David Grossman - Das Lächeln des Lammes

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  • Hallo!


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    Inhalt (laut amazon):


    Die ungewöhnliche Freundschaft mit einem alten arabischen Geschichtenerzähler bringt den israelischen Soldaten Uri bald in Konflikte, offenbart ihm Widersprüche und Ungereimtheiten in politischen Fragen und persönlichen Freundschaften und führt unausweichlich zu einer Situation mit tragischem Ausgang. Der Roman wurde von der israelischen Literaturkritik als Meilenstein gefeiert - zum einen, weil er das ängstlich vermiedene Thema der Besatzung aufgreift, zum anderen wegen seiner einfühlsamen Bilder und der faszinierenden Gestalt des alten Mannes.


    Teilnehmer:


    Saltanah
    tina
    dubh
    Mira
    nachtlicht
    wolves


    Eine kurze Bitte: Damit das ein bisschen angenehmer zu lesen ist, postet erst, wenn ihr angefangen habt. Die Beiträge "Buch liegt bereit, ich fange heute Abend an" ziehen das ganze immer so sehr in die Länge.


    Interessant für Leserunden-Neulinge ist sicherlich die Leserunden-FAQ. Dort findet ihr auch Informationen z.B. zu Spoilern etc.


    Viel Spaß!

    [size=9px]&quot;I can believe anything, provided that it is quite incredible.&quot;<br />~&quot;The picture of Dorian Gray&quot;by Oscar Wilde~<br /><br />:leserin: <br />Henry Fielding - Tom Jones<br /><br />Tad Williams - The Dragonbone Chair<br /><br />Mark Twai

  • Hallo,
    ich habe heute mittag angefangen zu lesen.
    Nach dem ersten Kapitel dachte ich: Oh weh, wenn das so weitergeht, dann halte ich mit diesem Buch nicht lange durch.
    Das erste Kapitel war für mich sehr verwirrend, weil auch der Erzähler sehr verwirrend schrieb und ich die meiste Zeit gar nicht wußte, wovon er eigentlich sprach, wer er überhaupt ist und wo die ganz Geschichte spielt.
    Mittlerweile habe ich drei Kapitel gelesen und ich finde es jetzt einfach nur noch genial.
    Eine wunderschöner Schreibstil, und auch die Geschichte wird klarer, weil nun einige Informationen hinzukamen, die das ganze durchsichtiger machen. Die Erzählung ist geprägt von der Liebe zum Detail ohne jedoch zu langweilen. Allerdings braucht man, bzw. ich, Ruhe für dieses Buch. Ich werde es auch nicht, so wie andere Bücher in einem Rutsch lesen, sonderm mir dafür Zeit nehmen, denn die braucht man glaube ich, um diese Geschichte auf sich wirken zu lassen.
    Ein Zitat aus dem dritte Kapitel fand ich sehr schön:


    "...Wie wenig wir sprachen. Vielleicht drei Geschichten habe ich ihm in all den Jahren unserer Liebe erzählt. Vielleicht vier. Und ich glaube nicht, daß es mehr als hundert Worte zwischen uns gab. Aber diese hundert waren die schönsten, die ersehntesten aller Wörter, und in jeder ihrer Falten regte sich das Leben. Und nun - nun haben wir so viele Wörter, und wir sagen nichts..."
    Das hat mich sehr berührt und ließ mich erst einmal beim lesen innehalten. Ich bin schon gespannt wie es Euch mit dem Buch ergeht.


    Tina

  • Verwirrend ist das richtige Wort für den Anfang. Ich weiß nicht, wie oft ich jeden Absatz der ersten paar Seiten gelesen habe, in der Hoffnung, übersehene Hinweise zu entdecken. In der schwedischen Übersetzung wurde - bedingt durch die schwedische Grammatik - anfangs noch nicht einmal das Geschlecht der erwähnten Personen klar. Wer weiß schon, ob Shosh ein hebräischer (hebräischer?) Frauen- oder Männername ist?
    Im Laufe des ersten Kapitels (weiter bin ich noch nicht gekommen) wird dann aber schon einiges geklärt und ich denke, dass weitere Fragen auf den folgenden Seiten beantwortet werden.
    Jedenfalls muss ich sagen, dass mich das Buch gerade durch seine Rätselhaftigkeit fasziniert; allerdings nehme ich an, dass einheimischen LeserInnen alles von Anfang an viel klarer ist.


