Max Frischs Identitätsproblematik aktueller denn je?

Es gibt 2 Antworten in diesem Thema, welches 1.548 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Trugbild.

  • Hallo zunächst einmal!


    Ich hoffe, ich habe hier in etwa das richtitige Unterforum erwischt- wenn nicht, sorry!


    Ich habe mich in letzter Zeit intensiver mit Frischs Romanen " Stiller" und " Mein Name sei Gantenbein" auseinandergesetzt.
    Es geht in diesen beiden Werken ja bekanntlich um die sog. Identitätsproblematik mit der Tendenz zur Ich- Bezogenheit, d.h. Wo stehe ich im Leben? Wer will ich sein? Welchen Eindruck möchte ich bei anderen Personen hinterlassen?
    Gerade neulich habe ich einen Artikel ( ich glaube im "Stern") über die visionelle Internetwelt "second- life" gelesen und ich muss doch zugeben, dass mir eine erstaunliche Paralellität aufegallen ist.
    Konstruiert sich nicht jeder User bei diesem Spiel eine imaginäre Rolle, die er gerne ausprobieren möchte? Eine Identität, die er im wirklichen Leben vielleicht nicht ausleben kann bzw. will?
    Ich denke gerade an "second- life" kann man erkennen ,dass die Romane von Frisch definitiv zeitlos sind und das veilleicht das Problem der Identität mit dem Wandel von Gesellschafen stark abhängig sind.


    Was haltet Ihr davon? Ist mir hier ein Denkfehler unterlaufen?
    Mich würden Eure Meinungen sehr interessiern. Danke!



    Grüße,
    Paul

    Einmal editiert, zuletzt von Paul_The_Bassplayer ()


  • Konstruiert sich nicht jeder User bei diesem Spiel eine imaginäre Rolle, die er gerne ausprobieren möchte? Eine Identität, die er im wirklichen Leben vielleicht nicht ausleben kann bzw. will?
    Ich denke gerade an "second- life" kann man erkennen ,dass die Romane von Frisch definitiv zeitlos sind und das veilleicht das Problem der Identität mit dem Wandel von Gesellschafen stark abhängig sind.


    Hallo Paul,


    die Frage "Wer will ich (auch) sein, wer wäre ich lieber und wie sähe dann ein, zu meinem realen Leben, alternatives Leben aus?" der sich Frisch immer wieder zuwendet, ist eine alte und, wie Du sagst, zeitlose, aber m.M.n. eine, die sich nur in saturierten Gesellschaften ohne akute existentielle Bedrohung stellt .
    Früher wurde diese Sehnsucht im Karneval/Fasching (all die Prinzessinnen, Piraten etc!!) von all jenen ausgelebt, die ihr normierter, unspektakulärer Alltag unbefriedigt ließ. Es war, in anderen Zeiten, eine Option für ausnahmsweise Freiheitsgrade (jenseits der Phantasie) und ist längst obsolet geworden (außer am Rhein soweit ich weiß :zwinker: )
    Heute stellt die virtuelle Welt eine unkomplizierte Identitätsalternative zur Verfügung; so in Second Life, aber auch in Foren, für den, der das sucht. Das alles kann aber doch nur eine bearbeitete Blaupause der Identität sein, auf die man nun einmal reduziert ist und die genau durch dieses Ausweichen auf ein Bildschirmleben immer die nämliche alte bleiben wird. Ich frage ich mich, ob das wirklich befriedigend sein kann, solange man ja doch immer wieder zurück in's First Life muß ? Vielleicht ist diese Frage aber auch völliger Quatsch - Simulationen lassen sich nerval/hormonell nicht von realen Situationen unterscheiden - und so ist es am Ende vielleicht so, daß die Virtualität ein wesentlich erweitertes Leben erschafft, da ein Wertunterschied zwischen real und virtuell auf Dauer sicher schwer zu begründen sein wird.
    Aber - dieses Bedürfnis nach zusätzlichen, biographischen Strängen z.B. durch Frisch-Lesen, Frisch-Reflektieren und im wirklichen Leben ein bißchen versuchen umzusetzen (gefährlicher, schmerzhafter als am PC), halte ich altmodischerweise jedoch immer noch für beflügelnder, reicher, lebendiger
    Oder? (schyzerdütsch)
    Was meint Ihr?


    Gruß
    g.

  • Ich halte Frischs Romane absolut für zeitlos - denke aber, dass das aufgrund ihres noch relativ jungen Alters kaum damit untermauert werden kann, dass sie heute noch aktuell sind.


    Was Second Life betrifft, wird das ganze von den Medien völlig überstilisiert. 6 Millionen User: richtig. Das heisst aber nur: 6 Millionen haben sich da ein Konto angelegt. Wie viele haben das so gemacht wie ich: installiert, Konto angelegt, angeguckt, deinstalliert.
    Von einer zweiten identität kann man in einer rustikalen, von programmtechnischen Fehlern überhäufter Umgebung kaum sprechen. Da empfinde ich die Realitätsflucht durch Online-Roleplaying-Games viel massiver.