Alessandro Baricco - Novecento

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    Inhalt (von Amazon): Der Matrose Danny Boodmann findet im Ballsaal eines Luxusdampfers ein ausgesetztes Baby. Da man das Jahr 1900 schreibt und das Neugeborene in der Pappschachtel eines Zitronenhändlers lag, tauft es der stolze Seemann kurzerhand auf den wohlklingenden Namen Danny Boodmann T. D. Lemon Novecento (der Firmenaufdruck auf dem Karton soll dem Namen seines Zöglings seiner Meinung nach das nötige Gewicht verleihen). Er übernimmt von nun an die Fürsorge für den Kleinen. Was zu diesem Zeitpunkt niemand ahnt: Novecento wird dieses Schiff, die "Virginian", zeit seines Lebens nicht mehr verlassen. Er wird Pianist, Ozeanpianist, verzaubert mit nie gehörten Klängen die Gäste im Ballsaal und spielt unten, bei den Leuten der 3. Klasse, seinen eigenen, aus tiefstem Innern empfangenen Jazz und Ragtime. Unerklärlich für alle, die ihn spielen hören, ist der Sog, den seine Musik auszuüben vermag.


    Novecento. Reine Poesie und von seltsam traumhafter Qualität ist diese kleine, tja, was nur -- Novelle? Erzählung? Selbst Alessandro Baricco, dessen Bücher Seide und Land aus Glas auch hierzulande Erfolge waren, tat sich schwer, eine treffende Einordnung für sein Buch zu finden. Ursprünglich gedacht als Theaterstück für einen Schauspieler, beließ er schließlich die Bühnenanweisungen im Text.


    Vierzig Jahre vergehen. Novecento geht nicht ein Mal von Bord. Wie eine Allegorie mutet diese Reise im geschützten Schiffsbauch durch Raum und Zeit und unser Jahrhundert an. Dazu diese seltsame, betörende Musik. Welt findet innen statt. Baricco ist mit diesem Büchlein ein großer, kleiner Wurf gelungen. Thematik und Metaphernreichtum lassen durchaus an Schlafes Bruder oder auch an Thomas Manns Zauberberg denken. Jedoch, Signore Baricco, darf man Zweifel anmelden, ob, zumal zu Anfang unseres Jahrhunderts, die Menschen diese an Bronxgangster erinnernde, derbe Sprechweise pflegten?



    Meine Meinung: Vielleicht bin ich voreingenommen, weil ich ein Faible für kleine, dünne Bücher habe. Sie sind einfach zu knuffig...bei Novecento erklärt sich die Kürze schon an dem wenige Zeilen umfassenden Vorwort: Es ist eigentlich als eine Art Theaterstück geschrieben (es gibt auch - vereinzelt- Regieanweisungen), für einen Schauspieler. Wenn ich einen Wunsch frei hätte, würde ich das gerne sehen. Einige Passagen habe ich mir selbst laut vorgelesen und ich stelle mir das Ganze herrlich vor....aber auch als Buch hat Novecento viel Reiz. Natürlich hat es einen Denkanstoß und natürlich ist die ganze Situation außergewöhnlich. Viel länger hätte man es nicht machen sollen, dann hätte sich vieles der komprimierten Qualität verloren, so wie es ist, lädt es zu einem baldigen Zweit-lesen ein, um das zu entdecken, was im ersten Verschlingen untergegangen ist.


    4ratten:marypipeshalbeprivatmaus:


    [size=1]EDIT: Betreff angepasst und Amazonlink eingefügt. LG, Saltanah[/size]

    Seit die Mathematiker über die Relativitätstheorie hergefallen sind, verstehe ich sie selbst nicht mehr.<br />~ A. Einstein<br /><br />Man umgebe mich mit Luxus; auf das Notwendige kann ich verzichten. <br />~ Oscar Wilde

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()

  • Ein wunderschönes Büchlein :herz: Novecento ist mir richtig ans Herz gewachsen.


    Das Buch wurde auch schön verfilmt mit Tim Roth in der Hauptrolle.

    If you don't become the ocean, you'll be seasick every day.

    Leonard Cohen





  • Hallihallo!


