Victor Hugo - Die Elenden (2. Teil Cosette, 1. bis 4. Buch)

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  • Waterloo


    Wow, was für ein Kapitel. Ich bin gerade "Augenzeuge" der Schlacht von Waterloo geworden. So kam es mir zumindest vor :zwinker:. Hat mich richtig mitgerissen.
    Ich bin sonst kein Fan von Kampfbeschreibungen. Im Fernsehen werden die als Klopause benutzt, und bei Büchern auch mal quergelesen.
    Aber hier gab es keine Minute der Langeweile. Obwohl Hugo hier nun wirklich mit Namen, vergangenen Kämpfen, Jahreszahlen u.s.w. nur so durch die Gegend schmeißt. Ohne meinen Anhang wäre ich verloren gewesen. So hatte ich fast 70 Seiten lang Geschichtsunterricht vom feinsten. :klatschen:


    Obwohl ich mich natürlich gefragt habe, was die Schlacht mit der Geschichte zu tun hat.
    Diesen Teil hat Hugo auch erst bei der Überarbeitung "Der Elenden" hinzugefügt.
    Aber im letzten Satz baut er ja noch mal eine kleine Brücke zur eigentlichen Geschichte.


    Grüße
    Flor

  • 1. Buch


    Die Schlacht wird sehr überzeugend beschrieben, allerdings von einer gewissen Distanz heraus beobachtet und zu grob gezeichnet. Hier wurden Bataillone vorgerückt, da Kürassiere umzingelt ... Ich hätte mir Einzelschicksale gewünscht um Emotionen zu wecken, alles wirkte zu steril. Nein, die Schlachten im "Herr der Ringe" wirkten da lebendiger.


    Die "Analyse" nach der Schlacht gefiel mir umso besser. Der Ausgang der Schlacht wurde also von Gottes Hand bestimmt. Napoleons Zeit war abgelaufen, er passte nicht ins Bild des 19. Jht. Hugo scheint kein Verehrer des Wellington zu sein, mit französischem Blut schreibt er: "Waterloo ist eine Schlacht ersten Ranges, die ein zweitrangiger Feldherr gewonnen hat" und Wer hat gesiegt? Wellington? Nein! Ohne Blücher hätte er verloren.


    Der wahre Sieger war Cambronne, dem sogar ein eigenes Kapitel gewidmet ist. Ein standhafter Soldat bis zum letzten Atemzug - als Napoleon, Blücher und Wellington bereits das Feld geräumt haben. Cambronne, ein Erdenwurm, ein Elender!


    Gruß,
    dumbler


  • 1. Buch


    Die Schlacht wird sehr überzeugend beschrieben, allerdings von einer gewissen Distanz heraus beobachtet und zu grob gezeichnet. Hier wurden Bataillone vorgerückt, da Kürassiere umzingelt ... Ich hätte mir Einzelschicksale gewünscht um Emotionen zu wecken, alles wirkte zu steril. i]


    Steril fand ich es gar nicht, ich hatte teilweise richtig Herzklopfen, so wurde ich mitgerissen.
    Das von dir erwähnte "Hier wurden Bataillone vergerückt, da Kürassiere umzingelt....., dass war schon manchmal recht verwirrent, und manchmal habe ich im Kriegsgewühl etwas den Überblick verloren :zwinker:. Allerdings, wie Hugo ja später erwähnt, ging es den Herren ja nicht viel anders.
    Die Stelle als die Franzosen in den Hohlweg gefallen sind :entsetzt:
    Die Beschreibung Napoleons. Hugo beschreibt sein äußeres nicht, weil er davon ausgeht das jeder weiß wie er aussieht, stimmt ja auch.
    Und wie Napoleon später einsam und verwirrt auf dem Schlachtfeld läuft.
    Mir hat die "Analyse" auch sehr gefallen. Die Erklärung Hugos warum Napoleon die Schlacht nicht gewinnen konnte. "Gottes Wille". Die Zeit Napoleons war eben vorüber.
    Sicherlich hat Hugo sich nicht so positiv über Wellington geäußert aber ich hätte durchaus erwartet das Hugo als Franzose mehr über die Engländer herfällt.
    Ich denke er ist sehr neutral geblieben.


    Grüße
    Flor


  • Die Stelle als die Franzosen in den Hohlweg gefallen sind :entsetzt:


    Die Szene war echt eines der grausamsten in der Beschreibung. Obwohl hier nicht einmal geschossen wird :smile: Mehr dieser Szenen hätten diesem Kapitel für meine Bedürfnisse gut getan.


