Harry Mulisch - Das Attentat

Es gibt 9 Antworten in diesem Thema, welches 9.718 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Kirsten.

  • Nach dem großartigen "Die Entdeckung des Himmels" hatte ich an allen anderen Mulisch-Büchern etwas zu meckern.


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    Nicht so bei dem hier.


    Die Geschichte beginnt 1945 in Haarlem, Holland, im kalten "Hungerwinter". Anton lebt mit seinem Bruder und seinen Eltern in einer stillen Seitenstraße. Eines Nachts zerreißen Schüsse die Stille, die Mutter läuft ans Fenster und sieht vor dem Nachbarhaus auf der Straße die Leiche des Nazisympathisanten und Polizisten Fake Ploeg. Die Nachbarn kommen aus dem Haus und schleifen den Toten ein Haus weiter. Antons Bruder will die Leiche wegschaffen, doch da kommen die Deutschen, verhaften die ganze Familie unter Verdacht, Ploeg getötet zu haben und brennen das Haus nieder.


    Anton wird von seinen Eltern getrennt und erfährt später, dass sie und auch sein Bruder von den Deutschen umgebracht wurden. Er wächst bei seinem Onkel auf, studiert Medizin, wird Anästhesist, heiratet, wird Vater - ein an der Oberfläche völlig normales Leben. Doch tief im Inneren trägt er immer noch die quälende Erinnerung an diese furchtbare Nacht mit sich.


    Die Geschichte wird in fünf Episoden zwischen 1945 und 1981 erzählt, in jeder Episode nach dem schrecklichen Vorfall hat Anton eine Begegnung, die die Erinnerung wieder wachruft und ihn zwingt, sich damit auseinanderzusetzen.


    Mulisch erzählt nachdenklich, tiefgründig, aber auch sehr plastisch, man sieht die Geschehnisse wie einen Film vor dem inneren Auge ablaufen und macht sich mit Anton selbst so seine Gedanken um Erinnerung, Schuld, Vergangenheit und Zukunft.


    Trotz der Zeitsprünge und eingestreuten längeren Gedankengänge ist das Buch sehr flüssig zu lesen und "rund".


    Nur das letzte Kapitel konnte ich nicht so gut einordnen, weil ich zuwenig Ahnung von der holländischen Zeitgeschichte habe, mit etwas mehr Hintergrund hätte ich damit wohl noch mehr anfangen können.


    4ratten

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





    Einmal editiert, zuletzt von Alfa_Romea ()

  • Ich habe dieses Buch sehr gerne gelesen, vielleicht weil es gerade so schön plastisch war, wie Valentine es geschildert hat.
    Ich musste mich viel mit diesen Buch beschäftigen, weil ich einieg Teile dieses Buches interpretieren musste und je mehr ich mich mit diesem Buch beschäftigt habe, desto besser gefiel es mir. :sonne:

  • Zitat von "Valentine"

    Mulisch erzählt nachdenklich, tiefgründig, aber auch sehr plastisch, man sieht die Geschehnisse wie einen Film vor dem inneren Auge ablaufen und macht sich mit Anton selbst so seine Gedanken um Erinnerung, Schuld, Vergangenheit und Zukunft.


    Treffender geht es nicht zu Formulieren! :klatschen:
    Ein wirklich tolles Buch, das zu meinen absoluten Lieblingen (der modernen Klassiker) gehört!

    Liebe Grüße

    Tabea

  • Zitat von "dubh"

    Treffender geht es nicht zu Formulieren! :klatschen:


    Oh, vielen Dank :redface:


    Das ist ein Buch, das ich wohl nicht zum letzten Mal gelesen habe ... auch wenn ich zuerst "Die Entdeckung des Himmels" "re-readen" möchte.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Jänner 1945, Haarlem, Holland.
    Vor dem Haus der Familie Steenwijk wird ein nazifreundlicher holländischer Polizist von Widerständlern erschossen. Die deutsche Besatzung macht kurzen Prozess, fasst den Täter, erschießt in einem Akt der Willkür das Ehepaar Steenwijk sowie deren Sohn Peter. Das Haus wird in Schutt und Asche gelegt. Anton, der damals 12-jährige Sohn ist der einzige Überlebende. Nach einer Nacht im Gefängnis wächst er dann bei Verwandten auf und führt eigentlich ein recht „normales“ Leben.


    In insgesamt 5 „Episoden“ im Zeitraum von 1945 bis 1981 wird das Leben des Anton Steenwijk erzählt, der eigentlich dieses Erlebnis verdrängen und die Vergangenheit ruhen lassen will. Doch immer wieder wird er mit Menschen und Szenen konfrontiert und das Erlebte begleitet und überschattet sein Leben.
    Der Stil ist nüchtern, fast beiläufig wird die Geschichte „erzählt“, ohne aber Distanz zum Protagonisten zu erzeugen.


    Es ist die Frage nach der Schuld, die sich wie ein roter Faden durch das 200-Seiten-Buch zieht.
    Sind die Deutschen schuld? Sind es die holländischen Kollaborateure oder gar die Widerständler, die den Polizisten erschossen haben? Wären da noch die Nachbarn, die auch ihre Finger im Spiel hatten ….


