Leo Tolstoi - Anna Karenina (Teil 8)

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  • Bin vor zwei Tagen fertig geworden (endlich :redface: ).
    Nicht, dass mir der Roman überhaupt nicht gefallen hätte, aber zu meinen Lieblingsbüchern wird er wohl nie zählen. Die Story um Anna war sehr interessant, ich habe richtig mitgefiebert. Aber Lewin empfand ich von Anfang bis Schluß einfach nur als lästig. Ich frage mich, was diese beiden Geschichten miteinander eigentlich zu tun haben. Oder wollte Tolstoi uns einfach Gegensätze vor Augen führen?


    Anna Karenina ist ein starker Charakter, der sich der Gesellschaft auf eine Weise widersetzt, die einfach übel enden musste. Ich hatte während des Lesens immer Mitleid mit Anna.
    Schön fand ich, dass Tolstoi den Leser an den Gedanken seiner Figuren so ausführlich teilhaben lässt (ok, bei Lewin war das nicht so toll).
    Auch die Charakterisierungen der Personen haben mir gefallen, z. B. wird Karenin so beschrieben, dass man ihn manchmal einfach verachten muss.


    Ich habe an der Leserunde leider nicht so aktiv teilgenommen, wie ich es geplant hatte :rollen: . Ich habe schnell gelesen und wußte manchmal nicht, welchen Teil ich gerade lese.


    ***
    Aeria

  • Dies ist das erste Buch wo ich mir ernsthaft am überlegen bin es 30 Seiten vom dem Schluß in die Ecke zu knallen.
    Der 7. Teil war so gut und nun ist Anna tot und ich muss den gesamten 8. Teil Ljewins geschwafel ertragen. HIIIILFE ich kann nicht mehr :entsetzt:.
    Was will mir der Typ eigentlich sagen ich verstehe ihn nicht? Was ist eigentlich sein Problem?
    Wronski wird noch mal kurz erwähnt er leidet, also hat Anna ja ereicht was sie wollte, und geht in den Krieg. Seine Tochter kommt zu Karenin, dass habe ich mir schon die ganze Zeit gedacht, warum Karenin die Kleine aber so in sein Herz geschlossen hat frage ich mich doch. Ich halte ihn für solche Gefühle gar nicht fähig. Oder er hat Anna wirklich geliebt.

  • Huch, was ist denn das? Das war meine erste Reaktion auf Sergeij Iwanowitschs Enttäuschung. Einen so radikalen Wechsel hatte ich nach Annas Tod nicht erwartet. Einerseits ist es schön, dass als Kontrast zu dem emotional sehr mitreißendem Ende des 7. Buches eine ganz ruhige Szene folgt, aber ich wollte doch von der Reaktion der Umwelt lesen!
    Sergeij fährt zum Bahnhof und ja - hier werden Reaktionen angedeutet: Wronski psychisch sehr mitgenommen (wunderbar, geschieht ihm recht!), Stiwa hat wichtigeres im Kopf als den Tod seiner Schwester (typisch für ihn), und da Sergeij auf dem Weg zu seinem Bruder ist, werden wir wohl auch von den Reaktionen der anderen näheres erfahren.


    Dachte ich - aber von wegen :grmpf: . Mit keinem Wort wird angedeutet, was sie von Annas Tod halten. Statt dessen erfahren wir von Lewins seelischem Leiden (der Ärmste!) und seinem schließlichem Finden zu Gott.
    Nun gut, keine Reaktion ist auch eine Reaktion. Soll die völlige Nichtbeachtung von Annas Leiden und Sterben deren Bedeutungslosigkeit zeigen? Will Tolstoi damit sagen, dass es wichtigere Dinge im Leben gibt als die Verzweiflung einer Frau, die an den gesellschaftlichen Bedingungen zugrunde geht? Dass sie sich das alles hätte ersparen können, wenn sie den richtigen Weg (nämlich Lewins) gegangen wäre? Lewin scheint mir ja sowieso die eigentliche Hauptperson dieses Romans zu sein, was mich fragen lässt, wieso das Buch nicht "Konstantin Lewin" heißt. Vermutlich war das ein Zugeständnis an Tolstois Leserschaft, die eher von unglücklicher Liebe als von den Seelenqualen eines Idioten lesen will.
    Nein - lange Zeit habe ich trotz meiner Abneigung von Lewin seinen Handlungsstrang ebenfalls für wichtig gehalten, aber dass in den letzten Zügen des Buches die Titelfigur völlig ignoriert wird, kann ich nicht gutheißen. Irgend etwas ist hier schiefgelaufen, und das finde ich sehr schade.


    Dies ist das erste Buch wo ich mir ernsthaft am überlegen bin es 30 Seiten vom dem Schluß in die Ecke zu knallen.

    Genau!


    Trotzdem hat mir das Buch alles in allem gut gefallen, ein ganzes Stück besser als "Krieg und Frieden". Die Figuren sind schön und lebendig gezeichnet, bis auf Lewin, der auf mich nie richtig glaubwürdig wirkte. Er sollte zu deutlich eine Idee verkörpern und einen Kontrast zu den anderen Figuren bilden.
    Dies ist schade, um so mehr, als mir die ländlichen Szenen eigentlich gut gefallen haben. In ihnen gelingt es Tolstoi, eine schöne Atmosphäre aufzubauen, die sie trotz mangelnder Handlung nicht langweilig werden lassen. Den Höhepunkt an atmosphärischer Dichte bilden aber natürlich Annas Seelenqualen und nach Lesen des letzten Buches bedaure ich es, dass das Buch nicht mit ihrem Tod zu Ende ist. Genau dadurch verliert das Buch noch eine halbe Ratte und mein Gesamturteil lautet also
    3ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Danke Saltanah, du hast mir die ganze Arbeit abgenommen :zwinker: ich bin zu 99 % genau deiner Meinung. die 1% betrifft die ländlichen Szenen die mich stellenweise sehr angeödet haben.


