Cormac McCarthy - Die Straße

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  • Ich hatte das Buch 2010 gelesen und war zutiefst beeindruckt. Mehrere Sachen hatten mir damals besonders gefallen: zum einen der absolut reduzierte, spartanische Stil, der gewissermaßen die Situation widerspiegelt: nur Asche und Tod und wenig Hoffnung. Auch dass wir über die Vorgeschichte und die eigentliche Katastrophe praktisch nichts erfahren, fand ich durchaus stimmig: es ist eine geradezu archetypische Situation, in die die beiden Hauptfiguren geworfen werden; hätte McCarthy das ganze mit allen möglichen Details ausgeschmückt, wäre daraus nur eins von vielen Post-Apokalypse-Büchern geworden, so ist es eine Art Kammerspiel über die conditio humana schlechthin.


    Ein weiterer bemerkenswerter Punkt ist, dass das Buch trotz aller Düsternis eigentlich ein hoffnungsvolles Buch ist: der Vater schafft es eben doch, entgegen aller Widernisse, seine Menschlichkeit zu bewahren und seinen Sohn zu beschützen,


    Und das ist der dritte starke Punkt dieses Buches: dass hier ein uneingeschränkt positives Bild des Vaters gezeichnet wird. In der heutigen Literatur kommen Väter ja nicht sehr gut weg: entweder sie haben sich aus dem Staub gemacht, oder sie sind Tyrannen, mit denen man abrechnen muß. Hier aber hat er die geradezu archaische Funktion des Beschützers, und keiner, der selber Kinder hat, wird seine Sorge um seinen Sohn unbewegt lesen.


    Es gab auch einige Stellen, mit denen ich meine (logischen) Probleme hatte: da war die eine Stelle, wo sie in einem Garten noch Jahre nach der Katastrophe noch essbare Äpfel unter der Asche finden. Entweder soll dies eine Metapher sein, die sich nicht um die Unmöglichkeit dieses Fundes schert, oder es ist nachlässig geschrieben. Ein anderer Punkt ist das viel zitierte Verliess mit den lebenden "menschlichen Vorräten". Welchen Sinn macht es, Menschen (notwendigerweise mit Nahrungsmitteln) am Leben zu erhalten, wenn ich diese Nahrungsmittel selber essen könnte. Das scheint mir auch, zugunsten eines starken Bildes (der Mensch ist dem Menschen ein Wolf), etwas unlogisch gedacht.


    Nichts desto trotz war dies eines der stärksten Bücher der letzten Jahre


    Morwen

    "What we remember is all the home we need."

    Roberet Holdstock, Avilion


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  • Inhalt:


    Ein Vater und sein Sohn schleppen sich durch eine zerstörte Welt. Kälte, Hunger, Angst begleiten sie. Ihr Ziel ist der wärmere Süden. Doch wo will man noch hingehen, wenn es nichts mehr gibt?


    Meine Meinung:


    Cormac McCarthys Abhandlung über das Ende der Welt ist kurz und eindrücklich. Vielleicht werde ich mich in ein paar Jahren nicht mehr an die eigentliche Handlung der Reise erinnern, aber bestimmt immer an die düsteren Bilder, die das Buch zeichnet.


    Was passiert ist, wird nicht gesagt. Denn für Vater und Sohn ist es irrelevant. Es geht nur darum, dass es passiert ist. Der Rest ist Überleben. Traue niemanden, helfe niemanden, sei immer vorsichtig.
    Die Erde ist kaputt, Asche fliegt durch die Luft, nichts wächst mehr. Lebensmittel sind rar. Städte geplündert, die Strassen voller Leichen.


    Der Autor beschreibt den Weg seiner Protagonisten kurz und knapp, als ob sogar Worte Mangelware wären. Dadurch schafft McCarthy eine Intensität, die sich sofort auf den Leser überträgt. Die Erlebnisse der Figuren sind in kurzen, fast episodenhaften Abschnitten geschildert. Teilweise sind zeitliche Lücken dazwischen, sodass man Leser rasch schalten muss.


