James Joyce, Ulysses

Es gibt 56 Antworten in diesem Thema, welches 15.332 mal aufgerufen wurde. Der letzte Beitrag () ist von Mrs.MiaWallace.

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    Leider verfehle ich mit meiner Rezension knapp den Bloomsday, den 16. Juni.


    Bekanntlich ist es dieser Tag, an dem sich die Handlung des "Ulysses" abspielt, ein eher unspektakulärer Tag im Leben Leopold Blooms, Annoncenakquisiteur für eine Dubliner Tageszeitung, und Stephen Dedalus', Lehrer und Bohemien im Dublin der Jahrhundertwende. Der 16. Juni 1904.
    Der Roman ist in 18 Kapitel unterteilt, die sich an Stationen der Odyssee orientieren, die ersten drei bilden das Äquivalent zur Telemachie und beschäftigen sich also mit Odysseus' Sohn Telemachos bzw. seiner irischen Inkarnation Stephen Dedalus: Dieser unterhält sich mit seinem Freund (?) und Studienkollegen, dem schelmenhaften Malachi Mulligan, über ihr Verhältnis zueinander. Danach geht Stephen in die Schule, um zu unterrichten, schließlich folgen wir ihm an den Strand, wo der erste harte Bewusstseinsstrom wiedergegeben wird.
    Die folgenden zwölf Kapitel sind die eigentliche Odyssee und beschreiben die Peregrinationen Leopold Blooms, Joyces eigenwillige Odysseus-Figur, durch die Straßen und Gebäude von Dublin: u.a. die Zeitung, für die Bloom arbeitet, eine Bibliothek, in der sich gelehrt über Shakespeare unterhalten wird, ein Krankenhaus, in dem eine Bekannte Blooms - Mina Purefoy - eine schwierige und lange Geburt hat, und ein Bordell, in dem einige kafkaeske Szenen stattfinden, im Laufe derer Bloom zunächst angeklagt wird, dann sexuell unterworfen, zum sexualisierten Kaiser aufsteigt, er schließlich Stephen findet, diesen vor einer Prügelei mit einem Soldaten bewahrt und sich mit ihm auf den Nachhauseweg macht.
    Die letzten drei Kapitel beschreiben die Heimkehr (Nostos), die ersten beiden geben dabei die gemeinsam verbrachte Zeit von Stephen und Bloom wieder, das letzte Kapitel ist ein Ausschnitt des Bewußtseinsstroms von Molly Bloom, Ehefrau Leopolds und damit Penelope-Figur - allerdings eine besondere Variante, denn sie erwehrt sich im Gegensatz zu ihrem Vorbild ihrer Freier nicht, im Gegenteil. Das Frauenbild, das in dieser Episode und auch in der sonstigen Darstellung Mollys auftaucht, ist übrigens recht gewöhnungsbedürftig: dümmlich-naiv, ohne Punkt und Komma (wörtlich zu nehmen) plappernd und dumpf sinnlich.


    Es ist bemerkenswert, dass sämtliche Sekundärtexte, die ich im Internet und meinen Bücherregalen gefunden habe, sich eigentlich nicht weiter mit der Narration bzw. dem Inhalt der Geschichte auseinandersetzen. Ich habe allerdings den Eindruck, dass man von dieser Handlung sicherlich mehr versteht, wenn man sich ein bisschen in der irischen Geschichte, vor allem der ihrer national(istisch)en politischen Bewegungen auskennt oder wenn man etwas über die südafrikanische Kolonisationsgeschichte weiß, die immer wieder angesprochen wird.


    Wovon hingegen immer wieder die Rede ist, ist zum einen der Anspielungsreichtum des "Ulysses", Joyce wird gern dahingehend zitiert, dass er sein Buch als unerschöpfliche philologische Fundgrube gestaltet haben will (die Odyssee ist bei weitem nicht der einzige Intertext des "Ulysses", nur der offensichtlichste) - eine mit Vorsicht zu genießende, spöttische Aussage. Zum anderen liegt der Fokus auf der formalen Gestaltung, auf der Sprache, den unterschiedlichen Stilebenen, den unterschiedlichen Formen, in denen die Episoden geschrieben sind.


