Alex Capus: Reisen im Licht der Sterne - Eine Vermutung

Es gibt 6 Antworten in diesem Thema, welches 3.213 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von mondy.

  • Hallo zusammen!


    Auf der hinteren Seite des Schutzumschlags kann man lesen:


    VON SCHATZINSELN, SEERÄUBERN UND DEM VERSTECKSPIEL DER LITERATEN


    »Robert Stevenson hat stets darauf bestanden, dass Die Schatzinsel pure Erfindung sei. Was aber, wenn alles wahr wäre - und Generationen von Schatzsuchern nur am falschen Ort gegraben haben, weil Stevenson das Geheimnis für sich behalten wollte? Aber ich bin ihm jetzt auf die Schliche gekommen ...«


    »Alex Capus ist ein wunderbarer Erzähler, für den die Welt lesbar ist.« Süddeutsche Zeitung

    1889 kommt Robert Louis Stevenson, der Autor der Schatzinsel, nach Samoa. Was als kurzer Aufenthalt geplant war - Stevenson schrieb für amerikanische Zeitungen eine Reihe von Reiseberichten -, sollte zur letzten Station seines Lebens werden. Schon nach drei Wochen kaufte sich Stevenson ein Stück Land und liess sich auf Samoa nieder.


    Die offizielle Biografie will, dass dies aus gesundheitlichen Gründen geschah. Doch genau hier hakt Capus ein: Statt des feuchten und heissen Klimas von Somoa hätte dem an Tuberkulose erkrankten Stevenson die kalte, trockene Luft von Davos besser getan. Was Stevenson zweifellos gewusst haben musste, schliesslich hatte er ja schon Kuraufenthalte daselbst absolviert.


    Es war also nicht das Klima, nicht seine Gesundheit, die Stevenson an Samoa fesselte - sondern "Cocos Eylandt", die Schatzinsel. Von Zeit zu Zeit reiste Stevenson oder jemand aus seiner Familie, so vermutet Capus, zu dieser Nachbarsinsel von Samoa. Nachts werden diese "Reisen im Licht der Sterne" durchgeführt, heimlich, nur eine Handvoll Samoaner weiss davon.


    Kaleidoskopartig breitet Capus die Geschichte von der Schatzinsel, von Stevenson und von andern Jägern des verlorenen Kirchenschatzes aus. Meint er seine Vermutung ernst? Der Text gibt keinerlei Hinweise aufs Gegenteil. Dennoch vermute ich, dass es sich hier um ein hübsches Beispiel literarischer Fiktion und Konstruktion handelt. Eine nette, gewitzte Lektüre für die Liebhaber von Stevenson und Schatzinsellegenden. Lesenswert.


    Grüsse


    Sandhofer

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Danke für deine Beschreibung, Sandhofer!
    Ich hab's ja seit einiger Zeit wieder sehr mit Abenteuerromanen, besonders mit den Lebensläufen der dazugehörigen Autoren. Von daher interessiert mich "Reisen im Licht der Sterne" brennend, außerdem habe ich die Schatzinsel schon viel zu lange nicht mehr gelesen! Dank deines Beitrags ist sie auf meinem RRS (Re-Read-Stapel) nun ganz nach oben gerutscht, und der Capus steht auf Platz 1 der To-buy-List. :klatschen:


    Ciao,
    Bluebell

    [color=darkblue]"Date a girl who reads. Date a girl who spends her money on books instead of clothes. She has problems with closet space because she has too many books. Date a girl who has a list of b

  • Hallo Sandhofer :winken:


    Vielen Dank!Ich habe über diese letzte Station RL Stevensons schon in einer Biografie über seine Frau gelesen, allerdings wurde seine Seite der Geschichte nur kurz angerissen. Von daher freue ich mich auf die Lektüre, weil es noch ein paar Dinge gibt, die ich genauer wissen will.


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

  • Hallo!


    Ich habe mich nicht umsonst gefreut :smile: Wie ich schon oben geschrieben hatte, kannte ich diesen Abschnitt aus RLSs Leben schon aus Die Vagabundin - Alexandra La Pierre, der Biografie von Stevensons Frau Fanny. Dieselbe Geschichte aus einer anderen Blickweise erzählt zu bekommen war sehr interessant. Das Buch hat mir große Lust gemacht, mich auf meine beiden Bücher von RLS zu werfen :breitgrins:


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.

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    Von Robert Louis Stevensons „Die Schatzinsel“ habe ich bereits mehrere Verfilmungen gesehen (Besonders die Muppets-Version war klasse), das Buch aber selbst nie gelesen. Stevenson selber hat fast die ganze Südsee durchreist und gerade als er seinen Freunden schrieb, dass die Reiserei nun bald ein Ende habe und er sich auf die Rückkehr nach England freue, lässt er sich überraschenderweise auf Samoa nieder.