    Er zog ja "nur" über Wellington her. Die englische Armee an sich fand er überraschend gut, aufopferungsbereit, standhaft und weitere Adjektive, die ich gerade nicht zur Hand habe. Aber es seien immer die Ranghöchsten, die die Lorbeeren einheimsen. Wie recht er hat!


    Gruß,
    dumbler

  • Hi!


    1. Buch
    Ich wusste bisher von der Schlacht von Waterloo lediglich, dass Napoleon sie verloren hatte. Was Victor Hugo uns da serviert, ist in der Tat ein Drama im Drama. Die Szenen mit dem Hohlweg in der Schlacht und die Beschreibung desselben nach der Schlacht haben mich in diesem Teil ebenfalls am meisten beeindruckt.
    Ich staune darüber, dass Hugo einen Roman dazu nutzt, die Beschreibung einer Schlacht einzubauen, die wohl mit der Geschichte, die er erzählen will, gar nichts zu tun hat. Noch mehr staune ich allerdings darüber, dass er die beschriebene Schlacht danach noch analysiert. Wieso hat er diesen Teil in den Roman eingeflochten? Er hätte ihn ja als eigenständiges Pamphlet über die Schlacht von Waterloo veröffentlichen können...
    Auch wenn Victor Hugo unterhaltsam und auf sprachlich hohem Niveau schreibt: Ich erwische mich dann und wann mit dem Gedanken "So, ist gut jetzt mit den Beschreibungen, mach mal vorwärts, Victor..." Vor allem bei Sätzen, die vor lauter Aufzählungen nicht mehr enden wollen, wie beispielsweise im Kapitel "Cambronne" der Abschnitt, der mit "Mit einem solchen Wort den Blitz schleudern, der einen tötet, heisst siegen." Der folgende Satz hört einfach nicht mehr auf und er ist noch nicht mal der längste, der mir bisher untergekommen ist.
    Solche endlosen Aneinanderreihungen nerven mich schon in den Büchern von Walter Moers (ohne den jetzt auf eine Stufe mit Hugo stellen zu wollen), das ist bei Hugo nicht anders. Und das, obwohl ich meist eine geduldige Leserin bin, die nicht im Schnellzugtempo durch die Seiten rauschen muss.


    So weit meine Eindrücke. Ich freue mich jedenfalls schon, dass es im zweiten Buch offenbar wieder mit Jean Valjean weitergeht.


    Liebe Grüsse


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • "Die Elenden" scheinen mich gepackt zu haben – heute habe ich Buch 1 bis 4 gelesen. :smile:


    3. Buch
    Victor Hugo versteht es, mein Herz zu rühren. Er greift dazu zwar auf vorhersehbare und bewährte Mittel zurück, aber mit so viel Stil, dass es eben nicht kitschig, sondern rührend wirkt. Zunächst die Beschreibung von Cosettes Elend, das noch grösser ist, als ich angenommen hatte. Die Grausamkeit, ein kleines Kind mitten in der Nacht alleine in den Wald hinauszuschicken – einfach nur herzlos. Und dann das Auftauchen Valjeans, der der Kleinen wirklich wie ein Gott vorkommen muss :smile:
    Auch wenn ich den Verlauf und den Ausgang des Buches von Anfang an vermutet hatte, war es doch einfach nur schön, es zu lesen :herz:
    Schade nur, dass die widerwärtigen Thénardiers am Ende nicht mit leeren Händen dastanden... :zwinker:


    Liebe Grüsse


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • 3. Buch


    Ja, ich kann Alfa in allem zustimmen. Eine großartige Geschichte. Die Charakterbeschreibungen gefallen mir sehr gut, sei es nun die Gier der Thénadiers oder die Hilflosigkeit der Cosette. Wenn er jedoch anfängt Räumlichkeiten zu beschreiben wie das Haus Gorbeau, werde ich müde. :smile: Er möchte nichts dem Zufall überlassen, hat konkrete Vorstellungen, wie jede Requisite aussehen soll und hält dabei die Phantasie des Lesers an der kurzen Leine.


    Gruß,
    dumbler

  • Ihr legt ja ein tolles Tempo vor!