    Interessant ist hierbei, dass dem Text ein ästhetizistischer Charakter häufig abgesprochen wird, dass man ihn ziemlich einhellig in eine realistische/naturalistische Tradition stellt. So wurde er auch von den Zeitgenossen wahrgenommen, etwa von Alfred Döblin, der die disruptive und nicht-lineare Erzählweise des "Ulysses" als Reaktion auf das aufkommende Kinozeitalter sieht.
    Ich finde das historisch verständlich, aber aus der heutigen Perspektive eher unzutreffend. "Ulysses" ist passagenweise ein hermetischer Text, genauso gut oder schlecht zu verstehen, wie ein Gedicht von Mallarmé oder dergleichen. Der Gewinn, den man daraus ziehen soll, wird von vielen - wie erwähnt - gerade in der reichhaltigen Anspielungsstruktur, also der Gelehrsamkeit und in der formalexperimentellen Virtuosität gesehen. Das sind für mich allerdings wirklich ästhetizistische Merkmale par excellence. Wenn der "Ulysses" realistisch sein soll, dann allenfalls hyperrealistisch, was man zB gut am 17. Kapitel erkennt, wo bestimmte Wahrnehmungen und Sachverhalte in einem Detailreichtum beschrieben werden, die in dieser Wucht keinen kognitiven Filter passieren könnten.


    Sprachlich blitzt abseits der hermetischen Passagen unbestritten immer wieder Joyces Meisterschaft auf, der Anfang des 16. Kapitels ist etwa auf eine Weise konzise, die ihresgleichen sucht. Auch der Humor kommt nicht zu kurz, da gibt es etwa den schottisch sprechenden Antichrist in Kapitel 15 oder die zum Teil sehr lustigen Frage-Antwort-Sequenzen im 17. Kapitel.


    Der philosophische Mehrwert wird vom Ballast der hermetischen Passagen hingegen weitgehend erdrückt, wobei ich vor allem die Gespräche im ersten (Turm), siebten (Zeitungsredaktion) und neunten Kapitel (Bibliothek) gerne etwas besser verstanden hätte. Ich bin sicherlich niemand, der von einem Text vor allem anderen leichte Durchschaubarkeit fordert, aber gerade belletristische Texte sind für mich genau in dem Maße interessant, in dem sie - im weiten Sinne - philosophische Sachverhalte narrativ darzustellen in der Lage sind. Dafür sind auch formale Experimente nötig, aber für mein Empfinden in einem etwas verdaulicheren Verhältnis zur eigentlichen Narration als beim "Ulysses". Dass der "Ulysses" überhaupt kein narrativer Text sei, habe ich dabei auch gelesen, doch der Text selbst nimmt auf sich als "narration" Bezug - eine hermeneutische Zwickmühle.


    Zusätzlich wird das Verständnis durch die unheimliche Masse an Personal erschwert, das im seltensten Fall auch nur einigermaßen Kontur gewinnt. Auch hier habe ich den Eindruck, dass der Anspielungsreichtum (angeblich soll man ja ganz viele Personen aus dem gesellschaftlichen Leben Dublins im "Ulysses" mehr oder weniger verfremdet wiederfinden) wichtiger war als eine künstlerische Konturierung der Figuren. Ich empfinde das ganz klar als Mangel.


    Dennoch kann ich von der Lektüre nicht eigentlich abraten, vor allem, da die letzten Kapitel doch phasenweise gut zu lesen sind und noch einmal einiges an Ordnung in die Geschichte bringen. Eine Zweitlektüre gibt es sicherlich einmal, aber nur noch mit einem annotierten Text, der mir die politischen und historischen Hintergründe aufschlüsselt. Beim ersten Lesen blieb bei mir vor allem der starke Akzent auf allem, was mit (institutionalisierter) Sexualität zu tun hat, hängen. Und das mit den Darstellungen der "Odyssee" zu vergleichen, wäre sicherlich nicht das unspannendste, was man mit diesem Text anstellen könnte.


    Ob man unbedingt die "Odyssee" aus dem ff kennen muss, weiß ich nicht. Ich kenne sie nicht sehr gut, aber manche Bezüge waren auch mir überdeutlich, dabei eher auf einer motivischen Ebene, was ich weniger interessant finde, wenn es nicht für die Narration funktionalisiert wird, andere waren hingegen kaum zu erkennen. Gäbe es nicht in jedem Lexikon eine Auflistung der Parallelen zwischen den Episoden in der "Odyssee" und dem "Ulysses", ich hätte sicherlich oft gar nichts gemerkt.

  • Hallo Bartlebooth,


    im Rahmen der Leserunde hier im Forum habe ich vor einigen Wochen auch den Ulysses gelesen, meine Eindrücke sind also noch recht frisch.


