Die Herrin von Wildfell Hall von Anne Bronte
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Dieser Roman trägt ein besonderes Merkmal. Er wird einerseits in Briefform eines männlichen Protagonisten, Gilbert, erzählt, was den Rahmen der Handlung ausmacht, und die Binnengeschichte wird in Tagebuchform von der weiblichen Protagonistin, Helen geschildert. Damit schlüpft die Autorin in beide Geschlechter, kann Missstände offen darlegen, und erreicht ein Hohes Maß an Authentizität.
Im Jahr 1827 wird das alte Anwesen „Wildfell Hall“ von einer jungen Witwe bezogen. Jedoch werden nur wenige Räumlichkeiten wohnlich eingerichtet, denn diese Dame muss sich ihren Unterhalt durch den Verkauf ihrer Malereien selber finanzieren. Das Interesse ihrer Nachbarn wird schnell geschürt, und wohl oder übel muss sich Helen dieser Neugier stellen. Ihr kleines Geheimnis, dass sie einen Sohn hat, kommt dabei rasch heraus, auch dass sie ihn umhegt wie einen Goldschatz, wird schnell belächelt. Ferner wird von ihr die Tradition der gegenseitigen Besuche gemieden, sowie sie die sonntägigen Kirchenbesuche oft ausfallen lässt. Durch ihr mysteriöses Verhalten entstehen im Handumdrehen arge Gerüchte, und im besonderen Maße bei der weiblichen Bevölkerung. Denn schnell erkennen diese, dass der ehrhafte, die gute Partie im Umkreis, Gilbert, ein Auge auf diese Dame geworfen hat.
Aus dieser Situation heraus entwickelt sich die Konstellation der Handlung, eine Liebesgeschichte im 19. Jahrhundert, und ein Katz.-und Mausspiel mit vielen Verzwickungen.
Im Gegensatz zu ihren Schwestern schreibt Anne ganz frei über das lasterhafte Treiben der männlichen Figuren: Die Trinksucht, Untreue und die unmoralische Lebensführung. Der Kontrast zwischen Moral und diesen Eigenschaften wird offen dargelegt, aber ohne dass dabei der Leser sich von dieser Gottergebenheit belustigt fühlt, was bei „Villette“ von Charlotte Bronte ab und an der Fall ist. Die Frömmigkeit von Helen wird innerhalb des Romans schon belächelt, so dass man sich eindeutig auf ihre Seite schlägt.
Des Weiteren beschreibt Anne einen Ausweg aus dieser Situation, in dem sie die weibliche Protagonisten zur Künstlerin erhebt, die sich ihren eigenen Unterhalt verdienen kann. Was zur Folge hatte, dass der Roman damals herbe Kritik einstecken musste.
Einen kleinen Schönheitsfehler beinhaltet das Buch. In dem der Briefschreiber diese Geschichte seinem besten Freund schildert, wirkt das Ende ein wenig unglaubwürdig. Aber das ist auch schon alles was man an diesem Roman kritisieren kann.
Meiner Meinung nach kann dieses Werk durchaus mit den großen Werken ihrer Schwestern: „Jane Eyre“ und „Sturmhöhe“, mithalten. Die Naturbeschreibungen von Anne sind wunderschön, und decken sich in jeder Hinsicht mit der Handlung. Ganz besonders gut gefallen hat mir Annes Offenheit, wie sie ohne zu zögern an die Probleme des 19. Jahrhunderts heran gegangen ist. Die Sprache der Autorin ist mit der Sprachbegabung ihrer Schwestern gleichzusetzen. Insgesamt eine uneingeschränkte Leseempfehlung und ein Zeitzeugnis!
Dem Nachnamen das Trema spendiert. LG Aldawen