Jonathan Hull - In der Ferne die Normandie

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  • Titel: In der Ferne die Normandie
    Originaltitel: The Distance From Normandy
    Autor: Jonathan Hull
    Verlag: DTV
    Erschienen: April 2007
    Seitenzahl: 432
    ISBN: 3423209747
    Preis: 9.90 EUR


    Der Autor:
    Jonathan Hull arbeitete zehn Jahre lang für das „Time Magazin“ und erhielt für seine journalistische Arbeit verschiedene Auszeichnungen. Er lebt mit seiner Frau und seinen beiden Kindern in Marin County, Kalifornien.


    Worum geht es?
    Der sechzehnjährige Andrew, soeben von der Schule geflogen, wird für einige Monate zu seinem Großvater geschickt. Andrew ist mit einem Messer auf einen Mitschüler losgegangen. Der brummige alte Mann ist ein Außenseiter wie sein Enkel. Die Eskalation scheint vorprogrammiert. Der Großvater beschließt zu handeln, und nimmt seinen Enkel mit auf eine Europareise. Eine Reise in die Vergangenheit, wenigstens für den Großvater, der als Fallschirmjäger in der Normandie mit dabei war.


    Meine Meinung:
    „Feinfühlig und bewegend schreibt Jonathan Hull über zwei Menschen aus ganz unterschiedlichen Welten und Generationen, die sich allmählich näherkommen“ – so beschreibt der Klappentext dieses Buch. Diesem Urteil kann man sich nur anschließen. Das Buch ist wirklich sehr feinfühlig geschrieben, dabei driftet es aber niemals in kitschige, sentimentale Sphären ab. Hull beschreibt die Einsamkeit seiner Hauptfiguren, eine Einsamkeit die zu tiefen Gräben geführt hat und wo kaum noch ein Brückenschlag gelingt. Andrew aber auch sein Großvater Mead müssen aufeinander zugehen, nur langsam setzt sich bei ihnen diese Erkenntnis durch – doch nach und nach lernen sie auch gegenseitiges Verstehen. Mead leidet sehr unter dem Tod seiner Frau, Andrews Großmutter, Andrew leidet sehr unter dem Tod seines besten Freundes Matt, der den denkbar schlechtesten Weg aus seinen Problemen wählte und Selbstmord beging. Hull versteht es, die Empfindungen von Großvater und Enkel deutlich zu machen, wobei er nie mit dem emotionalen Holzhammer werkelt. Es ist aber auch ein Buch, dass über das Abtragen einer früheren Schuld berichtet und den Versuch diese Schuld abzutragen. Ein sehr lesenswertes Buch, mit einigen sehr emotionalen Passagen.


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  • Hallo!
    Habe das Buch vor zwei Tagen beendet und meine erste Rezi überhaupt darüber geschrieben....hoffe sie gefällt euch. Infos über den Autor lasse ich hier aus, ebenso Seitenzahlen und Co - habe genau die selbe Ausgabe wie "Nichtraucher" :winken:



    In der Ferne die Normandie


    Hatten Sie schon mal das Gefühl, dass die ganze Welt ein einziger Witz ist, die sich über Sie lustig macht? Kennen Sie das Ohnmachtsgefühl dem Ganzen nichts entgegensetzen zu können? Keine Hoffnung mehr zu haben? Haben Sie sich schon mal hässlich gefühlt und ungeliebt? Verlassen?
    Natürlich kennt ein jeder diese Tage in denen man in genau diesen Gefühlen zu ersticken droht, doch meist wird es besser. Meist.
    Jonathan Hull erzählt in seinem Werk „In der Ferne die Normandie“ die Geschichte eines gewöhnlichen Jungen. Es ist eine Geschichte die sich sicherlich schon oft in den Vereinigten Staaten abgespielt hat:
    Unglücklicher, von den Schulkameraden verachteter und gehänselter Junge, wird vom Vater verlassen, Mutter ist ein nervliches Wrack. Zu wenig Geld, zu wenig Ansehen, zu wenig Leben. Und dann der Amoklauf.
    Viel zu oft lesen wir davon in den Zeitungen – „Jugendlicher bedroht Mitschüler mit Messer“. Haben Sie sich schon mal gefragt warum der Amokläufer „es“ getan hat? In diesem Buch finden Sie die Antwort.
    Andrew wird – und das muss man Hull hoch anrechnen – nie zu einem Märtyrer stilisiert. Er ist sich seiner Taten durchaus bewusst, seine Rechtfertigungen leuchten teilweise ein, ein anderes Mal klingen sie nur scheinheilig, als würde er sich selbst etwas vormachen. Er bereut nichts, er ist nicht einsichtig, er trinkt Alkohol, raucht Gras, stiehlt Cds. Andrew ist kein Engel – er ist menschlich. Und genauso wird er dargestellt.
    Schließlich verbannt Andrews Mutter ihren Schützling zu dessen Großvater. Mead hat auch seine Probleme – genauso wie Andrew. Die beiden leben nebeneinander her, jeder verstrickt in seine eigenen Probleme und Ängste. Bis sie entdecken dass sie gar nicht so verschieden sind.
    Dieser Roman lässt nicht viel Platz für großartige Kritik. Ein störender Faktor war jedoch, dass der Autor zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit (von der es wiederum zwei gibt – die des jungen Großvaters im zweiten Weltkrieg und die Kindheit Andrews) herumspringt und scheinbar nicht zur Ruhe kommt. Das ist schade, da das Werk in einem sehr ruhigen, unaufgeregten Stil geschrieben ist, der durch diese Störungen nicht ganz zur Geltung kommen kann.
    Dieser Roman hat keine Lösung parat. Es wird nicht moralisiert, nicht gewertet. Die Situation ist nun mal die, in der wir gerade stecken, und daran lässt sich nichts ändern.
    „„Es gibt immer einen Ausweg“, sagte Mead. „Meistens sieht es schlimmer aus als es ist. Und alles geht vorüber. Alles.““
    In diesem Zitat liegt das Fazit dieses außergewöhnlichen Buches, dies ist die kleine Nachricht die uns Jonathan Hull mit auf den Weg gibt.


    Es geht um Liebe und Verständnis, es geht darum loslassen zu können. Es geht um den Krieg – sei es auf dem Schlachtfeld in der Normandie oder auf der Junior High in New York. Und es geht darum, mit der eigenen Vergangenheit und Schuld fertig zu werden.


    Jonathan Hull hat es geschafft – ohne Kitsch und Sentimentalität hat er uns gezeigt wie man auch den schlechtesten Tag, das schlechteste Monat oder sogar Jahr überstehen kann. Er hat es geschafft uns zu zeigen warum es sich lohnt zu leben.

    :leserin: Lenz: Der Hofmeister<br />:leserin: Bronte: Sturmhöhe

  • Mir hat dieses Buch auch sehr gefallen.
    Andrew und Mead könnten verschiedener nicht sein und sind sich trotzdem sehr ähnlich. Es ist faszinierend zu beobachten, wie sich beide langsam einander nähern und schließlich gegenseitiges Verständnis erreichen. Dabei wird nie behauptet, daß einer der beiden im Unrecht wäre - beide Standpunkte sind gerechtfertigt, wenn der Leser auch, je nach Alter, zu einer von beiden Seiten tendieren wird. Die Kriegserlebnisse von Mead sind dabei natürlich eindringlicher als die Schulprobleme von Andrew.
    Das Ende der Geschichte ist sehr gelungen, auch wenn Andrews Sicht von Deutschland deutsche Leser etwas seltsam anmuten wird, aber schließlich ist es eine Geschichte, die aus amerikanischer Sicht erzählt wird.


    Übrigens hat mir der erste Roman des Autors, "Damals, die Liebe", sogar noch beser gefallen. Darin geht es allerdings um die Erlebnisse eines alten Mannes im ersten Weltkrieg. :smile:

    viele Grüße<br />Tirah

  • Mit diesem Buch hab ich schon geliebäugelt...momentan hab ich aber so viel zu lesen, dass ich mir nicht noch eines zulegen will....und bei amazon ist es ja relativ billig zu bekommen. Aber wenn du sagst, dass es sogar noch besser ist, als "In der Ferne die Normandie" werde ich es mir wahrscheinlich im Juli dann kaufen...da sollte ich schon einige Bücher "abgearbeitet" haben.