    Sagt euch "Santa Anarella" was? Google spuckt dazu nur unser Buch aus.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo zusammen,


    verwirrend - ja genau, dass war das erste Kapitel! :smile: Ein paar Mal habe ich nochmal die Buchbeschreibung gelesen um das erste Kapitel vielleicht besser fassen zu können. Doch wie Tina schon angekündigt hat: das folgende wird deutlich ruhiger, da es nicht in der Aufregung Uris entstanden ist.
    Sprachlich gefällt mir Das Lächeln des Lammes auf den ersten Seiten ausgezeichnet: Grossman entwirft richtige Bilder in meinem Kopf... Und die Geschichte selbst wirft auch schon die ersten spannenden Fragen auf: was brachte Uri in die Arrestzelle? Ist tatsächlich das Treffen mit dem alten Geschichtenerzähler der Grund? Und was hat es mit Schosch auf sich? Hat sie ein Verhältnis mit Katzman? Denn einerseits erzählt Uri, dass er sie vor "drei Tagen" hinter sich gelassen hat, andererseit spricht er von dem, was sie ihm angetan hat...


    Na mal schauen. Es bleibt jedenfalls vielversprechend!



    Sagt euch "Santa Anarella" was? Google spuckt dazu nur unser Buch aus.


    Nein, mir sagt es nichts. Aber Uri wäre wohl gerne in Italien, oder? Er berichtet doch gleich zu Anfang, dass Katzman in Italien zurück geblieben ist...


    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Hallo :winken:


    ich habe das erste Kapitel beendet und bin froh, dass es euch ähnlich ergangen ist. Ich war verwirrt, habe irgendwie das Gefühl gehabt etwas überlesen zu haben, fragte mich wer all diese Personen waren etc. Aber irgendwie gegen Ende des Kapitels wurde mir einiges klarer.


    Grossman schreibt einfach wunderschön. Wie dubh sagt, es entstehen Bilder im Kopf.


    Ich bin schon sehr neugierig, was es mit all den Andeutungen auf sich hat und freue mich schon auf das weiterlesen.


    Liebe Grüße
    wolves

  • So, habe jetzt auch die ersten beiden Kapitel des Buches gelesen. Schön zu lesen, dass es euch auch nicht viel besser geht :zwinker:
    Ich dachte immer, es lag an meiner mangelnden Aufmerksamkeit (hatte gestern viel gelernt und heute den ganzen Tag Uni) und las manche Sätze mehrmals, aus Angst etwas überlesen zu haben. Die Sprache gefällt mir aber trotzdem sehr gut.. so poetisch, bildhaft..


    Was mir noch Probleme macht (das zweite Kapitel war ja schon etwas klarer als das erstes) ist die zeitliche Einteilung. Erstens wann das Buch überhaupt spielt und aber auch bei den einzelnen Ereignisse und Episoden bin ich mir nicht ganz im klaren darüber, was die zeitliche Abfolge ist. Aber ich vermute mal, das wird sich nach und nach auflösen.


    Aber auch ich brauche für das Buch Ruhe um alles aufzunehmen und nachzuvollziehen. Weswegen es bei mir wohl etwas langsamer vorangehen wird..jetzt kommt erst noch mal die Unilektüre.

  • Hallo,
    gestern habe ich mit dem Buch eine kleine Pause gemacht, da ich erst einmal so von "Jane Eyre" gepackt war, daß ich das Buch in zwei Tagen gelesen habe und nicht aufhören konnte.
    Ich habe jetzt das 4. Kapitel beendet.


    Was mich etwas verwirrt, ist die ständig wechselnde Person des Erzählers. Da muß man sich erst einmal zurechtfinden. Erst ist es Uri, dann Chilmi und jetzt Schosch.
    Allerdings gefällt mir die wechselndes Erzählperspektive sehr gut, denn so ist man allen Personen gleichermaßen nahe.
    Schosch leidet unter den schlimmsten Schuldgefühlen, die man sich nur vorstellen kann. Sie macht sich verantwortlich für den Tod eines Kindes, den sie in ihren Augen hätte verhindern müssen.