    Anton beginnt zu verstehen, dass es keinen „Schuldigen“ gibt, bzw. dass man, um die Schuldfrage zu klären, wohl bis zu Adam und Eva zurückkehren muss.


    Ein Satz ist mir aufgefallen, es geht um die Namensgebung bei Kindern:

    Zitat

    „Erst wenn es wieder Adolfs gibt, haben wir den 2. Weltkrieg wirklich überwunden“


    Es gibt viele Bücher, die sich mit der Vergangenheitsbewältigung und dem Thema 2. Weltkrieg beschäftigen. Aber dieses Buch behandelt die Thematik in einer Form, die mich sprachlos macht. Neben Imre Kertesz’ „Roman eines Schicksallosen“ ist „Das Attentat“ für mich ein ganz wichtiges Buch, das jeder gelesen haben sollte! Aufrüttelnd, nüchtern, ohne anzuklagen, ohne erhobenen Zeigefinger, ohne Besserwisserei und es hinterlässt das Bewusstsein, dass man sehr vorsichtig sein soll mit Pauschalverurteilungen und Schuldzuweisungen!


    Ganz große Literatur!


    5ratten

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • Hallo


    Auch ich muss mich den positiven Meinungen zu diesem Buch anschließen. Es ist gut erzählt und hat mich mit seiner Atmosphäre des Ungewissen in manchen Szenen durchaus gepackt.
    Gut, kurzweilig und manchmal sehr entrückend erzählt es ein dunkles Stück Geschichte.


    N™


  • Es gibt viele Bücher, die sich mit der Vergangenheitsbewältigung und dem Thema 2. Weltkrieg beschäftigen. Aber dieses Buch behandelt die Thematik in einer Form, die mich sprachlos macht.


    Die Erzählweise des Autors hat mich auch sprachlos gemacht. Ich habe diesen Roman damals in meinem Deutsch Lk gelesen (es war sogar das erste Buch, das wir im Lk gelesen haben und mir gefiel). Ich habe nie gerne Romane über dieses Thema gelesen, aber dieser war unglaublich gut. Ich würds sogar sehr gerne nochmal lesen.

  • Ich lese gerade De Aanslag und wollte meinen ersten Eindruck posten. Dabei ist mir aufgefallen, wie wenig es hier über Harry Mulisch zu lesen gibt. Die Entdeckung des Himmels habe ich auch gelesen, aber erinnern kann ich mich nicht mehr an das Buch.


    Dann bin ich über diesen Satz gestolpert.

    Nach dem großartigen "Die Entdeckung des Himmels" hatte ich an allen anderen Mulisch-Büchern etwas zu meckern.

    Huch, wirklich? Beim Weiterlesen war ich aber beruhigt, Das Attentat hat Valentine doch gefallen (wenn ich das bei dem Thema so schreiben kann).


    Ich habe die Erste Episode beendet und muss erst mal durchatmen. Ich weiß nur wenig von dieser Zeit, das Meiste von dem, was mein Mann und meine Schwiegereltern mir erzählt haben. Zumindest in meinen Geschichtsbüchern war wenig dazu zu lesen.


    Anton hat mir so leid getan. Harry Mulisch beschreibt seine Verwirrung und Angst und auch die Schuldgefühle, als Schulz verwundet wird so, als ob Anton selbst erzählt. Dann die Schokolade in Amsterdam und der Onkel, der ihn abholt. Und was ist mit seiner Familie und der Frau im Gefängnis? Ob ich dazu noch etwas erfahren werde?

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Allzu viel weiß ich nicht mehr von dem Buch, nur noch, dass es mir größtenteils gut gefallen hat.


    "Die Entdeckung des Himmels" fand ich wirklich großartig, das habe ich schon zweimal gelesen. Ob ich sonst noch Mulischs hier besprochen habe, weiß ich nicht mehr. Ich glaube, die meisten habe ich vor meiner Forumszeit gelesen.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Meine Meinung

    De Aanslag war für mich ein schwieriges Buch. Sicherlich vom Thema her, aber hauptsächlich auch von Anton selbst und das Ereignis mit und aus ihm gemacht hat. Jahrelang konnte er nicht darüber sprechen, wollte wahrscheinlich nicht darüber nachdenken. Er hatte komplett mit den Ereignissen vom dem verhängnisvollen Abend abgeschlossen. Vielleicht war das für ihn die einzige Möglichkeit, weiter zu leben.


    Trotzdem kann er dem Erlebten nicht entkommen. Gerade, als er in seinem neuen Leben angekommen ist, wird er mit dem alten wieder konfrontiert. Und als er sich wieder erholt hat, passiert es zum zweiten Mal. Jedes Mal wirft ein wenig mehr Licht auf die Vergangenheit. Aber will er das überhaupt?


    Weiter oben wurde es schon mal geschrieben und ich stimme zu: De Aanslag ist ein wichtiges Buch, das sich sehr sensibel mit dem Thema auseinander setzt.

    5ratten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.