst auch noch Vorwürfe, weil das Vermögen schwindet. Ich hätte den Sohn an seiner Stelle enterbt.
    Nach diesem finanziellen Durcheinander wird eigentlich klar, dass die Familie entweder bald betteln gehen oder Nikolai eine reiche Erbin heiraten muss. Jetzt hat er sich zwar mit Sonja verlobt, aber ich kann mir nicht vorstellen, dass das gutgeht...


    Natascha und Fürst Andrej
    Kommt diese Liebe zwischen den beiden noch jemandem seltsam vor? Je mehr ich davon lese, desto künstlicher erscheint sie mir. Ich habe das Gefühl, Natascha und der Fürst bilden sich ein, verliebt zu sein und handeln so, wie sie glauben, dass Verliebte handeln müssen. Ähm, versteht einer, was ich sagen will? :rollen: Das wird an der späten Stunde liegen :zwinker:


    ***
    Aeria


  • Natascha und Fürst Andrej
    Kommt diese Liebe zwischen den beiden noch jemandem seltsam vor? Je mehr ich davon lese, desto künstlicher erscheint sie mir.


    Ja, ich bekam auch immer mehr den Eindruck, dass da was nicht stimmt.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo,
    also bei mir sind die Bücher und Kapitel ganz anders aufgeteilt.
    Dieses Buch und dieser Teil sind bei mir Buch 3 Teil 1. Naja, egal.


    Kapitel 1-9
    Natascha ist glaube ich, einfach ziemlich oberflächlich. Ich bin mir auch nicht so sicher, ob sie Andreij wirklich liebt. Mir kommt es eher so vor, als würde sie sich mit einer Heirat in die Welt der Erwachsenen katapultieren wollen, ohne ein Ahnung von der wahren Liebe zu haben. Es scheint sie nicht sonderlich zu belasten das Andreij ein Jahr weg ist, sondern eher, daß die Hochzeit ien Jahr später stattfindet. Na, wir werden sehen.
    Andreijs Vater ist mir in diesem Teil auch ziemlich unsympathisch geworden. Er ist einfach ein frustrierter alter Herr, der glaubt, daß sein Land, in dem es sich mit Napoleon auf freundschaftlichen Fuß stellt, in das Verderben rennt. Er ist unzufrieden und läßt seinen Frust an den Menschen in seiner Umgebung ab.
    Diese Hetz-Jagd, fand ich ja einfach nur abartig. Ich finde es wiederwärtig, wenn sich Menschen begeistern, ein Tier oder generell Lebewesen zu Tode zu hetzen oder zu töten. Ich bin kein Vegetarier, aber ich finde es trotzdem abartig wenn jemand Freude am töten eines Lebewesens hat. Diese aristokratischen A...löcher, haben einfach sonst nichts zu tun und brauchen dann auf diese Weise den Kick, wenn sie mit unfairen Mitteln einem schwächeren Lebewesen auflauern und es qualvoll töten und erniedrigen.
    Ich mache jetzt eine Pause, denn ich merke, daß mir diese ganze Sippschaft, wieder absolut zuwider ist.


    Tina

  • [quote author=tina]
    Es scheint sie nicht sonderlich zu belasten das Andreij ein Jahr weg ist, sondern eher, daß die Hochzeit ien Jahr später stattfindet.[/quote]


    Ich hatte das Gefühl, dass es Natascha gegen den Strich ging, die "beste Zeit ihrer Jugend" einfach zu vergeuden. Deshalb tigerte sie auch unruhig durch Haus und brummte jedem irgendwelche Arbeiten auf.


    ***
    Aeria

  • Dieses durch das Haus rennen, die Dienerschaft unnötig hin und her scheuchen, nur weil ihr langweilig ist und sie die Bestätigung haben möchte, daß man ihr gehorcht. Nee, für so etwas habe ich keinerlei Verständnis. Dazu kann ich nur sagen, Natasha ist eine blöde, arrogante, verwöhnte Gans. So was geht mir absolut gegen den Strich und ganz besonders von jemandem, der in seinem ganzen Leben noch keinen Finger krumm machen muste, um zu leben.
    Tina

  • Dieser Teil passt eigentlich gar nicht so richtig ins Buch: Hier wird zum ersten Mal das Familienleben der Rostows geschildert und nicht nur der Ablauf irgendwelcher Abendgesellschaften. Und die Diener bekommen endlich auch mal etwas Gesicht, bisher waren die ja quasi unsichtbar.


    Die vier Kapitel über die Jagd fand ich auch langweilig, da hätte sich Tolstoi deutlich kürzer fassen können.


    Überraschend fand ich, dass Nikolai sich jetzt doch für Sonja entschieden hat. Früher (im 1. Teil?) war er doch von Julie ganz angetan. Und dass er Sonja nicht heiraten kann, hatte er auch schon eingesehen. Die Gräfin hat sich allerdings in Kapitel 8 aber auch ungeschickt benommen, als sie vom "Opferangebot" ihres Sohnes, Julie zu heiraten, nichts wissen will und es so darstellen will, als sei sie es, die ein Opfer bringt.


    Zitat von "Aeria"

    Ich habe das Gefühl, Natascha und der Fürst bilden sich ein, verliebt zu sein und handeln so, wie sie glauben, dass Verliebte handeln müssen.


    Natascha weiß wohl selbst nicht, ob sie Andrei liebt oder nicht. Und Andrei ist ein Mensch, der sich ständig etwas Neues sucht, aber nach einiger Zeit stets das Interesse verliert: Erst seine Frau Lisa, dann das Militär, dann die Arbeit an liberalen Reformen und nun Natascha. Das wird wohl nicht gut ausgehen - wenn die Heirat überhaupt zustandekommt: Ein Jahr ist eine lange Zeit ...


    Zitat von "Saltanah"

    Elagin hat einen hervorragenden Jagdhund gegen 3 leibeigene Familien eingetauscht :entsetzt:


    Im ersten Teil stand, dass Pierres Vermögen aus "vielen Millionen und 40000 Seelen (=Leibeigene) bestand"!


    Zitat von "Saltanah"

    Aber eine Kombination von ökonomischer Sicherheit und Zuneigung ist mMn doch erstrebenswert.


    Das sehe ich ganz genauso! Schon deswegen, weil heutzutage (in Deutschland) die Hälfte aller Ehen geschieden werden. Deshalb sollten beide Ehepartner auch in der Lage sein, auf eigenen Füßen zu stehen!


    Zitat von "tina"

    also bei mir sind die Bücher und Kapitel ganz anders aufgeteilt. Dieses Buch und dieser Teil sind bei mir Buch 3 Teil 1. Naja, egal.


    Die Buchaufteilung ist ganz unterschiedlich, ich habe Ausgaben mit 2, 4 und 6 Büchern gesehen. Die Erstauflage von 1869 hatte noch 6 Bücher, die gekürzte von 1873 4 Bücher. Später hat man dann die Erstauflage in 4 Bücher aufgeteilt. Und meine Ausgabe hat überhaupt keine Aufteilung in Bücher, nur 15 Teile.

    [size=9px]Paul ist 24 Jahre alt. Er ist doppelt so alt, wie Thomas war, als Paul so alt war, wie Thomas heute ist. Wie alt ist Thomas ?[/size]