    Mir gefällt das Buch immer besser, denn es wirkt sehr lebendig.


    Tina

  • Guten Morgen zusammen,


    allzu schnell komme ich mit diesem Buch nicht voran - aber das macht überhaupt nichts, da ich es sehr gerne so "gründlich" lese... :zwinker: So stecke ich momentan am Anfang von Kapitel 4.



    Was mich etwas verwirrt, ist die ständig wechselnde Person des Erzählers. Da muß man sich erst einmal zurechtfinden. Erst ist es Uri, dann Chilmi und jetzt Schosch.


    Das ging mir - nachdem alle von Kapitel 1 etwas verwirrt waren - bei Kapitel 3 erneut so! Okay, es wurde relativ schnell klar, dass es sich um einen Araber handelt (unter anderem wegen der Namen) und dann auch, dass es sich um Chilmi handeln muss (>sein "nach innen gekehrtes" Auge, seine Hilflosigleit und leichte Verwirrung). Aber ich kam mit dem Erzählten auch nicht sofort zurecht, da ein Teil wohl ersponnen, ein Teil der Wahrheit entspricht.
    Naja, jedenfalls hab ich ein paar Abschnitte (zum Beispiel über Jasdi) nochmal gelesen - mag aber auch daran gelegen haben, dass ich schlicht und ergreifend zu müde war um zu lesen... :rollen:


    Zitat

    Mir gefällt das Buch immer besser, denn es wirkt sehr lebendig.


    Da geht es mir ähnlich: die verschiedenen Erzählperspektiven beleben die Geschichte ziemlich - allerdings verwirren sie mich anfangs auch - wie geschrieben - noch... Das Lächeln des Lammes wirkt eigenartig (im positiven Sinne), ja vielleicht einzigartig auf mich: eine ziemlich ungewöhnliche Geschichte (zumindest habe ich noch nie etwas ähnliches gelesen), die in einer sehr schönen, bildhaften Sprache erzählt wird, mit starken, sehr unterschiedlichen Charakteren und in der Perspektive stetig wechselnd. Aber das ist auch nur mein Eindruck jetzt - mal schauen was am Ende der Lektüre davon bleibt.
    Ich bin jedenfalls nach wie vor sehr gespannt, welche Geschichten zu Tage gebracht werden!


    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Hallo :winken:


    ich habe das 4. Kapitel beendet. Auch mir ging es so, dass ich mit den ständig wechselnden Erzählern etwas verwirrt war. Chilmi hatte ich mir ähnlich wie dubh zusammengereimt.


    Was ich irgendwie für mich nicht herausgefunden habe, wo sich Schosch befunden hatte. In einer Klinik?



    Was mir noch Probleme macht (das zweite Kapitel war ja schon etwas klarer als das erstes) ist die zeitliche Einteilung.


    Das habe ich mich auch gefragt. Leider kenne ich mich in der Geschichte Israels so gar nicht aus. :redface:


    Zur Zeit bin ich auch sehr müde und unkonzentriert.


    Liebe Grüße
    wolves

  • Hallo,
    ich vermute mal, dass das Buch in den 60ger Jahren nach dem 6Tage-Krieg spielt. Der 6Tage Krieg wurde von Israel gegen seine Nachbarstaaten Ägypten, Syrien und Jordanien geführt. In diesem Krieg besetzt Israel die Golanhöhen, die Sinai-Halbinsel, das West-Jordan-Land und den Gaza-Streifen. Ich habe hier einen interessanten Link zu David Grossmann gefunden.
    Der Sohn von David Grossmann wurde übrigens in diesem Jahr im August im Libanonkrieg getötet. Gegen diesen neusten Libanon-Krieg hat sich David Grossmann übrigens sehr aufgelehnt mit vielen anderen linksgerichteten israelischen Schriftstellern.


    Ich denke daß Schosch in einer Psychiatrischen Klinik oder in einem Psychologischen Institut arbeitet und den Jungen, welcher Selbstmord beging betreute.