    1. Buch - Waterloo
    Die Begeisterung über diesen Abschnitt kann ich nicht teilen. Kriegshandlungen - und dann noch in solcher Ausführlichkeit - waren noch nie mein Fall. Ich teile eher dumblers Ansicht, dass mit einigen Einzelschicksalen alles viel persönlicher rübergekommen wäre. Außerdem bin ich zu wenig Stratege, um die einzelnen Kampfhandlungen so nachvollziehen zu können, dass mir die Schlacht sinnvoll vorgekommen wäre. Die meiste Zeit machte ich mir Gedanken darüber, worin der Bezug zu den Elenden bestehen könnte, was erst auf den letzten Seiten deutlich wurde.


    Hugo deckt seine Leser in diesem Buch wirklich nur so ein mit Namen und Ereignissen, dass man ohne weitere Recherchen oder Vorkenntnisse auf verlorenem Posten steht, da er anscheinend eben diese Vorkenntnisse voraussetzt. Mir kam öfter als nur einmal der Gedanke, dass die damalige lesende Bevölkerungsschicht sehr gut informiert sein musste über die Schlacht bei Waterloo, weil Hugo völlig auf Erläuterungen verzichtet.


    Ich hoffe, dass ich euch noch einhole trotz meines eher langsamen Lesetempos.


    LG
    Doris

  • 1. Buch: Waterloo
    Ich hatte mich am Anfang gewundert, warum viele von euch von so detailierten Schlachten erzählten. Bei mir ist das Kapitel nur 10 Seiten lang. Aber hinten im Anhang gibt der Übersetzer an diese weggelassen zu haben, da sie für den deutschen Durchschnittsleser nicht von wirklich wichtig sind. Mal ne Frage an die, welche diese Szenen haben. Welche Ausgabe habt ihr denn? Oder welche Ausgabe ist denn am ausführlichsten? Ich weiß, dass das irgendwo im Vorschlagsthread steht. Wär mir jetzt aber zu anstrengend, dass zu suchen.


    Zitat

    Mir kam öfter als nur einmal der Gedanke, dass die damalige lesende Bevölkerungsschicht sehr gut informiert sein musste über die Schlacht bei Waterloo, weil Hugo völlig auf Erläuterungen verzichtet.


    Dem muss nicht unbedingt so gewesen sein. Schon als das Buch erschien, brauchte ein Franzose eine sehr gute Allgemeinbildung, um alles zu verstehen.

    [b] "Jean Valjean, mein Bruder, Sie gehören nicht mehr dem Bösen, sondern dem Guten. Ich kaufe ihre Seele frei. Ich entreiße sie den finsteren Gedanken und dem Geist der Verderbnis und übergebe sie Go

  • zweites Buch
    Nummer 24601 wird Nummer 9430


    Hier bekommt man ein schlimmes Beispiel wie die Zeitungen die Wahrheit verdrehen können.


    Ich habe regelrecht Schadenfreude empfunden als ich gelesen habe wie es mit Montreuil-sur-Mer abwärts ging. Geschieht den Menschen recht. Als sie die wahre Identität Madeleines erfahren haben sie ihn schließlich sofort fallengelassen.


    In weniger als zwei Stunden waren seine guten Werke vergessen, und nur der Galeerensträfling blieb übrig.



    Das Kettenglied muß vorbereitet sein, um mit einem Hammerschlag gebrochen zu werden


    Hier war es natürlich sehr offensichtlich was passieren wird. Aber mir hat die Überschrift sehr gefallen. Anfangs völlig unverständlich, aber am Ende dieses Abschnitts musste ich dann nochmal zurückblättern.
    hatte er mit einem Hammerschlag die an den Eisenring um seinen Fuß genietete Kette zerbrochen.....Niemand beachtete in dieser Minute, mit welcher Leichtigkeit er die Kette gesprengt hatte. Erst später erinnerte man sich
    -das Kettenglied muß verbereitet sein, um mit einem Hammerschlag gebrochen zu werden- :zwinker:.


    Thomas
    Ich lese diese Ausgabe. Kann ich empfehlen, sie ist nicht teuer und eine sehr gute Übersetzung.
    Aber das bei dir 60 Seiten weggekürzt wurden finde ich doch etwas viel. "Da sie für den deutschen Durchschnittsleser nicht wirklich wichtig sind"?!. Hmmm......der deutsche Duchschnittsleser?!
    Na ja, ich finde das Kapitel zumindest hochinteressant und bin froh das ich es habe. :breitgrins:


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    Grüße
    Flor

    Einmal editiert, zuletzt von Flor ()

  • Ja, genau die Ausgabe hab ich auch. Gibts übrigens noch immer für schlappe 15 € bei Jokers


    Gruß,
    dumbler

  • @ Thomas
    Ich lese eine Ausgabe des Verlages Volk und Welt Berlin, die aus drei Büchern besteht. Leider gab es bei Amazon keinen Link dazu. Sie scheint zwar von der Übersetzung her vollständig zu sein, hat dafür aber kein Vorwort wie einige andere Ausgaben.

