Maarten't Hart - Der Psalmenstreit

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  • Titel: Der Psalmenstreit
    Originaltitel: Het psalmenoproer
    Autor: Maarten’t Hart
    Verlag: Piper
    Erschienen: Mai 2007
    Seitenzahl: 420
    ISBN: 3492049532
    Preis: 19.90 EUR


    Der Autor:
    Maarten’t Hart wurde 1944 in Maassluis Rotterdam geboren und wuchs in einem strengcalvinistischem Milieu auf. Seit 1987, nach dem Ende seiner Karriere als Biologe an der Universität von Leiden lebt Maarten’t Hart als freier Schriftsteller in Warmond. Er gehört zu den meistgelesenen zeitgenössischen Autoren in Europa.


    Worum geht es?
    »Zwei Schiffe mehr, du wirst Gott loben und preisen, du wirst der größte Reeder von Maassluis sein.« So einfach stellte sich seine Mutter das vor. Doch um diese Schiffe zu bekommen würde Roemer Stroombreeker zunächst einmal Diderica heiraten müssen, ein abscheulicher Gedanke, denn Diderica überragte ihn um Haupteslänge, und ihr Geruch erinnerte ihn an einen riesigen Heilbutt. Natürlich, man schrieb das Jahr 1739, der Heringsfischerei war keine goldene Zeit beschieden in diesen Tagen, und auch die Reederfamilie der Stroombreekers mußte schauen, wo sie blieb - aber sollte Roemer dafür auf die Liebe der mittellosen Anna Kortsweyl verzichten? Am Vorabend des grimmigen Aufruhrs um eine neue Bibelübersetzung beginnt Maarten't Harts historischer Roman.


    Meine Meinung:
    Maarten’t Hart hat einen historischen Roman geschrieben. Mal etwas anderes aus seiner Feder, aber auch hier beweist er sein großes Können. Man könnte beim Lesen dieses Buches fast zu dem Schluss kommen, Maarten’t Hart sei dabei gewesen. Seine Schilderung wirkt wie die eines Augenzeugen, und dem Leser wird die damalige Zeit sehr anschaulich nahe gebracht. Fast könnte man sagen: „erlebte Geschichte“.
    Natürlich kommt er auch in diesem Buch auf seine große Verehrung für Johann Sebastian Bach zu sprechen, immer wieder finden sich in dem Buch Hinweise auf diesen großen Komponisten.
    Das Buch ist sehr flüssig und mit viel Schwung geschrieben, und auch das eine oder andere Augenzwinkern fehlt nicht. Es ist dort derb wo es die Situation erfordert, wird dabei aber nie gewöhnlich oder primitiv. Ein rundum sehr schönes Lesevergnügen. Ein Buch das sich wohltuend aus dieser Dutzendware von sogenannten „historischen“ Romanen heraushebt.
    Sehr empfehlenswert!


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  • Ich lese es auch gerade - eigentlich absolut "auf Verdacht", weil ich der Überzeugung bin, dass 'T Hart unfähig ist, ein schlechtes Buch zu schreiben. Ich sah es in der Buchhandlung und habe gar nicht überlegt.


    Und es ist natürlich so wunderbar geschrieben, so klug, so originell wie alles von diesem Schriftsteller.
    In diesem Fall muß man sich natürlich durch allerhand historische Fischfang-Geschichten und Ausdrücke kämpfen und auch Spaß an Theologie haben, denn dieser Psalmenstreit ist nicht ohne. Die sturen, damals sehr frommen Holländer! Und dann ging es natürlich eigentlich um eine Verbesserung des Lebens und der Einkünfte der einfachen, sehr armen Herings- Fischer (kontra reiche Reeder), alles festgemacht an der durch eine neue Übersetzung bedingte höhere Geschwindigkeit des Singens der Psalmen in der Kirche...skurril, skurril, und doch so passiert: es gab eine versuchte Revolte damals in Maassluis. Der Originaltitel "Het psalmenoproer" also "Der Psalmenaufruhr" trifft es daher besser als das Wort "Psalmenstreit".