    Chilmi tat mir sehr leid, als erzählt wurde wie sehr er seine Kinder liebte, wie gerne er sich die Babys ansah und wie er dann erst von den Müttern und später von den Kindern vertrieben wurde. Trotzdem finde ich es sehr schlimm, dass er Jasdi dumm halten wollte, obwohl ich seine Gedanken nachvollziehen, wenn auch nicht gut heißen kann. Er ist ein sehr einsamer Mensch in dem viel von den Menschen zerstört wurde.


    Tina

  • Hallo zusammen!



    Der Sohn von David Grossmann wurde übrigens in diesem Jahr im August im Libanonkrieg getötet. Gegen diesen neusten Libanon-Krieg hat sich David Grossmann übrigens sehr aufgelehnt mit vielen anderen linksgerichteten israelischen Schriftstellern.


    Als ich das gelesen habe und vor allem auch wie Uri Grossman gestorben ist, habe ich eine Gänsehaut bekommen! Schrecklich - vor allem wenn man die Arbeit und das Engagement Grossmans für den Frieden betrachtet... :sauer:


    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

  • :winken: Hallo allerseits!


    Tja, auch ich musste verwirrt feststellen, dass dieses Buch der erste mir untergekommene Roman ist, der über gleich drei Ich-Erzähler verfügt (und außerdem noch einen Erzählstrang in der 3. Person :spinnen: ). Das macht das Verständnis nicht einfacher, aber das Buch noch interessanter. Allerdings sorgt es auch dafür, dass ich das Buch nur sehr langsam lesen kann und nach jedem Kapitel eine Pause brauche.
    Mittlerweile habe ich das 7. Kapitel gelesen, in dem klar wird, was Schosch ihrem Mann erzählt hat. Nicht gerade das, was ich erwartet hatte!


    Was haltet ihr eigentlich von Chilmi und seinen Geschichten (6. Kap.)? Sehr interessant, wie er durch Geschichten versucht, Sinn und Zusammenhang in seinem Leben zu schaffen. Allerdings macht es das schwer zu unterscheiden, was "nur" Geschichte und was Wirklichkeit/Wahrheit ist.
    Kann es sein, dass dies ein Thema des Buches ist: wie erschaffen wir die Wirklichkeit durch die Geschichten, die wir anderen (und uns selbst) erzählen? Wird etwas erst wahr, wenn wir daraus eine Geschichte machen und diese erzählen?


    Ich habe ein bisschen gegoogelt und bin in zusammenhang mit Schoschs Arbeit auf folgendes gestoßen:
    James Hillman (sie arbeitet im Hillmaninstitut)
    Viktor Frankl, dessen Bild in ihrem Arbeitszimmer an der Wand hängt. Der Psychologe hat mit selbstmordgefährdeten Frauen gearbeitet, was gut zu ihrer Arbeit passt.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Hallo,
    mir geht es wie Saltanah. Ich brauch auch immer alle zwei oder drei Kapitel eine Pause. Aber bei mir ist das abhängig vom Erzähler. Wenn Schosch oder Uri erzählt, dann habe ich damit kein Problem, oder bei Katzmann, aber wenn Chilmi erzählt, dann schaffe ich nur ein Kapitel.
    Ich habe fast die Befürchtung, daß in Chilmi's Geschichten sehr viel Symbolik ist und mir dazu einfach zu oft gewisse Informationen fehlen um sie zu verstehen. Ich denke daß Chilmi sehr viel in Metaphern schreibt. Der Löwe zum Beispiel ist das Wappentier des israelitischen Stammes Juda. In Israel gab es aber früher wirklich Löwen. Vielleicht hat Chilmiu mit dem Löwen die israelichen Besatzer gemeint, aber da bin ich mir nicht so sicher. Aufjeden Fall hatte der arme Kerl eine furchtbare Kindheit, wenn alles stimmt, was er erzählt. Ich denke nicht, dass man in Chilmi's Geschichten alles zu wörtlich nehmen darf.
    Ich glaube zu diesen Buch hätte ich gerne eine Erläuterung, aber ich befürchte es gibt keine.
    Tina

