V: Malintzin of the Maquilas:
Diese Geschichte hat mich nicht so sehr beeindruckt wie die vorhergehenden, was an dem einfacher zugänglichen Stil lag. Inhaltlich hat sie mir aber - bis auf die auch von euch kritisierte Szene mit dem toten Kind - gut gefallen. Diese Szene hätte besser zu einem Roman von Charles Dickens gepasst, an den ich immer denken muss, wenn es um das Elend von Fabrikarbeitern geht. Verglichen mit den ArbeiterInnen im England des 19. Jh. scheint es den Arbeiterinnen hier aber verhältnismäßig gut zu gehen. Sie hungern immerhin nicht und können sogar den Arbeitsplatz wechseln, wenn sie merken, dass die eintönige Arbeit zu gesundheitlichen Schäden führt. Es könnte also viel schlimmer sein - aber auch viel besser. Von sozialer Absicherung kann nun wirklich die Rede sein; Krankheit oder Arbeitsunfall bedeuten das Aus, falls keine Familie da ist, die die Erkrankte auffangen kann. Und gerade da sieht es eher schlecht aus. Die alten Familienbande sind bei vielen zerrissen und neue nicht geknüpft, was ja auch zum Tod des Kindes geführt hat. Von daher ist die Szene doch nicht ohne Bedeutung.
Dass Barroso sich keinen Deut um die Situation seiner Arbeiterinnen schert und es ihm nur um den maximalen Gewinn bei minimalem Einsatz geht, überrrascht nicht wirklich. Und wenn die Arbeiter gerade da wohnen, wo man so schön einen neuen Industriepark hinbauen könnte, dann ist das eben deren Pech. Die Bedenken des Amis, der doch leichte Gewissensbisse angesichts der Situation der Arbeiter hatte, werden durch die Aussicht auf einen großen Gewinn sehr schnell zerstreut.
Ein Rätsel war mir der Titel, also habe ich gegoogelt und bin auf folgendes gestoßen:
Malintzin (=Malinche):
ZitatLa Malinche (* ca. 1501 nahe Coatzacoalcos; † ca. 1529 in Mexiko-Stadt), indianisch Malintzin oder Malinalli genannt, und von den Spaniern auf den Namen Marina getauft, spielte als Übersetzerin und Geliebte des spanischen Eroberers Hernán Cortés eine bedeutende Rolle während dessen Eroberungsfeldzug in Mexiko.
Im heutigen Mexiko genießt die Indianerin Malinche eine sehr geteilte Wertschätzung, manche sehen in ihr sogar eine der umstrittensten Frauen der Weltgeschichte. Während die nach der Eroberung verfassten aztekischen und tlaxkaltekischen Chroniken noch ein positives Bild von Malinche zeichneten, steht seit dem Aufkommen des mexikanischen Nationalismus im 19. Jahrhundert der Begriff malinchismo für den Verrat am eigenen Volk. Andere Mexikaner sehen in ihr, der Mutter der ersten historisch belegten Mestizen, eine Art Mutter der Nation (die Mestizen stellen heute die Mehrheit der mexikanischen Bevölkerung).
(Ausschnitte aus dem Wikipedia-Artikel, meine Hervorhebung)
Wieso Fuentes seine Protagonistin allerdings so nennt, ist mir nicht ganz klar. Ist Marina für ihn die Inkarnation der modernen mexikanischen Fabrikarbeiterin und die Mutter eines neuen Volkes oder ist sie eine Verräterin an den Traditionen der mexikanischen Landbevölkerung?