    Zitat

    Lewin scheint mir ja sowieso die eigentliche Hauptperson dieses Romans zu sein, was mich fragen lässt, wieso das Buch nicht "Konstantin Lewin" heißt. Vermutlich war das ein Zugeständnis an Tolstois Leserschaft, die eher von unglücklicher Liebe als von den Seelenqualen eines Idioten lesen will.


    Der Satz hätte von mir sein können, genau das waren meine Gedanken.


    Ich bin ja schon seit 2 Tagen fertig aber ich kann einfach kein Urteil abgeben. Für den Erzählstrang um Anna Karenina und Wronski würde ich 4ratten vergeben aber den Rest also den Hauptteil des Buches der Erzählstrang um Ljewin war im Großen und Ganzen nur nervig. Aber das sagte ich ja hier schon mehrmals :zwinker:.
    Also nur 2ratten dafür (und auch nur mit viiiiiel guten Willen)


    Ich fühle mich richtig etwas verar....von dem Titel, eine echte Mogelpackung dieses Buch. Echt es hat so großartig angefangen aber das letzte, völlig überflüssige, Kapitel hat alles kaputtgemacht.


    Mein Tipp: An der Stelle im 8. Teil wo Wronski noch mal erwähnt wird, wo er in den Krieg zieht, dass Buch zumachen.



    Saltanahs Aussage: "Irgend etwas ist hier schiefgelaufen, und das finde ich sehr schade".
    Muss ich leider auch zustimmen.
    Wenn Tolstoi sich und seine Ansichten unbedingt irgendwie verewigen wollte, warum hat er es unter dem Deckmantel Ljewin gemacht, er hätte ja auch eine Biografie schreiben können :zwinker:.


    Grüße
    Flor

    Einmal editiert, zuletzt von Flor ()

  • Hallo!


    Vor dem Lesen des letzten Teils war ich auch so gespannt, wie die anderen auf Annas Tod reagieren und dann das! :rollen: Ich habe wirklich lange überlegt, wieso sie nicht darüber reden. Vielleicht haben es die meisten schon geahnt, dass diese Affäre so ähnlich endet und die meisten dürften es Anna wohl wirklich gewünscht haben. Ich nehme an, dass ein Selbstmord einfach nicht in die "heile Welt" der Gesellschaft passt.


    Lewins Selbstfindungsgedanken gegen Ende fand ich auch etwas zu viel, obwohl sein Erzählstrang mir eigentlich immer ganz gut gefallen hatte. Zumindest musste ich mich nicht durchquälen, wie andere hier. :zwinker:


    Alles in allem hat mir das Buch sehr gut gefallen und ich habe es wirklich gerne gelesen, einfach weil die Charaktere so wirklichkeitsnah beschrieben wurden. Alle hatten ihre eigenen Probleme und irgendwie immer ihre guten und schlechten Tage, also wie im wahren Leben... :breitgrins:


    Die ganze Geschichte hat mich übrigens etwas an Madame Bovary erinnert, ging euch das auch so?


    fairy

    [size=9px]&quot;I can believe anything, provided that it is quite incredible.&quot;<br />~&quot;The picture of Dorian Gray&quot;by Oscar Wilde~<br /><br />:leserin: <br />Henry Fielding - Tom Jones<br /><br />Tad Williams - The Dragonbone Chair<br /><br />Mark Twai

  • Hallo,


    kleines Resümee zu Buch acht.


    Ich habe auch gedacht, jetzt müsste noch einiges kommen, Reaktionen über Annas Tod. Aber erst etwas später erfahren wir, wie schockiert Wronskij war, und freiwillig in den Krieg zieht. Er ist fertig mit dem Leben, und rechnet damit, im Krieg erschossen zu werden. Im Roman heißt es (Kap 5):


    "Ich als Mensch", sagte Wronskij, "habe den Vorzug, daß das Leben für mich keinen Wert mehr hat."


    Das sagt alles. Er zieht in den Krieg, um sich umbringen zu lassen.


    Ich finde es aber letzen Endes gut, dass Tolstoi nicht ein zu großes Palaver um Annas Tod macht. Es hätte dann auch kitschig werden können. Tolstoi erzählt knapp das Wesentliche, und das langt doch.


    Dass Lewin am Ende des Romans über Religion und Tod philosophiert, empfinde ich als Fortsetzung zu Lewins Gedanken und Ängste um den Tod in den Kapiteln, als Nikolaij im Sterben lag. Annas Tod mag für Tolstoi ein Grund gewesen sein, dieses Thema noch einmal aufzunehmen, und schließlich nimmt der Roman ein versöhnliches Ende.


    Nun gut, von einer Bekannten habe ich erfahren, Tolstois Frau wollte, das Leo die philosphischen Teile aus dem Roman streicht und verkürzt ans Ende setzt, damit sich der Roman besser verkaufen lässt. Wenn Tolstois Frau sich also nicht eingemischt hätte, dann wäre noch mehr Philosophie im Roman gewesen.


    Natürlich wollte Tolstoi Wronskij/Anna und Lewin/Kitty vergleichend darstellen.


    Ach, man könnte noch soviel schreiben.


    Liebe Grüße
    mombour

    Einmal editiert, zuletzt von mombour ()