  • Hallo zusammen,


    mittlerweile stecke ich in Kapitel 7. Aber mir geht es haargenauso wie Saltanah und Tina: die Kapitel aus Sicht von Schosch und Uri lesen sich "problemlos", mit Chilmi tue ich mich da ungleich schwerer. Permanent frage ich mich ob das nun wirklich so passiert ist oder ob das einfach nur in seiner Phantasie spielt und zudem überlege ich mir auch, ob ich nicht Hinweise eben dazu verpasse... :rollen: Wie Tina z.B. die Löwen schon erklärt hat - ich wußte ehrlich gesagt noch nicht einmal, das der Löwe das Wappentier eines israelitischen Stammes ist.
    So sieht es bei mir also wie bei Euch aus: nach jedem Chilmi-Kapitel folgt eine Pause. :zwinker:


    Hört sich jetzt ziemlich nüchtern-anstrengend an, ist es aber nach wie vor nicht! Die Lektüre ist anspruchsvoll, macht (aber) jede Menge Spaß.


    Liebe Grüße
    dubh

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Hallo :winken:


    Danke Tina für deine Ausführungen zur zeitlichen Einteilung! Und vielen Dank auch Saltanah für die Links.
    Bitte seid mir nicht böse, wenn ich etwas hinter euch herhinke. Mittlerweile nehme ich mir das Buch schon zum Bau mit und bei jeder sich mir bietenden Gelegenheit vertiefe ich mich hinein. Ich bin so begeistert von der Art des erzählens von Grossmann und gleichzeitig tief beeindruckt.
    Auch ich darf bei Kapiteln die Chilmi erzählt, eine kleine Pause machen.


    Ich habe jetzt das 5. Kapitel beendet und etwas mehr von Uri erfahren. Irgendwie fällt es mir diesmal sehr schwer meine Eindrücke in Worte zu fassen. So viele Eindrücke und Gedanken kommen auf mich zu, die ich erst einmal verarbeiten muss. Eine schöne Kindheit hatte Uri wohl nicht gehabt. Sein Vater hat vielleicht Recht damit, seine Kinder so zu erziehen, dass sie früh lernen sich nur auf sich selbst zu verlassen und von niemandem abhängig zu sein, was ich aber dabei vermisst habe, ist so etwas wie Vaterliebe.


    Uri verarbeitet ja selbst für sich seine Geschichte Schritt für Schritt. So hat er es im 5. Kapitel gesagt: "A führt zu B und B zu C." Und so gewinne auch ich Schritt für Schritt von Kapitel zu Kapitel mehr Klarheiten und es stellen sich für mich Zusammenhänge her, die ich vorher nicht gewußt habe oder vielleicht auch überlesen habe. Mir geht es auch ständig so, dass ich befürchte irgend etwas überlesen zu haben. So versuche ich noch genauer und langsamer zu lesen.


    Liebe Grüße
    wolves

    Einmal editiert, zuletzt von wolves ()

  • Hallo,
    ich habe es doch wirklich geschafft mein Buch von Arbeit mit nach Hause zu nehmen und nicht wieder zu vergessen. :rollen:
    Ich habe jetzt das 9. Kapitel beendet und ich bin begeistert. Ich fühle mich sehr oft bei meinen innersten und geheimsten Gedanken ertappt.
    Das faszinierende an dem Buch ist, daß man Verständnis für verschiedenen Gesichtspunkte bekommt, da die Erzählperspektive permanent wechselt. Es ist interesant wie Menschen ein und dasselbe Ereignis oder ein und die deselbe Tat oder Erinnerung so verschiedenartig empfinden und welche Auswirkungen sie haben.
    Ich kann Uri verstehen aber ich kann sehr gut Schoscha nachempfinden, auch wenn das jetzt vielleicht nicht sehr für mich spricht. :redface:
    "... der mir wahrscheinlich keine logische Erklärung für das geben kann, was wie ein bösartiger Tumor aus mir hervorbrach, für die bittere Gabe, von der ich nicht weiß, von wem ich sie geerbt habe, mein Leben mit Uri in Ruhe zu führen und gleichzeitig, ohne mich allzu schuldig zu fühlen, schmerzhaft nach Katzman zu verlangen und nicht seinen Körper, sondern sein Bedürfnis nach meinem Körper zu begehren; und was ist das in mir, frag ich jetzt, daß so verdorben ist, daß ich alle belügen kann, ich, die nie zu lügen nötig hatte..."
    Kann noch jemand ausser mir, diese Gedanken nachvollziehen? Das würde mich jetzt sehr interessieren, oder bin ich einfach ein schlechter Mensch, daß ich dafür Verständnis empfinden kann? :redface:


    Diesen Satz fand ich auch faszinierend und ich mußte ihn einige Male lesen, bevor ich ihn in seiner kompletten Bedeutung erfasst habe. Geht Euch das auch so bei diesem Buch?