    Die Angst liest immer mit. Es sind grauenhafte Bilder, Szenen, die da Gestalt annehmen. Traurige Gespräche, aber dennoch gehen Vater und Sohn immer weiter. Schliesslich müssen sie das Feuer bewahren.


    Fazit:


    Ein sehr eindrückliches Buch, das seine Spuren hinterlässt. Teilweise sehr harter Tobak. Aber es war jede Seite Wert und ich bin froh, dieses berühmte Werk endlich gelesen zu haben.


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    4ratten

    //Grösser ist doof//

  • Inhalt
    In einem abgebrannten, apokalyptischen Amerika ist ein kranker Vater mit seinem kleinen Sohn unterwegs. Sie sind auf dem Weg zur Küste, in der Hoffnung, dass es dort besser, wärmer, weniger grau sein könnte als dort, wo sie jetzt sind. In einem alten Einkaufwagen schieben sie ihre Habseligkeiten vor sich her, immer auf der Hut vor anderen Menschen, denn in dieser grauen Welt kann man längst niemandem mehr trauen. Bestenfalls sind die Menschen neutral, in den meisten Fällen aber sind sie Kannibalen, und wer wie ein Mensch aussieht hat vielleicht nichts Menschliches mehr an sich.
    Der Weg zur Küste ist lang und gefährlich, und Vater und Sohn müssen mehr als einmal in Deckung gehen.


    Meinung
    Der Roman ist ein Schlaglicht der Apokalypse. Man erfährt nicht, wie es zu dieser eintönigen, hoffnungslosen Welt kam, und aus Sicht der Protagonisten ist auch keine Besserung in Sicht. Nur das ferne Ziel der Küste ist Hoffnungsschimmer und Antrieb, doch was danach passieren soll oder wird, darüber machen sich Vater und Sohn erstmal wenig Gedanken.
    Man erfährt weder die Namen der beiden, noch das Alter des Jungen, für die Geschichte ist das allerdings unerheblich. Durch die eindringliche, z.T. knapp gehaltene Sprache fühlt man sich Vater und Sohn stark verbunden, friert und hungert mit ihnen, fürchtet sich mit ihnen in der Nacht und hofft auf einen besseren Tag.


    Die Straße macht ihrem Genre der Dystopie alle Ehre: düster, hoffnungslos und beklemmend. Immer wieder die Frage, was menschlich ist und wie man „die Guten“, wie der Sohn es nennt, bleiben kann. In diesem neuen Amerika ist der Kleine der Inbegriff von Werten wie Mitgefühl und Hoffnung, die den anderen schon lange abhanden gekommen sind, und man fragt sich, wie lange er sich das noch bewahren kann.


    Fazit
    Ich habe dieses Buch unfassbar genossen und kann es nur wärmstens weiterempfehlen, immerhin hat es sich auf die Liste meiner Lieblingsbücher katapultiert. Gerade Leser, die düstere Dystopien mögen und nicht zwingend ein geschlossenes, möglichst glückliches Ende brauchen sind mit Die Straße gut beraten.


    5ratten


  • Sehr gut fand ich das Buch auch, aber genossen? Dieses Wort würde ich mit dem Roman nicht in Verbindung bringen.


    Hm, ich weiß was du meinst. Aber auch wenn es sehr düster und zuweilen einfach brutal ist, von der Story her, vom Sprachstil und tatsächlich auch von der Stimmung her kann ich es nicht anders beschreiben. Ich liebe aber auch Dystopien, und bei dem Kram, der zur Zeit in diesem Genre veröffentlicht wird, war ich auch einfach froh, endlich wieder so ein Kaliber in der Hand zu haben...