    Und ja, ich fand es auch ein bisschen komisch, wie viel Angst Andrew vor den Deutschen hat, und wie er auch im Nachhinein sagt, dass das alles noch immer Nazis sind. Ich weiß ja nicht, wie ernst das die Leute in den USA nehmen, vielleicht glauben sie es ja sogar :sauer:


    lg, Callista

    :leserin: Lenz: Der Hofmeister<br />:leserin: Bronte: Sturmhöhe

  • Hallo,


    die Beschreibung über das Buch hört sich wirklich gut an.


    Ich werde es zumindest auf meine Wunschliste setzen.



    Gruß


    gretchen

  • Meads Enkel Andrew hat Mist gebaut, großen Mist. Er hat in der Schule einen Mitschüler mit einem Messer bedroht und ist nun natürlich von der Schule suspendiert. Mead weiß, dass seiner Tochter keine Lösung für dieses Problem einfallen wird, ist sie doch mit ihrem eigenen Leben schon beinahe überfordert. Spontan beschließt er, dass sein Enkel die Zeit bei ihm verbringen wird, er wird schon einen ordentlichen Kerl aus dem Jungen machen, da ist er sich sicher.


    Der Leser merkt schnell, dass seine verstorbene Frau für ihn immer der Faden zum Leben war, zur Aktivität, alleine versinkt er nur in Gedanken. Sein Enkel erinnert ihn dann daran, wie es war als er jung war und jung bedeutet für ihn die Zeit, die er im 2. Weltkrieg verbracht hat und die ihn schnell hat erwachsen werden lassen. So fällt es ihm schwer eine gemeinsame Basis mit Andrew zu finden, der genauso wenig Verständnis für ihn zeigen kann. Mead merkt fast zu spät, dass Andrew nicht verstockt, sondern verzweifelt ist. Die Darstellung der Gefühlswelten war gut geschildert und es gab ein paar wirklich ergreifende Szenen und das Geheimnis zum Glück oder manchmal auch nur zu gerade soviel Veränderung, dass das Leben immerhin erträglich wird, ist einfach nur miteinander zu reden und Verständigung zu suchen , aber auch das Verständnis und die Nähe anderer zuzulassen. In dieser Hinsicht hat mir das Buch wirklich gut gefallen.


    Aber wirklich negativ habe ich die Beschreibungen der Deutschen empfunden. Sollte Andrew jetzt eine negative Ausnahme darstellen oder glaubt der Autor selber den Mist, den er seine Figur da verzapfen lässt? Andrew hält Deutschland nämlich für ein gefährliches Pflaster, voller mordlustiger Nazis („Es ist hier wie auf dem Todesstern aus dem Krieg der Sterne. Hätte mir lieber ein Messer mitnehmen sollen“). Da er aber Andrews Sichtweise nicht aufklärt oder kommentiert, habe ich ja die böse Befürchtung, dass so ein Mist der Allgemeinbildung in den USA entnommen ist. Ein bisschen mehr Recherche zu Deutschland wäre jedenfalls nicht verkehrt gewesen. Die Suche der beiden Figuren nach einer Person in Deutschland kam mir schon auf Anhieb etwas komisch vor, ich habe dann mal grob überschlagen: Bei durchschnittlich 1,5 % Müllers im Telefonbuch, dürfte der Ort, den die beiden schließlich aufsuchen, mit 3 vorhandenen Müllers ziemlich genau 200 Einträge insgesamt im Telefonbuch haben, also wohl eine Einwohnerzahl von deutlich unter 1000. Das ist doch keine Stadt, da kennt doch eh jeder jeden, da braucht man keinen Stadtplan und das Kaff hat vermutlich auch keinen Autoverleih. So ein Quatsch! Leider macht mir so etwas erst bewusst, welchen Mist man vermutlich bei exotischen Romanen für bare Münze nimmt, weil man es nicht besser weiß und dem Autor seine Vorurteile einfach abkauft.


    So muss ich dem Jonathan Hull bei der Benotung jedenfalls ein paar Punkte abziehen, es hätte ein ganz großes Buch werden können.


    4ratten