Tom Wolfe: Ich bin Charlotte Simmons

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    Klappentext:
    Endlich am Ziel: Mit einem Stipendium an der traditionsreichen Dupont University wähnt sich Charlotte im sieben Himmel. Doch statt des ersehnten Lebens in der Welt des Geistes findet sie sich einem Mahlstrom aus Saufgelagen und sexuellen Ausschweifungen wieder.


    Meine Meinung:
    Auf über 900 Seiten begleitet man Charlotte Simmons, ein hochbegabtes, fleißiges Mädchen aus einem Kaff in den Bergen, von der Abschlußfeier ihrer High-School bis zu den ersten Prüfungen an der Universität.


    Charlotte findet ihr Leben in Alleghany County gräßlich. Ihr Leben besteht aus ihrer Familie, der Schule v.A. ihrer Lehrerin Miss Pennington und ihrer einzigen Freundin Laurie. Die anderen Schüler verachten Charlotte aufgrund ihres Ehrgeizes, ihres Wissens, ihrer Hochbegabung. Deshalb freut sie sich auf das Leben in Dupont - einer absoluten Elite-Uni - an der Charlotte ein Stipendium erhalten hat. Sie hofft dort Menschen wie sie zu finden: Menschen, die gerne klassische Literatur lesen; Menschen, die philosophische Diskussionen führen; Menschen, die Wissen in sich aufsagen wollen wie ein Schwamm. Statt dessen sind die jungen Leute in Dupont auch nicht anders als in Alleghany County: sie wollen Sex, benehmen sich unflätig und es geht nur darum möglichst cool :bang: zu sein. Der einzige Unterschied: die meisten in Dupont haben Geld wie Heu.


    Besonders Charlottes Einstand im Wohnheim fand ich köstlich. Im Wohnheim leben Jungen und Mädchen gemeinsam. Es gibt nicht einmal getrennte Waschräume. Charlotte ist entsetzt. Immer wieder fragt sie sich verzweifelt, was ihre streng religiöse Mutter, die so hohen Wert auf gutes Benehmen legt zu diesen Zuständen sagen würde. Es ist ihr klar, dass sie mit ihrer Mutter nicht über diese Dinge reden kann, sonst wäre ihre Zeit in Dupont zu Ende. Am ersten Abend wäscht sie sich notdürftig auf einer Toilette um nicht mit besoffenen, halbnackten Jünglingen im Waschsaal zu stehen... :totlach:


    Charlottes Erziehung macht ihr das Leben in Dupont schwer. Sie hat immer gelernt alles durchzustehen, indem sie sie selbst bleibt. In Dupont fällt ihr das schwer. Sie besitzt keine coolen Diesel-Jeans, die nur knapp den Hintern verdecken sondern uralte Röhrenjeans; sie trinkt keinen Alkohol und vor allen Dingen: sie ist noch Jungfrau. Mit irgendwelchen Kerlen einfach eine Nacht rumzumachen, liegt ihr fern.


    Erst als sie von ihrer hochnäsigen Mitbewohnerin Beverly ins Sexil (d.h. Beverly braucht das Zimmer für sich um in Ruhe ihre neueste Eroberung zu vernaschen und Charlotte soll wo anders schlafen) geschickt wird, beschließt sie etwas zu ändern.


    So kommt es, dass Charlotte auf Studentenpartys geht. Sich in einen Frat-Boy verliebt und glaubt, dass dieser sich auch in sie verliebt hat. Aber wie sollte es anders sein - er will sie nur in die Kiste bekommen.


    Auch ein anderer Junge - das absolute Gegenteil des coolen Frat-Boys Hoyt - verliebt sich in Charlotte. Adam gehört zu den Milleniumsmutanten, einer Gruppe von Außenseitern, die über das Leben und die Welt diskutieren und die Uni-Zeitschrift herausbringen.


    Der dritte Junge im Leben von Charlotte ist der weiße Basketballspieler Jojo. Auch sein Leben wird beschrieben und man lernt jede Menge über den College-Basketball. Das Buch ist auch als Kritik an den Bedingungen für Hochschulsportler an amerikanischen Universitäten zu sehen, die ihre Scheine für Nichts-Tun erhalten.


