Per Olov Enquist - Der Besuch des Leibarztes

Es gibt 5 Antworten in diesem Thema, welches 3.108 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von bane77.

  • Hi!


    Ich habe das Buch im Rahmen des SLW 07 gelesen, hier meine Meinung:


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    Zum Inhalt:
    Der dänische König Christian VII. (1749 – 1808) ist offenbar geisteskrank und eigentlich regierungsunfähig. An seiner Stelle regiert das Kabinett. Der junge König hat immer wieder unerklärliche Wutanfälle und ist in der Öffentlichkeit untragbar. Deshalb wird beschlossen, ihm einen Leibarzt zur Seite zu stellen, der auf ihn aufpassen und ihn betreuen soll. Dieser Leibarzt ist Johann Friedrich Struensee, ein Arzt aus Altona. Er verliebt sich in Christians junge Frau, Caroline Mathilde von Grossbritannien, und fängt eine Affäre mit ihr an. Gleichzeitig wächst sein Einfluss auf den König, Struensee wird immer mächtiger.


    Meine Meinung:
    Per Olov Enquist schreibt das Buch aus der Perspektive eines Erzählers von heute: Durchgehend in der Vergangenheitsform und dann und wann werden auch Informationsschnipsel à la «heute steht dort kein Schloss mehr, sondern…» eingefügt. Deshalb fiel mir der Einstieg in dieses Buch nicht leicht, zuerst war ich sogar verunsichert, ob ich da ein Sachbuch oder einen Roman in den Händen halte. Nach einer kurzen Einlesephase hatte ich mich an den Stil gewöhnt.
    Die Geschichte Enquists stimmt in groben Zügen mit den historischen Fakten überein, aber ich hatte mehr als einmal das Gefühl, dass er sich eine Menge dichterischer Freiheiten herausnahm und ich habe versucht, «Der Besuch des Leibarztes» weniger als einen historischen Roman, sondern eher als fiktive Geschichte zu lesen.
    Die Dialoge im Buch sind meist interessant und unterhaltsam, Abzüge gibts allerdings bei den Charakteren, die mir ein wenig zu flach ausfielen. Enquist hat sich zwar grosse Mühe gegeben, seinen Protagonisten ein Innenleben zu geben, aber irgendwie hat er mich damit nicht erreicht. Gelungen scheint mir einzig König Christian VII., dessen einzige Konstanz die Unkonstanz im Verhalten ist.
    Auch das Setting überzeugt nicht, das Buch könnte genausogut ein Jahrhundert früher oder später spielen, da Enquist auf Schilderungen weitgehend verzichtet und sich auf die Personen konzentriert. Schade, das hat mir irgendwie gefehlt und das ganze Buch recht monoton wirken lassen.
    Fazit: Mittelmässig unterhaltsame Lektüre, die ziemlich sicher nicht lange in meinem Gedächtnis haften bleibt.


    2ratten



    Liebe Grüsse


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Ich hatte das Buch vor einiger Zeit ertauscht und begonnen, es zu lesen. So recht warm konnte ich damit nicht werden und habe es wieder bei Buchticket eingestellt. Ein wenig schlechtes Gewissen habe ich immer, wenn ich ein Buch nicht zuende lese. Deshalb bin ich froh, dass Du Der Besuch des Leibarztes auch so eingeschätzt hast.

  • Ich habe das Buch auch vor ca. einem Jahr gelesen und bei mir ist es jetzt schon soweit, dass es nicht mehr sehr in meinem Gedächtnis haftet :zwinker:


    Die Handlung könnte ich nicht mehr wiedergeben, aber ich weiß noch, dass ich es teilweise mühsam fand und mich phasenweise zwingen musste, weiterzulesen, da ich mit der Geschichte so gar nicht warm wurde. Ich wollte aber doch wissen, wie es ausgeht und habe es zu Ende gelesen.

  • @Alfa: Deine Rezi und die beiden anderen Meinungen beruhigen mich. Ich habe das Buch mal angefangen und wieder aufgehört, weil ich irgendwie nicht warm mit der Geschichte wurde. Irgendwie gut zu wissen, dass es andere gibt, denen es genauso gegangen ist.


    Liebe Grüße
    wolves

  • Also mir gefiel der Besuch des Leibarztes ausnehmend gut. Ist halt ein bisschen ein anderer historischer Roman, wirkt aber auf mich fast realistischer als andere bedingt durch dieSchreibweise.
    Was hat mich angesprochen:
    die unterschiedlichen Sichtweisen, es gibt kein schwarz und weiß, es wurde nicht gewertet, es wurden verschiedene historische Quellen genommen, das Geschehen wurde quasi eingekreist, der psychologische Hintergrund, die Schilderungen der Beziehungen usw. Es gab immer wieder überraschende Momente (ich lasse mich gerne überraschen!). Wie der Autor mit den Zeiten herumspringt und man trotzdem nicht den Faden verliert, ist einfach gekonnt!
    Ich mag den Enquist, mein erstes Buch von ihm war der fünfte Winter des Magnetiseurs, auch dieses hochinteressant.
    liebe Grüße
    Austen

    Lesen ist Schokolade für die Seele!

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    Meine Meinung:
    Ein Buch aus meinen SUB-LW2008, bei dem ich beim ersten Versuch nach 3 Seiten gescheitert bin - es hat mich einfach nicht vom Hocker gerissen. Na gut, jetzt war der zweite Versuch und siehe da - es hat sich gelohnt!


    Über den Stil wurde ja schon viel geschrieben. Es stimmt schon, anfangs wirkt er hölzern und aufgesetzt, aber nach und nach entwickelt sich eine Melodie, die in mir das Gefühl ausgelöst hat, hier würde jemand, der die damalige Zeit miterlebt hat und auch überlebt hat, berichten, wie sich damals alles zugetragen hat. Das fand ich ganz ausgezeichnet und ist mir in noch keinem anderen Buch so gegangen.


    Die Personen bleiben meines Erachtens gar nicht blass. Da ist König Christian, dessen Seele als Kind durch seine Erziehung gebrochen wird und nun nur noch Hilfe bei der Heilerin des Universums (einer Prostituierten) findet. Er ist innerlich ein Kind und auch äußerlich scheint er so. Christian wird verheiratet mit einer jungen Engländerin Caroline Mathilde. Doch Christian sieht, dass er unfähig ist Caroline Mathilde glücklich zu machen und bittet seinen Vertrauten, den Leibarzt Struensee dies zu tun. Diese Liason und die wachsende Macht Struensees bringen natürlich Neider hervor, die alles dafür tun, Struensee zu stürzen. Der Leser bekommt Einblicke in die Gefühle der drei, ihrer Neider und nach einer kurzen Phase des Glücks erlebt man den Strudel der Manipulation und Umsturzpläne.


    Mich hat das Buch berührt: die Misshandlung des kleinen Christian, seine Unschuld und In-sich-gekehrtheit als Erwachsener; Caroline Mathilde, die die Liebe entdeckt ebenso wie Struensee.


    Es ist ein sehr ruhiges, schönes Buch; aber keinesfalls eine einfache Lektüre für zwischendurch mal.


    Insgesamt gibts von mir:


    4ratten