Victor Hugo - Les Misérables/Die Elenden

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  • Hi!


    Nachdem ich es mit und dank der Leserunde auch noch durch das Buch geschafft habe, hier meine Meinung:


    Inhalt:
    Frankreich im 19. Jahrhundert: Der entlassene Galeerensträfling Jean Valjean trifft auf seiner Wanderschaft durch das Land auf den gütigen Bischof Myriel, der ihm Nahrung und ein Obdach bietet. Doch statt ihm dankbar zu sein, bestiehlt Valjean den Bischof. Dieser verzeiht ihm und beschenkt ihn darüber hinaus noch. Ein Wendepunkt in Valjeans Leben, der fortan nur noch Gutes tun und für seine vergangenen Sünden büssen will. Bis zu seinem Tod wird er immer wieder hart geprüft.


    Meine Meinung:
    «Die Elenden» hinterlässt bei mir einen zwiespältigen Eindruck. Positiv finde ich die schöne Sprache Hugos: Leicht zu lesen, aber doch mit tiefsinnigen Gedanken. Bildhaft, ausdrucksstark, treffsicher. Auch die Geschichte von Jean Valjean mochte ich, auch wenn die Dramatik ein paar Mal leicht überzogen schien. Ich verzeihe Victor Hugo die schier unglaublichen Zufälle in der Geschichte gern, irgendwann hatte ich mich daran gewöhnt.
    Hugo schweift in dem 1600-Seiten-Werk gerne ab, mal sind diese (meist langen) Exkurse gelungen, manchmal sind sie aus meiner Sicht schlicht langweilig. Sehr schön fand ich die Beschreibungen über das Wesen der Strassenjungen in Paris oder auch die Schlacht von Waterloo.
    Schwer tat ich mich dagegen mit Exkursen, in denen entweder Hugo direkt oder durch einen seiner Protagonisten über die Politik des frühen 19. Jahrhunderts in Frankreich erzählt. Als Leserin im 21. Jahrhundert ohne besondere Vorkenntnisse bin ich schlicht überfordert, da ich keine Ahnung hatte, von wem er da eigentlich redet und was die Hintergründe sind. Da mich das Thema (Frankreich während und nach Napoleon Bonaparte) nicht sonderlich interessiert, war ich auch nicht bereit, mir mit Sekundärliteratur einen Überblick zu verschaffen. Ich habe die entsprechenden Passagen mehr oder weniger überflogen.
    Aus diesem Grund tue ich hier jetzt auch etwas, das ich noch nie gemacht habe: Ich empfehle dem Leser, der einfach nur die Geschichte Jean Valjeans lesen möchte, eine gekürzte Ausgabe. Ich bin zwar grundsätzlich der Meinung, dass auch ruhige oder für die Geschichte nicht relevante Passagen zu einem Buch gehören und dass man die gefälligst auch mitlesen sollte. Aber bei «Die Elenden» fand ich die Abschweifungen zu häufig und zu lang. Eine Alternative zur gekürzten Ausgabe wäre eine vollständige Ausgabe, bei der man die «uninteressanten» Passagen überblättert. So kann man beispielsweise den 80-Seiten-Exkurs über Waterloo lesen oder eben auch nicht.


    3ratten - aber nur knapp


    Liebe Grüsse


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Hallo zusammen!


    Schwer tat ich mich dagegen mit Exkursen, [...]


    Hm ... ich scheine der einzige zu sein, der diese Exkurse liebt. Und je länger die Lektüre zurückliegt, desto lieber erinnere ich mich an die Exkurse. Sie haben für mich eine an und für sich platte, triviale und larmoyante Lektüre gerettet und aus der Geschichte eines Ex-Galeeren-Sträflings einen historischen Roman über das französische Volk der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gemacht, der auch heute noch lesenswert ist.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Ich gehöre auch zu der Mehrheit, die über die Exkurse gestöhnt hat. Ähnlich wie Klassikfreund lese ich auch lieber gleich Sachliteratur zu einem Thema, wenn es mich eher auf sachlicher Ebene interessiert. Übrigens nerven mich auch Sachbücher, die mit zu ausführlichen trivialen Exkursen gespickt sind :breitgrins:.


    Mir kommt es vor, als sei ich mit ganz anderen Erwartungen als z.B. Sandhofer an das Buch herangegangen, ich hatte nämlich kaum Ahnung, was auf mich zukommt. Ich kenne keinen TV- oder Kinofilm über Les Misérables, ebenso wenig das Musical. Von dem her, was mir tatsächlich bekannt war, hatte ich eine Erzählung erwartet, in deren Mittelpunkt Jean Valjean steht.


    Interessant war das Buch trotzdem. Einige der Exkurse waren wirklich informativ, aber bei Waterloo hatte ich den Eindruck, dass ich mit mehr Vorkenntnissen eher bei der Sache geblieben wäre. Dagegen gefielen mir der Ausflug in das Kloster oder die Beschreibung des Sturms auf die Barrikade, die sich ja viel mehr in die Länge zog, bedeutend besser, weil sie vom Stil her näher an das herankam, was ich von einem Roman erwarte. Somit hat sich meine anfängliche Befürchtung, dass Hugo nicht ganz einfach zu lesen ist, doch noch bestätigt.


    Liebe Grüße
    Doris

  • Hallo zusammen!


    Mir kommt es vor, als sei ich mit ganz anderen Erwartungen als z.B. Sandhofer an das Buch herangegangen, ich hatte nämlich kaum Ahnung, was auf mich zukommt. Ich kenne keinen TV- oder Kinofilm über Les Misérables, ebenso wenig das Musical. Von dem her, was mir tatsächlich bekannt war, hatte ich eine Erzählung erwartet, in deren Mittelpunkt Jean Valjean steht.


    Ich kenne auch nur den Roman. Und habe nicht im Sinn, mir Filme oder Musical anzutun ...


    Erwartet habe ich eine triviale und larmoyante Geschichte, mit ein Grund, warum ich Hugo jahrzehntelang nicht angerührt habe. Dann, vor der Lektüre, habe ich ein bisschen in meinem Kindler nachgelesen, und war von daher auf die Exkurse bereits vorbereitet. Nun liebe ich Werke mit solchen Exkursen, die dem Leser eine ganze Welt oder Zeit eröffnen oder wenigstens zu eröffnen suchen: Krieg und Frieden, Titan, Die Mitternachtskinder, Der Herr der Ringe ... Oder eben nun Les Misérables. :klatschen:


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Ich habe es inzwischen aufgegeben, das Buch zu lesen. Mir geht es wie sandhofer - die Geschichte um Valjean gefällt mir gar nicht, das ist mir alles viel zu düster und zu schwarzweiß gemalt. Die Exkurse haben mir gut gefallen, soweit wie ich gekommen bin. Da ich mich für die Französische Revolution und die Napoleonische Zeit interessiere und die Gesamtzusammenhänge kenne, konnte ich eigentlich recht gut folgen.
    Ich würde gern den Exkurs über die Schlacht bei Waterloo lesen, kann mir jemand sagen, wo ich diesen finden kann? Dann müsste ich nicht das ganze Buch durchblättern. :rollen:


  • die Geschichte um Valjean gefällt mir gar nicht, das ist mir alles viel zu düster und zu schwarzweiß gemalt. Die Exkurse haben mir gut gefallen, soweit wie ich gekommen bin. Da ich mich für die Französische Revolution und die Napoleonische Zeit interessiere und die Gesamtzusammenhänge kenne, konnte ich eigentlich recht gut folgen.


    So seh' ich das auch. Wenn die Exkurse nicht gewesen wären, wär das Buch wohl zum plumpen Thriller verkommen mit überzogenen Ein- und Zufällen.
    Mich hat es oftmals dazu angeregt, Dinge über angesprochene Themen nachzuschlagen um mehr über diese Zeit zu erfahren - und das schaffen nicht viele Autoren.


    Ein Höhepunkt war wohl der Aufstand von 1832. Es strotzte vor Dramatik und Lebendigkeit. Philosophische Einwürfe wie im Hinterzimmer der Jondrette oder Beschreibungen von Liebe und Tod haben mich ebenso fasziniert.


    Gruß,
    dumbler

  • @ Sandhofer
    Es ist schon interessant, mit welch unterschiedlichen Vorstellung Leser an denselben Roman herangehen. Krieg und Frieden und Der Herr der Ringe habe ich vor bestimmt 20 Jahren schon gelesen und fand sie nicht so ausufernd. Krieg und Frieden hatte zwar auch seine Längen, aber die empfand ich nicht so extrem wie bei Hugo. Wahrscheinlich hatte ich damals noch mehr Geduld und Wissbegierde :breitgrins:


    @ qantaqa
    Die Stelle findest du unter Zweiter Teil Cosette, Erstes Buch Waterloo.


    @ dumbler
    Generell finde ich Bücher auch reizvoll, die mich anregen, weitere Literatur zum Thema zu lesen. Aber in Les Misérables wurde es mir dann doch zu viel, ständig nachzuschlagen. Speziell die Schlacht von Waterloo strotzte nur so vor fremden Namen. Die Französische Revolution und die nähere Zeitgeschichte ist auch nicht direkt ein Gebiet, für das ich mich erwärmen kann.


    Grüße
    Doris


  • @ dumbler
    Generell finde ich Bücher auch reizvoll, die mich anregen, weitere Literatur zum Thema zu lesen. Aber in Les Misérables wurde es mir dann doch zu viel, ständig nachzuschlagen. Speziell die Schlacht von Waterloo strotzte nur so vor fremden Namen.


    Diese spezifischen Namen hab ich gar nicht gemeint, da bin ich mit dir einer Meinung. Ich versuchte übers Netz an Infos über General Lamarque zu gelangen, fand aber auch rein gar nichts - nicht einmal auf den französischen Seiten. Dies zeigt ja, daß man diese Namen gar nicht kennen muss. Nein, gesucht hab ich nach Schlagwörter (Könige, Revolution, Danton, Hugenotten, ...) um eben noch zusätzliche Facetten - neben denen Hugos - aufzudecken und das Bild vollständig zu machen.


    Gruß,
    dumbler

  • @ qantaqa
    Gern geschehen :winken:


    @ dumbler
    Das würde mir im Moment zu viel werden. Wenn das Thema so interessant für mich wäre, hätte ich sicher früher schon mehr dazu gelesen.
    Ich kann mir vorstellen, dass Sandhofer einige literarische Tipps für dich haben könnte.

  • @dumbler
    Wenn Du mehr über die Reformation und die Religionskriege in Frankreich wissen möchtest, kann ich Dir den Zyklus Fortune de France von Robert Merle sehr empfehlen. Merle ist leider inzwischen verstorben. Der Zyklus umfasst z.Zt. 12 Bände, der 13. ist noch nicht übersetzt.

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    Die Bücher zeichnen sich durch historische Korrektheit aus und geben Stimmung und Gedankenwelt der damaligen Zeit sehr gut wieder.

  • Danke, qantaqa! Hört sich vielversprechend an. Ich werde die Reihe im Auge behalten :smile:


    Gruß,
    dumbler

  • Ich habe Die Elenden vor einigen Jahren gelesen. Es hat ziemlich lange gedauert, doch irgendwann war ich durch und muß sagen: es hat sich gelohnt. Ein großartiges Buch. :smile:

    [i]Wir brauchen aber die Bücher, die auf uns wirken wie ein Unglück, das uns sehr schmerzt, wie der Tod eines, den wir lieber hatten als uns, wie wenn wir in Wälder vorstoßen würden, von allen Mensche

  • Zitat

    Neben der Schlacht um Waterloo bildet die Schilderung des Kampfes um eine Strassenbarrikade im Juni 1832 einen weiteren Höhepunkt der Geschichte.


    Allein das macht mich neugierig :smile: Hat zufällig jemand hier "Die Nachtwächter" gelesen und kann mir sagen, ob Pratchett darauf Bezug nimmt?

    LG Gytha

    “Dieses Haus sei gesegniget”

  • Gytha:
    In zwei Wochen kann ich dir genaueres dazu sagen. Als ich die "Nachtwächter" las, kannte ich die Elenden noch nicht, aber jetzt habe ich sie noch frisch im Gedächtnis und werde Pratchetts Buch besonders aufmerksam auf eventuelle Parallelen untersuchen. Zuzutrauen wäre es Pratchett allemal.

    Wir sind irre, also lesen wir!

  • Saltanah


    Wie passend :breitgrins: Ich bin gespannt. Pratchett nimmt ja oft Bezug auf geschichtliche Ereignisse (s. Stone of Destiny) oder auch Klassiker, das verführt immer dazu gleich im Anschluß nachzulesen. :smile:

    LG Gytha

    “Dieses Haus sei gesegniget”

  • Ich möchte an diesen Thread eine interessante Analyse des Romans anhängen:


    Mario Vargas Llosa: Victor Hugo und die Versuchung des Unmöglichen. Suhrkamp Verlag, 199 Seiten, 22,80 EUR (als Mängelexemplar derzeit bei Jokers für 9,95 EUR).


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    Das Buch ist 2004 aus Vorträgen Vargas Llosas an einer Universität entstanden. Er analysiert den Roman im Detail, setzt sich auch mit den vermeintlichen Schwächen und Trivialitäten des Buches auseinander und ist auch für Nicht-Literaturwissenschaftler gut verständlich. Keine einfache Lektüre, jedoch nutzbringend für Liebhaber des Romans.


    Schöne Grüße,
    Thomas

  • Gibt es denn schon Neuigkeiten zu den Nachtwächtern von Pratchett? Das würde mich jetzt mal interessieren, weil die auch noch auf meinem SUB rumgeistern.


    Was die Trivialität des Monsterwerkes betrifft, so würde ich sagen, dass Hugo ein Meister im Täuschen ist *g*. Wer "Die Arbeiter des Meeres" oder "Ian, der Isländer" gelesen hat, weiß, dass die vermeintliche Trivialität der "Elenden" noch zu übertreffen ist. Wenn man jetzt in Betracht zieht, dass Victor Hugo ein ziemlich romantischer und verträumter Typ gewesen sein muss, dann finde ich beachtlich, wie er seinen starken und engagierten Geist mit seinem romantisch-verträumten Herzen vereint hat. Meiner Meinung nach kommt das in jedem seiner Romane sehr deutlich zum Ausdruck. Es ist auch der Grund dafür, warum ich diesen Autor mag. Trotz aller Rebellion, trotz des messerscharfen Verstandes und des Hanges zur Entlarvung politischer Umstände hat sich dieser Mann ein Herz bewahrt, ein ganz eigenes Herz.


    Das Buch "Die Elenden" fand ich ziemlich kurzweilig und keineswegs langatmig. Allein der spannungssteigernde Stil mit den vielen Einzelschicksalen; Geschichten, die sich erst am Ende miteinander verweben, hat dafür gesorgt, dass ich gar nicht merkte, wie schnell ich das Buch dem Ende entgegen blätterte. Ich meine: Wer hätte gedacht, dass Gavroche der Sohn der Thenardiers (richtig geschrieben? Ich kann kein französisch) ist? Die Hauptfigur hin oder her, dieser Roman strotzt vor interessanten Nebenfiguren, sofern man überhaupt von Nebenfiguren reden kann.


    Ich hab ergänzend zum Buch das Musical gesehen und war enttäuscht. Die Geschichte taugt meiner Meinung nach nichts, wenn man irgendetwas davon weglässt. Ich finde, jede Unterlassung verfälscht die Aussage des Autors.


    Zusammenfassend möchte ich sagen: Dieses Buch hat in mir einen bleibenden Eindruck hinterlassen und auch nach Jahren kenne ich noch die Geschichte und die Figuren, was viel heißen will. Es hat das getan, was man von einem guten Buch erwarten kann: Es hat mich zutiefst berührt und mir einen Spiegel vorgehalten, in welchem ich einige Gedanken erneut ordnen musst, um sie zu einem neuen Bild der Welt zusammenzufügen.


    PS: Nebenbei bemerkt gefiel mir persönlich die Beschreibung des abgründigen Paris' von Hugo besser als die von Süskind im "Parfum".

    Ein Leben lang lesen ist nicht genug!<br /><br />Top 3:<br />1. &quot;Die Brautprinzessin&quot; von William Goldman<br />2. &quot;Männer&quot; von Dietrich Schwanitz<br />3. &quot;1984&quot; von George Orwell

  • Ich habe Die Elenden erst neulich wieder mal gelesen nachdem ich die Verfilmung angesehen haben.
    Das einzige was mich an diesem Buch stört ist das Ende irgendwie kann ich mich einfach nicht damit anfreunden.
    Ansonsten ist es ein interessantes und sehr gut geschriebenes Buch. 4ratten

  • Hab das Buch auch vor kurzem gelesen, allerdings nicht die lange Fassung, wie ich grade beim Lesen des Threads gemerkt habe... Fand das Buch in der gekürzten Fassung gut, aber nicht so begeisternd, wie ihr es oben beschrieben habt. Das könnte allerdings auch an meiner Ausgabe liegen. Werde mir vielleicht nochmal eine Originalausgabe zulegen und sie lesen.
    Jetzt erstmal meine Wertung
    3ratten