    "...Denn ich weiß bereits sehr gut, daß der menschliche Täuschungsmechanismus jede Sache auf der Welt zu seinem Sendboten macht, und daher kann die Liebe als Mordinstrument dienen und die Begierde, die für jemanden bestimmt ist, in den Körper eines anderen übertragen werden, und es stellt sich sehr schnell heraus, daß es nichts auf der Welt gibt, das an und für sich ist, und wir sind eigentlich nur leere Buchstaben, und wenn in uns irgendeine Bedeutung liegt, werden wir sie durch unseren zeitweiligen Standort in dem Wort erkennen, daß sich auslöscht, sobald es geschrieben wird..."


    ebenso interessant fand ich:


    "...Warum soll man sich für diese oder jene Wahrheit entscheiden. Ehrlich - man hätte bestimmen sollen, daß wir uns nach fairen Gesetzen der Unterwelt zu richten haben. Daß wir gar nicht so tun sollten, als würden wir die Wahrheit sagen, daß wir uns nicht anmaßen sollen, einander zu glauben, und so wäre es leichter ein ehrlicher Mensch zu sein..."
    Das ist einiges Wahres dran, aber man möchte doch auch jemandem vertrauen können oder? Man muß ja in seinem Leben jemandem vertauen. Wie wäre es denn, wenn mein kind mir nicht mehr trauen könnte?


    Als Uri von Schoscha's Eltern erzählte, kam mir das sehr bekannt vor. Ich hatte einmal einen Freund und als ich mich von ihm trennte, da tat es mir so weh mich auch von seinen Eltern trennen zu müssen. Ich wurde in dieser Familie aufgenommen, mit einer Liebe und Herzlichkeit, bei deren Gedenken mir heute noch ganz warm um's Herz wird. Es machte allerdings keinen Sinn mit einem Mann nur seiner Eltern wegen zusammen zu bleiben. Ich war damals 23, jung und extrem blöd und das war das allerdummste von mir und verletzenste für einen anderen Menschen, was ich je in meinem Leben gemacht habe, diesen Mann zu verlassen, aber jetzt ist es zu spät. Ja, und er hatte genau die Familie, die Uri beschreibt. Es tut ganz schön weh daran zurück zu denken, zumal ich es bis zu diesem Buch immer schön tief in meinem Inneren eingesperrt hatte.
    Es ist manchmal schon sehr heftig, was Bücher bewirken können.
    Tina

  • Hallo,


    ich stecke jetzt mitten im 8. Kapitel. Ja, mir geht es genauso, dass ich viele Sätze zweimal lesen muss um ihre Bedeutung halbwegs zu verstehen. Streckenweise bin ich noch nicht mal sicher ob ich ihre Bedeutung überhaupt verstehe :redface: Ich merke, dass ich hier auf jeden Fall ein Buch vor mir habe, dass ein re-read mehr als verdienen wird.


    Kann noch jemand ausser mir, diese Gedanken nachvollziehen? Das würde mich jetzt sehr interessieren, oder bin ich einfach ein schlechter Mensch, daß ich dafür Verständnis empfinden kann? :redface:


    Ich kann sehr wohl Schoschas Handlung verstehen und nachvollziehen. Zur Zeit bin ich in einer sehr ausgefüllten und glücklichen Beziehung und habe keine solchen Gedanken. Aber was weiß ich was morgen ist? Nein, du bist bestimmt kein schlechter Mensch. Dann wäre ich auch ein schlechter Mensch :zwinker:



    Fasziniert hat mich auch der Aufbau des siebten Kapitels. Katzmann schließt mit dem Schlüssel von Uri auf und direkt sind ihm gemeinsame Erinnerungen mit Uri gekommen. Und nachdem er sich an Begebenheiten mit Schoscha erinnert hatte, schließt er die Wohnung wieder mit dem Schlüssel von Schoscha ab. Nur eine Kleinigkeit, aber mich hatte es beim lesen sehr fasziniert.