    Die einzige begleitende Lektüre, die ich hatte, war der Wikipediaartikel, der mir teilweise auch sehr geholfen hat. Gerade bei meinen rudimentären Kentnissen der Odyssee wäre mir sonst viel entgangen. Sollte ich ihn nochmal lesen (was ich vor habe, dann aber in kleineren Häppchen und nicht mehr am Stück) werde ich mir wohl Ulysses annotated von Don Grifford anschaffen, welches mir schon von mehreren Seiten empfohlen wurde.


    Für mich war Ulysses das erste Buch, von dem ich sagen würde, der Autor erwartet zu viel von seinem Leser und stellenweise kam es mir so vor, als hätte Joyce es für sich selbst geschrieben. Ich kann mir nicht vorstellen, dass irgendjemand ausser ihm selbst alle Anspielungen versteht. Er hat wohl auch einmal gesagt, die Literaturwissenschaftler würden hundert Jahre brauchen, um alle Rätsel entschlüsselt zu haben, die er darin versteckt hat. So etwas nimmt mir, als absoluten Durchschnittsleser mit keinerlei akademischer Bildung, einfach die Freude an einem Buch. Wenn ich nicht wenigstens in irischer Geschichte und Politik einigermaßen große Vorkentnisse gehabt hätte, wären mir wohl 80 % dieses Romans unverständlich geblieben.


    Als ich das Buch beendet hatte, war ich in meinem Urteil ziemlich gespalten. Die Idee dahinter ist brilliant, ebenso über weite Strecken Joyce Sprache. Ich fand es auch größtenteils gut lesbar, der Humor hat mir gefallen, und trotzdem... ich glaube, mir war das Werk im Ganzen einfach zu viel: Zu viele Personen, zu viele verschiedene Stile, zu viele Gedankenströme. Den Rest gab mir dann das letzte Kapitel, in dem ich mich über Molly's imaginäres Geschwätz und Joyce' ordinär-dümmliche Darstellung dieser Frau (im krassen Gegensatz zu den vorher doch überwiegend intellektuellen Männern) einfach nur noch ärgern musste.


    Zitat

    Auch der Humor kommt nicht zu kurz, da gibt es etwa den schottisch sprechenden Antichrist in Kapitel 15


    Danke für den Hinweis, das ist mir in meiner dt. Übersetzung gar nicht aufgefallen, ich werde aber nochmal nach der Stelle suchen.

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    Ich habe mich gestern dann doch entschlossen, Ulysses nach 380 Seiten abzubrechen. Wie es den Weg auf praktisch jeden Literaturkanon geschafft hat, ist mir ein Rätsel, das sich für mich wohl auch nicht mehr lüften wird. Auch, womit es einen Bezeichnung wie 'Roman des Jahrhunderts' verdient hat, ist mir gänzlich unverständlich.


    Aber ich gehe einmal davon aus, dass so viele Literaturwissenschaftler und Kritiker wohl nicht vollkommen übergeschnappt sind und einen Haufen Schund auch als solchen erkennen würden und schiebe meine mangelnde Begeisterungsfähigkeit bezüglich dieses Werkes auf meinen fehlenden Verstand oder unzureichende Bildung.


    Mich hat dieses Buch einfach nur von Anfang an genervt. Ich hätte es wirklich gerne zu Ende gelesen (um zu einem vollständigen Urteil fähig zu sein), aber die Lektüre hat mir einfach jeglichen Spaß am Lesen genommen. Die Sprache und den Stil fand ich einfach fürchterlich und ich konnte auch der Idee nicht wirklich viel abgewinnen. Ich habe vor Ulysses extra noch die Odyssee gelesen und einmal davon abgesehen, dass ich es unmöglich finde, dass Joyce diese Blättersammlung mit diesem Titel versieht, hatte ich beim Lesen derselben hundertmal, nein, milliardenmal mehr Spaß!
    Wie bitte konnte sich dieser Roman so lange halten? Wahrscheinlich ist er einfach für Menschen eines Bildungsniveaus geschrieben, das ich niemals erreichen werde.




    mondpilz




    PS: Was bitte ist so schlimm an Anführungszeichen?!

    Einmal editiert, zuletzt von mondpilz ()

  • Hi mondpilz!