  • @ Flor, dumbler und Doris: Danke für die Tipps. Die Ausgabe von Patmos sieht schon mal ganz gut aus. Ist ja auch über 400 Seiten länger als meine Ausgabe^^


    @ Flor: Naja, des mit dem deutschen Durchschnittsleser hab ich reininterpretiert. Er schreibt nur, das die Schlacht von Waterloo, damals aktuelle Kriminalfälle oder das Pariser Kanalisationssystem selbst im Lande Huos nur noch Spezialisten interessieren würde. Aber darüber gibt er an extrem genau übersetzt zu haben und das bei vielen Übersetzungsfehler vorkommen oder Ungenauigkeiten. Manchmal sogar Kapitel umgestellt wurden. Aber man muss ich zu gute halten, dass er echt sau gut übersetzt hat. Der Roman liest sich wie flüssige Butter.


    Grüße Thomas

    [b] "Jean Valjean, mein Bruder, Sie gehören nicht mehr dem Bösen, sondern dem Guten. Ich kaufe ihre Seele frei. Ich entreiße sie den finsteren Gedanken und dem Geist der Verderbnis und übergebe sie Go

  • 3. Buch
    Dieser Abschnitt hat mich sehr gepackt, nicht nur wegen Cosettes Elend, das sie ertragen muss, sondern wegen dieser habgierigen Familie Thenardier. Da spürte ich förmlich, wie mir das Messer in der Tasche aufging :grmpf:. Leider konnte Vater T. ja noch seinen Anteil absahnen, aber ich tröste mich mit dem Gedanken, dass man ihn vielleicht später im Roman nochmals trifft und er dann seinerseits auf der Verliererseite steht.


    4. Buch
    Hier ging es mir ganz anders als dumbler. Neben dem Haus Gorbeau beschreibt Hugo auch die Straßen in Paris so bildhaft, dass ich sie mir lebhaft vorstellen konnte. Da war kein Wort langweilig oder zu viel. Die Räumlichkeiten im Haus - gut, da wäre etwas weniger vielleicht mehr gewesen, aber das ist eben Hugos Stil.


  • 4. Buch
    Hier ging es mir ganz anders als dumbler. Neben dem Haus Gorbeau beschreibt Hugo auch die Straßen in Paris so bildhaft, dass ich sie mir lebhaft vorstellen konnte. Da war kein Wort langweilig oder zu viel. Die Räumlichkeiten im Haus - gut, da wäre etwas weniger vielleicht mehr gewesen, aber das ist eben Hugos Stil.


    Sein "Stil", alles bis ins letzte Detail beschreiben zu wollen, angefangen bei der Auflistung der Materialien zur Fertigung des Hauses bis hin zu der Farbe der Tapete, ist für meinen Geschmack zuviel des Guten. Um bei dem Haus Gorbeau zu bleiben: Am Anfang des Kapitels stellte ich mir ein düsteres, verlassenes Haus vor mit eingeschlagenen Fenstern, abblätterndem Putz im Flur, knarrenden Stufen, kleinen Türmchen ... je weiter die Lektüre voranschritt, wurde meine Vorstellung durch die von Hugo ersetzt - ich wurde in meiner Phantasie beschnitten. Wenn ich das gewollt hätte, würde ich mir besser einen Film anschauen.


    Bei der Beschreibung verschiedener Figuren und der von den Zuständen des Landes, die zu einem späteren Zeitpunkt noch auftauchen werden, kann ich hingegen nicht genug bekommen. Je feiner eine Figur beschrieben wird, umso besser kann man deren Handlung nachvollziehen, mit ihnen fühlen oder sie gänzlich ablehnen.


    Gruß,
    dumbler

  • @ dumbler
    Vielleicht ist diese Ausführlichkeit Hugos Art, Phantasielosen und Denkfaulen entgegenzukommen :breitgrins:.


    Ich muss meine positive Meinung inzwischen fast revidieren, denn etwas später folgen so ausführliche Beschreibungen, dass ich fast aufgegeben und den entsprechenden Teil übersprungen hätte, noch dazu, weil ich wieder den Bezug zur Handlung vermisst habe.