    Wer gerne Matjes ißt, kann eine Menge lernen!


    Außerdem ist die Hauptperson, ein sehr sympatischer und nachdenklicher Reeder, fasziniert von der Orgel-Musik J.S. Bachs (der gerade gestorben war), er beobachtet gerne Vögel und Pflanzen und versteht viel von ihnen - und er hat ein persönliches Schicksal zu tragen, das mit einer unglücklichen Pflichtehe, in der keine ehelichen Pflichten ausgeführt werden können und einer Liebe zu einer ganz armen Frau zu tun hat, die dann wiederum den Nachwuchs bekommt.


    Kein Buch, das jedem gefallen würde. Aber ein schönes, saftiges, klasse geschriebenes.


    Unbedingt empfehlenswert von diesem Schriftsteller: Die Netzflickerin/Das Wüten der ganzen Welt.

    Wissen verwandelt Fragen in Antworten; <br />Weisheit verwandelt Antworten in Fragen.

    Einmal editiert, zuletzt von BlueRhonda ()

  • Hallo!


    Ein neuer Roman von Maarten't Hart, wie schön :klatschen: Seinen letzten Roman fand ich nicht wirklich überzeugend, aber diese Rezi klingt nach etwas, das mir auch gefallen würde.


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Hallo!


    Der Psalmenstreit konnte mich nicht vollständig überzeugen, hinterläßt aber insgesamt einen deutlich besseren Eindruck als andere Werke von 't Hart. Ich bin nicht wirklich ein Freund seiner ständigen Auseinandersetzungen mit der Kirche, aber abgesehen von diesem eher persönlichen Problem hat mir die Geschichte sehr gut gefallen. Roemer Strombreeker ist Reeder wider Willen, viel lieber würde er sich der Natur oder der Musik widmen. Schon früh macht er sich Gedanken über das, was ihm die Bibel und der Pastor erzählt und scheut sich auch nicht, unbequeme Fragen dazu zu stellen. Auch wenn er einen Lebensweg einschlägt, den andere für ihn gewählt haben steckt auch im erwachsenen Reeder viel von dem Jungen, der lieber Vögel beobachtete. Maarten 't Hart stellt Strombreeker als warmherzigen Menschen dar, der sich viele Gedanken um seine Mitmenschen macht und ihnen nur das Beste tun will, manchmal mit ungeahnten Folgen. Aber auch die Menschen in seiner Umgebung kommen nicht zu kurz. Sei es die Ehefrau, die Geliebte oder der Freund aus Jugendtagen: alle spielen eine große Rolle in seinem Leben und dementsprechend auch im Buch. Und weil der Autor nihts dazu kann, dass ich nicht so gerne in die Kirche gehe wie viele seiner Hauptpersonen gibt es
    4ratten


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Maarten ´t Hart: Der Psalmenstreit


    Inhalt (Klappentext)


    "Zwei Schiffe mehr, du wirst Gott loben und preisen, du wirst der größte Reeder von Maassluis sein." So einfach stellt sich seine Mutter das vor. Doch zu diesem Zweck würde Roemer Stroombreker Diderica Croockewerff heiraten müssen, ein abscheulicher Gedanke, denn Diderica Croockewerff überragte ihn um Haupteslänge, und ihr Geruch erinnerte ihn an einen riesigen Heilbutt. Natürlich, man schrieb das Jahr 1739, der Heringsfischerei war keine goldene Zeit beschieden in diesen Tagen, und auch die Reederfamilie der Stroombrekers mußte schauen, wo sie blieb - aber sollte Roemer dafür auf die Liebe der mittellosen Anna Kortsweyl verzichten? Am Vorabend des grimmigen Aufstands der Fischer von Maassluis, der sich an der neuen Reimform der Psalmen entzündet, beginnt Maarten ´t Harts detailreiche und sinnliche Lebensgeschichte des Roemer Stroombreker.