    Heute erst aus dem Wichtelpäckchen befreit, habe ich dieses wunderbare Buch auch schon ausgelesen. Und ich bin wirklich froh, dass es mir gehört. Das ist nämlich so ein Buch zum immer wieder mal drin blättern und schöne Zitate nachschlagen und so. :herz:


    Meine Meinung:
    Mit beeindruckend sympathischer Art beginnt Alessandro Baricco diese kurze Geschichte über den größten Pianisten der Welt, der auf dem Schiff Virginian geboren und aufgewachsen ist udn selbiges bis ins Erwachsenenalter niemals verlassen hat. Erzählt wird aus der Sicht seines Freundes, des Trompetenspielers der Schiffsband. Das 20. Jahrhundert hat erst vor kurzem begonnen, es regiert der Jazz.


    Auch wenn das Buch nur knappe 80 Seiten hat, habe ich selten etwas gelesen, das mir so nahe geht und das mir so oft aus der Seele spricht. Baricco schafft es, Bilder zu malen, den Leser ins Herz zu treffen und gleichzeitig so urkomisch und tragisch zu erzählen, dass man nicht weiß, ob die Träne, die einem da plötzlich über die Wange fließt, vor Trauer oder vor Lachen gekommen ist. :traurig:


    Was mir nun am besten an dieser Geschichte gefallen hat, ist schwer zu sagen. Ist es Novecento, dieser außergewöhnliche Mensch, der die Welt in Etappen erlebt? 2000 Passagiere auf einmal, nicht mehr. Oder sind es Szenen wie die hypothetische Konversation zwischen einem Bild und dem Nagel, an dem es hängt? :breitgrins: Oder sind es die vielen kleinen Wahrheiten über die Welt, die sich zwischen den Zeilen verstecken? Ich weiß es wirklich nicht.


    Was ich aber weiß, ist dass dies hier ein Buch zum Verschenken ist. Und zwar an Menschen, die man wirklich gerne hat.


    Zum Hörbuch:
    Wen jemand die Chance hat, das Hörbuch zu hören - tut es. Der Erzähler hat eine großartige Stimme und wird genau dann sarkastisch oder fies, wenn die Geschichte es so will. Gleichzeitig lässt einen das Hörbuch auch die Musik, die gespielt wird, mithören. Auch wenn es nur kurz ist, das ist wirklich ein Erlebnis.


    Ich bin jedenfalls inzwischen völlig in Novecento verliebt und habe Baricco dick und fett auf meinem Wunschzettel notiert. :herz: Obwohl ich das Hörbuch schon kannte, hat mich die Lektüre wieder neu berührt und ich bin sicher, die Geschichte wird auch weiterhin in meinem Hinterkopf bleiben und immer wieder mal hervorlugen.


    5ratten :tipp:


    Liebe Grüße,
    Wendy

    Jahresziel: 2/52<br />SLW 2018: 1/10<br />Mein Blog

  • Uii. Da habt ihr was Feines! Ich werde das auch lesen. Den Schriftsteller mag ich sehr!
    Danke!

  • Er konnte zuhören, er konnte lesen. Nicht in Büchern, das kann jeder, er las in den Menschen, in dem, was sie in sich trugen: Orte, Geräusche, Gerüche, ihr Land, ihre Geschichte ... alles stand in ihnen geschrieben. (S. 42)


    Zum Inhalt ist hier bereits mehr als genug gesagt worden, daher schweige ich mich dazu aus, auch wenn mir dann der "Anlauf" fehlt. Ich tue mich gerade etwas schwer damit, eine in Worte fassbare Meinung zum Buch zu entwickeln. Gefallen hat es mir ausgesprochen gut, allerdings konnte es mich nicht so verzaubern wie Seide oder Land aus Glas.
    Dabei begegnet einem auch hier Bariccos ganz eigener Sprachstil, der poetisch ist, ohne süßlich zu sein, und auch derbere Fomulierungen zulässt (wenn etwa die Maschinisten zu Wort kommen). Außerdem lebt auch Novecento von der Mischung aus Melancholie und Tragik einerseits und einem verschmitzen Augenzwinkern und Lebensfreude andererseits. Die außergewöhnliche Ausgangssituation und die Begebenheiten erscheinen manchmal fast surreal. Und auch Novecento selbst, der Ozeanpianist, ist mir ans Herz gewachsen, selbst auf den wenigen Seiten entfaltet sich seine faszinierende Persönlichkeit. Durch seinen begrenzten Blick auf die Welt scheint er mehr zu sehen als manch ein weitgereister Passagier.
    Doch was fehlte dann letztendlich? Wahrscheinlich besteht mein Problem darin, dass das Büchlein bereits vorbei war, bevor ich komplett in Bariccos Welt eintauchen konnte. Die Geschichte als solche bleibt eine Skizze, stellenweise lebt sie nur durch atmosphärische "Randbemerkungen".


    4ratten


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges