Victor Hugo - Die Elenden (4. Teil Idyll Rue Plumet, 7. bis 14. Buch)

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  • Hi!


    7. Buch:
    Das ist ja wieder Dramatik pur... Besonders der Teil mit Marius und seinem Grossvater. Wieder mal eine wunderbare Beschreibung Hugos: Der alte Mann, der einfach nicht imstande ist, etwas Nettes zu sagen, zu seinen Gefühlen zu stehen und stattdessen unausstehlich ist. Mich schaudert, wenn ich so etwas lese - was wohl daher rührt, dass ich selber solche Menschen kenne oder kannte und die einem einfach nur Leid tun können...


    9. Buch:
    Schon wieder einer jener Abschnitte, die einfach nicht mehr enden wollen. Zuerst Hugos umständliche Ausführungen zu Aufruhr und Aufstand und nachher die Beschreibung des Aufstandes, die über weite Strecken, naja... :todmuede:


    (Das wird am Ende wohl die am schwierigsten zu schreibende Rezi des Jahres...)


    :winken:


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Ich habe diesen Teil des Romans heute fertiggelesen und bin etwas unschlüssig, was ich davon halten soll. Teilweise ist er sehr spannend geschrieben und in anderen Teilen wieder so ausufernd, dass ich kaum noch Geduld für Hugos Ausschweifungen aufbrachte.


    11. Buch
    Der Aufstand, dessen Beschreibung sich sehr lange hinzieht, kommt mir wesentlich interessanter vor als die Kampfhandlungen bei Waterloo. Das liegt wahrscheinlich daran, dass das Ganze etwas "persönlicher" ist, weil man einige der Kämpfer kennt und alles sehr viel übersichtlicher dargestellt wird.


    12. Buch
    Marius ergibt sich scheinbar in sein Schicksal. Ich frage mich, warum er und Cosette sich nicht auf das besinnen, was ihnen am wichtigsten ist, nämlich ihre Liebe, und einfach zusammen weglaufen. Da sie sich als mittellos empfinden, haben sie doch weiter nichts zu verlieren? Stattdessen wacht Marius wenigstens insoweit auf, dass er sich auf seinen Patriotismus besinnt und beschließt, an den Barrikaden mitzukämpfen. Dieser Wandel erscheint mir ziemlich unwahrscheinlich, denn bisher hat er an sein Vaterland und die vorherrschenden Verhältnisse reichlich wenig Gedanken verschwendet. Vielleicht ist es unbewusst die Vorstellung, dass ihm der Schritt zum Selbstmord aus der Hand genommen wird.


    14. Buch
    Obwohl die Schilderung des Aufstandes sich sehr lange hinzieht, wird es doch nicht langweilig. Durch Hugos Beschreibungen kann ich mir sehr gut vorstellen, wie es damals in den Straßen von Paris ausgesehen haben muss. Irgendwann im 11./12. Buch ist Javert wieder in die Handlung eingetreten und Enjolras hat ihm angekündigt, dass er ihn erschießen wird. Das wäre allerdings eine etwas einfallslose Lösung dieses Problems, denn ich hatte damit gerechnet, dass Javert Jean Valjean noch weitere Schwierigkeiten bereiten wird. Bisher ist er aber noch am Leben und ich bin gespannt, ob er seinen Kopf noch aus der Schlinge ziehen kann.
    So viel Tatkraft, wie Enjolras und seine ABC-Truppe bei diesem Aufstand beweisen, hätte ich ihnen übrigens gar nicht zugetraut.


    @ Alfa
    Warum musst du eine Rezi zu dem Buch schreiben? Gehört es zu deinen SUB-Wettbewerbs-Büchern?

  • [quote author=Doris]
    ...in anderen Teilen wieder so ausufernd, dass ich kaum noch Geduld für Hugos Ausschweifungen aufbrachte. [/quote]


    Wem sagst du das? Es geht mir genauso. Irgendwie erfasst mich immer eine grosse, plötzlich auftretende Müdigkeit, wenn Hugo wieder zu philosophieren beginnt... :rollen:


    13. Buch:
    Eponine ist ja wirklich ziemlich durchtrieben. Ich hatte sie in der vorhergehenden Kapiteln zwar an einer Stelle in den Kleidern des Mannes vermutet, aber nicht in dem Moment, in dem sie Jean Valjean "warnte". Da hat mich Hugo echt überrascht. Auch wenn sie kein Engel war (was man ihr bei den Eltern und dem Umfeld nicht ankreiden kann), hat sie dieses frühe Ende doch nicht verdient. Genausowenig wie Vater Mabeuf, dem ich noch mal ein paar schöne Tage gewünscht hätte. Andrerseits bin ich froh, dass nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen herrscht – diese Tragödien sind irgendwie halt schon das Salz in der Suppe :zwinker:



    [quote author=Doris]
    14. Buch
    So viel Tatkraft, wie Enjolras und seine ABC-Truppe bei diesem Aufstand beweisen, hätte ich ihnen übrigens gar nicht zugetraut. [/quote]


    Stimmt. Zu Anfang machten sie auch mich auch eher den Eindruck einer Bande von Schwätzern, aber die sind ja richtig gut organisiert.
    Was mir mehr Sorgen macht, ist Valjean. Er ist offenbar zu den Barrikaden unterwegs. Hugo lässt uns leider im Dunkeln, mit welchen Absichten - es gibt nicht mal eine Andeutung. Falls sein Plan ein anderer sein sollte, als sich und Marius umzubringen, ist es jedenfalls gewagt. Es kann ja ziemlich viel schiefgehen während eines Aufruhrs. Aber wie ich Hugo mittlerweile kenne, wird Valjean seinen Plan schon verfolgen können, ohne dass etwas dazwischentritt.


    [quote author=Doris]
    @ Alfa
    Warum musst du eine Rezi zu dem Buch schreiben? Gehört es zu deinen SUB-Wettbewerbs-Büchern?[/quote]


    Ganz genau, es ist sogar mein letztes Buch. Aber abgesehen davon schreibe ich seit ein etwa zwei Jahren sowieso zu jedem Buch, das ich lese, eine Rezi – für meine Website. Das Rezi-Schreiben gehört für mich zum Lesen mittlerweile dazu, seit ich gemerkt habe, dass ich mich so länger an den Inhalt und den Verlauf eines Buches erinnern kann.


    Liebe Grüsse


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • 7. Buch


    Was ich im 5. Buch vermisst habe und was Hugo nur angeschnitten hat, wird hier vollendet und versöhnt mich dann wieder mit ihm. Wundervolle Beschreibung einer tragischen Liebesgeschichte. Eines der bewegendsten Kapitel des Buches. Über die nächste Welle von Zufällen werde ich gnädigerweise nichts weiter sagen. Vielleicht wollte Hugo einfach die Personalliste und die der Schauplätze kurz halten, damit die Aufführung später nicht allzu teuer wird.


    9. Buch


    Die hier beschriebenen Aufstände glichen denen von 1830, mir fielen die Wiederholungen auf wie die Vorbereitung, die Rekrutierung, ... Aber so ist das wohl mit Aufständen: Hast du eine gesehen, hast du alle gesehen! :smile:


    Gruß,
    dumbler

  • bis 14. Buch
    In meinem letzten Beitrag hab ich ihm Unrecht getan. Die Dramatik ist fast unerträglich! Man fühlt sich hinter der Barrikade versetzt, wo einem die Kugeln um die Ohren fliegen. Ich konnte schon gar nicht mehr mit lesen aufhören. Welch Atmosphäre Hugo hier produziert! Ich bin begeistert. Viele Fäden laufen hier zusammen und ich bin schon gespannt auf den letzten Teil, wo Javert ja immer noch am Pfahl hängt und Marius mit seinem Leben abgeschlossen hat.


    Gruß,
    dumbler

  • :schulterzuck: Nanu, mein 4. Teil besteht aus 15 Büchern. Das 7. Buch heißt bei mir "Die Diebessprache" und besteht aus einem für mich recht interessanten Exkurs über die Sprache der Pariser Unterwelt. Erst im 8. Buch trifft Marius auf seinen Großvater - eine Szene, in der ich mit dem alten Gillesnormand mitgelitten habe. Wie er sich selbst durch seine Halsstarrigkeit und seine Unfähigkeit, seinen Gefühlen Ausdruck zu verleihen, Elend bereitet, das ist schon tragisch. Andererseits bin ich heilfroh, dass in meiner Familie kein solcher Mensch lebt, der seiner Umwelt das Leben sauer macht.


    Auch mit Mabeuf habe ich mitgelitten, als er dazu gezwungen wurde, ein Buch nach dem anderen für 'nen Appel und 'n Ei herzugeben, und sich schließlich selbst von dem Diogenes zu trennen. Das war ergreifend geschildert.


    Der Rest des Teils hat mich dann leider nur noch gelangweilt; egal ob Hugo zu einem seiner berühmt-berüchtigten Exkurse ausholte, oder ob was "passierte". Die gesamten Ereignisse auf den Barrikaden konnten mich überhaupt nicht fesseln. Langeweile pur.
    Marius, den ich bisher recht gern mochte, nervte mich mit seinem "Leiden"; "ohne sie kann ich nicht leben (schnüff), also sehe ich zu, dass ich einen Heldentod sterbe, und vor allem sorge ich dafür, dass sie es auch erfährt!" Vor allem letzteres ließ meinen Blutdruck steigen; mein Gott, wie pubertär :rollen: ! Werd' doch mal erwachsen, Junge!


    Was mich aber an dem Aufstand besonders stört, ist, dass ich trotz Hugos seitenlanger Diskussionen des Unterschiedes zwischen Aufruhr und Aufstand überhaupt nicht weiß, wieso es zu dem Aufstand gekommen ist. Was waren Ziel und Zweck der Sache? Vielleicht hat Hugo das ja irgendwo geschrieben, aber ich jedenfalls habe es nicht verstanden.


    Was mir allerdings Sorgen macht, ist ein Nebensatz im 10./11. Buch ("Das Atom fraternisiert mit dem Orkan", Kap. 1: Gavroche steht vor einem Pastetenbäcker und würde sich gerne eine Apfeltasche (ist es, vermute ich) kaufen, hat aber kein Geld. Dann heißt es: Es ist hart, um die letzte Apfeltasche seines Lebens zu kommen. :entsetzt: Gavroche wird doch nicht etwa sterben?!

    Wir sind irre, also lesen wir!

    Einmal editiert, zuletzt von Saltanah ()

  • [quote author=Saltanah]Das 7. Buch heißt bei mir "Die Diebessprache" und besteht aus einem für mich recht interessanten Exkurs über die Sprache der Pariser Unterwelt. [/quote]


    Ach? Der Teil fehlt bei mir (was ich schade finde, das wäre mal ein interessanter Exkurs gewesen). Hat den jemand anderes auch noch? Ich finde es äusserst seltsam, dass der in einer ansonsten kompletten Ausgabe fehlt...
    Nachlesen kann man dieses mysteriöse 7. Buch aber auf dieser Website, allerdings nur auf Englisch. Dort ist der gesamte Text von Les Misérables drauf. :smile:


    [quote author=Saltanah]Werd' doch mal erwachsen, Junge![/quote]


    Naja, es waren damals offenbar andere Zeiten und in Liebesdingen hat man sich offenbar länger als heute pubertär benommen. Ich habe es Marius in dem Fall nachgesehen – man gewöhnt sich an alles...


    [quote author=Saltanah]
    Was mich aber an dem Aufstand besonders stört, ist, dass ich trotz Hugos seitenlanger Diskussionen des Unterschiedes zwischen Aufruhr und Aufstand überhaupt nicht weiß, wieso es zu dem Aufstand gekommen ist. Was waren Ziel und Zweck der Sache? Vielleicht hat Hugo das ja irgendwo geschrieben, aber ich jedenfalls habe es nicht verstanden.[/quote]


    Es ging mir genauso. Das Einzige, das man erfährt, ist, dass Lamarques Begräbnis der Auslöser des Aufstandes war. Was das Ziel der Aufständischen mit ihrer Barrikade genau war, wurde mir auch nicht klar. Das hat mich gewaltig gestört, denn wie soll man den Aufstand einordnen, wenn man nicht mal weiss, worum es überhaupt geht? Auch wenn es für die Geschichte und deren Fortgang nicht wichtig ist, so hätte diese Information unbedingt hineingehört. *grummel*


    Liebe Grüsse


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

    Einmal editiert, zuletzt von Alfa_Romea ()

  • Hallo zusammen!



    [quote author=Saltanah]Das 7. Buch heißt bei mir "Die Diebessprache" und besteht aus einem für mich recht interessanten Exkurs über die Sprache der Pariser Unterwelt.


    Ach? Der Teil fehlt bei mir (was ich schade finde, das wäre mal ein interessanter Exkurs gewesen). Hat den jemand anderes auch noch? Ich finde es äusserst seltsam, dass der in einer ansonsten kompletten Ausgabe fehlt... [/quote]


    Er fehlt in praktisch allen deutschen Übersetzungen, da er sich mit der Sprache des, wie wir heute sagen würden, Subproletariats beschäftigt. Es wäre, wie wenn man einen Essay über Rotwelsch oder Mattenenglisch ( Alfa_Romea:zwinker: ) ins Französische übersetzen möchte.


    Dieses Kapitel war der Hauptgrund, warum ich mich letztendlich für die französische Ausgabe des nrf entschieden habe. Dort ist der vollständige Text abgedruckt. Inkl. die Varianten von Les Misères ... (sprich: noch mehr Exkurse ... :herz::breitgrins: )


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Hallo zusammen!


    Entschuldigt den Doppelpost ...


    [quote author=Saltanah]
    Was mich aber an dem Aufstand besonders stört, ist, dass ich trotz Hugos seitenlanger Diskussionen des Unterschiedes zwischen Aufruhr und Aufstand überhaupt nicht weiß, wieso es zu dem Aufstand gekommen ist. Was waren Ziel und Zweck der Sache? Vielleicht hat Hugo das ja irgendwo geschrieben, aber ich jedenfalls habe es nicht verstanden.


    Es ging mir genauso. Das Einzige, das man erfährt, ist, dass Lamarques Begräbnis der Auslöser des Aufstandes war. Was das Ziel der Aufständischen mit ihrer Barrikade genau war, wurde mir auch nicht klar. Das hat mich gewaltig gestört, denn wie soll man den Aufstand einordnen, wenn man nicht mal weiss, worum es überhaupt geht? Auch wenn es für die Geschichte und deren Fortgang nicht wichtig ist, so hätte diese Information unbedingt hineingehört. *grummel* [/quote]


    Hugo hat mir den Eindruck vermittelt, dass es selbst die Aufständischen - von einer allgemeinen Unzufriedenheit mit den Lebensumständen abgesehen - auch nicht wirklich wussten. Was mit ein Grund gewesen wäre, warum der Aufstand dann scheiterte. Wie gesagt: So habe ich Hugo verstanden.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Hi!


    sandhofer:
    Du hast natürlich Recht mit deinem Einwand, dass ein Exkurs über die Diebessprache in einer Übersetzung nur bedingt sinnvoll ist. Aber da hätte man doch mit den Original-Ausdrücken und ungefähren Übersetzungen in Klammern (oder als Fussnoten oder was weiss ich) arbeiten können. Naja, Schwamm drüber. Beim Lesen auf der englischen Website sind mir schon fast wieder die Äuglein zugefallen, so tragisch ist der fehlende Exkurs demnach nicht.
    Lustigerweise kommen mir die letzten eineinhalb von vier Kapiteln bekannt vor. Ich habe in meiner Ausgabe nachgeschaut, weil ich gedacht habe, dass sie irgendwo dazugeschlagen wurden. Ich konnte sie aber weder davor noch danach finden. Vielleicht in einem anderen Teil des Buches... aber ich habe jetzt keine Lust, hunderte von Seiten nach den verschollenen Kapiteln zu durchforsten. :zwinker:


    [quote author=sandhofer]Hugo hat mir den Eindruck vermittelt, dass es selbst die Aufständischen - von einer allgemeinen Unzufriedenheit mit den Lebensumständen abgesehen - auch nicht wirklich wussten. [/quote]


    Den Eindruck hatte ich auch. Er schien mir auch ins Bild zu passen, das ich mir von den Aufständischen gemacht hatte: Ein Haufen pubertärer Taugenichtse, die lieber jammern und klagen, anstatt zu versuchen, ihre Situation zu verbessern. Und dann (statt es mit Arbeit zu versuchen oder sonst etwas Konstruktivem versuchen) steigern sie sich in den Wahn, dass die anderen (in diesem Fall die Regierung) Schuld an ihrem Unglück hat und dass man diese bekämpfen muss.
    Was gegen mein Bild der Aufständischen spricht, ist die sehr gute Organisation und die Disziplin auf der Barrikade. Sowas würde ich von Soldaten mit einem klaren Auftrag erwarten, aber nicht von einem Haufen Chaoten, der selber nicht genau weiss, was er mit dem Aufstand eigentlich erreichen will.


    :winken:


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.