    Ich habe gerade letztes Wochenende mit einem Bekannten über Ulysses diskutiert (er hat es gelesen, ich nicht). Er hat das Werk zunächst auch einfach nur gelesen und kam damit überhaupt nicht zurecht. Dann hat er sich irgendwann eine kommentierte Ausgabe besorgt und es nochmal gelesen: Einen Abschnitt lesen, die Kommentare dazu lesen und dann den Abschnitt nochmals lesen. Er meinte, dass er das Buch so gut verstanden hat und auch geniessen konnte.


    Wahrscheinlich ist das der einzige Weg, mit diesem sperrigen Ding fertig zu werden. Aber man darf sich schon fragen, was an einem Buch genial sein soll, wenn man es nur mit umfangreichen Erklärungen verstehen kann. Mir haben die Dinge, die ich über Ulysses gehört habe, jedenfalls schon im Voraus jede Lust genommen, es jemals zu lesen. Deine Rezi hat mich darin nur bestärkt.
    Es kann aber durchaus sein, dass ich in zehn oder zwanzig Jahren anders darüber denke und dann werde ich mich an den Rat des Kollegen halten und gleich zur kommentierten Ausgabe greifen...


    Lieber Gruss


    Alfa Romea

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.


  • Aber man darf sich schon fragen, was an einem Buch genial sein soll, wenn man es nur mit umfangreichen Erklärungen verstehen kann.


    Genialität bedeutet ja häufig, dass jemand etwas vollkommen neues erschaffen hat. Das gilt wohl ebenso für die Relativitätstheorie, die sich auch nicht ohne weiteres erschließt, wie für dieses Buch. Mir selber ist es auch ein paar Stufen zu komplex, deswegen würde ihm aber die Genialität nicht von vornherein absprechen. Ich kenne wissenschaftliche Arbeiten, die selbst manche Fachleute als schwer verständlich abtun würden, ich hingegen als Schüler einer bestimmten Richtung kann in diesen Arbeiten sogar eine gewisse "Eleganz" entdecken (um das Wort Genialität hier nicht übermäßig zu beanspruchen). Warum soll das bei literarischen Werken nicht ähnlich sein?


    Ein geniales Buch muss zudem nicht "schön" sein. Ich als Leser bin aber nur an den schönen Büchern interessiert, nicht an den genialen. Auch Faulkners Schall und Wahn fällt bei mir in die gleiche Kategorie.


    Gruß, Thomas

  • Wahrscheinlich ist das der einzige Weg, mit diesem sperrigen Ding fertig zu werden. Aber man darf sich schon fragen, was an einem Buch genial sein soll, wenn man es nur mit umfangreichen Erklärungen verstehen kann.


    Einspruch, Euer Ehren! Ich habe den Ulysses mit 17 oder 18 gelesen. Auf Englisch. Weder mein Englisch noch meine Kenntnisse in irischer Geschichte oder griechischer Mythologie, weder meine literaturwissenschaftlichen, noch meine philosophischen Kenntnisse waren zu jener Zeit von nennenswerter Grösse. Es gab Passagen, über denen ich eingenickt bin, ja. Es gab aber auch ungeheuer poetische Stellen, Witziges und Sprachspielereien, die mich entzückten. Ich glaube eher, Ulysses erfordert eine gewisse Freude am Komplexen. (Nicht am Durchschauen oder Analysieren des Komplexen - einfach am Komplexen. ;)) Ich habe seither das Buch einige Male wieder gelesen. Immer ohne Anmerkungen und Erklärungen. Einfach mit der Freude am Komplexen.


    (Was mich nicht daran hindert, das Buch als allzu konstruiert zu empfinden, als dass es auf immer und ewig in der Liste der Texte der Weltliteratur bleiben wird. Dann schon eher Portrait of the Artist as a Young Man ;).)

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)


  • Genialität bedeutet ja häufig, dass jemand etwas vollkommen neues erschaffen hat. Das gilt wohl ebenso für die Relativitätstheorie, die sich auch nicht ohne weiteres erschließt, wie für dieses Buch.


    Gut, einverstanden. :smile:


    sandhofer:
    Es freut mich ja, dass du zu denen gehörst, die mit dem Ulysses gut auskommen. Aber ich glaube, du bist da eher eine Ausnahme :zwinker:


    Aber was quatsch ich hier mit, ich habe das Buch ja gar nicht gelesen und möchte das in absehbarer Zeit auch nicht tun :smile:

    Wer anderen folgt, wird nie zuerst ankommen.