    Liebe Grüße
    wolves

  • Hi,
    ich habe jetzt zwei weitere Kapitel beendet, nämlich 10 und 11,
    Kapitel 10:


    Chimli ist echt ein armer Kerl. Er ist so einsam, daß er versucht ein Kind so zu manipulieren, daß es keiner mag und er es für sich behalten kann. Nicht gerade eine Tat, die ich gut heißen kann, aber der Grund dafür ist schon sehr traurig.


    Kapitel 11;


    Schoscha ist eine sehr unruhige Seele. Obwohl sie von außen gesehen, eigentlich alles hat was jeder Mensch zum Glücklich sein bräuchte ist sie es nicht. Aus genau diesem Grund bin ich immer vorsichtig mit meinem Urteil, wer glücklich ist und wer nicht. Schoscha ist auf einer permanenten Suche, sie kommt nicht zur Ruhe und sie braucht sie so dringend. Obwohl ihre Beschreibung ihrer Eltern sehr sympathisch klingt, ist nicht glücklich. Ich hatte schon das Gefühl, daß sie auf Uri eifersüchtig ist, weil er das Kind sein kann, daß sie einfach tief in ihrem Inneren nicht verkörpern kann. Immer wieder bekommt sie vor Augen gehalten, wie ihre Eltern sie gerne hätten und wie sie eben nicht ist. Ich glaube so etwas tut sehr weh. Uri ist nicht der Mann den sie liebt, sondern ein Freund der sich wunderbar in dieses Familie intergriert. Vielleicht hätte sie ihn einfach als Freund behalten sollen, aber nicht auf sexueller Ebene. Es passte einfach so schön. Ich glaube Schoscha mag Uri sehr gerne, aber sie liebt ihn nicht und ohne richtige Leidenschaft, kann eine Beziehung auf Dauer auch nicht existieren. Schoscha sucht ein zu Hause. Kein zu Hause im örtlichen Sinne, sondern im emotionalen. Ein zu Hause, wo sie so geliebt wird wie sie ist und wo sie so sein kann wie sie sein will und nicht wie sein soll.


    Dieses Kapitel hatte mich sehr durcheinander gebracht, denn ich wußte streckenweise nicht mehr ob Schoscha mit sich, Avner, Uri oder Lea sprach. Ich mußte sehr oft einige Passagen noch einmal lesen. Der Autor läßt seinen Leser nicht passiv lesen, sondern verlangt von ihm, daß er sich anstrengt und mitarbeitet. Das gefällt mir sehr gut.
    Tina

  • Hallo,


    da bin ich wieder:
    Kapitel12


    Zu diesem Kapitel fällt es mir schwer etwas zu schreiben. Chilmi ist eine sehr schwer zu begreifende Person, aber das geht ja unserem Protagonisten ebenfalls so.
    Ich denke in dem Gespräch von Chilmi und Uri verkörpert Chilmi den seelischen und emotionalen Verfassungszustand des palästinensischen Volkes. Chilmi stellt auf einmal eine Forderung und spricht gleichzeitig eine Drohung aus, nämlich Uri zu töten, sollte seiner Forderung nicht nachgekommen werden. Diese Forderung ist völlig aberwitzig. Nicht in der Forderung an sich, aber in der Art und Weise, denn Uri ist mit Sicherheit niemand, der diesen Einfluss hat, der dieser Forderung Nachdruck verleihen könnte. Im Gegenteil. Ich glaube Uri wäre eher das herbeigesehnte Bauernopfer. Uri ist unbequem und wenn er durch die Hand eines Palästinensers sterben würde hätte man zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen.
    1. Uri ist aus dem Weg geräumt und zwar nicht von denen , die es gerne hätten, sondern vom "Feind" der netterweise auch noch die Drecksarbeit macht.
    2. Würde ein Palästinenser einen israelischen Soldaten töten, dann hätte man endlich einen Grund und eine ausreichende Rechtfertigung um einen Gegenschlag auszuführen und selbst dabei noch als Opfer dazu stehen.


    Das ist jetzt lediglich eine Vermutung, aber genau dieser Gedanke kam mir bei diesem Kapitel in den Sinn.
    Chilmi handelt so, wie viele Palästinenser. Irrational, aber aus einem guten Grund, den ich immer wieder nachvollziehen kann:
    Er hat nichts mehr zu verlieren und so geht es auch dem palästinensischen Volk. Wenn man heutzutage nach Gaza blickt, dann sieht man, dass dieses Menschen, die eigentlich nichts anderes möchten, als ein normales Leben zu führen, zur Arbeit zu gehen, die Freizeit mit der Familie zu verbringen, sich am Leben zu erfreuen und als mündige und intelligente Menschen behandelt zu werden, ohne den Stempel eines Volkes zweiter Klasse aufgedrückt zu bekommen, einfach so entmutigt sind, weil sie definitiv nichts mehr zu verlieren haben, da ihnen schon alles genommen wurde und als erstes ihre Würde als eigenständiges Volk. Ihnen werden die Lebensgrundlagen entzogen, man lässt sie ausbluten und dann heißt es: "Schaut sie Euch doch an. Die Palästinenser bekommen ja nichts auf die Reihe". Das ist so, als würde man einem Herzchirurgen in der Wüste, ohne jegliche Ausrüstung, einen Menschen bringen mit einer Schussverletzung am Herzen und dann sagen: "Na dann beweiß doch, ob Du ihn retten kannst oder nicht".
    Dieses Kapitel hat mich sehr bewegt, weil es ganz tief die Seele des palästinensischen Volkes berührt.


    Kapitel 13
    Dieses Kapitel ist genau kontrovers zu dem vorangegangenen. Diesmal ist der Protagonist Katzman. Die Israelische Seite, bzw. die militärisch - politische, denn ich denke nicht dass das israelische Volk geschlossen hinter der Politik ihres Landes steht, denn dazu gibt es, zum Glück, immer wieder genügend israelische Menschen, die sich dagegen verwehren.
    Bezeichnend für die Metapher Katzman – Militär, bzw. Regierung ist ein Satz in diesem Kapitel:
    “…Er haßte die Araber nicht, die an seiner Seite lebten. Aber er liebte sie auch nicht. Er wollte nicht Besatzer bleiben, aber ein unabhängiger palästinensischer Staat, dessen einziger Brennstoff der Haß auf Israel wäre, machte ihm Angst….“
    Man will sich einfach nicht auf den anderen einlassen, dann das würde bedeuten, dass man von seiner vor gefassten Meinung Abstriche machen müsste. Leider ist das Grundproblem wie immer ein absoluter Mangel an Toleranzbereitschaft denjenigen gegenüber, die nicht ein direktes Abbild von einem Selbst sind, aber in dieser Beziehung wird sich die Menschheit sehrwahrscheinlich im Großen und Ganzen nie ändern.


    Tina

  • Das Buch ist so vielschichtig wie ich schon lange keins mehr gelesen habe. Ich brauche wirklich meine ganze Konzentration um mir der Bedeutung der Wörter und Sätze klarzuwerden, und selbst dann bin ich mir nicht sicher, ob ich es wirklich verstanden habe. Auch ich muss Sätze öfters zweimal lesen und komme nur langsam voran, aber dennoch ist das Buch auf seine Art sehr faszinierend.


    Uri lässt sich sehr leicht lesen (verglichen mit den anderen) und lässt mehr durchblicken als die anderen, wobei auch bei Schorsch und Katzmann die Dinge immer mehr sichtbar werden. Am anstrengenden ist tatsächlich Chilmis Geschichte, die mich aber durch seine bildhafte Sprache und Metaphern ansprechen. Trotzdem ist es schwer herauszufinden, was wahr ist und nur symbolisch gemeint.



    Am Sonntag habe ich auf einer Zugfahrt weitergelesen und bin bis Kapitel 8 gekommen, danach brauchte ich aber auch wieder eine Pause.