  • Das mit dem Kaliber unterschreib ich sofort. Das Buch ragt wirklich heraus. Jedes Jahr hoff ich, dass er den Nobelpreis bekommt :breitgrins:

  • Hahaha, das wäre toll. Ich bin seit diesem Buch frischer Fan (habe ich ja erst diesen Januar gelesen) und meine Wunschliste hat noch drei McCarthys ganz oben. Ich muss jetzt noch zwei Bücher beenden, dann kann ich mich endlich an den nächsten Roman von ihm setzen :breitgrins:

  • Meine Meinung


    Ich fand das Buch auch sehr gut, aber in solche Lobeshymnen wie viele der Vorschreiber kann ich mich nun auch nicht anschliessen, da gibt es einfach sehr viele, sehr viel bessere Bücher.


    Vielleicht bin ich nach diesem Semestern des Lesekreises das "Dystopien" zum Thema hatte auch gesättigt, was das anbelangt. Denn letztendlich geht es ja immer wieder um das Gleiche - wie man in einer zerstörten Welt überlebt.
    Die Überlegungen sind immer die Selben - Menschen fressen oder nicht, herumziehen oder siedeln, was ist wirklich wichtig im Leben und zum Überleben.


    Hier liegt nun ein Buch zu diesem Thema vor, das handwerklich sehr hochwertig ist, was man ansonsten in dem Bereich eher selten findet, da die Bücher in der Regel eher auf Schocker (ok, die gab es hier auch :entsetzt: ) und Action setzen - zu Lasten des Schreibstils.


    Daher gibt es von mir


    4ratten


    Jetzt steht mir noch ein Buch zum Thema bevor. Dann reicht es aber auch langsam! :zwinker:

    Viele Grüsse,

    Weratundrina :verlegen:


    Help me, help me ~ Won't someone set me free? ~ There's no right side of the bed ~ With a body like mine and a mind like mine

    ~ IDLES ~


  • Obwohl ich McCarthy liebe, habe ich lange gewartet damit. Als ich es vorletzten Monat las, fand ich es dann doch ein mehr als gelungenes Stück. Und als Dystopie funktioniert es auch besser als aktuell Boualem Sansals "2084 - Das Ende der Welt" das doch ein Stück Kopfliteratur ist im Vergleich zu "Die Straße". Auf Lesen & Lebenskunst sind beide besprochen.

  • Ich habe mich - obwohl Dystopie-Fan - lange um das Buch gedrückt, weil ich immer wieder gelesen habe, dass es so erschütternd und deprimierend sei. Ich kann jetzt nachvollziehen, was die Leser damit meinen, mir ist es aber ganz gut gelungen, mich beim Lesen immer wieder so weit zu distanzieren, dass es für mich ein Buch blieb und nicht zu real wurde.


    Es waren schlussendlich auch nicht die schockierenden Szenen des Buches - siehe Spoiler bei den anderen Rezensionen -, die mir zu schaffen machten, sondern die grundlegende Hoffnungslosigkeit. Mehr als einmal habe ich mir beim Lesen die Frage gestellt: "Wozu eigentlich?". Die unbeschriebene Katastrophe hat die Welt völlig unfruchtbar und leblos zurückgelassen, auch Lebensmittel in Dosen sind nicht unendlich und es scheint nicht so, als würde sich daran innerhalb eines Menschenlebens großartiges ändern. Aus dieser Perspekte konnte ich die Ehefrau also sehr gut verstehen.
    Zu dieser Hoffnungslosigkeit passt McCarthys Stil natürlich perfekt. Manchmal musste ich Dialogzeilen aber öfter lesen, um herauszufinden, wer was gesprochen hatte.


    Das Ende habe ich für mich so interpretiert, dass


    Das Buch wird mir sicher als herausragend in Erinnerung bleiben.

    “Grown-ups don't look like grown-ups on the inside either. Outside, they're big and thoughtless and they always know what they're doing. Inside, they look just like they always have. Like they did when they were your age. Truth is, there aren't any grown-ups. Not one, in the whole wide world.” N.G.