  • Hallo mondpilz,


    mir erging es ähnlich wie Dir. Ich tat mich sehr schwer mit dem Buch, und hätte ich es alleine gelesen, wäre ich über die ersten 50 - 60 Seiten auch nicht hinausgekommen. So las ich es aber in einer Leserunde und konnte mir von den anderen Denkanstöße oder Interpretationen holen, die das Interesse wach hielten.


    Der Großteil des Buches war verwirrend und anstrengend, doch es gab auch Passagen, die einfach schön zu lesen waren. Ich glaube allerdings, dass man den Ulysses besser genießen kann, wenn man gewisse Kenntnisse der Themen oder Techniken hat, die darin zur Sprache kommen bzw. angewendet werden.


    Dass keine Anführungszeichen verwendet wurde, war eigentlich das kleinste Problem :zwinker:.


    Grüße
    Doris

  • Aber was quatsch ich hier mit, ich habe das Buch ja gar nicht gelesen und möchte das in absehbarer Zeit auch nicht tun :smile:


    Das neue Buch von Prof. Bayard belegt schlüssig, dass man durchaus auch über Bücher sprechen kann, die man nicht gelesen hat. Also nur keine falsche Bescheidenheit.


    Gruß, Thomas

  • Im Beiwort zu meiner Ausgabe von Wolfgang Koeppens Tauben im Gras wird ja als eines der Vorbilder und damit als ein weiterer Großstadtroman Ulysses genannt. Das trifft meine Einstellung zu dem Ding doch ziemlich genau.


    Ulysses lesen, ist, als wenn man durch eine fremde Stadt spaziert. Man hört Geräusche und Gesprächsfetzen. Einiges kann man identifizieren oder verstehen, bei anderem muss man näher hingucken, um zu kapieren - und einiges entzieht sich dem Fremden. Es ist spannend, da man nie sicher ist, ob sich die zwei hinter einem nun übers letzte Fussballspiel ihres Vereins unterhalten oder darüber, wer dir als erster den Totschläger übern Schädel ziehen soll. Spannung pur.


    Vielleicht muss man, um Bücher wie Ulysses ästimieren zu können, ein Großstadtmensch sein? Bereit, ohne Karte nachts in die City zu marschieren und in einer verrauchten Kneipe eingeklemmt zwischen zwei Zuhältern sein Bier zu kippen? :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Zitat

    Vielleicht muss man, um Bücher wie Ulysses ästimieren zu können, ein Großstadtmensch sein? Bereit, ohne Karte nachts in die City zu marschieren und in einer verrauchten Kneipe eingeklemmt zwischen zwei Zuhältern sein Bier zu kippen?


    Muss man nicht :breitgrins: Man kann einfach die Komplexität geniessen, die Kreativität und das Gefühl, dass man nicht immer alles vollständig verstehen muss, um etwas bewundern zu können, die Einmaligkeit, den Mut und die Frechheit anerkennen und das Buch als Kunstwerk betrachten, dem man auf die Spur kommen kann.


    Gruß von Steffi

  • Steffi: sehr treffend formuliert. Zum einfachen Durchlesen sind solche Werke aber meistens weniger geeignet. Mir ergeht es ja auch mit dem Werk Arno Schmidts so. Verstehe dort nur wenig, aber fasziniert bin ich jedes Mal von seinen Wortungeheuern. Bei Joyce bin ich aber wohl etwas verbrannt, da habe ich möglicherweise in zu jugendlichem Alter zu diesem Werk gegriffen. Verspüre da keine Lust mehr, wieder reinzuschauen.


    Gruß, Thomas

  • Muss man nicht :breitgrins: Man kann einfach die Komplexität geniessen, die Kreativität und das Gefühl, dass man nicht immer alles vollständig verstehen muss, um etwas bewundern zu können, [...]


    Also doch ein Großstadtmensch ... :breitgrins: :breitgrins: :breitgrins:

    Wo nehme ich nur all die Zeit her, so viel nicht zu lesen. (Karl Kraus)

  • Letzte Woche kam ein Gespräch zwischen einigen Arbeitskollegen auf unlesbare Bücher, wobei Ulysses natürlich nicht fehlen durfte. Der Kollege, der es anführte, ist nie über die ersten Seiten hinweg gekommen, in seinem Freundeskreis läge der "Rekord" bei Seite 18. Übermütig wie ich manchmal bin, musste ich diese indirekte Herausforderung natürlich annehmen ... und komme nun endlich dazu, mir ein eigenes Bild von diesem Werk zu machen. Die Ausgabe, die er mir geliehen hat, ist leider unkommentiert, aber ich habe schon die hier stattgefundene Leserunde zum Buch entdeckt. Ich werde euch auf dem Laufenden halten. ;)