    Was mich an diesem Buch besonders fasziniert hat ist, dass es ein Mann geschrieben hat. In konnte wunderbar nachfühlen wie es der völlig unbedarften, hinterwäldlerischen Charlotte in diesem verruchten Hochschulmilieu erging. Ich konnte wirklich Tränen lachen, aber auch mit Charlotte nachfühlen. Sie ist für mich lebendig geworden.


    Das Buch ist auch eine Studie der amerikanischen Uni-Kultur. Das Uni-Leben wird nicht nur aus Sicht Charlottes beschrieben, sondern auch aus Sicht ihrer drei Männer: Jojo, dem Basketballer, dessen Traum die NBA ist; Adam, der Streber, der nach Karriere und einem Rhodes-Stipendium lechzt & Hoyt, dem coolen Frat-Boy, der möglichst viele Mädchen abschleppen will und mit wenig Einsatz, später viel Geld verdienen will. Tom Wolfe ist ja ursprünglich Journalist - dies lässt sich zwischen den Zeilen lesen. Für dieses Buch hat er sich selbst auch noch mal in den Mikrokosmos Uni geschmißen und recherchiert.


    Ich fand das Buch toll! Teilweise ein wenig zu viel Basketball, aber ansonsten einfach klasse. Für mich ein echter Pageturner.


    Daher gibts von mir:


    5ratten

  • Hallo!


    Ich hatte erwartet, dass Charlotte es an der Uni schwer hat und anfangs haben sich meine Erwartungen auch bestätigt. Ob es um die gemischten Waschräume geht oder die Mitbewohnerin, die das Landei komplett ignoriert- genau so hatte ich mir die Geschichte vorgestellt. Aber dann hat mich Charlotte überrascht, denn sie hat Mut gezeigt. Mut, sich nicht alles gefallen zu lassen und auch mal "Nein" zu sagen. Egal, was die Folgen sind. Sie ist sich treu geblieben und hat sich den Satz ihrer Mutter "Ich bin Charlotte Simmons" als Leitfaden genommen.


    Das Verhältnis zu ihrer Familie, überhaupt zu ihrer Heimat fand ich sehr interessant. Die Familie war ihr peinlich und sie fühlte sich durch sie und ihre Werte unter Druck gesetzt. Trotzdem haben gerade diese Werte sie an der Universität mehr als einmal vor Fehlern bewahrt. Auf der anderen Seite haben wurde sie durch ihre Familie und die Erwartungen auch eingeschränkt. Ich hatte das Gefühl, als ob sie von der Tochter zu einem Aushängeschild geworden ist. Gute Noten waren wichtiger als ihre Gefühle. Das konnte man besonders dann sehen, als sie die ersten schlechten Noten bekam. Da ist mir besonders ihre Mutter sehr unangenehm aufgefallen.


    Im Lauf des ersten Jahres verändert sich Charlotte. Sie schüttelt ihre Wurzeln und ihre Unsicherheit ab und wird zum ersten Mal sie selbst. Der Weg dorthin ist schwer, aber das Ergebnis kann sich sehen lassen.


    Ich fand die Sprache herrlich. Die breite Aussprache der Eltern, in die auch Charlotte immer wieder fiel oder der Südstaatenakzent, den ich ein paar Mal "gehört" habe. Lustig fand ich, dass sie fast immer mit einem Fragezeichen am Ende ihrer Sätze gesprochen hat. Das ist mir gleich am Anfang aufgefallen und hat mich jedes Mal zum Schmunzeln gebracht. Es hat sie klein und unsicher klingen lassen und bestimmt auch dafür gesorgt dass sie von einigen Leuten ziemlich unterschätzt wurde.


    Ich bin Charlotte Simmons ist ein interessanter Einblick in das Leben an einer amerikanischen Universität, auch wenn ich auf den Unisport ein bisschen hätte verzichten können.
    3ratten


    Liebe Grüße
    Kisten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.