Véronique Olmi - Meeresrand

Es gibt 3 Antworten in diesem Thema, welches 3.750 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Doris.

  • Eine junge Mutter, alleinerziehend, psychisch krank, überfordert, arm, dem Sozialamt nicht unbekannt - sie liebt ihre kleinen Söhne Stan (9) und Kevin (5) über alles, doch sie schafft es einfach nicht, das zu tun, was von ihr als Mutter erwartet wird. Stan kümmert sich darum, dass Kevin rechtzeitig aufsteht, sich anzieht, frühstückt, in den Kindergarten geht, weil die Mutter nachts schwere Schlafstörungen hat und erst morgens schlafen kann, wenn die Jungen aufstehen müssen.


    Die Sozialarbeiter, die Kindergärtnerin, die Lehrerin stellen anklagende Fragen und machen sich Sorgen. Die Mutter würde ja so gerne tun, was sie müsste, aber es geht einfach nicht, die psychische Krankheit hat sie so sehr im Griff.


    Eines Tages steigt sie mit den Jungen in den Bus und fährt mit ihnen ans Meer, damit sie es einmal im Leben gesehen haben. Für die Jungen wird es die letzte Reise sein, die junge Frau kann die Bürde der Verantwortung nicht länger tragen.


    Das traurige Ende ahnt man schon von Anfang an. Die Grundstimmung des Buches ist niedergeschlagen und verzweifelt - und doch habe ich das Buch gerne gelesen. Die tiefe Verzweiflung der Mutter, die in ihrem Leben immer nur gescheitert zu sein scheint und auch jetzt nicht einmal durch die große Liebe zu ihren Söhnen fähig ist, immer für sie dazusein und ihre Pflichten als Mutter zu erfüllen, ihre ständig rasenden, sich überschlagenden Gedanken hat Véronique Olmi durch ihre Sprache unglaublich lebensecht eingefangen. Halbsätze, Gedankensprünge, hektische Überlegungen - all das ist stilistisch sonst so gar nicht mein Ding, aber hier passt es einfach, man blickt in die Seele dieser gehetzten Frau hinein, kann sie schon beinahe bei ihrem letzten schrecklichen Entschluss verstehen - und fragt sich am Ende, ob jetzt nicht alles noch viel schlimmer für sie ist...


    4ratten


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    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





    Einmal editiert, zuletzt von Alfa_Romea ()

  • Inhalt (von amazon.de):
    Am äußersten Meeresrand, wo Wasser und Horizont sich berühren, so glaubten früher nicht nur die Fischer, kippt man unweigerlich von der Erdscheibe ab ins Nichts. An jenem Meeresrand, wo Wellen und Strand sich begegnen, glaubt die psychisch labile Mutter in Véronique Olmis Roman, könnte die Stabilität ihrer Familie endlich wieder gefestigt werden. Mit ihren zwei minderjährigen Söhnen Kevin und Stan ist sie bei nie aufhören wollendem Nieselregen ans Ufer des Ozeans gefahren: "Ich hatte mir geschworen, die Kinder sollten das Meer sehen". Was sie inmitten von misstrauischen Einheimischen, viel zu kalten, schäbigen Hotelzimmern und einer durch und durch unwirtlichen Landschaft dann aber erleben muss, überfordert die Mutter maßlos und entlässt auch sie ins bodenlose Nichts: Keine Geborgenheit findet sie am Rand ihres Universums, sondern den endgültigen Zerfall der familiären Gemeinschaft.


    Ich habe gestern diesen Roman beendet und war so ergriffen, dass ich erst jetzt etwas dazu schreiben kann.
    Der Roman ist in einer sehr schönen,schlichten Sprache geschrieben und trotzdem werden die 3 Hauptpersonen so detailliert beschrieben, dass man die Mutter, Kevin und Stan direkt vor sich sieht.
    Die Mutter will ihren beiden Söhnen einmal das Meer zeigen und tritt mit ihnen diese Reise an. Eine Reise in unendlicher Traurigkeit und Verzweiflung. Ich bewundere Olmi, dass sie die Gefühle der Mutter so hautnah vermitteln kann.


    Das Buch ist nichts für leichte Lesestunden und man sollte es, obwohl es nur kurz ist, nicht in einem Rutsch lesen.
    Vielleicht hat es mich auch nur so angesprochen, weil ich selber gerade eine traurige Phase durchlebe.


    Einziger Punktabzug für den etwas abrupten Schluß. Da hätte ich mir noch 50 weitere Seiten gewünscht.


    Ich bin auf eure Eindrücke gespannt,
    Germa :kaffee:


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    Hi Germa! Ich habe noch die etwas detailliertere Inhaltsangabe von amazon.de hier reingesetzt. LG Alfa Romea


    Und ich hab dich an den bestehenden Thread angehängt. fairy

    Einmal editiert, zuletzt von fairy ()

  • Ich tu mich ein bisschen schwer mit der Beurteilung dieses Buches und stehe ihm etwas zwiespältig gegenüber. Das hat sicherlich auch damit zu tun, dass ich vor wenigen Tagen Phlippe Claudels "An meine Tochter" gelesen habe, ein Buch, das mich schwer und sehr nachhaltig beeindruckt hat und das sowohl die geringe Seitenanzahl als auch (zwar etwas grob gesteckt) die Thematik gemeinsam hat. Man soll Bücher nicht miteinander vergleichen, aber in diesem Fall fällt mir das schwer und schneidet vielleicht auch deshalb Olmi etwas schlechter ab als sie es sonst getan hätte ....


    Die kaputte Psyche der Mutter wird dermaßen eindringlich geschildert, dass man als Nichtbetroffener eine ungefähre Ahnung bekommt, wie sich Depressionen "anfühlen" könnten: Diese Ausweglosigkeit, Trostlosigkeit, Zukunftsangst, gemischt mit guten Vorsätzen, Rechtfertigungen vor sich selber.
    Der viele und ständige Regen, das tosende, stürmische Meer, die Kälte, das schmutzige, heruntergekommene Hotelzimmer waren mir dann doch zuviel, irgendwie war alles nur mehr grau, nur mehr Weltuntergang, mir persönlich kam es ein bisschen übertrieben vor, die Atmosphäre wäre mit der Beschreibung des psychischen Zustandes der Mutter und ihrem Verhalten schon abgründig genug. Mit dem ganzen "Drumherum" hat Olmì meiner Meinung nach "übers Ziel geschossen".


    3ratten

    :blume:&nbsp; Herzliche Grüße!&nbsp; :blume: <br />creative

  • "Meeresrauschen" ist ein Buch mit sehr melancholischer und depressiver Stimmung, die aber perfekt zur Handlung passt. Das schlechte Wetter symbolisiert für mich die innere Unruhe der Frau und das marode Hotel ist gleichbedeutend mit ihrem labilen Zustand. Sie ist eine Mutter, die nicht durch ihre Kinder, sondern durch das Leben selbst überfordert ist und sich außerstande sieht, den Anforderungen und Erwartungen nachzukommen, die die Gesellschaft an sie stellt. Die Gesetze Olmis Sprache verdeutlich sehr schön die innere Zerrissenheit der Frau und ihre Unfähigkeit, noch komplexe Gedankengänge zuzulassen, vor allem nicht darüber, weswegen sie in diese Stadt gekommen ist. Das bleibt bis zuletzt im Dunkeln, wenngleich man auch schon bald ahnt, wie die Geschichte enden wird.


    Der Schluss war für mein Empfinden auch etwas zu plötzlich. Gedanklich bin ich aber immer noch am Verarbeiten.


    4ratten