    Meine Meinung:


    Die Inhaltsangabe aus dem Klappentext ist etwas ungenau. Die Handlung des Buches beginnt 1739. Roemer Stroombreker ist 9 Jahre alt, bereits vaterlos und entdeckt gerade seine Liebe zur Musik.


    Etwa 10 Jahre später heiratet er nach dem Willen seiner Mutter nicht Anna, die er liebt, sondern Diderica Croockewerff, die er körperlich abstoßend findet. So kommt es, daß er zwar der größte Reeder von Maassluis wird, aber eine unzufriedene Ehe führt und keine Nachkommen hat, denen er seine Schiffe später vererben könnte. Dazu kommen schlaflose Nächte aus Sorge um seine Schiffsmannschaften, als die Heringsfischerei zunehmend ineffektiv wird.


    Einem Seitensprung mit seiner Jugendliebe Anna entspringt ein Sohn, Gilles, der aber bei Anna und ihrem Mann aufwächst. Roemer wird als ein gutmütiger, sanfter Mann geschildert, der sich mehr für Musik und die Natur, für Vögel und Tiere interessiert als für die Heringsfischerei; der sich um das Wohl seiner Mitmenschen sorgt, aber oftmals sehr zögerlich handelt und nicht gerade entschlußfreudig ist. Er hilft Anna zwar finanziell, ist aber zu sehr der Konvention verhaftet, um sich öffentlich zu seinem Sohn zu bekennen.


    Gilles ist das ganze Gegenteil seines Vaters: aufmüpfig, rebellisch und hitzköpfig, und so kommt es, daß er im Psalmenstreit von 1775 (bei dem es darum geht, die bisher übliche lange Singweise der Psalmen im Gottesdienst durch eine kürzere Singweise und andere Bereimung zu ersetzen) eine entscheidende Rolle auf seiten der Aufrührer spielt.


    So wie der Psalmenstreit ein Symptom ist für die Unzufriedenheit der armen Leute mit den herrschenden Verhältnissen und ihrer zunehmenden Verarmung - der die Oberschichtler wie Roemer nicht wirklich abhelfen können oder wollen - so spiegeln sich genau diese sozialen Zustände in dem Verhältnis von Roemer zu seinem Sohn wider. Das finde ich geschickt verknüpft.


    Ich habe das Buch auf Niederländisch gelesen, was erstaunlich leicht ging und gleich danach habe ich es in deutscher Übersetzung (von Gregor Seferens) gelesen. Die Übersetzung ist sehr genau, allerdings werden einige Ortsbezeichnungen und Ausdrücke aus der Heringsfischerei, die ich nicht im Wörterbuch fand, wie "Heringe kaken", auch nicht übersetzt, und "buizen en hoeker" sind "Büsen und Huker". Da bin ich genauso klug wie zuvor, aber das Leseverständnis wird dadurch kaum beeinträchtigt, denn über historische Fischereischiffe wie Büsen und Huker kann man sich in den Zeiten des Internets leicht per Google informieren.


    Ich habe Roemers Lebensgeschichte gern gelesen. Sie ist sehr lebendig geschildert. Man lernt aus dem Buch einiges über Heringsfischerei und über niederländische Geschichte. Am Ende des Buches ist Roemer 81 Jahre alt und die Niederlande werden von Napoleon beherrscht.


    Es geht auch immer wieder um Tiere, vor allem Vögel, um die Bibel, und um Musik (von Johann Sebastian Bach ist viel die Rede, und Mozart und Beethoven kommen sogar höchstpersönlich in dem Roman vor). Sehr genossen habe ich die herrlichen, ironischen Kommentare von Meister Spanjaard (Roemers Lehrer und Ersatzvater) zu allen möglichen Fragen des Lebens. :breitgrins:


    Meine Bewertung:


    5ratten

    Freiheit ist immer Freiheit der Andersdenkenden (R. Luxemburg)

    Was A über B sagt, sagt mehr über A aus als über B.

    Einmal editiert, zuletzt von kaluma ()