    Alex Capus sucht in diesem Buch nach einem Grund für dieses Verhalten. Warum hat Stevenson sich so überraschend auf Samoa niedergelassen? Das tropische Klima kann nicht wirklich so gut für seine angegriffenen Lungen gewesen sein, wie er es immer behauptet hat. Er hätte es eigentlich besser wissen müssen und auch seine Briefe berichten weiterhin von schweren gesundheitlichen Problemen. Woher kam das ganze Geld, welches seine Familie auch nach seinem Tod noch besaß? Für das Grundstück auf Samoa hat er praktisch alle Ersparnisse ausgegeben doch relativ kurze Zeit später lässt er ein luxuriöses Haus bauen, dessen Ausstattung er teilweise aus Europa liefern lässt. Auch fließt die Finanzquelle nach seinem Tode scheinbar weiter, ohne dass eine offensichtliche Herkunft des Geldes existiert. Und wenn sie alle so glücklich auf Samoa waren, warum haben er und seine nahen Familienmitglieder so häufig Reisen unternommen, teilweise ohne bekanntes Ziel? Capus hat entdeckt, dass eine kleine Nachbarinsel Samoas auf älteren Karten Coconut Eylandt heißt und zieht eine Verbindung zum vermuteten Verbleib des bis heute verschollenen Kirchenschatzes von Lima.


    Es macht Spaß Capus zuzuschauen, wie er aus bisher unbeachteten Fakten in Stevensons Biographie und den bekannten Details über das mögliche versteck des Kirchenschatzes neue Ideen entwirft und so eine eigene Realität hinter den biographischen Fakten schafft, seine eigene Schatzinsel erfindet. Ein Buch das zum Rätseln und Spekulieren einlädt und mich auch dazu animiert hat, endlich doch einmal Stevensons „Die Schatzinsel“ zu lesen.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


  • Ein Buch das zum Rätseln und Spekulieren einlädt


    Ich fühlte mich nicht nur eingeladen sondern von Capus' Eifer angesteckt. Man wird förmlich selbst zum Schatzsucher. :zwinker:
    Capus besitzt wirklich ein Talent dafür Fakten zusammen zu suchen und sie unter einem neuen Blickwinkel zusammen zu fügen. Nun kannte ich vorher keine Biografie von Stevenson, und auch der Forschungsstand zum Kirchenschatz von Lima war mir unbekannt, aber Capus breitet sein Wissen darüber so vor dem Leser aus, dass man selbst die Möglicheit des Spekulierens erhält und nicht nur seinen Ausführungen folgt.


    Ob ernst gemeint oder nicht, unterhaltsam ist diese "Vermutung" allemal.


    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Meine Meinung
    Ich war zunächst etwas erstaunt, als ich das Buch angefangen habe. Ich hatte mit einem Roman gerechnet, aber eigentlich ist es etwas ganz anderes. Was genau, weiß ich nicht, ich würde es als eine Zusammenstellung von Fakten und daraus resultierenden Überlegungen betrachten ... und das auf eine wirklich gekonnte Art und Weise.


    Nachdem ich mich auf die Erzählweise eingestellt hatte, war ich kaum noch zu bremsen. Capus' Schreibstil spricht mich einfach unglaublich an, ich mag diese Mischung aus trockenem Humor und Ernst. Und dann noch diese Geschichte, die letztendlich nicht mal wirklich erfunden ist, sondern aus dem Leben gegriffen. Das hat mir bei "Leon und Louise" schon so gut gefallen, diese Vermischung von Realität und Fiktion.


    Mich kann man ja mit Schatzgeschichten und dazu gehörigen, schlüssigen Vermutungen immer locken, ich möchte dann am liebsten selbst losziehen und nach dem Schatz graben. Deswegen war es hier für den Autor auch nicht besonders schwer, mich zu begeistern. Ich fange dann selbst an, in Vermutungen zu schwelgen und wenn ein Autor wie Capus sich dieser Sache annimmt, kann ja schon nichts mehr schief gehen.


    Für mich hat sich Alex Capus mit diesem Buch zum "Kann-man-immer-kaufen"-Autor gemausert, einfach, weil ich hier wieder wunderbar sehen konnte, wie er mit historischen Gegebenheiten jonglieren kann, ohne jemals ins Unrealistische abzudriften. Und dann noch diese tolle Sprache ... was will man mehr?
    4ratten + :marypipeshalbeprivatmaus:

    "Bücher lesen heißt wandern gehen in ferne Welten, aus den Stuben über die Sterne." (Jean Paul)