    Viele Grüße
    Breña

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Ja, das hab ich auch noch daheim im Regal stehn und zwar in der Ausgabe:

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    Nachdem ich noch nie reingeschaut habe, weiß ich weder wie es geschrieben ist, noch ob meine Ausgabe irgendeine Form von Kommentar enthält. Mit Sicherheit ist es aber einfacher als Finnegans Wake, das ist unlesbar (im klassischen Sinne). Man darf sich aber durch Aussagen von anderen nicht abschrecken lassen, mir wurde auch bei Umberto Ecos Foucaultschem Pendel gesagt es sei so schlimm und man findet keinen Einstieg. Ich fand es aber ziemlich spannend.


    Und ja, ich erkenne auch bei mir diesen Drang indirekte Herausforderungen anzunehmen. :breitgrins: Beginnst du gleich mit der Lektüre? Weil wenn du das Ding erst einmal auf deinen SUB packst, dann könnten wir ev. eine Mini-Leserunde machen. :zwinker: Aber ich bin im Moment total eingedeckt und ein richtiges Ende ist auch noch nicht in Sicht, also wenn du jetzt richtig motiviert bist, dann möchte ich dich nicht zu einer ev. längeren Wartezeit überreden...

    ... this is nat language at any sinse of the world.<br />:lesen: Gustave Flaubert: Madame Bovary&nbsp; &nbsp; &nbsp; &nbsp; :buecherstapel: [url=https://literaturschock.de/literaturforum/forum/index.php?thread/16631

  • Hallo!


    Mit Sicherheit ist es aber einfacher als Finnegans Wake, das ist unlesbar (im klassischen Sinne).


    Das kann ich aus Erfahrung bestätigen. Ulysses hat mir nach anfänglichen Schwierigkeiten sehr gut gefallen,bei Finnegans Wake habe ich mich bis zum Schluß gequält.


    Liebe Grüße
    Kirsten

    Into the water I go to lose my mind and find my soul.


  • Beginnst du gleich mit der Lektüre?


    All zu lange möchte ich nicht warten, weil tatsächlich gerade die Motivation groß ist und ich meinem Kollegen meine Fortschritte gerne taufrisch unter die Nase reiben möchte. ;) Allerdings habe ich auch noch andere Lesebaustellen offen und werde wahrscheinlich in kleinen Schritten vorwärts tapsen, vielleicht kannst Du Dich später anschließen? Ich würde mich freuen!


    Meine Übersetzung ist von Georg Goyert von 1956, die Ausgabe die unten verlinkte dtv-Ausgabe von 1966. Ich befürchte, dass dies die Lesbarkeit nicht unbedingt erhöhen wird, aber das wird sich zeigen.


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    Ulysses hat mir nach anfänglichen Schwierigkeiten sehr gut gefallen,


    Anfängliche Schwierigkeiten? Wie lange dauerte dieser anfängliche Zustand an? ;) Ich sollte tatsächlich einfach mal anfangen, vorher stehen aber noch andere Dinge an.

    "Natürlich kann man sein ohne zu lesen, ohne Bücher, aber ich nicht, ich nicht." J. L. Borges

  • Tja der gute Ulysses... ein Projekt das ich irgendwann auch nochmal in Ruhe in Angriff nehmen möchte. Versucht habe ich es ja schon, dann aber schnell gemerkt das ich einfach nicht die Muße hatte vernünftig dran zu bleiben und mich eingehend damit zu beschäftigen. In meiner Ausgabe liegt das Lesezeichen sogar noch an der Stelle an der ich aufgehört hatte, allerdings würde ich hier natürlich wieder von Anfang an beginnen und mir dazu wohl auch ein paar Lektürehilfe holen. Mal sehen. Dieses Jahr wirds definitiv nix mehr - Silvester wäre ja schön :breitgrins: ;) Mal sehen vor habe ich es auf jeden Fall mal zu lesen.

  • Ich hasse dieses Buch. :grmpf:


    Ich glaub, ich hab so in etwa die Hälfte gelesen, teils Deutsch, teils Englisch und ich komme damit einfach nicht klar. Das Buch gibt mir immer das Gefühl, extrem dumm zu sein.

    &quot;This was another of our fears: that Life wouldn&#039;t turn out to be like Literature&quot; (Julian Barnes - The Sense of an Ending)