Ingvar Ambjörnsen - Blutsbrüder (Elling 3)

"Blutsbrüder" ist nach "Ausblick auf das Paradies" und "Ententanz" der 3. Teil der "Elling"-Tetralogie.

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Inhalt:

Elling und sein Freund Kjell Bjarne gelten als soweit geheilt, dass man sie in eine betreute Wohnung in Oslo einziehen lässt. Diese Männer-WG ist, wie man sich denken kann, etwas besonderes. Beide müssen lernen, sich im Alltag zurecht zu finden. Dies gelingt Kjell Bjarne besser als Elling - zumal er bald unter unglücklichen Umständen im Hausflur Reidun Nordsletten kennenlernt, die unübersehbar schwanger und verzweifelt ist. Während Elling ängstlich keinen Kontakt mit ihr haben will, stolpert Kjell Bjarne in die Liebe seines Lebens.
Und nun schlägt Ellings Stunde - aus Eifersucht und Trotz traut er sich hinaus in die Welt! Widerwillig und schüchtern zwar, aber er findet bald Halt bei einem alternden Poeten, von dem er sich verstanden fühlt.

Meine Meinung:

Das Buch ist wunderbar! Es gehört definitiv zu meinen Jahresfavoriten! Wer eine herzerwärmende Geschichte über eine aus der Not geborene Freundschaft lesen möchte, ist hier richtig bedient. Elling und Kjell Bjarne hatten beide eine gestörte Kindheit unter deren Nachwirkungen sie noch immer zu leiden haben. Sie haben vor vielen alltäglichen Situationen Angst und empfinden die Welt als bedrohlich. Besonders Elling reagiert häufig vollkommen überzogen und hysterisch, während Kjell Bjarne sich in sich selbst zurückzieht.

Elling ist der Ich-Erzähler, der über seine und Kjell Bjarnes erste Schritte im „echten Leben“ berichtet. Natürlich ergeben sich daraus abstruse Situationen über die man selbst nur schmunzeln würde. Doch Ambjörnsen schildert alle Episoden sehr rührend und immer um die Würde seiner Hauptfiguren bemüht.

Im ersten Drittel des Buches verspürt Elling seine Berufung zum Poeten und weil es so typisch für Ellings Gedankengänge ist, werde ich einen kurzen Abschnitt zitieren.

Zitat von "S. 80"

Ich wollte einfach versuchen, zum Hanswurst zu werden. Ja, ich fühlte mich schon wie ein Hanswurst. Wie ein tückischer Wildfang. Nicht wie ein schnöder brutaler Tropf, natürlich, nicht wie ein durchschnittlicher Schrotkugeldesperado oder so ähnlich. Nein, wie eine frank-und-freie Natur, wie einer, der ein reimloses Gedicht auf die Restaurantrechnung kritzelt, damit die Kellnerin Stoff zum Nachdenken hat. Ehe er wieder aus dem Lokal stolpert, um wieder aus dem Kelch des Lebens zu trinken. Sonne und Wind, tanzende Pollen und milden Sommerwind in sich aufzusaugen. In all den Jahren war ich eine Knospe gewesen, aber jetzt war Schluss damit! Irgendeine Dichterin hat gesagt, dass es weh tut, wenn die Knospen bersten. Das glaubte ich nicht. Genauer gesagt, ich wusste, dass es nicht so war. Ich wusste, es tat weh Knospe zu sein. Sich zu entfalten dagegen…

Katalysator dieser Entwicklung ist Kjell Bjarnes knospende Beziehung zu der Nachbarin Reidun Nordsletten. Elling gibt sich betont lässig, kann es aber z. B. nicht vermeiden, "mit den Händen hinter den Ohren und offenem Mund" ihren Unterhaltungen an der Haustür zu lauschen. Im Laufe der Handlung werden beide selbständiger und treffen auf neue Menschen, lernen sich im Alltag zu behaupten (z.B. Telefonate zu führen, ins Kino oder Lokal zu gehen, einkaufen...) und müssen sich zudem mit einer schwangeren Frau "herumschlagen"...

Gerade solche Sätze machen die Geschichte berührend und besonders. Es entstehen sehr klare Bilder im Kopf und es bleibt dennoch genug Freiraum für eigene Vorstellungen.

Mein Lieblingsband der Reihe!

Ja, über den Film bin ich überhaupt erst auf die Bücher gekommen. Der erste "Elling"-Film beinhaltet eigentlich hauptsächlich diesen Band. Der zweite die Geschehnisse aus "Ententanz".

Ich mochte beide Filme, aber der erste ist der bessere. Band 4 (Lieb mich morgen) - in dem Elling sich verliebt - werde ich im Februar lesen. Darauf freue ich mich schon. Rezension folgt dann natürlich!

Dir gefällt die Reihe bestimmt. Viel Spaß beim Entdecken.

Zitat von Kringel

Jepp, Teil 3 ist auch mein Favorit. Ich nehme aber an, dass Ambjörnsen der Meinung war, Ellings Krankheit zu sehr verharmlost zu haben. In Teil 4 schlägt er dann nämlich wieder eine ganz andere Gangart an, wie ich schon im Thread zu "Ausblick auf das Paradies" erwähnte.

Huch, ich dachte, es ginge jetzt so weiter wie in "Blutsbrüder". Dass Elling sich gefangen hat und mit Kjell Bjarne, Alfons und Reidun etwas Boden unter den Füßen behält. Aber ehrlich gesagt, wäre das auch zu schön gewesen. Bei Ellings Charakter wenig wahrscheinlich. Danke für die Vorwarnung! Nächsten Monat werde ich "Lieb mich morgen" definitiv lesen (es muss nämlich bald zurück in die Bibliothek) und dann schreibe ich hier natürlich meine Eindrücke nieder.